BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 33/22

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Vermögensverfall bei ausschließlich als Strafverteidiger tätigem Rechtsanwalt

Gesetze: § 14 Abs 2 Nr 7 BRAO

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Hamm Az: 1 AGH 16/22 Urteil

Gründe

I.

1Der Kläger ist seit dem Jahr 1998 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

2Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

31. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

4Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 19/22, juris Rn. 12 mwN). Diese Voraussetzungen sind vom Antragsteller darzulegen. Zur schlüssigen Darlegung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie zu ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 82/13, juris Rn. 24 mwN).

5Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

6a) Der Kläger führt zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung an, dass sein Vortrag, durch seine ausschließliche Tätigkeit als Strafverteidiger sei eine Gefährdung der Rechtsuchenden im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ausgeschlossen, nicht ausreichend und rechtlich nicht zutreffend gewürdigt worden sei.

7Da er seit 24 ½ Jahren ausschließlich als Strafverteidiger tätig sei und seine Arbeitsweise sowie die seines Büros auf die Bearbeitung zivilrechtlicher Mandate überhaupt nicht eingerichtet seien, handele es sich bei seiner rein strafrechtlichen Berufsausübung nicht nur um eine selbst auferlegte, sondern um eine faktische Beschränkung. Die fiktive Annahme eines lukrativen zivilrechtlichen Mandats (zur Lösung eigener finanzieller Probleme) sei bei einer derartigen Spezialisierung völlig aus der Luft gegriffen, zumal die zivilrechtlichen Gebühren nicht erheblich über den Pflichtverteidigergebühren in Umfangstrafsachen lägen. Damit greife auch der Schutzzweck des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, der Gefährdung von Mandantengeldern durch Gläubigerpfändungen der Anwaltskonten zu begegnen, nicht. Die Verwendung von Fremdgeldern zur Lösung eigener finanzieller Probleme wäre zudem schlicht kriminell, was ihm nicht einfach unterstellt werden könne. Außerdem arbeite er seit Jahren in einer inhaltlich eng verbundenen Strafverteidigerbürogemeinschaft, bei der aufgrund der wechselseitigen Kontrolle die plötzliche Annahme fachfremder Mandate ausgeschlossen sei.

8Letztlich sei der Widerruf seiner Zulassung auch nicht verhältnismäßig, weil das anwaltliche Berufsrecht auch eine teilweise Untersagung des Tätigwerdens (§ 43a Abs. 4, §§ 45, 46c Abs. 2 BRAO) kenne und er bereit sei, dem Kammervorstand über seine ausschließlich strafrechtliche Tätigkeit Rechenschaft abzulegen.

9b) Grundsätzlicher Klärungsbedarf ist damit nicht dargetan. Der Kläger wendet sich vielmehr gegen die Rechtsanwendung durch den Anwaltsgerichtshof in seinem konkreten Einzelfall, ohne aufzuzeigen, dass damit allgemein klärungsbedürftige Rechtsfragen verbunden wären. Das ist auch nicht der Fall. Die vom Kläger angesprochenen Fragen sind höchstrichterlich bereits grundsätzlich geklärt. Weiterer Klärungsbedarf ist auch nach dem Vorbringen des Klägers nicht gegeben.

10aa) Die Grundsätze für die Beurteilung, ob eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 BRAO verneint werden kann, sind in der Rechtsprechung des Senats geklärt.

11Danach ist - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat - nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (vgl. etwa Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7; vom - AnwZ (Brfg) 3/19, ZInsO 2019, 1368 Rn. 6; vom - AnwZ (Brfg) 29/21, ZInsO 2022, 86 Rn. 11; vom - AnwZ (Brfg) 27/21, juris Rn. 15; vom - AnwZ (Brfg) 19/22, juris Rn. 7 und vom - AnwZ (Brfg) 17/22, ZInsO 2022, 2682 Rn. 12; jeweils mwN). Von einem solchen Ausnahmefall kann nur ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass sich im zu entscheidenden Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlichen abgesicherten Maßnahme verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7; vom - AnwZ (Brfg) 3/19, ZInsO 2019, 1368 Rn. 7; vom - AnwZ (Brfg) 29/21, ZInsO 2022, 86 Rn. 11; vom - AnwZ (Brfg) 27/21, juris Rn. 15; vom - AnwZ (Brfg) 19/22, juris Rn. 7 und vom - AnwZ (Brfg) 17/22, ZInsO 2022, 2682 Rn. 12; jeweils mwN).

12Anhand dieser Grundsätze lässt sich auch beurteilen, ob unter den vom Kläger genannten Umständen im Einzelfall eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgeschlossen werden kann. Einer weiteren Grundsatzentscheidung bedarf es danach nicht.

13bb) Keine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits ergibt sich auch aus den Einwänden des Klägers gegen die Verhältnismäßigkeit des umfassenden Widerrufs seiner Zulassung.

14Soweit der Kläger mit seinem Hinweis auf die in der Bundesrechtsanwaltsordnung geregelten Tätigkeits- und Vertretungsverbote (§ 43a Abs. 4, §§ 45, 46c Abs. 2 BRAO) sowie auf die Möglichkeit einer aufsichtsrechtlichen Kontrolle seiner ausschließlich strafrechtlichen Tätigkeit geltend machen will, dass in seinem Fall ein teilweiser Widerruf seiner Zulassung (etwa für den Bereich des Zivilrechts) bzw. eine Beschränkung seiner Zulassung (auf den Bereich des Strafrechts) ausreichend gewesen wäre, um dem Schutzzweck des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu genügen, hat der Senat bereits entschieden, dass ein solcher Teilwiderruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom Gesetz nicht vorgesehen ist und der gesetzlich verankerten Stellung des Rechtsanwalts widerspricht ( AnwZ (Brfg) 45/14, juris Rn. 20 ff.; siehe auch Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 BRAO Rn. 16a). Mit dieser gesetzlich bestimmten Stellung des Rechtsanwalts ist eine hoheitliche Beschränkung seiner Tätigkeit im Sinne einer Teilzulassung zur Rechtsanwaltschaft oder eines Teilwiderrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht vereinbar. Vielmehr ist es die eigene Entscheidung des Rechtsanwalts, ob und inwieweit er von seiner grundsätzlich uneingeschränkten Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und der daraus folgenden umfassenden Befugnis zur Rechtsberatung Gebrauch machen oder sich beruflichen Selbstbeschränkungen unterwerfen will ( AnwZ (Brfg) 45/14, juris Rn. 23 f.). Das Vorbringen des Klägers gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

15Ob die beruflichen Selbstbeschränkungen des Rechtsanwalts im Einzelfall ausreichen, um eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch seinen Vermögensverfall hinreichend auszuschließen, und vor diesem Hintergrund der umfassende Widerruf seiner Zulassung nicht geboten ist, ist nicht allgemein klärungsfähig, sondern auf der Grundlage der oben dargelegten Grundsätze der Senatsrechtsprechung nach den konkreten Umständen des jeweiligen Falles zu beurteilen.

162. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

17Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 44/19, juris Rn. 3 mwN). Daran fehlt es. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.

18Der Anwaltsgerichtshof hat die oben dargelegten Grundsätze der Rechtsprechung des Senats zu § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt und ausgehend davon in einer einzelfallbezogenen Gesamtwürdigung der Umstände keine Ausnahme von der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall angenommen.

19Diese Gesamtwürdigung des Anwaltsgerichtshofs und deren Ergebnis stellt das Vorbringen des Klägers in seinem Zulassungsantrag nicht ernstlich in Frage: Der Anwaltsgerichtshof hat die ausschließliche Tätigkeit des Klägers als Strafverteidiger und seine Einbindung in eine anwaltliche Bürogemeinschaft ebenso berücksichtigt wie seine langjährige beanstandungsfreie Tätigkeit und seine wiederholte Erklärung, die Annahme von Mandantengeldern sei für ihn ausgeschlossen. Der Anwaltsgerichtshof hat jedoch maßgeblich darauf abgestellt, dass der Kläger in der Bürogemeinschaft (weiterhin) eigenverantwortlich tätig sei nach eigenen Angaben über ein eigenes Konto verfüge, auf das nur er Zugriff habe, und - abgesehen von der Vereinbarung, dass seine Kollegen (nur) in Fällen, in denen er in Untervollmacht für sie auftrete, zum Einbehalt seiner Kostenbeteiligung vor Auszahlung der Gebühren an ihn berechtigt seien - keine weiteren bestehenden und eingehaltenen Vorkehrungen durch (arbeits-) vertragliche Beschränkungen der Befugnisse des Klägers als angestellter Anwalt vorgetragen oder sonst ersichtlich seien. Dass der Anwaltsgerichtshof vor diesem Hintergrund die persönliche Erklärung des Klägers, die Annahme von Mandantengeldern sei für ihn ausgeschlossen, als subjektive Selbsteinschätzung gewertet hat, die nach den obigen Grundsätzen der Senatsrechtsprechung keine tragfähige Grundlage für einen hinreichenden Ausschluss der Gefährdung von Mandanteninteressen darstelle, ist nicht zu beanstanden.

20Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand des Klägers, die Übernahme von zivilrechtlichen Mandaten sei durch seine jahrelang gewachsene ausschließlich strafrechtliche Berufsausübung und durch die wechselseitige Kontrolle in seiner Bürogemeinschaft bereits faktisch ausgeschlossen. Auch danach besteht weder eine den Anforderungen der Senatsrechtsprechung genügende rechtliche Absicherung dagegen, dass der Kläger mit Mandantengeldern in Berührung kommt, noch eine effektive Überwachung seiner Tätigkeit durch die anderen Berufsträger, durch die eine - möglicherweise auch nur ausnahmsweise - Hereinnahme von Zahlungen durch den Kläger sicher ausgeschlossen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom - AnwZ (B) 73/04, NJW-RR 2006, 859, 860 und vom - AnwZ (B) 75/06, AnwBl. 2008, 66, 67). Die vom Kläger angebotene Rechenschaftslegung gegenüber dem Vorstand der Beklagten über seine ausschließlich strafrechtliche Tätigkeit reicht dafür ersichtlich nicht aus.

213. Schließlich ist auch ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler des Anwaltsgerichtshofs (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) weder dargetan noch ersichtlich.

22Sollte der Einwand des Klägers, sein Vortrag zum Ausschluss einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch seine ausschließliche Tätigkeit als Strafverteidiger sei nicht ausreichend gewürdigt worden, als Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu verstehen sein, wäre diese jedenfalls nicht begründet. Wie oben dargelegt hat der Anwaltsgerichtshof bei seiner Entscheidung, ob aufgrund der konkreten Umstände eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausnahmsweise zu verneinen ist, kein entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers übergangen oder in seinem Kern verkannt.

234. Andere Zulassungsgründe im Sinne von § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

III.

24Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:110523BANWZ.BRFG.33.22.0

Fundstelle(n):
DStR-Aktuell 2023 S. 16 Nr. 29
YAAAJ-43609