Wert der Beschwer bei Anspruch einer Bank auf Unterlassung von Betrugsvorwürfen gegen Bankkunden
Leitsatz
Zur Bemessung des Werts der Beschwer des zur Unterlassung ansehensbeeinträchtigender Äußerungen verurteilten Beklagten.
Gesetze: § 3 ZPO, § 544 Abs 2 Nr 1 ZPO
Instanzenzug: Az: 3 U 3741/21vorgehend LG Regensburg Az: 45 O 1629/20
Gründe
I.
1Die klagende C...bank begehrt vom Beklagten die Unterlassung ansehensbeeinträchtigender Äußerungen in Bezug auf ihre geschäftliche Tätigkeit. Die Klägerin hatte mit Wirkung zum das Filialgeschäft sowie die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Kundenbeziehungen und Konten der vormaligen S-Bank übernommen. Bis vor kurzem unterhielt sie eine Filiale in T.
2Der Beklagte war Kunde der S-Bank. Anfang der 1990er Jahre tätigte er dort zwei Festgeldanlagen in Höhe von 38.000 DM und 100.000 DM. Die genannten Beträge wurden im Jahr 1992 an eine Bank in Luxemburg transferiert. Im Januar 1993 erfolgte ein Rücktransfer in Höhe von 38.132,70 DM und im Januar 1994 in Höhe von 96.484,26 DM. In der Annahme, dass bei der Klägerin als Nachfolgerin der S-Bank noch eine Festgeldanlage bestehen würde, begab sich der Beklagte Ende des Jahres 2014 zur Filiale der Klägerin in T., um sein vermeintliches Guthaben abzuheben. Dabei wurde ihm mitgeteilt, dass bei der Klägerin eine solche Festgeldanlage nicht bekannt sei bzw. nicht bestehen würde. Nachdem diverse Nachforschungen des Beklagten erfolglos geblieben waren, erstattete er Anzeige wegen Betruges bei der Staatsanwaltschaft. Das dort geführte Vorermittlungsverfahren wurde eingestellt.
3Mit Schreiben vom wandte sich der Beklagte an den Vorstand der Klägerin und bezichtigte diesen sowie weitere Angestellte der Klägerin des Betruges. Zugleich verbreitete der Beklagte die Betrugsvorwürfe gegen die Klägerin und deren Mitarbeiter über sein Facebook-Profil. Auch auf seiner Homepage veröffentlichte der Beklagte entsprechende Vorwürfe sowie die Behauptung, die Klägerin sei als Nachfolgerin der S-Bank für den Verlust der Festgeldanlage verantwortlich.
4Im Sommer 2020 stellte der Beklagte entlang einer öffentlichen Straße mehrere für die Öffentlichkeit sichtbare und die vollständigen Namen der Beteiligten enthaltende Plakate mit folgender Aufschrift auf:
5Hierüber wurde auch in den lokalen Medien berichtet.
6Das Landgericht hat den Beklagten zur Unterlassung der Behauptungen verurteilt,
7- die C...bank AG und/oder Mitarbeiter der C...bank AG hätten einen (Banken-) Betrug begangen,
8- die C...bank AG und/oder Mitarbeiter der C...bank AG seien für einen (Banken-) Betrug verantwortlich,
9- die C...bank AG und/oder Mitarbeiter der C...bank AG seien für das Verschwinden einer Festgeldanlage verantwortlich, die bei der S-Bank für den Beklagten bestanden habe.
10Es hat den Beklagten darüber hinaus dazu verurteilt, es zu unterlassen, das oben beschriebene Plakat zu verbreiten und/oder öffentlich zur Schau zu stellen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten durch Beschluss zurückgewiesen und den Streitwert insoweit auf 15.000 € festgesetzt. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt der Beklagte die Zulassung der Revision, um seinen Antrag auf Klageabweisung weiter zu verfolgen.
II.
11Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) übersteigt 20.000 € nicht.
121. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung des angefochtenen Urteils. Wendet sich die beklagte Partei mit der Revision gegen eine in den Vorinstanzen zu ihren Lasten titulierte Unterlassungspflicht, so richtet sich der Wert der Beschwer nach ihrem gemäß § 3 ZPO zu bemessenden Interesse an der Beseitigung dieser Verpflichtung (vgl. , MMR 2016, 413 Rn. 6 mwN). Maßgeblich ist, in welchem Maße sich das ausgesprochene Verbot zu ihrem Nachteil auswirkt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - I ZR 142/11, juris Rn. 6; vom - I ZR 172/12, juris Rn. 7). Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden; an eine Festsetzung durch das Berufungsgericht ist es nicht gebunden. Der Beschwerdeführer hat innerhalb der Begründungsfrist darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der Wert der Beschwer den Betrag von 20.000 € übersteigt (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZR 319/21, zVb mwN).
13Der nach dem Interesse des zur Unterlassung ansehensbeeinträchtigender Äußerungen verurteilten Beklagten an einer Beseitigung der Verurteilung zu bemessende Wert der Beschwer entspricht zwar nicht notwendigerweise dem nach dem Interesse der klagenden Partei an dieser Verurteilung zu bemessenden Streitwert. Letzterer gibt aber regelmäßig eine gewisse Orientierung (vgl. , MMR 2016, 413 Rn. 7 mwN). Denn das Interesse des Klägers an einer solchen Unterlassung ist pauschalierend unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Stellung des Verletzers und des Verletzten sowie von Art, Umfang und Gefährlichkeit der Verletzungshandlung zu bewerten (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VI ZB 17/16, VersR 2016, 1459 Rn. 7 ff.; vom - VI ZB 58/20, VersR 2022, 456 Rn. 8 mwN; , MMR 2016, 413 Rn. 7 mwN; Nordemann-Schiffel in Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 8. Auflage, Anhang I, V. Streitwerte im Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Presse- und Persönlichkeitsrecht Rn. 16 f.).
142. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht.
15a) Das Berufungsgericht hat den Streitwert für das Unterlassungsbegehren unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls zutreffend auf 15.000 € festgesetzt. Gegen diese Bewertung wendet sich die Beschwerde nicht. Sie hat ausdrücklich erklärt, dass die Festsetzung des Streitwerts für das Unterlassungsbegehren auf 15.000 € nicht zu beanstanden sei.
16b) Die Beschwerde hat nicht aufgezeigt, dass das Interesse des Beklagten, das Unterlassungsgebot nicht befolgen zu müssen - also weiterhin behaupten zu dürfen, die Klägerin oder ihre Mitarbeiter hätten einen Betrug begangen und seien für das Verschwinden einer Festgeldanlage verantwortlich - höher zu bewerten ist als das Interesse der Klägerin an einer Unterlassung dieser Äußerungen. Entgegen der Auffassung des Beklagten bestimmt sich seine Beschwer nicht nach der Höhe der von ihm behaupteten Geldforderungen gegen die Klägerin. Denn diese sind nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der Beklagte nimmt die Klägerin insbesondere weder auf Auskunft zu dem Verbleib seiner vermeintlichen Guthaben noch auf deren Rückzahlung noch auf Feststellung einer Rückzahlungsverpflichtung in Anspruch. Streitgegenständlich ist vielmehr allein die Frage, ob der Beklagte die von der Klägerin beanstandeten und ihr Unternehmerpersönlichkeitsrecht sowie ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigenden Vorwürfe erheben und verbreiten durfte.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:250423BVIZR111.22.0
Fundstelle(n):
WAAAJ-43601