Auch dienstpostenähnliche Konstrukte dienen der Aufgabenerfüllung
Leitsatz
Die Versetzung auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt (unter Nutzung einer Planstelle "zur besonderen Verwendung") setzt voraus, dass der Soldat für die Erfüllung dienstlicher Aufgaben, die bei der betreffenden Einheit oder Dienststelle anfallen, grundsätzlich geeignet ist.
Gesetze: § 22 S 1 SG, § 22 S 2 SG, § 17 Abs 6 WBO
Tatbestand
1Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine Versetzung.
2Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des ... 2026. Zuletzt wurde er am ... 2016 zum Stabsfeldwebel befördert. Er war seit August 2019 mit einer voraussichtlichen Verwendungsdauer bis auf einem Dienstposten als ...feldwebel ... beim ... in L./I. verwendet. Der Antragsteller ist verheiratet und hat aus dieser Ehe eine 2011 geborene Tochter. Der gemeldete Wohnsitz der Familie befindet sich nahe C./I.
3Dem Antragsteller wird vorgeworfen, am der ... Abteilung seiner Dienststelle bewusst und willentlich eine falsche Impfbescheinigung, die von einer zivilen Apotheke am ausgestellt worden sei, vorgelegt zu haben, um den Dienstherrn über den Impfstatus hinsichtlich einer Auffrischungsimpfung gegen COVID-19 zu täuschen. Die falsche Impfbescheinigung habe er zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem willentlich und in der Absicht, den Dienstherrn damit zu täuschen, entweder selbst hergestellt oder von einem Dritten, der sie ohne Berechtigung hergestellt habe, erworben.
4Wegen dieser Vorwürfe hat der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers am gegen den Antragsteller ein Verbot der Ausübung des Dienstes nach § 22 SG ausgesprochen und den Antragsteller bis auf Weiteres aus seiner sicherheitsempfindlichen Tätigkeit herausgelöst. Mit E-Mail vom hat die Staatsanwaltschaft Hof mitgeteilt, dass gegen den Antragsteller ein Verfahren wegen Urkundenfälschung eingeleitet worden sei (Az. 3470 Js 4257/22). Der Kommandeur des ... hat mit Einleitungs- und Aussetzungsverfügung vom gegen den Antragsteller gemäß §§ 93, 94 WDO ein gerichtliches Disziplinarverfahren eingeleitet und dieses gleichzeitig gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 WDO im Hinblick auf das sachgleiche Strafverfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss ausgesetzt.
5Im Juni 2022 beantragte der nächste Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers dessen vorzeitige Versetzung von seinem Dienstposten. Unter dem kündigte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr daraufhin die Absicht an, den Antragsteller zum auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt bei der ...staffel ... in S. (...) zu versetzen. In einer Stellungnahme vom erklärte der Antragsteller, dass er damit nicht einverstanden sei und auf seine sechsmonatige Schutzfrist nicht verzichte. Er verwies darauf, dass weder ihm noch seinem Rechtsanwalt die Eröffnung eines Strafbefehls durch die Staatsanwaltschaft oder eines truppendienstlichen Verfahrens durch die Wehrdisziplinaranwaltschaft vorliege. Seit August 2022 sei er außerdem krankgeschrieben und nicht dienstfähig. Seit 22 Jahren sei I. nicht nur sein dienstlicher, sondern auch sein privater Lebensmittelpunkt. Seine Tochter gehe dort zur Schule. Die kurzfristige Wegversetzung, noch dazu ohne offizielle zivile oder truppendienstliche Verfahrenseinleitung, sei ihm unverständlich.
6Mit Verfügung Nr. 2200445625 vom versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antragsteller zum mit Dienstantritt am auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt bei der ...staffel ... in S. Mit 1. Korrektur vom wurde der Dienstantritt auf den geändert.
7Unter dem erhob der Antragsteller Beschwerde gegen seine Versetzung und beantragte die Aussetzung der Vollziehung bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens. Ergänzend führte er aus, dass er nach Schließung des Standorts D./I. mit seiner Familie nach Si. umgezogen sei. Wegen eines familiären Notfalls sei seine Ehefrau mit der Tochter im September 2020 wieder zu ihren Eltern nach Sa. zurückgekehrt. Durch die günstigen Flug- bzw. Bootsverbindungen zwischen Si. und Sa. könne diese Fernbeziehung in erträglicher Form geführt werden. Eine Wochenendrückkehr von D. aus sei ihm jedoch weder zeitlich noch finanziell möglich.
8Mit 2. Korrektur vom wurde die voraussichtliche Verwendungsdauer, die zunächst auf den lautete, auf den verkürzt. Mit 3. Korrektur vom wurde die Versetzungsverfügung ein weiteres Mal dahingehend geändert, dass der Antragsteller nunmehr auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt bei der ...staffel ... beim ... Zug ... in Sc. (...) mit Dienstantritt am versetzt wurde.
9Mit Schreiben vom erhob der Antragsteller erneut Beschwerde gegen die kurzfristige Wegversetzung von seinem Dienstposten in I. und wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.
10Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom stellte der Antragsteller den hier gegenständlichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Versetzung. Er erklärte, dass er seinen Dienst bislang unbescholten, beanstandungsfrei und tadellos geleistet habe, und nicht verstehen könne, dass auf der Grundlage vager Behauptungen eine ad-hoc-Versetzung durchgeführt werde, die sämtliche Fürsorgemaßnahmen außer Acht lasse. Er bestreite, dass er gefälschte Unterlagen vorgelegt habe. Auch sei es nicht verhältnismäßig, dass er so dringend nach D. versetzt worden sei, um dann bei Dienstantritt zu erfahren, dass das gegen ihn verhängte Dienstausübungsverbot weiter bestehe und er die Kaserne gar nicht betreten dürfe. Die Versetzung könne deshalb nur als schikanös bezeichnet werden. Seine Wegversetzung sei auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil die ihm zustehende Schutzfrist von sechs Monaten nicht beachtet worden sei. Außerdem habe er schwerwiegende persönliche Gründe gegen die Versetzung vorgebracht. Er lebe seit über 20 Jahren mit seiner Familie in I., zunächst gemeinsam auf Sa., jetzt geteilt zwischen Sa. und dem Dienstort auf Si. Seine Wegversetzung nach D. führe dazu, dass er seine Familie aus zeitlichen und wirtschaftlichen Gründen allenfalls einmal im Quartal besuchen könne. Ein Umzug nach D. komme wegen der schulischen Bindung der Tochter in I. nicht in Betracht.
11Der Antragsteller beantragt zuletzt,
die aufschiebende Wirkung der mit Schreiben vom erhobenen Wehrbeschwerde gegen die Versetzungsverfügung der Antragsgegnerin vom auf einen Dienstposten in Sc. anzuordnen.
12Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
13Die Beschwerde vom gegen die Verfügung in der Fassung der 1. Korrektur sei durch die weiteren Korrekturen gegenstandslos geworden. Bezogen auf die Verfügung in der Fassung der 3. Korrektur habe der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz keinen Erfolg, weil die Versetzung weder rechtswidrig sei noch dem Antragsteller schwere, nicht wiedergutzumachende Nachteile drohten. Ein dienstliches Erfordernis für die Versetzung liege gemäß Nr. 205 Buchst. f und Buchst. g der Allgemeinen Regelung A-1420/37 vor. Der Antragsteller habe sich durch das ihm vorgeworfene Verhalten als ungeeignet für eine weitere Verwendung auf seinem Dienstposten in I. erwiesen. Zur Eignung zählten neben der fachlichen Qualifikation auch die charakterliche Eignung und persönliche Integrität. Der Dienstherr erwarte ein besonders vorbildliches Verhalten bei einer Tätigkeit im Ausland. Der Soldat versehe dort nicht nur seine Dienstpflichten, sondern sei stets auch Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland. Es komme nicht darauf an, ob ein nicht rechtstreues Verhalten des Antragstellers den ausländischen Behörden oder der dortigen Bevölkerung bekannt geworden sei oder nicht; es könne nicht abgewartet werden, dass durch das Bekanntwerden ein zwischenstaatliches Vertrauensverhältnis gestört werde. Ein rechtstreues und tadelfreies Verhalten sei deshalb Eignungsvoraussetzung für eine Verwendung in einer Auslandsdienststelle. Ein diesbezüglicher Eignungsmangel könne nur durch die vorzeitige Versetzung behoben werden. Daran änderten auch ansonsten gute dienstliche Leistungen nichts. Außerdem liege ein dienstliches Erfordernis für die Versetzung vor, weil der Antragsteller durch den dringenden Verdacht der ihm zur Last gelegten Dienstvergehen nicht mehr das Vertrauen seiner Vorgesetzten besitze. Das zeige sich auch an dem sofort verhängten Verbot der Ausübung des Dienstes und der Herauslösung aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit. Die sechsmonatige Schutzfrist gelte nicht für den Fall der Nichteignung eines Soldaten. Dem Antragsteller drohten auch keine schwerwiegenden, irreparablen Nachteile. Insbesondere sei die Rückversetzung nach D. auch unter Fürsorgegesichtspunkten nicht zu beanstanden. Nach seinem eigenen Vortrag versehe der Antragsteller ohnehin Dienst getrennt von seiner Familie. Da er jedenfalls im laufenden Schuljahr ein Umzugshindernis geltend machen könne, werde ihm Trennungsgeld, auch in Form von Reisebeihilfen für Familienheimfahrten, sowie Sonderurlaub gewährt.
14Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Gründe
15Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat Erfolg.
161. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom gegen die Versetzungsverfügung Nr. 2200445625 des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom (i. d. F. der 3. Korrektur vom ) anzuordnen, ist, nachdem das Bundesministerium der Verteidigung Abhilfe verweigert und damit der Sache nach den Antrag nach § 3 Abs. 2 WBO vom abgelehnt hat, gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 und 3 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) zulässig (vgl. zuletzt 1 W-VR 23.22 - Rn. 27).
172. Der Antrag ist auch begründet.
18Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor den persönlichen Belangen des Soldaten eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden (stRspr, vgl. z. B. 1 WDS-VR 3.14 - juris Rn. 22 m. w. N.).
19Bei summarischer Prüfung bestehen gegen die Versetzungsverfügung des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom (i. d. F. der 3. Korrektur vom ) durchgreifende rechtliche Bedenken.
20a) Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung oder auf eine Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Verwaltungsvorschriften festgelegten Maßgaben und Verfahrensregeln eingehalten sind (vgl. 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27>), wie sie sich hier insbesondere aus der Allgemeinen Regelung (AR) A-1420/37 zur "Versetzung, Dienstpostenwechsel und Kommandierung von Soldatinnen und Soldaten" ergeben.
21b) Nach diesen Maßstäben stellt sich die angefochtene Versetzungsverfügung bei summarischer Prüfung als in der Sache rechtswidrig dar.
22aa) Dem Bundesministerium der Verteidigung ist zwar im Ausgangspunkt darin zu folgen, dass ein dienstliches Erfordernis für eine Versetzung gemäß Nr. 204 Buchst. a i. V. m. Nr. 205 Buchst. f und g AR A-1420/37 gegeben ist. Für die Versetzung nach diesen Bestimmungen war auch keine Schutzfrist von sechs Monaten einzuhalten (Nr. 226 Satz 6 Buchst. e AR A-1420/37).
23Gemäß Nr. 205 Buchst. g AR A-1420/37 liegt ein dienstliches Erfordernis regelmäßig vor, wenn Störungen, Spannungen und/oder Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, nur durch Versetzung der Soldatin bzw. des Soldaten behoben werden können. Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, können sich dabei nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur aus einem feststehenden Dienstvergehen, sondern grundsätzlich auch schon aus dem Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung durch einen Soldaten ergeben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WDS-VR 6.12, 1 WDS-VR 7.12 - juris Rn. 39 m. w. N. und vom - 1 WDS-VR 9.20 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 104 Rn. 27); erst recht gilt dies für den Verdacht einer Straftat. Hierfür genügen allerdings nicht beliebige anhaltslose Beschuldigungen. Erforderlich ist - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein hinreichendes Maß an Konkretheit des Verdachts sowie ein hinreichendes Gewicht des Dienstvergehens, auf das sich der Verdacht bezieht (vgl. 1 WB 18.14 - juris Rn. 38 m. w. N.).
24Von einem solchen hinreichenden Verdacht durfte die personalbearbeitende Stelle vorliegend ausgehen. Zwar bestreitet der Antragsteller die ihm vorgeworfenen Delikte des Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses (§ 279 StGB) und der Urkundenfälschung (§ 267 StGB); auch ist nach Aktenlage das eingeleitete Strafverfahren mehr als ein Jahr nach Einleitung noch nicht abgeschlossen und das sachgleiche Disziplinarverfahren bis zur Beendigung des Strafverfahrens ausgesetzt. Dass der Verdacht einer - schwerwiegenden - Straftat jedenfalls nicht haltlos erhoben ist, sondern sich auf eine hinreichend substantiierte Grundlage stützt, ergibt sich jedoch daraus, dass die Authentizität der von dem Antragsteller verwendeten Impfbescheinigung durch die als Aussteller angegebene Apotheke in Abrede gestellt wurde.
25Im Hinblick auf die besonderen Anforderungen des Auslandsdienstpostens, den der Antragsteller beim ... innehatte, durfte auch ein Eignungsmangel im Sinne der Nr. 205 Buchst. f AR A-1420/37 angenommen werden (vgl. zum Folgenden BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WDS-VR 2.19 - juris Rn. 24 und vom - 1 WDS-VR 9.20 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 104 Rn. 28). Zur Eignung eines Soldaten gehört neben der fachlichen Kompetenz auch die persönliche Integrität. Namentlich im Falle einer Verwendung bei einer integrierten Dienststelle im Ausland muss ein Soldat Gewähr dafür bieten, dass er den Erwartungen an einen Repräsentanten der deutschen Streitkräfte gegenüber dem gastgebenden Land und den Soldaten anderer Streitkräfte genügt. Zur Eignung eines Soldaten für einen Auslandsdienstposten gehören Fähigkeit und Willen, durch sein Verhalten auch Gefahren für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland und der Angehörigen ihrer Streitkräfte auszuschließen. Dieser Anforderung wird nicht gerecht, wer durch schuldhafte Pflichtverletzungen den Anlass für disziplinarische Ermittlungen setzt und damit zugleich die Gefahr der Kenntnisnahme Dritter begründet.
26bb) Das - mit dem Bestehen eines dienstlichen Erfordernisses eröffnete - Versetzungsermessen ist jedoch fehlerhaft ausgeübt, wenn der Antragsteller von einem Dienstposten, für den er sich nicht (mehr) eignet, auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt bei einer Einheit versetzt wird, bei der es für ihn ebenfalls keine geeignete Verwendung gibt.
27Nach den Erklärungen des Bundesministeriums der Verteidigung setzt ein Einsatz des Antragstellers an seiner neuen Dienststelle eine aufgrund gültiger erweiterter Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) erteilte Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen voraus. Diese sei dem Antragsteller sowohl in seiner früheren als auch in seiner neuen Dienststelle durch den zuständigen Sicherheitsbeauftragten wegen der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe entzogen worden. Ohne erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) gebe es für den Antragsteller an der neuen Dienststelle keine für ihn geeignete Tätigkeit.
28Auch eine Versetzung, die nicht auf einen Dienstposten mit abgegrenztem Aufgaben- und Tätigkeitsbereich (Nr. 1.2 der Zentralen Dienstvorschrift <ZDv> A-1360/4 bzw. Nr. 104 AR A-1360/3), sondern auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt erfolgt, ist grundsätzlich an die Erfüllung von dienstlichen Aufgaben gebunden. Der Einsatz auf einer Planstelle "zur besonderen Verwendung" (z. b. V.) stellt keine "Leerbuchung" dar, sondern bedeutet die "Erfüllung von Aufgaben außerhalb eingerichteter Dienstposten" (Nr. 2.1.2 ZDv A-1360/4 bzw. Nr. 2.1.1 Anlage 8.1 zu AR A-1360/3). Die Versetzung auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt bei einer Einheit oder Dienststelle setzt deshalb voraus, dass der Soldat für die Erfüllung von bei dieser Einheit oder Dienststelle anfallenden Aufgaben grundsätzlich geeignet ist. Ist ein Soldat - wie hier der Antragsteller - dafür schlechterdings ungeeignet, so kommt eine derartige Versetzung nicht in Betracht. Etwas anderes mag für eine kurze Zwischenphase bis zu einer absehbaren Weiterversetzung auf einen etatisierten Dienstposten gelten. Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht, weil der Antragsteller unter Zusage der Umzugskostenvergütung und damit mit einer längerfristigen Perspektive versetzt wurde.
29Das Erfordernis der Eignung für die vorgesehene Verwendung kann im Übrigen auch nicht deshalb außer Betracht bleiben, weil mit der Entfernung des Antragstellers aus dem Dienstverhältnis zu rechnen wäre. Ungeachtet der erheblichen Schwere des in Rede stehenden Dienstvergehens, geht wohl auch die Einleitungsbehörde davon aus, dass im gerichtlichen Disziplinarverfahren im Falle eines Schuldspruchs voraussichtlich nicht auf die Höchstmaßnahme erkannt wird, weil sie sonst von der Möglichkeit der Einbehaltung von Dienstbezügen (§ 126 Abs. 2 WDO) Gebrauch gemacht hätte.
30cc) Die angefochtene Versetzung zu einer Einheit, bei der es für ihn keine geeignete Tätigkeit gibt, wird schließlich auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Antragsteller wegen des gegen ihn unter dem ausgesprochenen Verbots der Ausübung des Dienstes nach § 22 Satz 1 SG ohnehin keinen Dienst leisten darf.
31Dieses Verbot wurde bisher nicht aufgehoben und gilt gemäß § 22 Satz 2 SG fort, weil gegen den Antragsteller binnen drei Monaten, nämlich noch im März 2022, ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Auch die nach Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens eröffnete Möglichkeit einer vorläufigen Dienstenthebung nach § 126 Abs. 1 Satz 1 WDO macht das Verbot der Dienstausübung nach § 22 Satz 1 SG nicht rechtswidrig ( 1 WRB 2.21 - BVerwGE 174, 94 Rn. 16 ff.).
32Sofern es der Personalführung - mit Blick auf das Verbot der Dienstausübung vom - nicht um einen Einsatz des Antragstellers zur Aufgabenerfüllung, sondern allein darum gegangen sein sollte, ihn für die Dauer des laufenden Straf- und Disziplinarverfahrens - auf Kosten des Steuerzahlers - vom Dienst freizustellen, so ist hierfür allerdings, wie der Antragsteller zu Recht einwendet, eine Versetzung ins Inland nicht erforderlich. Die Nichtausübung des Dienstes kann auf jedem Dienstposten und jedem dienstpostenähnlichen Konstrukt gleichermaßen erfolgen. So war der Antragsteller bis zu seinem Dienstantritt in Sc. bereits rund acht Monate lang in I. vom Dienst suspendiert. Eine Wegversetzung des Antragstellers von seiner Familie, die aus nachvollziehbaren Gründen vorerst in I. verbleiben möchte, alleine zu dem Zweck, in D. keinen Dienst auszuüben (und ausüben zu dürfen), lässt keinen positiven, mit der Versetzung verfolgten Zweck erkennen und ist deshalb - und auch unter dem Blickwinkel des Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) - ermessensfehlerhaft.
333. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:170423B1WVR29.22.0
Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 10 Nr. 25
NAAAJ-42700