Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks in wegen der Höhe anzusetzender Grundbesitzwerte vorläufig ergangenen Schenkungsteuerbescheiden
spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem die Grundlagenbescheide über die Feststellung der Grundbesitzwerte bestandskräftig geworden
sind
sachliche und zeitliche Grenzen der Ungewissheit im Sinne des § 165 AO
Leitsatz
1. Sind im Sinne des § 165 AO ungewisse Besteuerungsgrundlagen ausnahmsweise in einem eigenständigen Verfahren gesondert festzustellen
(§ 157 Abs. 2 AO, §§ 179 ff. AO), so kann auch die gesonderte Feststellung durch die Finanzbehörde vorläufig erfolgen. Unabhängig
davon, ob im Fall ungewisser, aber gesondert festzustellender Besteuerungsgrundlagen der (rechtswirksam ergangene) Grundlagenbescheid
(§ 171 Abs. 10 AO) insoweit vorläufig erfolgt oder nicht, besteht dann für eine Vorläufigkeitserklärung des die Steuer festsetzenden
Folgebescheides kein Bedürfnis.
2. Bezieht sich die Ungewissheit im Sinne des § 165 AO auf Besteuerungsgrundlagen, für die eine gesonderte Feststellung (§
179 Abs. 1 AO) in Betracht kommt, so besteht diesbezüglich für eine vorläufige Festsetzung der Steuer nur so lange ein Bedarf,
als die gesonderte Feststellung noch nicht (rechtswirksam) erfolgt ist. Das gleiche gilt, falls noch ungeklärt ist, ob die
Voraussetzungen für die gesonderte Feststellung dieser Besteuerungsgrundlagen überhaupt vorliegen. Spätestens ab dem Zeitpunkt,
ab dem zweifelsfrei gesondert festzustellende und mit einer Ungewissheit im Sinne des § 165 AO behaftete Besteuerungsgrundlagen
durch Feststellungsbescheide verbindlich geregelt werden, verliert eine diesbezüglich erfolgte vorläufige Steuerfestsetzung
ihre eigenständige Bedeutung.
3. Sind Schenkungsteuerbescheide hinsichtlich der Höhe anzusetzender Grundbesitzwerte nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig
ergangen, so ist das Finanzamt spätestens ab dem Zeitpunkt, ab dem die Feststellungsbescheide betreffend alle streitigen Grundbesitzwerte
sowie ein ebenfalls von der Feststellung von Grundbesitzwerten abhängiger Feststellungsbescheid des Werts des Anteils einer
KG bestandskräftig geworden sind, zur Aufhebung der Vorläufigkeit verpflichtet.
4. Bei der Vorläufigkeit handelt es sich nicht um einen eigenständigen Verwaltungsakt, sondern lediglich um eine unselbständige
Nebenbestimmung, die deshalb nicht selbständig angefochten werden kann. Allerdings können sich bei Anfechtung des Steuerbescheides
die durch die Klage erhobenen Einwendungen auf die Beseitigung der Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung beschränken.
5. Die Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung im Sinne des § 165 AO muss in einem sachlichen Zusammenhang mit einer Ungewissheit
über den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt oder über die Rechtsgültigkeit einer anzuwendenden Rechtsnorm stehen, wobei
die Vorläufigkeit auf alle Besteuerungsfolgen ausgedehnt werden kann, die noch in einem Zusammenhang mit der Ungewissheit
stehen.
6. Erfolgt die vorläufige Steuerfestsetzung wegen einer Ungewissheit über den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt, so ist
sie nur im Hinblick auf ungewisse Tatsachen und nicht im Hinblick auf die steuerrechtliche Beurteilung dieser Tatsachen zulässig.
Die vorläufige Steuerfestsetzung ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn es sich bei der Ungewissheit um vorübergehende Aufklärungshindernisse
über verwirklichte Umstände handelt. Stehen der Sachaufklärung von Besteuerungsgrundlagen durch die Finanzbehörde dauernde
Hindernisse entgegen, so hat sie diese – soweit möglich – im Schätzungswege zu ermitteln. Die vorläufige Festsetzung der Steuer
ist der Finanzbehörde im Fall dauernder Aufklärungshindernisse jedenfalls verwehrt.
Fundstelle(n): ErbStB 2023 S. 233 Nr. 8 SAAAJ-42652
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