Qualifikationstatbestand des schweren Raubes bei einer Bedrohung mit einer Luftpumpe nach Art eines Gewehres
Gesetze: § 249 Abs 1 StGB, § 250 Abs 1 Nr 1 Buchst b StGB
Instanzenzug: LG Essen Az: 32 KLs 17/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.
3a) Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte am Abend des der Geschädigten ihre Handtasche wegnehmen, um sich Wertgegenstände und Bargeld zu verschaffen. Ihre Tasche hatte die Geschädigte, die sich in Gesellschaft von zwei Freunden rauchend vor dem Eingangsbereich einer Gaststätte befand, neben sich auf einem Tisch abgestellt. Um an die Handtasche zu gelangen, fasste der Angeklagte den Entschluss, die Geschädigte und ihre Begleiter zu bedrohen, indem er ihnen eine Luftpumpe nach Art eines Gewehres (Langwaffe) vorhielt. Er wollte dadurch erreichen, dass sie in der Annahme, es handele sich um eine Schusswaffe, aus Angst um ihre Gesundheit keinen Widerstand leisten und seinen Forderungen nachkommen würden. In Umsetzung seines Tatplans hielt er die Luftpumpe mit ausgezogenem Kolben und mit auf Brusthöhe angehobenen Armen vor sich und trat so auf die Geschädigte zu. Er hielt ihr die Luftpumpe im Abstand von 20 bis 30 Zentimetern vor das Gesicht und forderte sie auf hineinzugehen. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, erkannten weder die Geschädigte noch ihre Begleiter die Luftpumpe als eine solche. Vielmehr besorgten sie den Einsatz einer Schusswaffe und liefen daher in das Lokal. Der Angeklagte nahm die zurückgelassene Handtasche an sich und verließ die Örtlichkeit. Bevor er sich der Tasche entledigte, entnahm er ihr das Portemonnaie der Geschädigten, um es nebst Inhalt wie u. a. Bargeld zu behalten.
4b) Damit ist ein schwerer Raub festgestellt. Insbesondere begegnet die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB verwirklicht, keinen rechtlichen Bedenken.
5aa) Die Vorschrift erfasst grundsätzlich alle bewusst gebrauchsbereit mitgeführten Gegenstände, die als Mittel zur Überwindung des Widerstands des Tatopfers mittels Gewalt oder Drohung geeignet sind, also auch sogenannte Scheinwaffen, d. h. Gegenstände, die objektiv ungefährlich sind und deren Verletzungstauglichkeit nur vorgetäuscht wird (vgl. BT-Drucks. 13/9064, S. 18; Rn. 6; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 250 Rn. 10, § 244 Rn. 26). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind allerdings vom Anwendungsbereich des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB aufgrund einer einschränkenden Auslegung solche Gegenstände auszunehmen, die für einen objektiven Beobachter schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet sind, mit ihnen – etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder in ähnlicher Weise – auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken (vgl. Rn. 7; Urteil vom – 4 StR 394/06 Rn. 7 f.; jeweils mwN; s. zu § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB aF Rn. 6; Beschluss vom – 4 StR 147/96 Rn. 5; Urteil vom – 5 StR 477/91, BGHSt 38, 116 ff.).
6bb) Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die vom Angeklagten verwendete Luftpumpe war auch für einen objektiven Beobachter nicht offenkundig ungefährlich. Insbesondere durch ihren Einsatz als Schlagwerkzeug gegen empfindliche Körperstellen hätte mit ihr erheblich auf den Körper eines anderen eingewirkt werden können (vgl. auch Rn. 8, zu einem Schlüssel). Der Gegenstand war „seiner Art nach“ (vgl. , BGHSt 24, 339, 341) dazu geeignet, von dem Opfer als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Damit steht die vom Täter zugleich beabsichtigte Täuschung des Tatopfers hinsichtlich der von dem mitgeführten Gegenstand ausgehenden Drohwirkung – hier: als vermeintliche Schusswaffe – nicht derart im Vordergrund, dass die Anwendung von § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB den (Wort-)Sinn des Gesetzes verfehlen würde (vgl. , BGHSt 38, 116, 119). Denn eine Täuschung des Opfers wird bei dem Gebrauch jeder „Scheinwaffe“ im Hinblick auf deren objektive Ungefährlichkeit angestrebt.
72. Auch die Nachprüfung des Strafausspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:280323B4STR61.23.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-42526