Tarifvertragliche Mehrarbeitszuschläge
Gesetze: § 1 TVG, § 611a Abs 1 S 1 BGB
Instanzenzug: Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen Az: 2 Ca 236/20 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 9 Sa 15/21 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über tarifliche Mehrarbeitszuschläge.
2Der Kläger war vom bis zum bei der Beklagten, die Mitglied im Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) ist, als Werkfeuerwehrmann beschäftigt. Im streitgegenständlichen Zeitraum war er im Testzentrum eines Automobilunternehmens in I eingesetzt, sein Bruttostundenlohn belief sich auf 19,81 Euro. Die Beklagte zog den Kläger monatlich zu mindestens 13 24-Stunden-Schichten heran. Der Arbeitsvertrag des Klägers regelte ua.:
3Der zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e. V. (BDWS) und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene, im Streitraum für allgemeinverbindlich erklärte Mantelergänzungstarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Baden-Württemberg vom (iF METV) bestimmt ua.:
4Der zwischen dem BDSW und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen am abgeschlossene Mantelrahmentarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland (iF MRTV) regelt ua.:
5Die Tarifvertragsparteien des METV vereinbarten am einen Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in Baden-Württemberg (iF LTV), in welchem weder bei der Stundenlohnhöhe noch bei den Zeitzuschlägen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit zwischen Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst differenziert wird.
6Die Beklagte zahlte an den Kläger Mehrarbeitszuschläge ab der 313. Stunde. Dieser leistete im Jahr 2020 im Februar 342 Stunden, im März 365 Stunden und im April 288 Stunden. Mit Schreiben vom , das der Beklagten am zuging, forderte der Kläger - erfolglos - Mehrarbeitszuschläge ab der 209. Stunde.
7Mit seiner der Beklagten am zugestellten Klage hat der Kläger - soweit für die Revision von Bedeutung - die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen iHv. 4,95 Euro brutto pro Stunde für die ab der 209. Stunde je Monat geleisteten Arbeitsstunden in der Zeit von Februar bis April 2020 verlangt. Er hat gemeint, seine monatliche Regelarbeitszeit betrage 208 Stunden. Die Anordnung der Bereitschaftsdienste habe eine räumliche Aufenthaltsbeschränkung beinhaltet. Während der „Ruhezeiten“ habe die Beklagte ihn mehrfach zur Arbeitsleistung herangezogen.
8Der Kläger hat - soweit für die Revision relevant - zuletzt sinngemäß beantragt,
9Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, Mehrarbeitszuschläge seien erst ab der 313. Stunde zu zahlen. Ruhezeiten ab dieser Stundenzahl seien nicht mit Mehrarbeitszuschlägen zu vergüten, weil es sich nicht um „geleistete“ Arbeitszeit handele. In diesen Zeiträumen habe der Kläger regelmäßig nicht gearbeitet.
10Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von jeweils 57,33 Euro brutto nebst Zinsen für die Monate Februar und März 2020 verurteilt, die Klage im Übrigen aber abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verlangt der Kläger weitere Mehrarbeitszuschläge für die Zeit von Februar bis April 2020, die Beklagte verfolgt ihren Antrag auf Klageabweisung insgesamt weiter.
Gründe
11Die Revisionen der Parteien sind nur teilweise begründet. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers zu Recht Mehrarbeitszuschläge ab der 289. Stunde pro Monat zugesprochen, allerdings unterliegt das Berufungsurteil einem Rechenfehler. Der Kläger hat Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge iHv. jeweils 118,80 Euro brutto für die Monate Februar und März 2020. Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht Zinsen ab dem zugesprochen. Der Zinsbeginn ist - geringfügig - auf den Tag danach zu korrigieren. Insoweit ist die Revision der Beklagten begründet.
12I. Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge iHv. jeweils 118,80 Euro brutto für die Monate Februar und März 2020 aus § 2 Ziff. 1 Satz 4 METV.
131. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fand der für allgemeinverbindlich erklärte METV Anwendung. Der fachliche und räumliche Geltungsbereich des METV ist eröffnet, weil die Beklagte einen Betrieb des Sicherheitsgewerbes betreibt und der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts als Werkfeuerwehrmann in I beschäftigt wurde. Aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung vom (BAnz. AT B9) erfassen die Rechtsnormen des METV sowohl den Kläger als auch die Beklagte unabhängig von einer Tarifgebundenheit (§ 5 Abs. 4 TVG).
142. Nach § 2 Ziff. 1 Satz 4 METV ist für jede geleistete zuschlagspflichtige Mehrarbeitsstunde ein Zuschlag von 25 % zum Stundenlohn zu gewähren. Mehrarbeit iSv. § 2 Ziff. 1 Satz 1 METV liegt im Werkfeuerwehrdienst ab der 289. Stunde im Monat vor. Dies folgt aus der Auslegung der tariflichen Regelungen (vgl. zu den für die Auslegung von Tarifverträgen nach st. Rspr. anzuwendenden allgemeinen Auslegungsgrundsätzen - Rn. 19).
15a) Die für die Zuschlagspflicht maßgebliche Mehrarbeit ist nach § 2 Ziff. 1 Satz 1 METV jede über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit (§ 6 Ziff. 1.1 MRTV) hinaus geleistete Arbeit.
16b) Bei der Auslegung des § 2 Ziff. 1 Satz 1 METV ist § 6 Ziff. 1.1 MRTV zu berücksichtigen, auch wenn die Regelungen anderer Tarifwerke grundsätzlich nicht zur Auslegung eines Tarifvertrags herangezogen werden können, weil die Tarifvertragsparteien die Regelungsmaterien für den von ihnen bestimmten Geltungsbereich inhaltlich autonom festlegen (vgl. - Rn. 23). Für ihre Entscheidung, wie sich die regelmäßige Arbeitszeit bestimmt, kann es unterschiedliche Beweggründe geben, die mit Wertungen in anderen Tarifwerken nicht im Zusammenhang stehen müssen. Die beiden im Streitfall relevanten Tarifverträge - METV und MRTV - wurden auf Seiten der Gewerkschaften auch nicht von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen (vgl. - Rn. 37; zur Möglichkeit einer Auslegung von Tarifverträgen, die von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen wurden - Rn. 18 mwN). Jedoch haben die Tarifvertragsparteien des METV in der Regelung des § 2 Ziff. 1 Satz 1 METV die Tarifnorm des § 6 Ziff. 1.1 MRTV ausdrücklich in Bezug genommen. Diese soll für die Bestimmung der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit maßgeblich sein, um bei ihrer Überschreitung das Vorliegen von Mehrarbeit feststellen zu können.
17c) Aus der Tarifsystematik folgt, dass die monatliche Regelarbeitszeit im Werkfeuerwehrdienst 288 Arbeitsstunden beträgt. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
18aa) Nach § 6 Ziff. 1.1 Satz 1 und Satz 2 MRTV soll die regelmäßige tägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten, etwaige Überschreitungen auf bis zu zehn Stunden sind innerhalb von zwölf Kalendermonaten auszugleichen. § 6 Ziff. 1.1 Satz 3 MRTV enthält jedoch eine Sonderregelung für den Fall, dass Arbeitsbereitschaft regelmäßig und in erheblichem Umfang in die Arbeitszeit fällt. Dann ist keine regelmäßige tägliche Arbeitszeit vorgesehen, sondern das Überschreiten von zehn Stunden täglich ohne Ausgleich gestattet.
19bb) Die Verweisungsnorm des § 2 Ziff. 1 Satz 1 METV bezieht sich zwar ausdrücklich nur auf § 6 Ziff. 1.1 MRTV, jedoch umfasst dies nicht lediglich deren Satz 1, der die regelmäßige tägliche Arbeitszeit bestimmt. Vielmehr erstreckt sich die Verweisung auch auf Satz 3 des § 6 Ziff. 1.1 MRTV, der die ausgleichslose Verlängerung der Arbeitszeit über zehn Stunden täglich hinaus unter bestimmten Konditionen erlaubt. Daher umfasst die Verweisung in § 2 Ziff. 1 Satz 1 METV auch die ua. für den Werkfeuerwehrdienst geltenden Regelungen des § 6 Ziff. 1.7 MRTV. Denn dort fällt regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft iSv. § 6 Ziff. 1.1 Satz 3 MRTV an.
20Nach § 6 Ziff. 1.7 Satz 2 MRTV muss bei der Durchführung von 24-Stunden-Schichten im Werkfeuerwehrdienst eine Arbeitsbereitschaft von mindestens 50 % (zwölf Stunden) vorliegen, dh. ein 24-Stunden-Dienst muss jedenfalls zu 50 % aus Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst bestehen. Ein solcher Anteil genügt, um von einem regelmäßigen und erheblichen Umfang von Arbeitsbereitschaft iSv. § 6 Ziff. 1.1 Satz 3 MRTV auszugehen (vgl. zu § 7 Abs. 2a ArbZG - Rn. 24 mwN, BAGE 135, 34).
21cc) Die Regelung des § 6 Ziff. 1.7 MRTV verdeutlicht, dass im Werkfeuerwehrdienst nicht die tägliche, sondern die monatliche Arbeitszeit maßgeblich ist.
22(1) Nach dem Wortlaut des § 2 Ziff. 1 Satz 1 METV ist Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Mehrarbeit zwar die regelmäßige tägliche Arbeitszeit. Bezogen auf den 24-Stunden-Schichtdienst der Werkfeuerwehr knüpfen die Tarifvertragsparteien jedoch nicht an die regelmäßige tägliche, sondern an die regelmäßige monatliche Arbeitszeit an. Denn die regelmäßige tägliche Arbeitszeit beträgt für die Werkfeuerwehr nach § 6 Ziff. 1.7 Satz 1 MRTV 24 Stunden. Bei bloßer Beachtung des Wortlauts könnten die Arbeitnehmer im 24-Stunden-Schichtdienst keine Mehrarbeitszuschläge erlangen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschäftigten im 24-Stunden-Schichtdienst keinerlei Mehrarbeitszuschläge erhalten sollen, lassen sich den Tarifnormen jedoch nicht entnehmen.
23(2) Der systematische Zusammenhang mit § 2 Ziff. 4, § 2 Ziff. 5 Satz 1 und § 2 Ziff. 6 METV erhellt, dass die Tarifvertragsparteien auch in anderen Arbeitsbereichen nicht die tägliche, sondern die monatliche Regelarbeitszeit zugrunde legen. Es finden sich gesonderte Regelungen der Zuschlagspflicht für Mehrarbeit für den Separatwachdienst (§ 2 Ziff. 4 METV, ab der 223. Stunde), für die Beschäftigten in kerntechnischen Anlagen (§ 2 Ziff. 5 Satz 1 METV, ab der 174. Stunde) und für Revier-/Geld- und Werttransport, Kurier- und Belegtransport, Flughafenkontrollpersonal und Sicherungsposten (§ 2 Ziff. 6 METV, ab der 174. Stunde).
24(3) Das Fehlen einer solchen gesonderten Regelung für den Werkfeuerwehrdienst spricht nicht dafür, dass für diesen Bereich eine regelmäßige tägliche Arbeitszeit maßgeblich sein soll. Dabei ist die Historie der feuerwehrrechtlichen Regelungen in den Blick zu nehmen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des METV am waren in dessen räumlichem Geltungsbereich, dem Land Baden-Württemberg, externe Werkfeuerwehren nicht zulässig. Erst seit dem sieht § 19 Abs. 2 Satz 3 FwG Baden-Württemberg vor, dass auf Antrag Ausnahmen von dem Erfordernis zuzulassen sind, die Werkfeuerwehr nur mit Werksangehörigen zu besetzen (vgl. zur Begründung der Zulassung sog. Dienstleistungsfeuerwehren LT-Drs. 14/5103 S. 28). Allein aus dem Unterlassen einer Ergänzung des METV nach der Änderung des Feuerwehrgesetzes in Baden-Württemberg ist nicht abzuleiten, dass die Tarifvertragsparteien von einer gesonderten Regelung für den Werkfeuerwehrdienst absehen wollten.
25(4) Aus § 6 Ziff. 3 MRTV ist für den Werkfeuerwehrdienst keine monatliche Regelarbeitszeit im Umfang von lediglich 208 Stunden abzuleiten. Danach haben Vollzeitbeschäftigte Anspruch auf eine monatliche Arbeitszeit von mindestens 173 Stunden, bei Regeldienst in 24-Stunden-Schichten auf mindestens 208 Stunden, im Durchschnitt eines Quartals.
26(a) Nach dem Wortlaut der Tarifnorm wird ein Anspruch auf einen Mindestumfang der Arbeitszeit begründet, womit der Sache nach ein Beschäftigungsanspruch beschrieben wird (vgl. zum vorangegangenen MRTV - Rn. 24).
27(b) Auch die Tarifsystematik steht einer Regelarbeitszeit von 208 Stunden entgegen. Die differenzierten Regelungen in § 6 Ziff. 1.1 bis § 6 Ziff. 1.8 MRTV zeigen, dass es keine einheitliche monatliche Regelarbeitszeit für alle Vollzeitbeschäftigten gibt. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien gruppenspezifische Regelungen getroffen und allein für Angestellte in § 6 Ziff. 1.6 MRTV eine monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden festgeschrieben, die „im Durchschnitt des Kalenderjahres“ zu erreichen ist. Diese Regelung wäre entbehrlich gewesen, wenn sich bereits aus § 6 Ziff. 3 MRTV eine monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden und bei Regeldienst in 24-Stunden-Schichten von 208 Stunden ergäbe (vgl. - Rn. 25).
28(c) Sinn und Zweck des § 6 Ziff. 3 MRTV bestätigen das Auslegungsergebnis. Angesichts des erheblichen Spielraums, der dem Arbeitgeber in § 6 Ziff. 1.1 bis § 6 Ziff. 1.8 MRTV für den Einsatz der Sicherheitsmitarbeiter eingeräumt wird, trägt § 6 Ziff. 3 MRTV dem Bedürfnis nach einem verstetigten Einkommen dieser Arbeitnehmergruppe Rechnung, indem er mindestens 173 - bzw. bei Regeldienst in 24-Stunden-Schichten mindestens 208 - bezahlte Stunden im Monat garantiert, auch wenn der tatsächliche Arbeitseinsatz geringer war (vgl. - Rn. 26).
29dd) Der Umfang der monatlichen Regelarbeitszeit von 288 Arbeitsstunden folgt damit aus § 6 Ziff. 1.7 Satz 7 MRTV. Dieser lässt eine monatliche Arbeitszeit von bis zu zwölf 24-Stunden-Schichten im Werkfeuerwehrdienst zu.
30ee) Die Arbeitsvertragsparteien haben die regelmäßige Arbeitszeit iSv. § 2 Ziff. 1 Satz 1 METV nicht einvernehmlich abgeändert, indem der Kläger für die Beklagte auf deren Weisung hin monatlich mindestens 13 24-Stunden-Schichten gearbeitet hat. In der bloßen Anweisung und der Ableistung von Arbeit über 288 Monatsstunden hinaus liegt keine - konkludente - Vertragsänderung.
31d) Aus dem Umfang der monatlichen Regelarbeitszeit von 288 Stunden sind nicht die in § 6 Ziff. 1.7 Satz 4 MRTV vorgesehenen Zeiträume der Ruhezeit herauszurechnen. Die im MRTV als Ruhezeit bezeichneten Zeiten sind Bereitschaftsdienste, die der Vergütungspflicht unterliegen. Es handelt sich dabei um geleistete Arbeit iSd. § 2 Ziff. 1 Satz 4 METV.
32aa) Arbeit als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Arbeit in diesem Sinne ist auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause iSd. Arbeitszeitgesetzes noch Freizeit hat (st. Rspr., vgl. nur - Rn. 21, BAGE 137, 366). Auch Bereitschaftszeit ist nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ArbZG), sondern nach inländischem Recht vergütungspflichtige Arbeit. Während der Bereitschaftszeit, die gemeinhin beschrieben wird als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung, kann der Arbeitnehmer nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen. Er muss sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (vgl. - Rn. 35, BAGE 175, 192; - 5 AZR 716/15 - Rn. 28, BAGE 155, 318).
33bb) In der sog. Ruhezeit innerhalb der 24-Stunden-Schichten musste sich der Kläger in einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Ruheraum aufhalten und auf Aufforderung tätig werden. Daher sind diese Zeiträume als Arbeitszeit in der Form des Bereitschaftsdienstes einzuordnen. Sie sind in die regelmäßige monatliche Arbeitszeit einzubeziehen.
34cc) Der Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge setzt nach § 2 Ziff. 1 Satz 1 und Satz 4 METV die Leistung der Arbeit voraus. Solche Arbeit leisten die Arbeitnehmer im Werkfeuerwehrdienst im Rahmen einer 24-Stunden-Schicht iSv. § 6 Ziff. 1.7 Satz 1 MRTV, weil neben Vollarbeit auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst erfasst wird. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnormen.
35(1) Die Arbeitszeit in einer 24-Stunden-Schicht umfasst neben der Vollarbeit auch Zeiträume mit Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Gemäß § 6 Ziff. 1.7 Satz 2 MRTV müssen mindestens 50 % der Arbeitszeit Arbeitsbereitschaft sein. Innerhalb der Arbeitsbereitschaft ist nach § 6 Ziff. 1.7 Satz 4 MRTV im Werkfeuerwehrdienst wiederum eine Ruhezeit von acht Stunden zu gewährleisten, die als Bereitschaftsdienst einzuordnen ist.
36(2) Der Wortlaut von § 2 Ziff. 1 Satz 1 und Satz 4 METV, der auf die „geleistete Arbeit“ bzw. die „geleistete … Mehrarbeitsstunde“ abstellt, könnte zwar so zu verstehen sein, dass Vollarbeit zu Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst abgegrenzt werden soll. Denn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind unter „geleistete Stunden“ solche zu verstehen, in denen eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht wird (vgl. in Abgrenzung zu Urlaubszeiten - Rn. 14). Indes kann die Auslegung nicht beim Wortlaut stehen bleiben, zumal der Wortlaut allein dieses Verständnis nicht zwingend vorgibt.
37(3) Die Systematik spricht für die Einbeziehung der Stunden, die nach dem MRTV als Arbeitszeit zu bewerten sind.
38(a) Die Tarifvertragsparteien des METV unterscheiden bei der Vergütung nicht zwischen Vollarbeit einerseits und Arbeitsbereitschaft bzw. Bereitschaftsdienst andererseits. Unabhängig von der Intensität der Arbeit sind nach § 2 LTV sämtliche Arbeitsstunden mit demselben jeweiligen Stundenlohn zu vergüten. Auch bei den in § 3 LTV geregelten Zeitzuschlägen wird nicht zwischen den unterschiedlichen Arten der Arbeit differenziert, obwohl eine unterschiedliche Vergütung zulässig wäre (vgl. für Bereitschaftsdienste - Rn. 21; für Nachtarbeitszuschläge bei Bereitschaftsdiensten - Rn. 28). Hätte anders als beim Stundenlohn und den Zeitzuschlägen bei den Mehrarbeitszuschlägen differenziert werden sollen, wäre die bloße Einfügung des Wortes „geleistete“ nicht ausreichend klar (vgl. zum Gebot der Normenklarheit bei Tarifnormen - Rn. 38). Die unterschiedslose Vergütung von Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst spricht indes gegen eine Differenzierung bei den Mehrarbeitszuschlägen.
39(b) Die Regelung der Zuschlagspflicht für Mehrarbeit im Separatwachdienst in § 2 Ziff. 4 METV zeigt gleichermaßen, dass die Tarifvertragsparteien nicht zwischen Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft bzw. Bereitschaftsdienst differenzieren. Bemisst sich der regelmäßige Arbeitsumfang, für den keine Mehrarbeitszuschläge zu zahlen sind, nach § 6 Ziff. 1.7 Satz 7 MRTV, sind auch bei der Anzahl der Mehrarbeitsstunden die Stunden, in denen während der regelmäßigen Arbeitszeit nicht Vollarbeit geleistet wurde, einzubeziehen. Würde bei der geleisteten Arbeit iSv. § 2 Ziff. 1 Satz 1 und Satz 4 METV zwischen den verschiedenen Arten der Arbeit differenziert, erschiene es folgerichtig, diese Unterscheidung auch bei der regelmäßigen Arbeitszeit zu berücksichtigen. Zöge man die nach § 6 Ziff. 1.7 Satz 2 MRTV mindestens anfallenden 132 Arbeitsbereitschafts- bzw. Bereitschaftsdienststunden ab, wären Mehrarbeitszuschläge ab Überschreitung der dann maximal verbleibenden 132 Stunden Vollarbeit zu zahlen. Die Regelung in § 2 Ziff. 4 METV für den Separatwachdienst enthält indes keine Anhaltspunkte für eine solche Unterscheidung. Sind dort Mehrarbeitszuschläge erst ab der 223. Stunde vorgesehen, sind in den 222 Stunden regelmäßiger Arbeitszeit Arbeitsbereitschaftszeiten enthalten. Insoweit unterscheidet sich der Werkfeuerwehrdienst nicht vom Separatwachdienst.
40(4) Das Auslegungsergebnis korrespondiert mit dem vergütungsrechtlichen Arbeitszeitbegriff, nach dem auch Bereitschaftszeit vergütungspflichtige Arbeit darstellt (vgl. Rn. 32) und die Anerkennung jeglicher Form von Arbeit als „geleistet“ iSv. § 2 Ziff. 1 Satz 1 und Satz 4 METV sichert die Praktikabilität der Tarifnorm. Bei einer Differenzierung müssten zu jeder Schicht konkrete Aufzeichnungen über den Schichtverlauf angefertigt werden, was kaum praktisch handhabbar ist und Streitigkeiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien über den Umfang der Arbeit im engeren Sinne absehbar macht.
413. Danach hat der Kläger Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge ab der 289. Arbeitsstunde je Monat. Das hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Der Anspruch beläuft sich auf 25 % des Stundenlohns, der nach den vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Arbeitsgerichts im Streitzeitraum 19,81 Euro brutto betragen hat, mithin auf 4,95 Euro brutto pro Mehrarbeitsstunde. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts beruht dabei allerdings auf einem Rechenfehler bei der Ermittlung der noch offenen zuschlagspflichtigen Mehrarbeitsstunden. Insoweit ist die Revision des Klägers begründet und das Berufungsurteil aufzuheben, der Senat kann in der Sache endentscheiden (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).
42a) Im Februar 2020 hat der Kläger 342 Stunden Arbeit geleistet. Die Beklagte hat ab der 313. Stunde Mehrarbeitszuschläge gezahlt, die Ansprüche somit zum Teil bereits erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Da die Mehrarbeit aber bereits ab der 289. Stunde zuschlagspflichtig ist, sind Zuschläge für weitere 24 Stunden zu zahlen. Hieraus ergibt sich ein Betrag iHv. 118,80 Euro brutto.
43b) Im März 2020 hat der Kläger 365 Stunden Arbeit geleistet. Da die Beklagte wiederum ab der 313. Stunde Mehrarbeitszuschläge gezahlt hat, schuldet sie noch Zuschläge für die 24 Stunden ab der 289. Arbeitsstunde, mithin einen weiteren Betrag iHv. 118,80 Euro brutto.
44c) Im April 2020 hat der Kläger nur die regelmäßige Arbeitszeit von 288 Stunden gearbeitet. Für diesen Monat hat er daher keinen Anspruch auf die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen. Insoweit ist seine Revision zurückzuweisen (§ 561 ZPO).
454. Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB stehen dem Kläger nach § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach Eintritt der Fälligkeit zu (vgl. - Rn. 53). Der Kläger kann Zinsansprüche nur zum Teil wie beantragt und von den Vorinstanzen zugesprochen verlangen. Fällig sind die Ansprüche auf Vergütung nach Ziff. 3.6 Satz 3 des Arbeitsvertrags zum 15. des Folgemonats. Handelt es sich dabei um einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, tritt an die Stelle dieses Tags aber erst der nächste Werktag (§ 193 BGB; vgl. - Rn. 20). Die Verzinsungspflicht beginnt nach § 187 Abs. 1 BGB mit dem Folgetag der Fälligkeit (vgl. - Rn. 25). Mit Blick darauf ist der Zinstermin in Bezug auf die für Februar 2020 geschuldeten Mehrarbeitszuschläge zu korrigieren. Der war ein Sonntag, womit an seine Stelle Montag, der 16. März tritt. Die Verzinsungspflicht beginnt daher erst am 17. März und nicht wie vom Landesarbeitsgericht zugesprochen am 16. März. Insoweit ist die Revision der Beklagten begründet und das Berufungsurteil aufzuheben. Verzugszinsen für die für März 2020 geschuldeten Mehrarbeitszuschläge hat die Beklagte seit dem zu zahlen.
465. Die hiernach bestehenden Ansprüche des Klägers sind nicht verfallen. Der Kläger hat mit seinem Geltendmachungsschreiben vom , das der Beklagten am zugegangen ist, die erste Stufe der Ausschlussfrist nach Ziff. 2.1, Ziff. 23.1 Satz 1 des Arbeitsvertrags iVm. § 17 Ziff. 1 MRTV und mit der am zugestellten Klage auch die zweite Stufe der Ausschlussfrist nach § 17 Ziff. 2 MRTV gewahrt. Die Regelungen zur Ausschlussfrist in Ziff. 2.1, Ziff. 23.1 Satz 1 des Arbeitsvertrags, die auf den MRTV verweisen, sind nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
47a) Wegen der weitreichenden Folgen von Ausschlussfristen muss aus der Verfallklausel, wenn diese dem Transparenzgebot genügen soll, ersichtlich sein, welche Rechtsfolgen der Vertragspartner des Verwenders zu gewärtigen hat und was er zu tun hat, um deren Eintritt zu verhindern. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, und die geeignet ist, dessen Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abzuhalten, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (st. Rspr., vgl. zuletzt - Rn. 27 mwN).
48b) Gemessen daran ist die Klausel nicht intransparent. Der Verweisungsweg für die Ausschlussfristen über Ziff. 2.1 und Ziff. 23.1 Satz 1 des Arbeitsvertrags zu § 17 MRTV ist unschwer nachvollziehbar. Bei der Beurteilung, ob eine Regelung dem Transparenzgebot genügt, ist nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen (st. Rspr., vgl. nur - Rn. 28). Dem Vertragspartner kann nicht jedes eigene Nachdenken erspart bleiben (vgl. - zu II 2 der Gründe, BGHZ 162, 210). Durch eine allzu detaillierte Regelung könnten unübersichtliche oder nur schwer durchschaubare Klauselwerke entstehen, die den Interessen des Vertragspartners zuwiderlaufen (vgl. - Rn. 28 mwN).
49II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:290323.U.5AZR446.21.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 1587 Nr. 27
TAAAJ-42523