BGH Beschluss v. - IX ZB 58/20

Antrag auf Versagung der Vollstreckung eines Auslandsurteils

Gesetze: Art 46 EUV 1215/2012, Art 53 EUV 1215/2012, § 574 Abs 2 ZPO, § 1111 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: OLG Braunschweig Az: 8 W 10/20vorgehend LG Braunschweig Az: 6 O 6397/19

Gründe

I.

1In einem in Italien geführten Rechtsstreit streiten die Parteien um näher bezeichnete Bakterienstämme, die im Leibniz-Institut in Braunschweig verwahrt werden. Mit nicht rechtskräftigem Urteil vom ordnete das italienische Gericht die Rückgabe der Stämme an die Antragsgegnerin an. Das vom Antragsteller angestrengte Rechtsmittelverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Am pfändete die Antragsgegnerin den Anspruch des Antragstellers gegen das Leibniz-Institut auf Herausgabe der Stämme.

2Der Antragsteller hat die Versagung der Vollstreckung des Urteils vom beantragt. Das Landgericht hat den Antrag abgelehnt. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller den Antrag auf Versagung der Vollstreckung weiter.

II.

3Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 1115 Abs. 5 Satz 3 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

41. Auf das Verfahren ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan: Brüssel Ia-VO) anzuwenden. Diese Verordnung gilt vom an für Verfahren, die am oder danach eingeleitet worden sind (Art. 81, 66 Brüssel Ia-VO).

52. Gemäß Art. 46 Brüssel Ia-VO wird die Vollstreckung einer Entscheidung auf Antrag des Schuldners versagt, wenn festgestellt wird, dass einer der in Artikel 45 Brüssel Ia-VO genannten Gründe gegeben ist. Das Vorliegen dieser Gründe hat das Beschwerdegericht verneint, ohne dass insoweit ein Zulässigkeitsgrund (§ 574 Abs. 2 ZPO) ersichtlich ist. Die Vollstreckung des Urteils vom widerspricht insbesondere nicht der inländischen öffentlichen Ordnung (ordre public; Art. 45 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO).

6a) Hinsichtlich des Urteils selbst hat der Antragsteller keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluss auf einen Verstoß gegen den inländischen ordre public zuließen. Der Begründung der angefochtenen Entscheidung zufolge hat das italienische Gericht unter Wahrung der prozessualen Rechte des Antragstellers entschieden. Das zieht die Rechtsbeschwerde auch nicht in Zweifel.

7b) Ob die Bescheinigung nach Art. 53 Brüssel Ia-VO ordnungsgemäß ausgestellt und dem Antragsteller zugestellt worden ist, ist für die beantragte Versagung der Vollstreckung des Urteils vom nicht von Belang. Entscheidungserhebliche Grundsatzfragen, die einer Klärung durch das Rechtsbeschwerdegericht bedürften, stellen sich nicht. Schon der Wortlaut des Art. 53 Brüssel Ia-VO zeigt, dass Bestand und Wirkung der Entscheidung des Ursprungsgerichts nicht von der formwirksamen Erteilung und Zustellung der Bescheinigung abhängen. Die Bescheinigung wird nur auf Antrag erteilt. Wird kein Antrag gestellt, ändert dies nichts an der Wirksamkeit der Entscheidung des Ursprungsgerichts. Ein Vergleich mit den Vorschriften der §§ 1110, 1111 ZPO, welche die Bescheinigung über inländische Titel regeln, bestätigt diesen Befund. Gemäß § 1111 Abs. 2 ZPO kann die Erteilung der Bescheinigung gesondert, unabhängig von der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung, angefochten werden. Die Gesetzesbegründung verdeutlicht, dass die Bescheinigung nur den Bestand und die Vollstreckbarkeit des Titels dokumentieren soll (BT-Drucks. 18/823, S. 20 zu § 1110 ZPO-E). Im Streitfall kann sie als Beweismittel dienen (MünchKomm-ZPO/Gottwald, 6. Aufl., Art. 53 Brüssel Ia-VO Rn. 3; vgl. auch , FamRZ 2018, 1253 Rn. 6 ff zu Art. 54 Abs. 2 EuGVVO aF). Auf den Bestand und die Vollstreckbarkeit des Titels kann die Bescheinigung sich nicht auswirken.

8c) Verfahrensgrundrechte des Antragstellers wurden nicht verletzt. Das gilt insbesondere für das Recht des Antragstellers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Beschwerdegericht hat auch das als übergangen gerügte Vorbringen des Antragstellers zur Kenntnis genommen und sachlich beschieden. Dass es daraus nicht die vom Antragsteller für richtig gehaltenen Schlüsse gezogen hat, begründet keinen Gehörsverstoß.

93. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:190522BIXZB58.20.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-42341