WEG: Kostenfestsetzung bei Beschlussanfechtungsklage
Leitsatz
Die Vorschrift des § 50 WEG a.F. ist analog § 48 Abs. 5 WEG auch dann anzuwenden, wenn die Kostenfestsetzung zwar nach dem beantragt wurde, der Kostentitel aber aus einem vor dem anhängig gewordenen Beschlussklageverfahren herrührt und deshalb gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtet ist.
Gesetze: § 48 Abs 5 WoEigG, § 50 WoEigG vom , § 91 Abs 1 S 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 4 T 162/22vorgehend AG Bremen-Blumenthal Az: 44 C 25/20
Gründe
I.
1Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Kläger reichten im Oktober 2020 verschiedene Beschlussanfechtungsklagen gegen die übrigen Eigentümer ein, die das Amtsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verband. Die Beklagten zu 1 (die übrigen Eigentümer mit Ausnahme der Kläger und der Beklagten zu 2) beauftragten mit ihrer Vertretung einen Rechtsanwalt. Die Beklagte zu 2 beauftragte ihrerseits einen anderen Rechtsanwalt. Der Rechtsstreit endete im Jahr 2021 in erster Instanz mit einem Vergleich, der auch die Tragung der Verfahrenskosten regelte.
2Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht die von den Klägern an die Beklagte zu 2 zu erstattenden Kosten auf 3.862,39 € nebst Zinsen festgesetzt. Die sofortige Beschwerde der Kläger hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beklagte zu 2 beantragt, wollen die Kläger die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags der Beklagten zu 2 erreichen.
II.
3Das Beschwerdegericht meint, die Kläger seien für die Kosten beider Rechtsanwälte erstattungspflichtig. Es stehe jedem Streitgenossen frei, einen eigenen Anwalt zu mandatieren. Die Regelung des § 50 WEG in der bis zum geltenden Fassung sei nicht anwendbar, da mangels einer Übergangsvorschrift nach dem aktuell geltenden Recht zu entscheiden sei.
III.
4Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 575 ZPO) ist begründet. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Rechtsverletzung (§ 576 Abs. 1 ZPO). Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist § 50 WEG aF hier anzuwenden.
51. Nach § 50 WEG in der bis zum geltenden Fassung sind Wohnungseigentümern zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als notwendige Kosten nur die Kosten eines bevollmächtigten Rechtsanwalts zu erstatten, wenn nicht aus Gründen, die mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängen, eine Vertretung durch mehrere bevollmächtigte Rechtsanwälte geboten war. Diese Vorschrift stellte eine Sonderregelung gegenüber § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO dar (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 290/10, NJW 2012, 319 Rn. 6) und wurde eingeführt, um insbesondere in Beschlussanfechtungsverfahren, bei denen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF sämtliche übrigen Wohnungseigentümer zu verklagen waren, das Kostenrisiko des anfechtenden Wohnungseigentümers zu begrenzen (BT-Drs. 16/3843 S. 28). Denn nach der allgemeinen Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO steht es der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten nicht entgegen, dass jeder Streitgenosse einen eigenen Anwalt beauftragt (vgl. , NJW 2013, 2826 Rn. 10).
62. Der Senat hat bereits entschieden, dass dann, wenn die Kostenfestsetzung vor dem beantragt wurde, im Kostenfestsetzungsverfahren § 50 WEG aF gemäß der Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 5 WEG weiterhin anzuwenden ist (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 55/20, NJW-RR 2021, 1598 Rn. 5). Für Verfahren, die schon vor dem anhängig waren, bestimmt § 48 Abs. 5 WEG nämlich die Anwendbarkeit der Vorschriften des dritten Teils dieses Gesetzes in ihrer bis dahin geltenden Fassung und damit auch des § 50 WEG aF.
73. Die Vorschrift des § 50 WEG aF ist analog § 48 Abs. 5 WEG auch dann anzuwenden, wenn die Kostenfestsetzung zwar nach dem beantragt wurde, der Kostentitel aber aus einem vor dem anhängig gewordenen Beschlussklageverfahren herrührt und deshalb gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtet ist.
8Zwar ist das Kostenfestsetzungsverfahren ein selbständiges Verfahren (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 25/04, NJW 2005, 2233; , NJW 2008, 2040 Rn. 6; Beschluss vom - VIII ZB 79/11, NZI 2012, 625 Rn. 6), das erst mit dem Kostenfestsetzungsantrag anhängig wird. Deswegen ist § 48 Abs. 5 WEG, der auf die Anhängigkeit des Verfahrens vor dem abstellt, dann, wenn der Antrag auf Kostenfestsetzung - wie hier - nach dem gestellt wurde, nach seinem Wortlaut für das Kostenfestsetzungsverfahren nicht einschlägig; nach Sinn und Zweck ist die Übergangsvorschrift aber auch hier anzuwenden. Denn bei Beschlussanfechtungs- und Beschlussersetzungsklagen, die - wie hier - vor dem anhängig wurden, sind nach § 48 Abs. 5 WEG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF die übrigen Wohnungseigentümer unverändert richtige Klagegegner (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 214/21, WuM 2023, 58 Rn. 5 zur Beschlussanfechtungsklage; Senat, Urteil vom - V ZR 65/21, NJW-RR 2022, 883 Rn. 15 zur Beschlussersetzungsklage). Grund für die Streichung des § 50 WEG aF war aber gerade, dass nach neuem Recht Beschlussklagen nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen die GdWE und damit nur eine Beklagte zu richten sind (§ 44 Abs. 2 Satz 1 WEG), weswegen das Kostenbegrenzungsinteresse, das Grund für die Sonderregelung war (s.o. Rn. 5), nicht mehr besteht (vgl. BT-Drs. 19/18791 S. 80). Mit diesem Verständnis des § 50 WEG aF wäre es nicht zu vereinbaren, wenn in einem Fall, in dem aufgrund der Übergangsregelung des § 48 Abs. 5 WEG die übrigen Wohnungseigentümer weiter Beklagte der Beschlussklage bleiben, bei der Ermittlung der erstattungsfähigen Kosten mit § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO eine Vorschrift angewendet würde, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers voraussetzt, dass die GdWE Beklagte ist. Gelten für die Beschlussklage noch die bisherigen Verfahrensvorschriften, ist deshalb analog § 48 Abs. 5 WEG auch für das Kostenfestsetzungsverfahren das bisherige Recht und damit § 50 WEG aF anzuwenden.
IV.
9Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist. Das Beschwerdegericht hat von seinem Ausgangspunkt folgerichtig keine Feststellungen dazu getroffen, inwieweit - was die Beschwerdeerwiderung geltend macht - ein Ausnahmefall im Sinne des § 50 WEG aF vorliegt. Die Sache ist daher zur erneuten Entscheidung - auch unter Berücksichtigung der Schriftsätze im Rechtsbeschwerdeverfahren - an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dabei wird das Beschwerdegericht zu beachten haben, dass unterschiedliche Rechtsauffassungen der einzelnen beklagten Wohnungseigentümer nicht genügen, um die Notwendigkeit einer Mehrfachvertretung i.S.d. § 50 WEG aF zu begründen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 55/20, NJW-RR 2021, 1598 Rn. 6).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:200423BVZB56.22.0
Fundstelle(n):
NJW-RR 2023 S. 930 Nr. 14
RAAAJ-42327