BGH Beschluss v. - 5 StR 136/23

Eröffnungsbeschluss einer Großen Strafkammer im Umlaufverfahren: Unwirksamkeit bei fehlender Unterschrift

Gesetze: § 199 Abs 1 StPO, § 203 StPO, § 206a Abs 1 StPO, § 76 Abs 1 S 2 GVG

Instanzenzug: Az: 504 KLs 31/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und einer Woche verurteilt. Die mit der Sachrüge zulässig geführte Revision des Angeklagten führt zur Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses. Es fehlt an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss.

21. Zur Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 203 StPO genügt eine schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen (, NStZ 2016, 747 mwN). Der Eröffnungsbeschluss muss schriftlich abgefasst, aber nicht von allen Richtern unterschrieben werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 167/13, NStZ 2014, 400 f.; vom – 4 StR 290/20, NStZ 2021, 179, jeweils mwN).

3Die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens und die Zulassung der Anklage vor einer Großen Strafkammer ist stets mit drei Berufsrichtern in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung zu treffen (§ 199 Abs. 1 StPO iVm § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG). Wirken an der Eröffnungsentscheidung weniger Berufsrichter mit, ist sie unwirksam (vgl. mwN). Das Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses stellt ein in diesem Verfahren nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des Verfahrens zur Folge hat (vgl. BGH, aaO).

42. Auch eingedenk der eingeholten dienstlichen Erklärungen der drei Berufsrichter der Strafkammer kann der Senat nicht hinreichend sicher (vgl. zu diesem Maßstab , NStZ 2016, 747) feststellen, dass das Landgericht eine wirksame Eröffnungsentscheidung getroffen hat. Der schriftliche Eröffnungsbeschluss ist nur von zwei Berufsrichtern unterschrieben worden.

5a) Fehlt – wie hier – eine Unterschrift auf dem Eröffnungsbeschluss, muss anderweitig nachgewiesen sein, dass der Beschluss von allen hierzu berufenen Richtern gefasst worden ist (vgl. , NStZ 2012, 225). Dies setzt eine mündliche Beschlussfassung oder eine dahin zu verstehende gemeinsame Besprechung oder Beratung über die Eröffnung voraus (vgl. ).

6Wird der Beschluss im Umlaufverfahren – also im Wege einer schriftlichen Beratung und Abstimmung aufgrund eines Entscheidungsvorschlags (vgl. , NJW 1992, 257) – getroffen, führt das Fehlen einer Unterschrift zu dessen Unwirksamkeit, denn es handelt sich bis zur Unterzeichnung durch alle Richter lediglich um einen Entwurf (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 167/13, NStZ 2014, 400 f.; vom – 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225).

7b) Zwar haben die beisitzenden Richter dienstlich erklärt, auch der Vorsitzende (dessen Unterschrift fehlt) habe an dem Beschluss mitgewirkt. Dieser hat jedoch erläutert, er habe an dem Beschluss „im Wege des Umlaufverfahrens mitgewirkt“; dass die Entscheidung auch von seinem Willen mitgetragen worden sei, ergebe sich aus einer auf dem Eröffnungsbeschluss getroffenen Verfügung und weiteren Beschlüssen vom selben Tage.

8Aus den dienstlichen Erklärungen folgt weder eine konkrete mündliche Beschlussfassung noch eine dahin zu verstehende gemeinsame Besprechung oder Beratung, sondern vielmehr, dass der Beschluss im Umlaufverfahren gefasst werden sollte. Weil im Umlaufverfahren nur zwei von drei Richtern den Eröffnungsbeschluss unterschrieben haben, stellt er mithin keine ausreichende Grundlage für das Verfahren dar. Die auf dem Beschlussentwurf angebrachte Verfügung des Vorsitzenden ist weder unterschrieben noch datiert und belegt deshalb seine Mitwirkung an der Beschlussfassung ebenfalls nicht.

93. Das Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses hat die Einstellung des Verfahrens nach § 206a Abs. 1 StPO zur Folge. Zur Klarstellung hat der Senat das angegriffene Urteil mit den Feststellungen aufgehoben (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225; vom – 2 StR 516/13; vom – 4 StR 251/08; vgl. aber auch etwa ).

104. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:060623B5STR136.23.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-42244