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BGH Beschluss v. - 6 StR 88/23

Notwendigkeit neuer Feststellungen zur Frage einer verminderten Schuldfähigkeit im Falle der Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen

Gesetze: § 353 Abs 2 StPO, § 21 StGB

Instanzenzug: LG Frankfurt (Oder) Az: 24 KLs 9/22

Gründe

1Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat das Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten aufgrund des rechtskräftigen Schuldspruchs erneut zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

2Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:

„Das Landgericht hat in seinem Urteil nach § 353 Abs. 2 StPO aufgehobene Feststellungen zugrunde gelegt, indem es den Umfang der Bindungswirkung des teilrechtskräftigen Urteils falsch bestimmt und keine eigenen Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 21 StGB getroffen hat. Insoweit gilt: Hebt das Revisionsgericht ein Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsfeststellung, die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Feststellungen, die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als doppelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten und sind für das weitere Verfahren bindend. Hierzu zählen indessen nicht die Feststellungen zur Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten, die nur zum Rechtsfolgenausspruch gehören. Daher bezieht sich die Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen auch auf die Feststellungen und die Entscheidung des früheren Tatgerichts zur Frage einer verminderten Schuldfähigkeit des Täters im Sinne von § 21 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 18/77, NJW 1977, 1247; vom – 5 StR 81/17 Rn. 5; Beschluss vom – 5 StR 24/97, NStZ-RR 1997, 237; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1347). Die neu entscheidende Strafkammer hätte deshalb ohne Bindung an das aufgehobene Urteil in prozessordnungsgemäßer Weise eigene Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 21 StGB treffen und in den Urteilsgründen mitteilen müssen. Das hat sie nicht getan. Der Rechtsfehler schließt die Bezugnahme auf die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Tatvorwürfe ein; denn diese waren für das erstbefasste Tatgericht auch für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten von Relevanz (…).

Ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsmangel lässt sich nicht sicher ausschließen. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird deshalb ohne Bindung an bisherige Feststellungen zur Frage uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – neue Feststellungen zu treffen haben.“

3Dem schließt sich der Senat an. Er macht von der durch § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:210323B6STR88.23.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-42175