Instanzenzug: Saarländisches Az: 4 U 103/21vorgehend Az: 1 O 418/19
Tatbestand
1Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.
2Der Kläger erwarb im April 2018 einen Gebrauchtwagen Mercedes-Benz C 250 d zum Kaufpreis von 38.110 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 10.000 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom einen Darlehensvertrag über 28.110 €. Das mit einem gebundenen Sollzinssatz von 4,88% p.a. verzinsliche Darlehen sollte in 36 Monatsraten zu je 338,53 € und einer Schlussrate von 19.436,10 € zurückgezahlt werden.
3Seite 1 des Darlehensvertrags enthält unter der Überschrift "Ausbleibende Zahlungen" folgende Angabe über die Verzugsfolgen:
"Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."
4Mit E-Mail vom erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Er forderte die Beklagte zur Rückzahlung der von ihm geleisteten Zahlungen auf und bot ihr an, das Fahrzeug an einen von ihr zu benennenden Vertragspartner in seiner Nähe herauszugeben. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Mit Anwaltsschreiben vom bot der Kläger der Beklagten an, das Fahrzeug bei dem Händler, bei dem er das Fahrzeug erworben hatte, zurückzugeben.
5Mit der Klage hat der Kläger zunächst (1.) die Feststellung begehrt, der Beklagten stünden ab dem keine darlehensvertraglichen Zahlungsansprüche mehr zu, ferner für den Fall des Obsiegens (2.) die Zahlung von 15.416,48 € nebst Zinsen nach Übergabe des Fahrzeugs, (3.) den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und (4.) die Feststellung, die Beklagte befinde sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug. Nachdem er noch während des erstinstanzlichen Verfahrens im April 2021 das Darlehen vollständig abgelöst und das Fahrzeug am zu einem Kaufpreis von 24.000 € an einen Fahrzeughändler in Nürtingen veräußert hatte, hat er die Klageanträge zu 1 und 4 für erledigt erklärt und die Erstattung der auf das Darlehen geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen zuzüglich der Anzahlung abzüglich des Verkaufserlöses in Höhe von insgesamt 17.623,18 € nebst Verzugszinsen sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Rechtshängigkeitszinsen begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
6Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hat der Kläger seine Zahlungsanträge weiterverfolgt. Die Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung des Klägers angeschlossen und hilfsweise die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Wertersatz in Höhe von 14.110 € und mit einem Anspruch auf Nutzungsersatz für die Überlassung des Darlehens in Höhe von 3.513,18 € erklärt. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Beklagte zur Zahlung von 3.513,18 € nebst Verzugszinsen an den Kläger verurteilt.
7Mit der - von dem Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren vollständigen Klageabweisungsantrag weiter und begehrt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Kläger hat Anschlussrevision eingelegt, mit der er die Aufhebung des Berufungsurteils begehrt, soweit darin zu seinem Nachteil über die Hilfsaufrechnung der Beklagten und seine zuletzt verfolgten Zahlungsanträge entschieden worden ist.
Gründe
8Die Revision der Beklagten ist begründet. Über die unselbständige Anschlussrevision des Klägers bedarf es keiner Entscheidung.
I.
9Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:
10Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen. Die Widerrufsfrist für die Ausübung des Widerrufsrechts aus § 495 Abs. 1, § 355 Abs. 1 BGB sei im Zeitpunkt der Widerrufserklärung nicht abgelaufen gewesen, weil der Darlehensvertrag keine ausreichenden Angaben zu dem Verzugszinssatz und der Art und Weise seiner Anpassung enthalten habe. Die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Ein Rechtsmissbrauch ergebe sich nicht daraus, dass der Kläger das Fahrzeug nach dem Widerruf noch genutzt und später veräußert habe. Es könne ihm nicht als treuwidriges Verhalten angelastet werden, wenn er im Hinblick auf die Weigerung der Beklagten, seinen wirksamen Widerruf zu akzeptieren, nach eigener Bewertung des für ihn wirtschaftlich Möglichen und Sinnvollen das Fahrzeug weiter nutze oder den darin verkörperten Wert durch Weiterveräußerung realisiere, um sich ein anderes Fahrzeug anschaffen zu können. Die Interessen der Beklagten würden hinreichend durch ihren Wertersatzanspruch berücksichtigt.
11Dem Kläger stehe daher ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Zins- und Tilgungsraten sowie der Anzahlung in Höhe von insgesamt 41.623,18 € zu. Diesem Anspruch des Klägers könne die Beklagte nicht das Leistungsverweigerungsrecht aus § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB entgegenhalten. Der Anspruch der Beklagten auf Herausgabe des Fahrzeugs sei mit dessen Veräußerung an einen Dritten entfallen, weil der Kläger jedenfalls gemäß § 275 Abs. 2 BGB von der Pflicht zur Herausgabe befreit sei. Der mit einem potentiellen Rückerwerb der Sache verbundene Aufwand sei unverhältnismäßig. Das Leistungsinteresse der Beklagten sei nicht auf die Herausgabe des Fahrzeugs, sondern lediglich auf den in dem Fahrzeug verkörperten Geldwert gerichtet. Mit Eintritt der Voraussetzungen des § 275 BGB entfalle das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten.
12Der Zahlungsanspruch des Klägers sei aber bis auf einen Betrag von 3.513,18 € erloschen, weil nicht nur - was der Kläger durch Aufrechnung bereits berücksichtigt habe - der bei der Weiterveräußerung erzielte Verkaufserlös in Höhe von 24.000 € abzuziehen sei. Darüber hinaus könne die Beklagte wegen des Wertverlusts des Fahrzeugs Wertersatz in Höhe von 14.110 € verlangen, der sich aus der Differenz zwischen dem ursprünglichen Kaufpreis von 38.110 € und dem vom Kläger erzielten Weiterverkaufspreis von 24.000 € ergebe. Mit diesem Anspruch habe die Beklagte wirksam gegen die Forderung des Klägers aufgerechnet. Ein weiterer Gegenanspruch auf Nutzungsersatz für die Überlassung des Darlehens in Höhe gezahlter Sollzinsen von 3.513,18 € stehe der Beklagten nicht zu, weil sie auf einen solchen Anspruch in ihren Darlehensbedingungen verzichtet habe.
II.
13Die Revision der Beklagten hat Erfolg, während die unselbständige Anschlussrevision des Klägers keiner Entscheidung bedarf.
14A. Revision der Beklagten
15Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der vom Berufungsgericht zuerkannte Zahlungsanspruch nicht zu, weil sich die Beklagte insoweit auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB berufen kann. Die Revision der Beklagten hat deshalb Erfolg und führt - soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat - zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur vollumfänglichen Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil.
161. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger seine auf Abschluss eines mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat.
17a) Dem Kläger stand bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zu. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die vierzehntägige Widerrufsfrist aus § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB gemäß § 356b Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zu laufen begann, da die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.
18Wie der Senat bereits entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 179/21, WM 2022, 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
19b) Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung auch insoweit stand, als das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger nicht nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich oder verwirkt ist. Dabei kann dahinstehen, ob oder inwieweit die Rechtsprechung des Senats zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf das Widerrufsrecht nach § 495 BGB im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-33/20, WM 2021, 1986 - Volkswagen Bank) und die weitere Rechtsprechung des Gerichtshofs hierzu gegebenenfalls angepasst, d.h. eingeschränkt werden muss (vgl. aber Senatsbeschluss vom - XI ZR 113/21, WM 2022, 420). Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist das Berufungsurteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
20Nach dieser Rechtsprechung kann eine Rechtsausübung im Einzelfall bei missbräuchlichem Verhalten als unzulässig angesehen werden. Dabei kann die Berufung des Verbrauchers auf sein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht als missbräuchlich zu bewerten sein, mit der Folge, dass ihm die vorteilhaften Rechtsfolgen des Widerrufs versagt werden können (Senatsbeschluss vom - XI ZR 113/21, WM 2022, 420 Rn. 70). Der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB erlaubt es, die Berufung auf grundsätzlich bestehende Rechtspositionen unter besonderen Umständen im Einzelfall zu versagen. Für die Entscheidung, ob die Berufung auf eine Rechtsposition missbräuchlich ist, erfordert § 242 BGB eine Bewertung der gesamten Umstände des jeweiligen Falls, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsbeschluss vom , aaO Rn. 49 mwN). Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (vgl. , WM 2022, 2332 Rn. 30 mwN und vom - XI ZR 152/22, WM 2023, 511 Rn. 20, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
21Nach diesem Maßstab ist die Würdigung des Berufungsgerichts, weder die Ausübung des Widerrufsrechts noch die Geltendmachung des Rückgewähranspruchs seien rechtsmissbräuchlich, frei von revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehlern. Es hat die Umstände des Einzelfalls gewürdigt und einen Rechtsmissbrauch mit noch vertretbarer Begründung verneint. Die Weiternutzung des Fahrzeugs für mehrere Jahre und dessen Veräußerung durch den Kläger bezieht das Berufungsgericht in seine Würdigung ein. Hinzu kommt die von dem Kläger erklärte grundsätzliche Anerkennung seiner Wertersatzpflicht. Dem ursprünglichen Antrag des Klägers auf Abweisung der auf die Feststellung der Wertersatzpflicht gerichteten Hilfswiderklage der Beklagten kommt entgegen der Auffassung der Revision in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu, nachdem die Beklagte ihre Hilfswiderklage im Verlaufe des Rechtsstreits nicht mehr aufrechterhalten und der Kläger nur noch Einwände gegen die Modalitäten der Berechnung des Wertersatzanspruchs vorgebracht hat. Die Revision bemüht sich lediglich darum, eine ihr günstigere, abweichende Bewertung der vom Berufungsgericht umfassend gewürdigten Fallumstände herbeizuführen. Damit kann sie indes keinen Erfolg haben.
222. Dagegen hat die Revision Erfolg, soweit sie sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, dem Kläger stehe gegen die Beklagte der zuerkannte Zahlungsanspruch zu. Insoweit ist die Klage unbegründet.
23Noch rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte aufgrund seiner Widerrufserklärung ein Anspruch auf Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB (in der bis zum geltenden Fassung; im Folgenden: aF) i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB und hinsichtlich der nach Erklärung des Widerrufs geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zusteht. Rechtsfehlerhaft sind jedoch die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den widerrufsrechtlichen Rechtsfolgen der Veräußerung des Fahrzeugs durch den Kläger. Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Beklagten - was sie vorliegend geltend gemacht hat - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 23). Weder das eine noch das andere ist der Fall.
24Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, entfällt das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten aus § 358 Abs. 4 Satz 1 aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht dadurch, dass der Kläger das Fahrzeug nach Ausübung des Widerrufsrechts an einen - wie hier weder an dem Darlehensvertrag noch an dem damit verbundenen Kaufvertrag beteiligten - Dritten veräußert hat (Senatsurteil vom - XI ZR 152/22, WM 2023, 511 Rn. 31 ff.). Die Beklagte kann die von dem Kläger begehrte Rückzahlung der Zins- und Tilgungsleistungen sowie der Anzahlung so lange verweigern, bis der Kläger ihr das Fahrzeug herausgibt und rückübereignet. Das dilatorische Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB wird zu einer dauerhaften Einrede, wenn dem Kläger die Rückgewährleistung unmöglich geworden ist (vgl. Senatsurteil aaO Rn. 32). Dies ist hier nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
25B. Anschlussrevision des Klägers
26Über die unselbständige Anschlussrevision des Klägers bedarf es keiner Entscheidung. Mit dieser wendet sich der Kläger lediglich gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Bemessung der von der Beklagten hilfsweise aufgerechneten Forderung auf Wertersatz. Daher ist die Anschlussrevision des Klägers dahin zu verstehen, dass sie nicht für den Fall eingelegt ist, dass die gegen die Zuerkennung der Klageforderung gerichtete (Haupt-)Revision der Beklagten unabhängig von der Hilfsaufrechnung Erfolg hat (vgl. , BGHZ 146, 298, 310). Es ist unschädlich, dass der Kläger diese Bedingung nicht ausdrücklich erklärt hat. Zwar muss auch bei Auslegung von Prozesshandlungen zunächst auf den Wortlaut der Erklärung abgestellt werden, jedoch ist eine Prozesspartei nicht unter allen Umständen am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festzuhalten. Vielmehr ist zu ihren Gunsten stets davon auszugehen, dass sie im Zweifel mit ihrer Prozesshandlung das bezweckt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH aaO mwN). Es ist aber weder vernünftig noch im Interesse des Klägers, seine Anschlussrevision auch für den Fall einzulegen, dass das Hauptrechtsmittel unabhängig von der Hilfsaufrechnung Erfolg hat und damit eine Entscheidung über die zur Hilfsaufrechnung gestellte Gegenforderung der Beklagten nicht ergeht.
III.
27Das Berufungsurteil ist mithin auf die Revision der Beklagten teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, sondern die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
28Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dabei war für die Kosten der Vorinstanzen hinsichtlich des erledigten Teils der Klage die Würdigung des Berufungsgerichts zugrundezulegen (vgl. , WM 2007, 411 Rn. 24).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:230523UXIZR272.22.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-42171