BGH Urteil v. - IV ZR 248/21

Instanzenzug: Az: 9 U 216/20vorgehend Az: 23 O 5/20

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

2Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen umfassen unter anderem die "Musterbedingungen 2009 - MB/KK 2009 - des Verbandes der privaten Krankenversicherung" (im Folgenden: MB/KK) sowie die "Tarifbedingungen" der Beklagten. In den Muster- und Tarifbedingungen heißt es, wobei die Tarifbedingungen kursiv gedruckt sind:

"§ 8b Beitragsanpassung

1. Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heil-behandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme me-dizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. […]

1.1 Ergibt die Gegenüberstellung nach Absatz 1 Satz 2 bei den Versicherungsleistungen eine Abweichung von mehr als 10 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst; bei einer Abweichung von mehr als 5 % können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden.

[…]

2. Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicher-ungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.

3. […]"

3Die Beklagte informierte den Kläger über folgende Beitragserhöhungen:

- zum im Tarif A   um 10,22 €, im Tarif S   um 28,32 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 3,85 € (Schreiben vom November 2009)

- zum im Tarif S  um 21,24 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 1,27 € (Schreiben vom November 2010)

- zum im Tarif A   um 43,80 €, im Tarif S   um 20,26 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 6,01 € (Schreiben vom Februar 2013)

- zum im Tarif Z   um 2,83 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 0,28 € (Schreiben vom Februar 2014)

- zum im Tarif A   um 81,71 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 7,67 € (Schreiben vom Februar 2016)

- zum im Tarif A   um 18,69 €, im Tarif Z   um 7,47 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 2,51 € (Schreiben vom Februar 2017)

- zum im Tarif S   um 46,30 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 4,35 € (Schreiben vom Februar 2018)

- zum im Tarif S   um 27,40 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 2,57 € (Schreiben vom Februar 2019)

4Im Schreiben vom November 2009, dem u.a. ein Informationsblatt beigefügt war, hieß es u.a.:

"[…]

Weil die Versicherten aber auch mehr denn je diese optimale medizinische Versorgung nutzen, stiegen die Ausgaben für Gesundheitsleistungen rapide - insbesondere im vergangenen Jahr. Deshalb müssen wir die Beiträge in der privaten Krankenversicherung zum anpassen.

[…]

Weitere Einzelheiten haben wir für Sie in der beigefügten Information zusammengestellt.

[…]"

5Das Schreiben vom November 2010, dem u.a. ein Informationsblatt beigefügt war, lautete auszugsweise:

"[…]

So werden etwa verbesserte Diagnose- und Behandlungsmethoden oder auch neue Medikamente weitgehend automatisch zu zusätzlichen Leistungsbestandteilen Ihrer Versicherung. […]

Um das garantieren zu können, ist es notwendig, die Versicherungsleistungen und Beiträge in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten. Die jährliche Überprüfung hat ergeben, dass die Beiträge in einigen unserer Tarife angeglichen werden müssen.

[…]"

6Im Schreiben vom Februar 2014, dem u.a. ein Informationsblatt beigefügt war, hieß es:

"[…]

heute informieren wir Sie darüber, dass wir zum Ihre Beiträge erhöhen müssen. Der wesentliche Grund hierfür sind die gestiegenen Kosten für medizinische Leistungen. Medizinischer Fortschritt und ständig verbesserte Behandlungsverfahren haben ihren Preis.

[…]"

7Im Schreiben vom Februar 2016, dem u.a. ein Informationsblatt beigefügt war, hieß es:

"[…]

Warum ändert sich Ihr Beitrag?

Der wichtigste Grund sind die gestiegenen Gesundheitskosten. Diagnose- und Therapiemethoden entwickeln sich stets weiter. Diese haben ihren Preis. Doch sie helfen Ihnen, schneller gesund zu werden. Und mehr Lebensqualität zu genießen.

[…]"

8Im Schreiben vom Februar 2017, dem u.a. ein Informationsblatt beigefügt war, hieß es auszugsweise:

"[…]

Warum ändert sich Ihr Beitrag?

Der wichtigste Grund sind die gestiegenen Gesundheitskosten. Diagnose- und Therapiemethoden entwickeln sich immer weiter. Diese haben ihren Preis. Doch sie helfen Ihnen, schneller gesund zu werden. Bei vielen chronischen Erkrankungen erhöhen sie die Lebensqualität.

[...]"

9Soweit für die Revision noch von Interesse hat der Kläger mit seiner Klage die Rückzahlung der auf die genannten Erhöhungen und eine weitere von ihm behauptete Erhöhung entfallenden Prämienanteile in Höhe von 23.555,74 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie aus den auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, an ihn herauszugeben hat, die Beitragserhöhungen unwirksam waren und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist.

10Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger den Zahlungsantrag auf 21.907,68 € verringert und im Übrigen die genannten Anträge weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 10.535,70 € nebst Zinsen seit dem verurteilt worden ist. Weiter hat es festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags bis zum nicht wirksam geworden sind und der Kläger solange nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist: im Tarif A   zum und , im Tarif Z   zum und und hinsichtlich des gesetzlichen Beitragszuschlags zum , und . Es hat festgestellt, dass die Erhöhungen des Monatsbeitrags im Tarif A   zum und zum , im Tarif Tarif S   zum und zum und hinsichtlich des gesetzlichen Beitragszuschlags zum , , und nicht wirksam geworden sind und der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist. Außerdem hat es festgestellt, dass die Erhöhungen des Monatsbeitrags im Tarif S    zum und zum bis zum nicht wirksam geworden sind und der Kläger bis zum nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist. Schließlich hat es festgestellt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie bis zum aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf diese Beitragserhöhungen gezahlt hat, an den Kläger herauszugeben hat.

11Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung mit Ausnahme der Feststellungen, dass die Erhöhungen des Monatsbeitrages zum im Tarif A   bis zum , im Tarif S   bis zum und hinsichtlich des gesetzlichen Beitragszuschlags bis zum unwirksam waren und der Kläger nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet war, weiter.

Gründe

12Die Revision hat nur zum Teil Erfolg.

13I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die Tariferhöhungen zum , , , , und formell unwirksam gewesen seien. Der Versicherungsnehmer könne den Begründungsschreiben nicht entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage "Versicherungsleistungen" über den geltenden Faktor die jeweilige Beitragserhöhung ausgelöst habe. Die Tariferhöhungen seien durch die Zustellung der Klageerwiderung am geheilt und zum wirksam geworden; dies betreffe allerdings nur diejenigen Erhöhungen, die nicht auch materiell unwirksam gewesen seien. Die Prämienerhöhungen im Tarif A   zum und zum sowie im Tarif S   zum und zum seien wegen der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungsklausel in § 8b Abs. 1, 2 MB/KK endgültig unwirksam.

14Der Kläger sei im festgestellten Umfang nicht zur Zahlung der erhöhten Prämien und Beitragszuschläge verpflichtet. Die formell unwirksamen Prämienerhöhungen zum und im Tarif S   seien durch die formell und materiell wirksame Neufestsetzung zum mit der Folge abgelöst worden, dass diese ab dem die Rechtsgrundlage des gesamten Prämienanspruchs in diesem Tarif bilde. Die zu viel gezahlten Beträge errechneten sich unter Berücksichtigung des Klagebegehrens, das eine Rückforderung bis einschließlich März 2020 vorsehe, in Höhe von 9.596,82 € für die Tarife und 938,88 € für den gesetzlichen Beitragszuschlag. Die Verjährung der ab dem entstandenen Rückzahlungsansprüche sei durch die Zustellung der Klageschrift gehemmt worden. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus den von ihm gezahlten erhöhten Prämienanteilen in unverjährter Zeit.

15II. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend stand.

161. Die Revision ist insgesamt zulässig. Ihre Zulassung ist vom Berufungsgericht nicht wirksam beschränkt worden.

17a) Eine Beschränkung der Revisionszulassung, die - wie hier - nicht im Urteilstenor angeordnet ist, kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZR 28/09, VersR 2010, 903 Rn. 3). Demnach wollte das Berufungsgericht die Revision "im Hinblick auf die streitgegenständlichen Rechtsfragen zum Verjährungsbeginn in Fällen formell (und/oder materiell) unwirksamer Beitragsanpassungen sowie zur Unwirksamkeit des § 8b MB/KK" zulassen, da die Rechtssache "nur insoweit“ grundsätzliche Bedeutung habe.

18b) Damit ist die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aber nicht wirksam beschränkt.

19aa) Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist nur im Hinblick auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Streitgegenstands zulässig, nicht aber auf einzelne Rechtsfragen (Senatsurteil vom - IV ZR 337/20, NJW-RR 2022, 606 Rn. 16 m.w.N.). Die Zulassung kann dementsprechend nicht auf die Frage der Verjährung beschränkt werden; ist die Rechtsfrage, derentwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, allerdings nur für einen Teil der entschiedenen Ansprüche von Bedeutung, so kann die gebotene Auslegung der Zulassungsentscheidung ergeben, dass in der Angabe dieses Zulassungsgrundes die Beschränkung der Zulassung der Revision auf diese Ansprüche zu sehen ist (vgl. , NJW 2011, 1227 Rn. 11 m.w.N.). Die Frage der Verjährung betrifft hier bereits sämtliche vor dem erfolgten Prämienanpassungen, wobei die darauf gestützten Rückzahlungsansprüche nicht von den Ansprüchen auf Feststellung der Unwirksamkeit der entsprechenden Tariferhöhungen als Vorfrage getrennt werden können.

20bb) Aber auch die nach dem erfolgten Prämienanpassungen sind nicht wirksam von der Zulassung der Revision ausgenommen. Die Zulassung der Revision kann nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, wenn der davon betroffene Teil des Streits in tatsächlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und nach einer Zurückverweisung eine Änderung des von der beschränkten Zulassung erfassten Teils nicht in die Gefahr eines Widerspruchs zu dem nicht anfechtbaren Teil gerät (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZR 124/18, VersR 2019, 1134 Rn. 13 m.w.N.). Hier besteht jedoch die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Die Rückzahlungsansprüche aus den vor dem erfolgten Prämienanpassungen hängen in ihrer Gesamthöhe auch von der Wirksamkeit der späteren Prämienanpassungen in demselben Tarif ab, die zur Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner neuen Gesamthöhe werden könnten (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 55). Dasselbe gilt für die auf der Anwendung der Beitragsanpassungsklausel in § 8b MB/KK beruhenden Prämienerhöhungen im Tarif A   zum und im Tarif S   zum . Dabei kann nicht darauf abgestellt werden, dass die Berufungsentscheidung über die späteren Prämienanpassungen in Rechtskraft erwachsen und damit für das weitere Verfahren bindend zugrunde zu legen sein könnte. Für die Frage, ob die Beschränkung der Revisionszulassung nach den genannten Grundsätzen wirksam ist, kommt es aus Gründen der Rechtsmittelklarheit auf den Zeitpunkt der beschränkten Zulassung der Revision an (Senatsbeschluss vom aaO Rn. 14). Ein Rechtsmittel gegen die von der Revisionszulassung ausgenommenen Urteilsteile war - unabhängig von der Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts - jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZB 9/20, WM 2021, 2454 Rn. 10).

212. Die Revision ist nur teilweise begründet.

22a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die in den Jahren 2010 bis 2017 erfolgten Prämienerhöhungen die Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung (vgl. dazu Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 26) nicht erfüllten. Danach erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 26). Entgegen der Ansicht der Revision ist in diesem Sinne aber auch entscheidend, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 29). Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (Senatsurteil vom aaO Rn. 38).

23Revisionsrechtlich relevante Fehler liegen auf dieser Grundlage nicht vor. Nach der rechtsfehlerfreien Beurteilung des Berufungsgerichts fehlte den Mitteilungen der notwendige Bezug zu den Versicherungsleistungen in den jeweils konkret erhöhten Tarifen. Seine Annahme, dass die allgemeine Erwähnung gestiegener Leistungsausgaben oder Gesundheitskosten eine solche Begründung gerade für die hier in Rede stehenden Tarife nicht ersetzt, ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass den Mitteilungsschreiben nicht entnommen werden kann, was die Beitragsanpassungen ausgelöst hat bzw. welche Hintergründe diese hatten; es fehlte damit der vom Berufungsgericht zutreffend für erforderlich gehaltene Hinweis auf die einen festgelegten Schwellenwert überschreitende Veränderung einer Rechnungsgrundlage. Schon wegen dieses Mangels genügten die Mitteilungen nicht den gesetzlichen Anforderungen. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob - was die Revision in Frage stellt - weitere Beanstandungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der beigefügten Informationsblätter berechtigt sind.

24b) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die in der am zugestellten Klageerwiderung nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassungen nur zu einer Heilung ex nunc führen (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 41 f.). Es ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die formell zunächst unwirksamen Prämienerhöhungen erst ab dem wirksam wurden.

25c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen die Prämienerhöhungen im Tarif A   zum und sowie im Tarif S   zum und wie auch die - mindestens teilweise - aus diesen folgenden Erhöhungen des gesetzlichen Beitragszuschlags zum , , und mit der Begründung für endgültig unwirksam gehalten, dass es für diese Erhöhungen an einer wirksamen Prämienanpassungsklausel fehle.

26aa) Bei den genannten Prämienanpassungen lag die Veränderung der Versicherungsleistungen unterhalb des gesetzlich vorgesehenen Schwellenwerts von 10 % gemäß § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG. Diese gesetzlichen Vorschriften erlauben jedoch eine Herabsetzung des Schwellenwerts in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte nach § 8b MB/KK in Verbindung mit § 8b Abs. 1 der Tarifbedingungen den Schwellenwert auf 5 % gesenkt; dieser Wert wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch die Veränderung der Versicherungsleistungen bei den hier in Rede stehenden Prämienanpassungen überschritten.

27bb) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom (IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stehen die Regelungen in § 8b MB/KK zu den Voraussetzungen einer Prämienanpassung einer Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes für eine Prämienanpassung aus den Tarifbedingungen des Versicherers nicht entgegen. Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 31 f.), aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt dies die Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MB/KK und einer Regelung wie § 8b Abs. 1 der Tarifbedingungen der Beklagten unberührt (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 33 ff.).

28d) Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ab der nächsten wirksamen Prämienanpassung im jeweiligen Tarif ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Prämie in der durch diese letzte Anpassung festgesetzten neuen Gesamthöhe besteht (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 55). Zu Unrecht hat das Berufungsgericht diese Rechtsfolge aber auf formell unwirksame Prämienerhöhungen beschränkt. Eine spätere wirksame Prämienanpassung bildet in jedem Fall fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe, da eine vollständige Neufestsetzung für den neu kalkulierten Zeitraum stattfindet (vgl. Senatsurteil vom aaO). Die Erhöhungsbeträge aus sämtlichen Prämienanpassungen im Tarif S   waren daher nur bis zum nicht zu zahlen, da die Prämienanpassung zum nach der Entscheidung des Berufungsgerichts formell wirksam war; dies gilt auch für die Erhöhungen des gesetzlichen Beitragszuschlags zum , und , soweit sie im Sinne von § 149 Satz 1 VAG anteilig auf den Erhöhungen im Tarif S   beruhten. Die Erhöhung des gesetzlichen Beitragszuschlags zum ist dabei in Höhe von 1,02 € der Erhöhung im Tarif A   und in Höhe von 2,83 € der Erhöhung im Tarif S    zuzuordnen; dies entspricht dem prozentualen Anteil der beiden Tarife an der Prämienerhöhung zu diesem Datum. Dementsprechend folgen von der Erhöhung des Beitragszuschlags zum 4,11 € aus der Erhöhung im Tarif A   und 1,90 € aus der Erhöhung im Tarif S   . In den übrigen Tarifen waren die Erhöhungsbeträge bis zum nicht zu zahlen, da die Erhöhungen am wirksam wurden.

29e) Der Kläger kann somit die auf die zunächst formell unwirksamen Prämienerhöhungen gezahlten und von der Verjährung für die Zeit vor dem nicht erfassten Erhöhungsbeträge im Tarif S   sowie im genannten Umfang hinsichtlich des gesetzlichen Beitragszuschlags bis zum und im Übrigen wie beantragt bis zum zurückverlangen. Daraus folgt der Zahlungsanspruch in Höhe von 8.083,38 €. Dieser setzt sich zusammen aus den Rückforderungen im Tarif A   von 5.966,31 € ((10,22 € + 43,80 € + 81,71 €) x 39 Monate + 18,69 € x 36 Monate), im Tarif Z    von 379,29 € (2,83 € x 39 Monate + 7,47 € x 36 Monate), im Tarif S    von 1.047,30 € ((28,32 + 21,24 € + 20,26 €) x 15 Monate) und für den gesetzlichen Beitragszuschlag von 690,48 € ((1,02 € + 4,11 € + 0,28 € + 7,67 €) x 39 Monate + 2,51 € x 36 Monate + (2,83 € + 1,27 € + 1,90 €) x 15 Monate). Dieser ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Die Höhe des Rückzahlungsanspruchs wird im Übrigen von der Revision zu Recht nicht angegriffen.

30f) Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung der ab dem geleisteten Prämienanteile durch die Zustellung der Klageschrift am rechtzeitig gehemmt wurde und dieser Anspruch nicht verjährt ist.

31Die dreijährige Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entgegen der Ansicht der Revision entsteht jedoch nicht mit der unwirksamen Prämienerhöhung und der ersten darauf erfolgten monatlichen Teilzahlung bereits ein einheitlicher Bereicherungsanspruch in Höhe aller in Zukunft darauf geleisteter Prämien. Die Rückzahlungsansprüche aufgrund unwirksamer Beitragserhöhungen entstehen vielmehr jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 113/20, BGHZ 232, 31 Rn. 41). Bei rechtsgrundlos erbrachten Leistungen, die periodisch fällig und dementsprechend bezahlt werden, entsteht mit jeder Zahlung ein sofort fälliger und damit ein regelmäßig zeitlich wiederkehrender Bereicherungsanspruch (vgl. , WM 2008, 1258 Rn. 12). Wie der Senat mit Urteil vom (IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078 Rn. 43) entschieden und im Einzelnen begründet hat, können die Grundsätze der Verjährung bei der Schadenseinheit nicht auf Bereicherungsansprüche übertragen werden.

32g) Das Berufungsgericht ist auch noch grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die nach dem gezogenen Nutzungen aus den zurückzuzahlenden Prämienanteilen nicht nach § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben hat.

33Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber den Herausgabeanspruch nicht auf die Nutzungen beschränkt, die die Beklagte aus den ab dem gezahlten Erhöhungsbeträgen gezogen hat, obwohl es ausweislich der Urteilsgründe den Anspruch zutreffend nur in "unverjährter Zeit" zusprechen wollte. Auch die erst später gezogenen Nutzungen aus den bis zu diesem Zeitpunkt gezahlten Prämien sind von diesem Hauptanspruch abhängende Nebenleistungen im Sinne von § 217 BGB (Senatsurteil vom - IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078 Rn. 44 m.w.N.), die daher zusammen mit dem Hauptanspruch auf Rückzahlung der bis zum geleisteten Prämienzahlungen verjährten; dies gilt auch dann, wenn sie erst nach Ablauf der den Hauptanspruch betreffenden Verjährungsfrist beziffert werden können (Senatsurteil vom aaO m.w.N.). Außerdem sind hinsichtlich der Erhöhungsbeträge, die nur bis zum nicht zu zahlen waren, auch nur die aus den bis zu diesem Zeitpunkt gezahlten Prämienanteilen gezogenen Nutzungen herauszugeben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:260423UIVZR248.21.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-42168