BGH Urteil v. - IV ZR 17/22

Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung

Gesetze: § 199 Abs 1 BGB, § 8b Abs 1 MB/KK, § 8b Abs 2 MB/KK, § 155 Abs 3 S 2 VAG, § 203 Abs 2 VVG

Instanzenzug: Az: 9 U 307/19vorgehend Az: 23 O 33/19

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

2Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen umfassen unter anderem die "Musterbedingungen 2009 - MB/KK 2009 - des Verbandes der privaten Krankenversicherung" (im Folgenden: MB/KK) sowie die "Tarifbedingungen" der Beklagten. In den Muster- und Tarifbedingungen heißt es, wobei die Tarifbedingungen kursiv gedruckt sind:

"§ 8b Beitragsanpassung

1. Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. […]

1.1 Ergibt die Gegenüberstellung nach Absatz 1 Satz 2 bei den Versicherungsleistungen eine Abweichung von mehr als 10 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst; bei einer Abweichung von mehr als 5 % können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden.

[…]

2. Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.

3. […]"

3Die Beklagte informierte den Kläger über Beitragserhöhungen zum im Tarif B                 /1 um 36,69 € und im Tarif T     um 9,99 € (Schreiben vom Februar 2015), zum im Tarif B                /1 um 129,90 € (Schreiben vom Februar 2016) und zum unter der neuen Tarifbezeichnung B               /2 um 75,53 € (Schreiben vom Februar 2017).

4Im Schreiben vom Februar 2015, dem u.a. ein Nachtrag zum Versicherungsschein und ein Informationsblatt beigefügt waren, hieß es:

"[…]

in Deutschland nehmen schwerwiegende Krankheitsfälle immer mehr zu. Hierunter fallen psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen. Aber auch Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes wie Rückenschmerzen und Bandscheibenschäden treten häufiger auf.

Die betroffenen Patienten sind deshalb oft lange arbeitsunfähig. Dadurch steigen die Ausgaben für Versicherungen, die einen Verdienstausfall abdecken. Auch deshalb müssen wir in diesem Jahr die Beiträge für die Krankentagegeldtarife erhöhen.

[…]"

5Im Schreiben vom Februar 2016, dem u.a. ein Nachtrag zum Versicherungsschein und ein Informationsblatt beigefügt waren, hieß es:

"[…]

Warum ändert sich Ihr Beitrag?

Der wichtigste Grund sind die gestiegenen Gesundheitskosten. Diagnose- und Therapiemethoden entwickeln sich stets weiter. Diese haben ihren Preis. Doch sie helfen Ihnen, schneller gesund zu werden. Und mehr Lebensqualität zu genießen.

Weitere Gründe für die Beitragsanpassung entnehmen Sie bitte der Beilage 'Medizinischer Fortschritt - Ein Praxisbeispiel der [Versicherer]'.

[…]"

6Im Schreiben vom Februar 2017, dem u.a. ein Nachtrag zum Versicherungsschein und ein Informationsblatt beigefügt waren, hieß es:

"[…]

Warum ändert sich Ihr Beitrag?

Der wichtigste Grund sind die gestiegenen Gesundheitskosten. Diagnose- und Therapiemethoden entwickeln sich immer weiter. Diese haben ihren Preis. Doch sie helfen Ihnen, schneller gesund zu werden. Bei vielen chronischen Erkrankungen erhöhen sie die Lebensqualität.

[…]

Im Jahresvergleich sind im Tarif B                 die Versicherungsleistungen besonders stark gestiegen. Dies gilt vor allem für den stationären Bereich. Auch im ambulanten Bereich registrierten wir eine erhöhte Inanspruchnahme. Hier sind vor allem die Arznei- und Verbandmittel betroffen. Im zahnärztlichen Bereich stiegen besonders die Leistungen für Kieferorthopädie. Die ausgezahlten Leistungen lagen deutlich über denen des Vorjahres. Vor allem deshalb müssen wir die Beiträge anpassen.

[…]

Weitere Gründe für die Beitragsanpassung entnehmen Sie bitte der Beilage. 'Ein Praxisbeispiel der [Versicherer]'.

[…]"

7Soweit für die Revision noch von Interesse hat der Kläger mit seiner Klage die Rückzahlung der auf die genannten Erhöhungen entfallenden Prämienanteile in Höhe von 7.968,39 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie aus den auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, an ihn herauszugeben hat, die Beitragserhöhungen unwirksam waren und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist.

8Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger die genannten Anträge weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 7.599,99 € nebst Zinsen seit dem verurteilt worden ist. Weiter hat es festgestellt, dass folgende Prämienerhöhungen in den nachfolgenden Zeiträumen nicht wirksam geworden sind und der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist: im Tarif B                /1 zum und B                /2 zum sowie im Tarif T      zum jeweils bis zum und im Tarif B                 /1 zum seit dem . Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie vom bis zum aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf diese Beitragserhöhungen gezahlt hat, an den Kläger herauszugeben hat.

9Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Gründe

10Die Revision hat nur zum Teil Erfolg.

11I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die Beitragsanpassungen in formeller Hinsicht unwirksam gewesen seien. Aus den jeweiligen Anpassungsschreiben ergebe sich nicht, dass es einen vorab festgelegten Schwellenwert für eine Veränderung der Leistungsausgaben gebe, dessen Überschreitung die hier in Rede stehenden Prämienanpassungen ausgelöst habe. Die Beitragsanpassungen im Tarif B         /1 zum , im Tarif B          /2 zum und im Tarif T     zum seien durch Zustellung des Schriftsatzes der Beklagten vom geheilt und zum wirksam geworden. Hinsichtlich der materiellen Wirksamkeit habe die Beklagte für diese drei Prämienerhöhungen auf Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens den Beweis für die materielle Wirksamkeit geführt. Die Beitragsanpassung im Tarif B               /1 zum sei wegen der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungsklausel in § 8b MB/KK endgültig unwirksam.

12Die zu viel gezahlten Beträge errechneten sich unter Berücksichtigung des Klagebegehrens, das eine Rückforderung bis einschließlich Januar 2019 vorsehe, in Höhe von insgesamt 7.599,99 €. Die Verjährung der ab dem entstandenen Rückzahlungsansprüche sei durch die Zustellung des die nunmehr geltenden Klageanträge enthaltenen Schriftsatzes gehemmt worden. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus den von ihm gezahlten erhöhten Prämienanteilen in unverjährter Zeit.

13II. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend stand.

141. Die Revision ist insgesamt zulässig. Ihre Zulassung ist vom Berufungsgericht nicht wirksam beschränkt worden.

15a) Eine Beschränkung der Revisionszulassung, die - wie hier - nicht im Urteilstenor angeordnet ist, kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZR 28/09, VersR 2010, 903 Rn. 3). Demnach wollte das Berufungsgericht die Revision "nur im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit der Beitragsanpassungsklausel in § 8b Ziffern 1, 2 AVB Teil I" zulassen. Diese Frage betrifft ausschließlich die materielle Wirksamkeit der Prämienerhöhung im Tarif B                /1 zum , da nur diese auf einer Anwendung der genannten Beitragsanpassungsklausel beruht.

16b) Damit ist die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aber nicht wirksam beschränkt.

17aa) Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist nur im Hinblick auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Streitgegenstands zulässig, nicht aber auf einzelne Rechtsfragen (Senatsurteil vom - IV ZR 337/20, NJW-RR 2022, 606 Rn. 16 m.w.N.). Daher können die formelle oder die materielle Unwirksamkeit einer Prämienanpassung, die nur zwei verschiedene Begründungen für ein einheitliches Klagebegehren sind, nicht von einem Rechtsmittel ausgenommen werden (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 337/20 aaO Rn. 17).

18bb) Zudem kann die Zulassung der Revision nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, wenn der davon betroffene Teil des Streits in tatsächlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und nach einer Zurückverweisung eine Änderung des von der beschränkten Zulassung erfassten Teils nicht in die Gefahr eines Widerspruchs zu dem nicht anfechtbaren Teil gerät (Senatsbeschluss vom - IV ZR 124/18, VersR 2019, 1134 Rn. 13 m.w.N.). Da die formelle Wirksamkeit der Prämienanpassung im Tarif B                 /1 zum auf demselben Mitteilungsschreiben vom Februar 2015 wie die Prämienanpassung im Tarif T     beruht, können diese Erhöhungen nicht unabhängig voneinander beurteilt werden. Aber auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Prämienerhöhungen zum und die darauf beruhenden Klageansprüche ist nicht wirksam. Insoweit besteht die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, weil die Frage, für welchen Zeitraum der Kläger bei einer unterstellten Unwirksamkeit der Prämienanpassung im Tarif B                /1 zum nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet ist und gezahlte Prämien zurückfordern kann, von der Wirksamkeit der späteren Prämienanpassungen in demselben Tarif abhängt, die zur Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner neuen Gesamthöhe werden könnten (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 55). Dabei kann nicht darauf abgestellt werden, dass die Berufungsentscheidung über die späteren Prämienanpassungen in Rechtskraft erwachsen und damit für das weitere Verfahren bindend zugrunde zu legen sein könnte. Für die Frage, ob die Beschränkung der Revisionszulassung nach den genannten Grundsätzen wirksam ist, kommt es aus Gründen der Rechtsmittelklarheit auf den Zeitpunkt der beschränkten Zulassung der Revision an (Senatsbeschluss vom aaO Rn. 14). Ein Rechtsmittel gegen die von der Revisionszulassung ausgenommenen Urteilsteile war - unabhängig von der Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts - jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZB 9/20, WM 2021, 2454 Rn. 10).

192. Die Revision ist nur teilweise begründet.

20a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhungen die Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung (vgl. dazu Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 26) nicht erfüllten. Danach erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat (vgl. Senatsurteil vom aaO). Entgegen der Ansicht der Revision ist in diesem Sinne aber auch entscheidend, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 29). Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (Senatsurteil vom aaO Rn. 38).

21Revisionsrechtlich relevante Fehler liegen auf dieser Grundlage nicht vor. Nach der rechtsfehlerfreien Beurteilung des Berufungsgerichts ergab sich aus den Mitteilungen nicht, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die Beitragserhöhung ausgelöst hat. Es ist rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Erwähnung zunehmender schwerwiegender Krankheitsfälle und steigender Ausgaben (Schreiben vom Februar 2015) oder gestiegener Gesundheitskosten (Schreiben vom Februar 2016 und 2017) als Grund der Beitragserhöhung ebenfalls nicht als die geforderte Mitteilung verstand, dass die Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über einem festgelegten Schwellenwert die Beitragserhöhung ausgelöst hat. Entgegen der Ansicht der Revision genügt auch die Darstellung der Voraussetzungen einer Beitragsanpassung in dem jeweils beigefügten Informationsblatt nicht als Begründung, da sie sich nicht auf die konkreten Prämienerhöhungen für die Tarife des Klägers bezieht.

22b) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die in dem am zugestellten Schriftsatz nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassungen nur zu einer Heilung ex nunc führen (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 41 f.). Es ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die formal zunächst unwirksamen Prämienerhöhungen zum im Tarif T      sowie zum und im Tarif B                 /1 bzw.    /2 erst ab dem wirksam wurden und bis zu diesem Zeitpunkt die Erhöhungsbeträge nicht zu zahlen waren.

23c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen die Prämienerhöhung im Tarif B                /1 zum über die formelle Unwirksamkeit hinaus mit der Begründung für endgültig unwirksam gehalten, dass es für diese Erhöhungen an einer wirksamen Prämienanpassungsklausel fehle.

24aa) Bei der genannten Prämienanpassung lag die Veränderung der Versicherungsleistungen unterhalb des gesetzlich vorgesehenen Schwellenwerts von 10 % gemäß § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG. Diese gesetzlichen Vorschriften erlauben jedoch eine Herabsetzung des Schwellenwerts in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte nach § 8b MB/KK in Verbindung mit § 8b Abs. 1 der Tarifbedingungen den Schwellenwert auf 5 % gesenkt; dieser Wert wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch die Veränderung der Versicherungsleistungen bei der hier in Rede stehenden Prämienanpassung überschritten.

25bb) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom (IV ZR 253/20, VersR 2022 1078) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stehen die Regelungen in § 8b MB/KK zu den Voraussetzungen einer Prämienanpassung einer Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes für eine Prämienanpassung aus den Tarifbedingungen des Versicherers nicht entgegen. Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 31 f.), aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt dies die Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MB/KK und einer Regelung wie § 8b Abs. 1 der Tarifbedingungen der Beklagten unberührt (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 33 ff.).

26d) Da die Prämienanpassung im Tarif B              /1 zum in dem hier maßgeblichen Rückforderungszeitraum bis zum formell unwirksam war, hat deren materielle Wirksamkeit oder Unwirksamkeit keine Auswirkungen auf die Höhe des insoweit begründeten Zahlungsanspruchs. Der Kläger kann daher die auf die streitgegenständlichen Prämienerhöhungen gezahlten und von der Verjährung für die Zeit vor dem nicht erfassten Erhöhungsbeträge bis zum zurückverlangen. Daraus folgt der vom Berufungsgericht zu Recht zugesprochene Betrag in Höhe von 7.599,99 € ([36,69 € + 9,99 €] x 37 Monate + 129,90 € x 33 Monate + 75,53 € x 21 Monate), der hinsichtlich der Prämienerhöhung zum die Begrenzung des Rückzahlungszeitraums auf 33 Monate sowie hinsichtlich der Prämienerhöhung zum die Begrenzung des Rückzahlungszeitraums auf 21. Monate aus dem Klageantrag berücksichtigt. Dieser ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Die Höhe des Rückzahlungsanspruchs wird im Übrigen von der Revision zu Recht nicht angegriffen.

27e) Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung der ab dem geleisteten Prämienanteile durch die Zustellung des den entsprechenden Zahlungsantrag enthaltenden Schriftsatzes am rechtzeitig gehemmt wurde und dieser Anspruch nicht verjährt ist.

28Die dreijährige Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entgegen der Ansicht der Revision entsteht jedoch nicht mit der unwirksamen Prämienerhöhung und der ersten darauf erfolgten monatlichen Teilzahlung bereits ein einheitlicher Bereicherungsanspruch in Höhe aller in Zukunft darauf geleisteter Prämien. Die Rückzahlungsansprüche aufgrund unwirksamer Beitragserhöhungen entstehen vielmehr jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 113/20, BGHZ 232, 31 Rn. 41). Bei rechtsgrundlos erbrachten Leistungen, die periodisch fällig und dementsprechend bezahlt werden, entsteht mit jeder Zahlung ein sofort fälliger und damit ein regelmäßig zeitlich wiederkehrender Bereicherungsanspruch (vgl. , WM 2008, 1258 Rn. 12). Wie der Senat mit Urteil vom (IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078 Rn. 43) entschieden und im Einzelnen begründet hat, können die Grundsätze der Verjährung bei der Schadenseinheit nicht auf Bereicherungsansprüche übertragen werden.

29f) Das Berufungsgericht ist auch noch grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die vom bis zum gezogenen Nutzungen aus den zurückzuzahlenden Prämienanteilen nach § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben hat. Entgegen der Ansicht der Revision ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen aus den Prämienanteilen insgesamt - und damit auch hinsichtlich der Beitragserhöhungen zum und - für die seit dem gezogenen Nutzungen festgestellt hat. Da sich die Herausgabepflicht nur auf die gezogenen Nutzungen bezieht, ergibt sich daraus für die Prämienerhöhungen zum und , auf die vor diesen Daten keine Prämienanteile gezahlt wurden, für diese Zeit auch noch kein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen.

30Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber den Herausgabeanspruch auf die Nutzungen erstreckt, die die Beklagte vom bis zum aus den bis zum gezahlten und nicht geschuldeten Prämienanteilen gezogen hat. Auch die erst später gezogenen Nutzungen aus den bis zu diesem Zeitpunkt gezahlten Prämien sind von diesem Hauptanspruch abhängende Nebenleistungen im Sinne von § 217 BGB (Senatsurteil vom - IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078 Rn. 44 m.w.N.), die daher zusammen mit dem Hauptanspruch auf Rückzahlung der bis zum geleisteten Prämienzahlungen verjährten; dies gilt auch dann, wenn sie erst nach Ablauf der den Hauptanspruch betreffenden Verjährungsfrist beziffert werden können (Senatsurteil vom aaO m.w.N.).

31g) Die Sache ist nur teilweise entscheidungsreif.

32aa) Die bereits als begründet festzustellenden Ansprüche umfassen die Rückzahlung der vom bis gezahlten Erhöhungsbeträge in Höhe von 7.599,99 € nebst Zinsen und die Herausgabe der vom bis zum daraus gezogenen Nutzungen. Weiterhin begründet ist die Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienanpassungen und der fehlenden Pflicht zur Zahlung der Erhöhungsbeträge für den Zeitraum bis zum .

33bb) Unbegründet ist dagegen der Antrag auf Feststellung der fehlenden Pflicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages aus der Prämienanpassung im Tarif B                /1 zum für den Zeitraum nach dem . Da die zum vorgesehene Prämienanpassung in diesem Tarif durch Heilung der formellen Unwirksamkeit zum wirksam geworden ist, bildet diese fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 55). Außerdem hat der Kläger - wie ausgeführt - keinen Anspruch auf Nutzungen, die aus den bis zum gezahlten Erhöhungsbeträgen gezogen wurden. Insoweit ist daher das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen die Klageabweisung durch das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen.

34cc) Die darüberhinausgehende Klage bedarf dagegen zu ihrer Entscheidung noch einer Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Prämienanpassung im Tarif B                /1 zum über die Wirksamkeit der Beitragsanpassungsklausel hinaus. Der Kläger hat für alle erfolgten Prämienerhöhungen bestritten, dass die zugrunde liegenden Rechnungsgrundlagen überhaupt und in der jeweiligen konkreten Höhe eine Beitragserhöhung gerechtfertigt haben, doch das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - dazu für die hier in Rede stehende Prämienanpassung noch keine Feststellungen getroffen. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit die Unwirksamkeit dieser Prämienerhöhung über den hinaus festgestellt worden sind.

35III. Im zuletzt genannten Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das zu prüfen haben wird, ob die Prämienanpassung im Tarif B               /1 zum materiell rechtmäßig war.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:260423UIVZR17.22.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-42166