BGH Urteil v. - KZR 20/21

Kartellschadensersatz: Glaubhaftmachung der Voraussetzungen eines Kopplungsmissbrauchs - Vertriebskooperation im SPNV

Leitsatz

Vertriebskooperation im SPNV

1. Das Merkmal der Glaubhaftmachung in § 33g GWB ist eigenständig auszulegen. Es genügt, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger Inhaber eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist; einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit bedarf es nicht.

2. Eine Verpflichtungszusage nach § 32b GWB und die Ausführungen des Bundeskartellamts im Zusagenbeschluss können je nach den Umständen des Einzelfalls als Indiz für die nach § 33g GWB erforderliche Glaubhaftmachung eines kartellrechtswidrigen Verhaltens herangezogen werden.

Gesetze: § 19 Abs 2 GWB, § 32b GWB, § 33g GWB, Art 102 Abs 2 Buchst c AEUV, Art 102 Abs 2 Buchst d AEUV

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 11 U 164/19 (Kart) Urteilvorgehend LG Frankfurt Az: 2-06 O 245/18 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht auf Auskunft, Herausgabe von Beweismitteln und Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch, der ab 2008 entstanden sein soll.

2Die Klägerin ist die Muttergesellschaft der Transdev-Gruppe. Sieben ihrer Tochterunternehmen (nachfolgend: Zedentinnen) haben die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche an die Klägerin abgetreten. Die Zedentinnen sind private Eisenbahnunternehmen und betreiben Regionalbahnen (auch bezeichnet als "Nicht-bundeseigene Bahnen", kurz: NE-Bahnen).

3Die Beklagten sind Tochtergesellschaften der Deutsche Bahn AG (DB AG). Die Beklagte zu 1 betreibt - ebenso wie die Zedentinnen - Regionalbahnen. Die Verkehrsdienstleistungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) werden von dem jeweiligen Aufgabenträger im Wege der öffentlichen Vergabe vergeben. Die Beklagte zu 2 stellt im DB Konzern die Vertriebssysteme und die Vertriebsinfrastruktur bereit.

4Im Rahmen der nach § 12 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) vorgeschriebenen Tarifkooperation schlossen die Zedentinnen auf der Grundlage eines Musterkooperationsvertrags jeweils mit der Beklagten zu 1 einen Tarifkooperationsvertrag, den sogenannten C-Tarif ab, der den Fahrgästen bei netzübergreifenden Fahrten einen einheitlichen Tarif gewährleistet. Gemäß § 4 des jeweiligen Tarifkooperationsvertrages war dessen Wirksamkeit vom Abschluss eines weiteren Vertrages über die Kooperation im Vertrieb (nachfolgend: Vertriebskooperationsvertrag) mit der Beklagten zu 2 abhängig. Gegenstand der zwischen den Zedentinnen und der Beklagten zu 2 geschlossenen Vertriebskooperationsverträge mit unterschiedlichen Laufzeiten waren im Wesentlichen die gegenseitige Erbringung von Vertriebsleistungen, insbesondere der Fahrkartenverkauf. Die Zedentinnen hatten für die Vertriebsleistungen der Beklagten zu 2 Provisionssätze zwischen 10 % und etwa 19 % zu bezahlen. Sie erhielten für die von ihnen erbrachten Vertriebsleistungen von der Beklagten zu 2 eine Provision von 7,5 %, bezogen auf den Verkauf einer Fahrkarte für einen DB-Streckenabschnitt.

5Das Bundeskartellamt leitete im Januar 2014 gegen die DB AG ein Verfahren wegen des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Fahrkarten für den Schienenpersonenverkehr ein. Im Laufe des Verfahrens gab die DB AG Verpflichtungszusagen ab, wonach sie sich und ihre "relevanten Konzerngesellschaften" unter anderem verpflichtete, ihren Vertragspartnern ab eine Basis-Vertriebskooperation (nachfolgend: Basis-VK) zu einem Provisionssatz von maximal 8,5 % anzubieten. Mit Beschluss vom stellte das Bundeskartellamt das Verfahren ein und erklärte die von der DB AG abgegebenen Verpflichtungszusagen nach § 32b GWB für bindend (nachfolgend: Zusagenbeschluss).

6Die Klägerin sieht in dem Verhalten der Beklagten vor Umsetzung der Verpflichtungszusagen eine missbräuchliche Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung. Sie hätten den Zedentinnen unerwünschte und überteuerte Vertriebsleistungen aufgedrängt, indem sie den Abschluss der Tarifkooperationsverträge unzulässig an den gleichzeitigen Abschluss der Vertriebskooperationsverträge gekoppelt hätten. Die für die Vertriebsleistungen verlangten Provisionen seien missbräuchlich überhöht gewesen. Es liege auch eine Diskriminierung vor, weil die Provisionen ohne sachlichen Grund für konzerneigene Gesellschaften der DB AG niedriger gewesen seien.

7Mit ihrer als Stufenklage bezeichneten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten zu 2 Auskünfte über die Kosten und Einnahmen ihrer Vertriebstätigkeit (Anträge 1 bis 9) und Herausgabe der nach erteilter Auskunft näher zu bezeichnenden Beweismittel (Antrag 10) sowie - nach Erfüllung der Anträge 1 bis 10 - von beiden Beklagten als Gesamtschuldner Ersatz des ihr im Zeitraum von 2008 bis 2017 entstandenen Schadens in Höhe von mindestens 18.569.048 € nebst Zinsen (Antrag 11) und die Feststellung, dass sie verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden aus dem Jahr 2018 und noch in Zukunft entstehende Schäden zu ersetzen, die auf überhöhten Vertriebsprovisionen gegenüber der NordWestBahn GmbH und der Transdev Sachsen-Anhalt GmbH beruhen (Antrag 12). Eine entsprechende Feststellung begehrt die Klägerin auch hinsichtlich solcher Schäden, die der Bayerischen Regionalbahn GmbH (nachfolgend: BRB) in den Jahren 2017 und 2018 entstanden sind sowie in Zukunft noch entstehen werden (Antrag 13).

8Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Gründe

9Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

10A. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, zwar finde § 33g GWB seit dem gültigen Fassung des § 186 Abs. 4 GWB auf den vorliegenden Fall Anwendung. Der Klägerin stünden jedoch die auf der ersten Stufe geltend gemachten Auskunftsansprüche aus § 33g Abs. 1 GWB nicht zu, weil nicht glaubhaft gemacht sei, dass sie gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch habe. Die Beklagte zu 2 sei zwar Normadressatin des Missbrauchsverbots nach § 19 GWB und Art. 102 AEUV. Einen Verstoß gegen das Missbrauchsverbot habe die Klägerin jedoch nicht glaubhaft gemacht. Für die Glaubhaftmachung sei der Maßstab des § 294 ZPO heranzuziehen. Danach genüge es, dass das Gericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von dem Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs überzeugt sei. Eine solche Glaubhaftmachung ergebe sich nicht aus einer möglichen Indizwirkung des Zusagenbeschlusses des Bundeskartellamts. Dessen Inhalt sei zwar in die Prüfung einzubeziehen, jedoch habe das Gericht zu prüfen, welche Feststellungen vom Bundeskartellamt auf welcher Grundlage getroffen worden seien und ob diese in Zusammenschau mit dem weiteren Vortrag der Klägerin für eine Glaubhaftmachung ausreichten. Die grundsätzliche Kopplung des Tarif- und des Vertriebskooperationsvertrags werde von der Klägerin nicht angegriffen. Es gehe ihr vielmehr um die Aufdrängung "überschießender" Vertriebsleistungen. Ein ausbeuterischer Kopplungsmissbrauch gemäß Art. 102 Abs. 2 Buchst. d AEUV setze voraus, dass den Zedentinnen seitens der Beklagten zu 2 gemeinsam mit dem jeweiligen Tarifkooperationsvertrag die Inanspruchnahme zusätzlicher Leistungen im jeweiligen Vertriebskooperationsvertrag aufgezwungen worden sei. Das sei von der Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Soweit die Klägerin meine, die Beklagte zu 2 habe den Zedentinnen Vertriebsleistungen zu überteuerten Preisen ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Inanspruchnahme und den Bedarf berechnet, liege der Schwerpunkt des Vorwurfs darin, einen unangemessen hohen Preis für die erhaltene Leistung entrichtet zu haben. Dies begründe keinen Kopplungsmissbrauch.

11Die Klägerin habe auch einen Preishöhenmissbrauch gemäß Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV, § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB aF, § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB nicht glaubhaft gemacht. Der Provisionssatz von 8,5 %, zu dem sich die DB AG im Jahr 2016 gegenüber dem Bundeskartellamt verpflichtet habe, könne nicht unter dem Gesichtspunkt eines zeitlichen Vergleichsmarktkonzepts als unter Wettbewerbsbedingungen gebildeter Preis angesehen werden. Die Verpflichtungszusage sei Bestandteil der angestrebten Gesamtbereinigung aller erhobenen Kartellvorwürfe gewesen. Die Beklagten hätten auch zutreffend eingewandt, dass sich von 2008 bis zum Zeitpunkt der Verpflichtungszusage im Jahr 2016 und darüber hinaus bis heute das Verbraucherverhalten beim Fahrkartenerwerb fortschreitend erheblich verändert habe. Der Anteil der über das Internet erworbenen Fahrscheine sei gegenüber dem Anteil der im personenbedienten Verkauf verkauften Fahrscheine gestiegen. Dies habe maßgeblichen Einfluss auf die Vertriebskosten gehabt. Schließlich könne der in der Verpflichtungszusage für den sogenannten Basis-Vertrieb angesetzte Provisionssatz auch deshalb nicht als tauglicher Vergleichsmarktpreis herangezogen werden, weil er die in den streitgegenständlichen Vertriebsverträgen erbrachten Dienstleistungen der Beklagten zu 2 nur zum Teil abdecke. Auch der Provisionssatz von 7,5 %, den die Zedentinnen von der Beklagten zu 2 für die von ihnen veräußerten Fahrkarten erhielten, sei kein wettbewerbsanaloger Preis. Das Vertriebssystem der Beklagten zu 2 sei aufgrund seiner seit vielen Jahren etablierten Struktur und seiner zahlreichen bundesweit zugänglichen Verkaufsstellen qualitativ und quantitativ mit den weitgehend lokal errichteten Vertriebsstellen der NE-Bahnen nicht vergleichbar. Anhand der von der Klägerin herangezogenen Methode der Kostenkontrolle aufgrund einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung, wie sie im von der Klägerin vorgelegten Gutachten nebst Ergänzungsgutachten (beide nachfolgend: Oxera-Gutachten) angewandt worden sei, lasse sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Beklagten missbräuchlich überhöhte Preise von den Zedentinnen gefordert hätten und dass ihnen ein damit korrespondierender Schaden entstanden sei. Als Basis der im Oxera-Gutachten durchgeführten quantitativen Analyse seien ausschließlich Schätzungen der Klägerin zugrunde gelegt worden und es sei nicht ersichtlich, dass insoweit eine Plausibilitätsprüfung erfolgt sei.

12Auch ein Diskriminierungsmissbrauch nach § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB aF, § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, Art. 102 Abs. 2 Buchst. c AEUV sei nicht glaubhaft gemacht. Der Vortrag der Klägerin, die Beklagte zu 1 habe geringere Provisionen bezahlt als die Zedentinnen, gestatte noch nicht die Feststellung, dass die von der Beklagten zu 1 empfangenen Leistungen gleichwertig zu denen der Zedentinnen gewesen seien. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Ungleichbehandlung seien daher nicht vorgetragen. Eine Gesamtschau der Verhaltensweisen der Beklagten, wie sie das Bundeskartellamt unter anderem im Zusagenbeschluss vornehme, führe ebenfalls nicht zur Annahme eines kartellrechtswidrigen Verhaltens der Beklagten. Dieser Überlegung liege nämlich zugrunde, dass schon die einzelnen Verhaltensweisen je für sich ein kartellrechtswidriges Verhalten darstellten, was nicht der Fall sei. Da sich aus der Prüfung des Auskunftsanspruchs ergebe, dass den auf den weiteren Stufen geltend gemachten Ansprüchen die materiell-rechtliche Grundlage fehle, sei die Berufung insgesamt zurückzuweisen. Eine Haftung der Beklagten zu 1 bestehe auch deshalb nicht, weil eine gemeinschaftliche Begehung oder eine willentliche und wissentliche Beteiligung der Beklagten zu 1 an dem der Beklagten zu 2 vorgeworfenen Verhalten im Sinne von § 830 BGB nicht ersichtlich sei.

13B. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

14I. Das Berufungsgericht ist zunächst zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klagen als Stufenklagen gemäß § 254 ZPO zulässig sind. Als zulässig erweist sich gemäß § 260 ZPO bisher nur die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage.

151. Wird nach § 254 ZPO mit der Klage auf Auskunft eine Klage auf Leistung verbunden, kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die Auskunft erteilt ist.

16a) Eine Stufenklage nach § 254 Abs. 1 ZPO setzt daher zunächst voraus, dass ein unbestimmter Leistungsantrag durch die zu erteilenden Auskünfte konkretisiert werden soll. Sie bildet damit eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Erfordernis eines bestimmten Antrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Daraus folgt, dass die auf erster Stufe beanspruchte Auskunft ein Hilfsmittel sein muss, um die nachgeordneten Anträge zu beziffern oder in sonstiger Weise zu konkretisieren (, MDR 2000, 717 [juris Rn. 18]; vom - VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rn. 8, 9). Dagegen steht die Stufenklage für Auskunftsansprüche, die nicht der Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger allgemein Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen und damit die prozessuale Chancengleichheit oder seine beweisrechtliche Stellung verbessern sollen, grundsätzlich nicht zur Verfügung (BGHZ 189, 79 Rn. 8, 9 zu § 84a AMG mwN).

17b) Zudem müssen sich bei einer Stufenklage das Auskunfts- und das Leistungsbegehren gegen denselben Beklagten richten. Es ist unzulässig, die Bezifferung des Zahlungsanspruchs gegen einen Beklagten von einer Auskunft abhängig zu machen, die nicht er, sondern ein anderer Beklagter erteilen soll (, BGHZ 126, 138 [juris Rn. 12]; BSG, NZS 2014, 156 Rn. 20). Das gilt auch, wenn beide Beklagte als Gesamtschuldner auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Die Rechtsverteidigung der erst auf der Schadensstufe in Anspruch genommenen Gesamtschuldnerin würde sonst in unzumutbarer Weise eingeschränkt, weil sie auf die Auskunftserteilung keinen Einfluss hat (BGHZ 126, 138 [juris Rn. 13]).

182. Zulässige Stufenklagen liegen danach hier nicht vor. Das Auskunftsbegehren soll nicht der Bezifferung eines unbestimmten Leistungsantrags dienen. Hinzu tritt in Bezug auf die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage, dass nicht sie, sondern die Beklagte zu 2 auf Auskunft in Anspruch genommen wird.

19a) Der mit den Anträgen zu 1 bis 10 verfolgte Auskunfts- und Herausgabeanspruch nach § 33g Abs. 1, 10 GWB bezweckt nicht die Konkretisierung eines noch nicht hinreichend bestimmten Leistungsbegehrens. § 33g GWB soll nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers der Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. EU 2014, Nr. L 349, S. 1 - nachfolgend: Richtlinie 2014/104/EU) dienen. Nach den Erwägungsgründen 14 und 15 der Richtlinie soll mit der Pflicht zur Offenlegung von Beweismitteln einer Informationsasymmetrie begegnet werden, die bei wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten zum Nachteil des Geschädigten besteht. Der Geschädigte soll in die Lage versetzt werden, Kenntnis aller Tatsachen zu erlangen, die für die von ihm darzulegenden und zu beweisenden Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs notwendig sind (vgl. dazu unten, Rn. 51). Es geht dabei nicht allein um die Schadenshöhe und damit die Bezifferung des Anspruchs, sondern auch um den Anspruchsgrund. Für den diese Vorgaben umsetzenden Auskunftsanspruch nach § 33g GWB muss ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach noch nicht feststehen. Die begehrten Auskünfte nach § 33g GWB sind damit nicht nur ein Hilfsmittel zur näheren Bestimmung des Leistungsanspruchs.

20b) Das spiegelt sich auch in der Fassung der Anträge wider. Im Stufenverhältnis steht der nach Maßgabe der Auskünfte zu konkretisierende Herausgabeantrag (Antrag 10). Mit dem Antrag 11 verfolgt die Klägerin hingegen einen Leistungsantrag, der bereits einen bezifferten Mindestschaden beinhaltet und die Schadenshöhe ansonsten vom Schätzungsermessen des Gerichts abhängig macht. Es ist zwar zulässig, bei der Erhebung der Stufenklage den Leistungsantrag von vornherein mit einem Mindestbetrag zu beziffern, sofern die beiden ersten Stufen der Aufstockung dieses Betrages dienen oder eine fundiertere Begründung des der Höhe nach bereits feststehenden Anspruchs ermöglichen sollen ( IVb ZR 48/88, BGHZ 107, 236 [juris Rn. 19]; vom - XII ZR 83/95, FamRZ 1996, 1070 [juris Rn. 19]; vom - XII ZR 55/00, FamRZ 2003, 31 [juris Rn. 14]; Bacher in BeckOK ZPO, 48. Edition, § 254 Rn. 4.3). In einem solchen Fall ist die Klage aber nur hinsichtlich des Begehrens, das den bezifferten Zahlungsantrag übersteigt, als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO anzusehen (BGH, FamRZ 2003, 31 [juris Rn. 14]). Die Bestimmtheit der mit den Anträgen 12 und 13 verfolgten Feststellungsanträge hängt ebenfalls nicht von den begehrten Auskünften ab.

213. Die unzulässige Stufenklage gegen die Beklagte zu 2 kann in eine gemäß § 260 ZPO in Verbindung mit § 89b GWB zulässige Klage umgedeutet werden. Eine solche Umdeutung kann der Senat indes in Bezug auf die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage nicht vornehmen.

22a) Auch im Verfahrensrecht gilt in entsprechender Anwendung von § 140 BGB der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Parteihandlung in eine zulässige und wirksame Prozesserklärung umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 14/10, WuM 2011, 46 Rn. 9; vom - II ZB 3/16, NJW-RR 2016, 1529 Rn. 19; vom - XII ZB 409/22, juris Rn. 19). Eine unzulässige Stufenklage kann daher unter Umständen in eine zulässige Klagehäufung im Sinne des § 260 ZPO umgedeutet werden, wenn der Leistungsanspruch das eigentliche Rechtsschutzziel und der Auskunftsanspruch hierfür - zumindest nach der Vorstellung des Klägers - lediglich ein Hilfsmittel ist (BGHZ 189, 79 Rn. 13, 18; Urteil vom - VI ZR 109/12, VersR 2013, 1000 Rn. 34). Allerdings setzt § 260 ZPO schon nach seinem klaren Wortlaut die Geltendmachung der Ansprüche gegen denselben Beklagten voraus (BGHZ 126, 138 [juris Rn. 12]).

23b) Nach diesen Grundsätzen kann in Bezug auf die Klage gegen die Beklagte zu 2 die unzulässige Stufenklage in eine zulässige Klagehäufung gemäß § 260 ZPO in Verbindung mit § 89b GWB umgedeutet werden.

24aa) Die Klägerin hatte in der Klageschrift und der Replik vom zunächst nur die Feststellung der Schadensersatzpflicht und Schadensersatz in bezifferter Mindesthöhe verlangt. Erst mit Schriftsatz vom hat sie auch die Auskunfts- und Beweismittelherausgabeanträge anhängig gemacht. Dabei hat sie deutlich gemacht, dass sie die Ansprüche als Hilfsmittel zur Durchsetzung des Hauptanspruchs sieht und über die auf Schadensersatz gerichteten Anträge erst nach Erfüllung der Anträge 1 bis 10 entschieden werden soll. Das lässt sich nur erreichen, wenn über die Auskunfts- und Herausgabeansprüche vorab durch ein vollstreckbares Teilurteil (§ 301 Abs. 1 ZPO) entschieden werden kann. Ein solches Teilurteil darf ergehen, wenn im Wege objektiver Klagehäufung sowohl ein Auskunftsanspruch zur Vorbereitung eines Schadensersatzbegehrens als auch der Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht werden (BGHZ 189, 79 Rn. 14 ff.).

25Die Klägerin hat auch ein schutzwürdiges Interesse an einer Klage, bei der zunächst über die Auskunft entschieden werden kann, mit der Einreichung der Auskunftsklage aber zugleich der Zahlungsanspruch rechtshängig und damit die Verjährung gehemmt wird. Zwar wird die Verjährung des Schadensersatzanspruchs nach § 33h Abs. 6 Nr. 3 GWB auch durch die Erhebung einer (isolierten) Auskunftsklage nach § 33g GWB gehemmt; das gilt aber nicht für Ansprüche, die - wie hier teilweise - vor dem entstanden sind (§ 187 Abs. 3 Satz 3 GWB). Die Umdeutung der nach § 254 Abs. 1 ZPO unzulässigen Stufenklage in eine nach § 260 ZPO zulässige Klagehäufung entspricht damit dem mutmaßlichen Willen der Klägerin. Schutzwürdige Belange der Beklagten werden dadurch nicht berührt.

26bb) Der Verbindung des Offenlegungsanspruchs mit dem Schadensersatzanspruch in einer Klage nach § 260 ZPO steht nicht § 89b GWB entgegen.

27(1) Nach § 89b Abs. 1 GWB besteht die Möglichkeit, die Erteilung von Auskünften oder die Herausgabe von Beweismitteln innerhalb des Schadensersatzprozesses in entsprechender Anwendung von § 142 ZPO anzuordnen. Gemeint ist damit eine prozessleitende Anordnung, ohne dass ein Rechtsstreit über den Anspruch nach § 33g GWB geführt wird (vgl. Entwurf eines 9. Gesetzes zur Änderung des GWB, BT-Drucks. 18/10207, S. 101). Es geht also um Fälle, bei denen der Auskunftsanspruch - anders als hier - nicht rechtshängig ist.

28(2) Auch § 89b Abs. 3 Satz 1 GWB schließt eine objektive Klagehäufung nicht aus. Danach kann über den Anspruch nach § 33g Abs. 1 GWB durch Zwischenurteil entschieden werden, wenn er in dem Rechtsstreit über den Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen die andere Partei erhoben wird. Es ist umstritten, ob damit die klageweise Geltendmachung des Auskunfts- und Schadensersatzanspruchs im Wege der objektiven Klagehäufung nach §§ 254 Abs. 1, 260 ZPO oder die Vorlageanordnung nach § 89b Abs. 1 GWB gemeint ist.

29(a) Zwischenurteile (§ 303 ZPO) beziehen sich - anders als Teilurteile (§ 301 ZPO) - nicht auf einen Ausschnitt des Streitgegenstands, sondern dienen dazu, eine unter den Parteien streitige, das Verfahren betreffende Frage verbindlich zu klären (, MDR 2009, 1000 [juris Rn. 21] mwN; Musielak in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 303 Rn. 1). Ein vollstreckbarer Auskunftstitel kann durch ein Zwischenurteil nicht erlangt werden. Teilweise wird daher vertreten, § 89b Abs. 3 GWB erfasse nur das Berufen auf den Offenlegungsanspruch im Schadensersatzprozess mit dem Ziel, eine Vorlageanordnung als prozessleitende Maßnahme nach § 89b Abs. 1 GWB i.V.m. § 142 ZPO zu erreichen. Für ein vollstreckbares Teilurteil über den - eingeklagten - Offenlegungsanspruch bedürfe es hingegen keines Rückgriffs auf § 89b Abs. 3 GWB (Preuß in LMRKM, Kartellrecht, 4. Aufl., § 89b GWB Rn. 19; Rombach in BeckOK Kartellrecht, 8. Edition, § 89b GWB Rn. 21). Nach anderer Auffassung soll das "Zwischenurteil" nach § 89b Abs. 3 GWB wie ein vollstreckbares Teilurteil zu behandeln sein (Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., § 89b GWB, Rn. 13; Klumpe/Tiede, NZKart 2016, 471, 472 f.; vgl. auch Makatsch/Kacholdt in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., § 89b GWB Rn. 38). Zum Teil wird die Bezeichnung "Zwischenurteil" auf ein redaktionelles Versehen zurückgeführt (Bornkamm/Tolkmitt in Bunte, Kartellrecht, 14. Aufl., § 89b GWB Rn. 18, 19).

30(b) Im Streitfall kann offen bleiben, welche Auffassung vorzugswürdig ist. Der Gesetzgeber wollte mit § 89b Abs. 3 ZPO jedenfalls die Klagehäufung nach § 260 ZPO und die Möglichkeit einer Entscheidung durch Teilurteil über die Offenlegungsansprüche nicht ausschließen. Dafür spricht der Wortlaut der Bestimmung, der ein Zwischenurteil nur als Möglichkeit vorsieht ("kann"). Außerdem soll § 89b GWB, der nach dem Willen des Gesetzgebers der Umsetzung von Artikel 5 der Richtlinie 2014/104/EU dient (BT-Drucks. 18/10207, S. 101), die Rechte des Klägers auf Offenlegung der für seinen Schadensersatzanspruch notwendigen Informationen und Beweismittel verbessern. Diese Zielsetzung würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn damit bestehende zivilprozessuale Möglichkeiten beschränkt würden.

31c) Demgegenüber kommt eine Umdeutung der unzulässigen Stufenklage in eine zulässige Klage gemäß § 260 ZPO gegen die Beklagte zu 1 nicht in Betracht, weil die Auskunfts- und Herausgabeansprüche nicht gegen diese gerichtet sind. Auch eine Umdeutung in einen unbedingten Leistungs- und Feststellungsantrag verbunden mit einem Aussetzungsantrag gemäß § 89b Abs. 4 GWB ist nach den für die Umdeutung geltenden Maßgaben nicht möglich.

32aa) § 260 ZPO setzt voraus, dass sich die in der Klage verbundenen Ansprüche gegen denselben Beklagten richten. Diese Voraussetzung ist auch nicht nach § 89b GWB entbehrlich, unabhängig davon, ob er den Fall der objektiven Klagehäufung überhaupt erfasst. Das Gericht kann nach § 89b Abs. 3 GWB nur dann vorab über den Offenlegungsanspruch durch Zwischenurteil entscheiden, wenn dieser Anspruch in einem Rechtsstreit über den Schadensersatzanspruch "gegen die andere Partei" erhoben wird. Das bedeutet, dass sich der Offenlegungs- und der Auskunftsanspruch gegen den gleichen Anspruchsgegner richten müssen. Die Offenlegung gegenüber einem Dritten kann nicht durch ein Zwischenurteil im Sinne des § 89b Abs. 3 GWB angeordnet werden (Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, aaO, § 89b GWB Rn. 14; Rombach in BeckOK Kartellrecht, aaO, § 89b GWB Rn. 15, 19).

33bb) Es ist jedoch ein berechtigtes Interesse der Klägerin anzuerkennen, die Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 schon vor Auskunftserteilung rechtshängig zu machen, um auch insoweit die Verjährung zu hemmen. Diese Möglichkeit eröffnet § 89b Abs. 4 Nr. 1 GWB. Danach kann das Gericht den Rechtsstreit über den auf Schadensersatz gerichteten Anspruch auf Antrag bis zur Erledigung eines wegen des Anspruchs nach § 33g GWB geführten Rechtsstreits aussetzen. Das gilt auch, wenn die den Auskunftsanspruch nach § 33g GWB betreffende Klage gegenüber einer anderen Person anhängig ist (Rombach in BeckOK Kartellrecht, aaO, § 89b GWB Rn. 46). Die Hemmung der Verjährung bleibt durch eine Aussetzung grundsätzlich unberührt (vgl. , BGHZ 106, 295 [juris Rn. 9]). Die Aussetzungsregelung gemäß § 89b Abs. 4 Nr. 1 GWB soll gewährleisten, dass keine Entscheidung im Schadensersatzprozess ergeht, bevor die Auskunft, die den Rechtsstreit beeinflussen soll, erteilt oder das Beweismittel herausgegeben ist (BT-Drucks. 18/10207, S. 101). Es kommt für die Frage der Aussetzung daher darauf an, ob das Ergebnis der Offenlegung im Schadensersatzprozess genutzt werden kann. Der Aussetzungsantrag ist begründet, wenn die von einer anderen Person beanspruchten Auskünfte und Beweismittel für die Begründung des Schadensersatzanspruchs im Sinne des § 33g GWB "erforderlich" erscheinen. Einer darüber hinausgehenden Vorgreiflichkeit, wie sie die Aussetzung nach § 148 ZPO voraussetzt, bedarf es nicht (Preuß in LMRKM, Kartellrecht, 4. Aufl., § 89b GWB Rn. 27; aA Hellmann/Steinbrück, NZKart 2017, 164, 172).

34cc) Eine Umdeutung der unzulässigen Stufenklage in einen unbedingten Leistungs- und Feststellungsantrag verbunden mit einem Aussetzungsantrag gemäß § 89b Abs. 4 GWB scheitert hier aber daran, dass die dafür erforderliche Prozesserklärung weiter geht als der bisher gestellte, von der Auskunftserteilung durch die Beklagte zu 2 abhängig gemachte Antrag, dem schon ein Aussetzungsantrag nicht entnommen werden kann.

35I. Das Berufungsurteil kann auch in der Sache keinen Bestand haben. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 aus § 33g Abs. 1, 10 GWB auf Auskunftserteilung und Herausgabe von Beweismitteln (Anträge zu 1-10) nicht verneint werden.

361. Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings die Anwendbarkeit des § 33g GWB auf die im Streitfall geltend gemachten Auskunfts- und Herausgabeansprüche für Zeiträume ab dem bejaht.

37a) Dem steht nicht entgegen, dass § 33g GWB erst mit Wirkung vom in Kraft getreten ist. Wie der Gesetzgeber in § 187 Abs. 4 GWB (§ 186 Abs. 4 GWB aF) inzwischen ausdrücklich klargestellt hat, gilt diese Vorschrift unabhängig von der Entstehung der Ansprüche (vgl. , WuW 2021, 569 Rn. 98 - LKW-Kartell II) und auch für Klagen, die - wie hier - vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 187 Abs. 4 GWB am erhoben wurden.

38b) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Übergangsbestimmung des § 187 Abs. 4 GWB bestehen nicht; insbesondere steht diese mit dem Rückwirkungsverbot nach Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104/EU und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Einklang.

39aa) Nach Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104/EU gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass nationale Vorschriften, die zur Umsetzung der Richtlinie erlassen werden, um den materiell-rechtlichen Vorschriften dieser Richtlinie zu entsprechen, nicht rückwirkend gelten. Die Einstufung einer Vorschrift als materiell-rechtlich oder nicht materiell-rechtlich bezieht sich dabei auf die Vorschriften der Richtlinie und nicht auf die ihrer Umsetzung dienenden nationalen Vorschriften (vgl. , WuW 2022, 487 Rn. 40 f. - Volvo und DAF Trucks; vom - C-163/21, WuW 2023, 28 Rn. 30 - PACCAR). Bei der Offenlegung von Beweismitteln gemäß Art. 5 der Richtlinie handelt es sich nicht um eine materiell-rechtliche Vorschrift. Sie legt der beklagten Partei keine materiell-rechtlichen Pflichten auf, sondern ermöglicht dem Gericht prozessuale Maßnahmen, um Tatsachen für den behaupteten Schadensersatzanspruch festzustellen (EuGH, WuW 2023, 28 Rn. 34, 35 - PACCAR). Darauf, dass die Richtlinienbestimmung im deutschen Recht auch in Form eines materiell-rechtlichen Auskunfts- und Herausgabeanspruchs und damit überschießend umgesetzt wurde (vgl. BT-Drucks. 18/10207, S. 62; Bornkamm/Tolkmitt in Bunte, aaO, § 33g GWB Rn. 4; Makatsch/Kacholdt in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, aaO, § 33g GWB Rn. 20; OLG Düsseldorf, WuW 2018, 415, 417), kommt es nicht an, da sich das unionsrechtliche Rückwirkungsverbot der Richtlinie 2014/104/EU nicht auf nationale Vorschriften bezieht.

40bb) Die Geltung der Bestimmung für bereits vor ihrem Inkrafttreten entstandene Ansprüche widerspricht auch nicht den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

41(1) Das wäre anders, wenn die Regelung eine echte Rückwirkung entfalten, also nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreifen würde. Das ist der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon für vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung abgeschlossene Tatbestände gelten soll (, NVwZ-RR 2022, 533, Rn. 31 - Sanktion bei Meldepflichtverstoß; , BVerfGE 157, 177 Rn. 52 mwN). Die Ansprüche aus § 33g Abs. 1, 10 GWB ermöglichen es demjenigen, der glaubhaft macht, durch wettbewerbswidrige Verhaltensweisen geschädigt zu sein, die für die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs notwendigen Informationen zu erlangen. Ob oder in welchem Umfang tatsächlich ein Schadensersatzanspruch besteht, steht erst mit dem hier noch nicht eingetretenen Abschluss des Klageverfahrens fest. Die Bestimmung greift damit nicht ändernd in bereits abgeschlossene Sachverhalte ein.

42(2) Die Übergangsregelung enttäuscht auch kein schutzwürdiges Vertrauen des Anspruchsgegners auf das Fortgelten der bestehenden Rechtslage im Sinne einer unechten Rückwirkung. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (BVerfGE 157, 177 Rn. 53 mwN). Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber besondere Momente der Schutzwürdigkeit übersehen oder in einer nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügenden Weise gewürdigt hat, die für ein schutzwürdiges Vertrauen der nach § 33g GWB zur Auskunft und Beweismittelherausgabe Verpflichteten auf eine im Hinblick auf die Durchsetzung bereits entstandener Schadensersatzansprüche unveränderte Rechtslage sprechen.

43c) Der Anwendbarkeit im Streitfall steht auch nicht entgegen, dass § 33g Abs. 1 GWB auf den Schadensersatzanspruch nach § 33a Abs. 1 GWB verweist. Nach der Übergangsbestimmung des § 187 Abs. 3 Satz 1 GWB ist § 33a GWB zwar nur auf solche Schadensersatzansprüche anwendbar, die nach dem entstanden sind. Die Bestimmung des § 33g Abs. 1 GWB ist jedoch dahingehend zu verstehen, dass sie nicht nur den neu gefassten § 33a GWB, sondern alle Schadensersatzansprüche erfasst, die auf einem Verstoß gegen die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, gegen Art. 101 oder Art. 102 AEUV oder gegen eine Verfügung der Kartellbehörde beruhen (Lahme/Ruster in Bien/Käseberg/Klumpe/Körber/Ost, die 10. GWB-Novelle, 2021, Kap. 4 Rn. 208; Petrasincu/von Steuben, NZKart 2018, 286, 288; aA OLG Düsseldorf, WuW 2018, 415, 416; vgl. zu § 33 Abs. 5 Satz 2 GWB 2005; , WuW 2018, 405 Rn. 71 - Grauzementkartell II). Könnten die Rechte aus § 33g GWB erst nach dem entstanden sein, hätte es der Übergangsbestimmung in § 187 Abs. 4 GWB nicht bedurft (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/23492, S. 142; Petrasincu/von Steuben, NZKart 2018, 286, 288). § 33g Abs. 1 GWB erfasst damit auch Ansprüche aus § 33 Abs. 3 GWB aF, der im Übrigen § 33a GWB inhaltlich entspricht (vgl. Bornkamm/Tolkmitt in Bunte, aaO, § 33a Rn. 1).

442. Das Berufungsgericht ist jedoch bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 33g GWB von einem unrichtigen Maßstab für die Glaubhaftmachung ausgegangen.

45a) Nach § 33g Abs. 1, Abs. 10 GWB besteht die Verpflichtung zur Auskunft und Offenlegung von Beweismitteln gegenüber demjenigen, der glaubhaft macht, einen Schadensersatzanspruch nach § 33a Abs. 1 GWB zu haben, wenn dieser die Beweismittel so genau bezeichnet, wie dies auf Grundlage der mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Tatsachen möglich ist. Was unter dem Begriff der Glaubhaftmachung im Sinne des § 33g GWB zu verstehen ist, legt das Gesetz nicht fest.

46b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts setzt die Glaubhaftmachung nicht voraus, dass das Bestehen eines Schadensersatzanspruches überwiegend wahrscheinlich ist. Vielmehr genügt es, wenn der Anspruch schlüssig dargelegt ist und aufgrund konkreter Anhaltspunkte eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Kläger Inhaber eines solchen Ersatzanspruches ist.

47aa) In der Literatur ist umstritten, wie der Begriff der Glaubhaftmachung nach § 33g Abs. 1 GWB zu verstehen ist.

48(1) Teilweise wird vertreten, der Begriff sei an § 294 ZPO angelehnt und setze voraus, dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit besteht (Preuß in LMRKM, Kartellrecht, 4. Aufl., § 33g GWB Rn. 51; ders. in Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, 2017, Kap. 10 Rn. 34; Makatsch/Kacholdt in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, aaO, § 33g GWB Rn. 23; Grave in Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder/Seeliger, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 96. Lieferung, § 33g GWB Rn. 20; wohl auch Bechtold/Bosch, GWB, 10. Aufl., § 33g Rn. 19). Dies bedeute, dass etwas mehr für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs sprechen müsse als gegen sie (vgl. Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 294 Rn. 24). Ob die Bestimmung umfassend auf § 294 Abs. 1, 2 ZPO verweisen soll, auch im Hinblick auf die Beschränkung auf präsente Beweismittel und auf die Zulassung von Beweismitteln außerhalb des Strengbeweises, insbesondere der eidesstattlichen oder anwaltlichen Versicherung, oder nur hinsichtlich des Begriffs der Glaubhaftmachung, wird von den Vertretern dieser Ansicht unterschiedlich beurteilt (vgl. dazu etwa Preuß in LMRKM, aaO, § 33g GWB Rn. 57; Mäsch in Berg/Mäsch, Kartellrecht, 4. Aufl., § 33g GWB Rn. 7; Makatsch/Kacholdt in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, aaO, § 33g GWB Rn. 25; Bechtold/Bosch, aaO, § 33g Rn. 8, 9).

49(2) Nach anderer Auffassung genügt bereits ein geringerer Wahrscheinlichkeitsgrad zur Glaubhaftmachung gemäß § 33g Abs. 1 GWB. Zum Teil wird in Anlehnung an Besichtigungsansprüche im Gewerblichen Rechtsschutz nur eine "hinreichende" Wahrscheinlichkeit verlangt (vgl. Bornkamm/Tolkmitt in Bunte, aaO, § 33g GWB Rn. 9), zum Teil wird unter Berücksichtigung der Vorgaben aus Art. 5 der Richtlinie 2014/104/EU auf eine "plausible" Darlegung des Anspruchs unter Nutzung der mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Tatsachen und Beweismittel abgestellt (vgl. Bach in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., § 33g GWB, Rn. 18, 19; Bach/Wolf, NZKart 2017, 285, 288).

50bb) Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Das Merkmal der Glaubhaftmachung in § 33g GWB ist unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden unionsrechtlichen Vorgaben eigenständig auszulegen. Daraus folgt, dass der Auskunfts- und Offenlegungsanspruch nicht erst dann besteht, wenn ein kartellrechtlicher Schadensersatzanspruch des Klägers überwiegend wahrscheinlich ist. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger Inhaber eines solchen Ersatzanspruchs ist.

51(1) Der Gesetzgeber wollte mit § 33g GWB Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104/EU umsetzen. Danach setzt die Offenlegung voraus, dass der Kläger eine substantiierte Begründung vorlegt, die mit zumutbarem Aufwand zugängliche Tatsachen und Beweismittel enthält, die die Plausibilität seines Schadensersatzanspruchs ausreichend stützen. Nach den Erwägungsgründen 14 und 15 der Richtlinie soll mit der Pflicht zur Offenlegung von Beweismitteln - wie bereits ausgeführt (oben Rn. 19) - einer Informationsasymmetrie begegnet werden, die bei wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten zum Nachteil der Geschädigten besteht. Die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht erfordere eine komplexe Analyse von Tatsachen und Beweismitteln, die sich typischerweise in der Hand der gegnerischen Partei oder Dritter befänden. Die Offenlegung diene damit der Waffengleichheit. Auf diese Zielsetzung weist auch der Unionsgerichtshof hin (vgl. EuGH, WuW 2023, 28 Rn. 32, 44 - PACCAR). Die Richtlinie greift damit das Problem auf, dass die Datenbasis geschädigter Unternehmen in vielen Fällen nicht ausreicht, um einen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch zu begründen (vgl. dazu Weitbrecht, WuW 2015, 959, 967; Bornkamm/Tolkmitt in Bunte, aaO, § 33g GWB Rn. 1). Für die Pflicht zur Offenlegung sollen deshalb Umstände genügen, die einen Schadensersatzanspruch ausreichend plausibel erscheinen lassen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ist nach der Richtlinie nicht erforderlich.

52Die der Umsetzung der Richtlinie 2014/104/EU dienenden nationalen Vorschriften müssen so angewandt werden, dass sie die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht übermäßig erschweren (Art. 4 der Richtlinie 2014/104/EU). Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung kann daher nicht angenommen werden, dass mit dem Merkmal der Glaubhaftmachung auf den entsprechenden Begriff im nationalen Prozessrecht (§ 294 ZPO) Bezug genommen wird. Auch der Wortlaut des Begriffs der Glaubhaftmachung verlangt keine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Er verdeutlicht nur, dass die zur Begründung des Schadensersatzanspruchs notwendigen Tatsachen nicht mit Gewissheit feststehen, sondern lediglich plausibel erscheinen müssen.

53(2) Gegen einen Verweis auf § 294 ZPO spricht weiterhin, dass sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, die in der Richtlinie prozessual ausgestaltete Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104/EU im nationalen Recht als materiell-rechtlichen Anspruch umzusetzen. Er geht insoweit über die Mindestvorgaben der Richtlinie hinaus. Die Glaubhaftmachung nach § 33g GWB betrifft daher - anders als § 294 ZPO - nicht allein eine besondere Form der Beweisführung und damit eine zivilprozessuale Frage; vielmehr ist die Glaubhaftmachung des Schadensersatzanspruchs materiell-rechtliche Voraussetzung des Auskunfts- und Beweismittelherausgabeanspruchs.

54Ein ähnliches Umsetzungskonzept wurde bereits mit den Vorlage- und Besichtigungsansprüchen bei Schutzrechtsverletzungen nach § 19 a Abs. 1 MarkenG, § 140 c Abs. 1 PatG, § 24 c Abs. 1 GebrMG, § 46 a Abs. 1 DesignG verfolgt (Preuß in Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, 2017, Kap. 10 Rn. 7). Sie beruhen auf Art. 6 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Auch hier hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die prozessual ausgestaltete Richtlinienbestimmung des Art. 6 durch einen materiell-rechtlichen Vorlage- und Besichtigungsanspruch umzusetzen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/5048, S. 26 f.; Schricker/Loewenheim/Wimmers, 6. Aufl., UrhG § 101a Rn. 11).

55Die Voraussetzung der Glaubhaftmachung in § 33g GWB erfüllt eine vergleichbare Funktion wie das Merkmal der "hinreichenden Wahrscheinlichkeit" einer Rechtsverletzung in § 19 a Abs. 1 MarkenG, § 140 c Abs. 1 PatG, § 24 c Abs. 1 GebrMG, § 46 a Abs. 1 DesignG. Der Besichtigungsanspruch soll gerade in Fällen gewährt werden, in denen noch ungewiss ist, ob überhaupt eine Rechtsverletzung vorliegt. Deshalb ist die Schwelle niedrig anzusetzen und kann ein erheblicher Grad an Wahrscheinlichkeit regelmäßig nicht verlangt werden (vgl. , BGHZ 150, 377 [juris Rn. 26] - Faxkarte; vom - I ZR 90/09, GRUR 2013, 509 Rn. 20 - UniBasic-IDOS zu § 809 BGB; , juris Rn. 17). Es genügen konkrete Anhaltspunkte, die einen gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit begründen (, GRUR 2013, 316 Rn. 22, 24 - Rohrmuffe; , juris Rn. 17 zu § 140c PatG; Wirtz in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 19a Rn. 8). Eine entsprechende Lage besteht beim Auskunfts- und Offenlegungsanspruch nach § 33g Abs. 1, 10 GWB. Es handelt sich um einen selbständigen Hilfsanspruch zur Vorbereitung eines möglichen, noch nicht feststehenden Schadensersatzanspruchs. Die begehrten Auskünfte und Beweismittel sollen den Geschädigten erst in die Lage versetzen, einen Schadensersatzanspruch gegebenenfalls zu substantiieren. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dürfen daher nicht überspannt werden. Es genügen konkrete Anhaltspunkte, die einen gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit begründen. Es ist eine substantiierte Begründung vorzulegen, die mit zumutbarem Aufwand zugängliche "Tatsachen und Beweismittel" enthält, die die Plausibilität des Schadensersatzanspruchs ausreichend stützen.

56(3) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist bei diesem Maßstab nicht zu befürchten, dass der Anspruchsberechtigte ungerechtfertigt Zugang zu Geschäftsgeheimnissen des Anspruchsgegners erhält. Ebenso wenig droht eine unzulässige Ausforschung. Den Interessen des Anspruchsgegners ist vielmehr bei der konkreten Ausgestaltung der Offenlegungsanordnung nach § 33g Abs. 3 und 4 GWB Rechnung zu tragen. Soweit sich die Herausgabe bestimmter Dokumente oder die Erteilung bestimmter Auskünfte im Einzelfall unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten als unverhältnismäßig darstellt, ist der Anspruch nach § 33g Abs. 3 GWB ausgeschlossen. Dabei sind sowohl die Ausforschung nicht erheblicher Tatsachen (Nr. 3) als auch der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (Nr. 6) zu berücksichtigen. Die Darlegungs- und Beweislast für derartige Umstände liegt beim Anspruchsgegner (vgl. Bornkamm/Tolkmitt in Bunte, aaO, § 33g GWB Rn. 31). Entsprechende Darlegungen sind ihm auch möglich, da der Antragsteller zunächst die von ihm herausverlangten Unterlagen so genau bezeichnen muss, wie ihm das auf Grundlage der mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Tatsachen möglich ist (§ 33g Abs. 1 GWB). Unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe 14 und 15 der Richtlinie dürfen an die konkrete Bezeichnung allerdings keine überzogenen Anforderungen gestellt werden (vgl. EuGH, WuW 2023, 28 Rn. 44 - PACCAR).

57c) Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union zu den Anforderungen an die Substantiierung und Plausibilität des Schadensersatzanspruchs nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104/EU bedarf es nicht. Es ist nach den oben dargelegten Erwägungsgründen der Richtlinie hinreichend klar, dass an die Glaubhaftmachung bei richtlinienkonformer Auslegung keine hohen Anforderungen gestellt werden können (zum Maßstab eines acte-clair, vgl. , NVwZ 2021, 1766 Rn. 39 ff. mwN - Consorzio Italian Management). Der Unionsgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung "PACCAR" zu dem Offenlegungsanspruch auch bereits geäußert und dabei betont, dass der Kläger vor Erhebung der Schadensersatzklage im Allgemeinen nur über wenige Angaben verfügt und ihm daher nur ein zumutbarer Aufwand abzuverlangen ist (EuGH, WuW 2023, 28 Rn. 45 a.E. - PACCAR).

583. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe einen Schadensersatzanspruch nicht glaubhaft gemacht, keinen Bestand haben. Auf Grundlage der im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen besteht eine gewisse - und damit für die Glaubhaftmachung nach § 33g Abs. 1 GWB genügende - Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beklagte zu 2 der Klägerin nach §§ 33 Abs. 3 GWB aF, 33a GWB zum Schadensersatz verpflichtet ist. Es liegen hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Vertriebspraxis der Beklagten zu 2 im streitgegenständlichen Zeitraum sowohl gegen das aus Art. 102 AEUV, § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB folgende Kopplungsverbot verstieß, als auch einen Preishöhenmissbrauch gemäß Art. 102 Abs. 2 Buchst. b AEUV, § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB darstellte und dem aus Art. 102 Abs. 2 Buchst. c AEUV folgenden Diskriminierungsverbot widersprach.

59a) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte zu 2 auf dem Markt für Vertriebsdienstleistungen im Schienenpersonennahverkehr über eine marktbeherrschende Stellung verfügt und damit Normadressatin des Missbrauchsverbots nach § 19 GWB und Art. 102 AEUV ist. Es hat ausgeführt, sachlich relevant sei der Angebotsmarkt für Vertriebsdienstleistungen von Fahrscheinen für den SPNV. Die Beklagte zu 2 habe im streitgegenständlichen Zeitraum als einziges Unternehmen ein bundesweit flächendeckendes Netz zum Vertrieb von Fahrscheinen über personenbediente Verkaufsstellen, Fahrscheinautomaten und Agenturen betrieben. Eine Aufspaltung des sachlichen Marktes in verschiedene Vertriebskanäle (Internet, Schalter, Automat) komme nicht in Betracht, da es hier um das Nachfrageverhalten der Zedentinnen in Bezug auf Leistungsbündel gehe, die alle Vertriebskanäle umfassten. In diesem Bereich sei die Beklagte marktbeherrschend. Als räumlicher Markt sei das gesamte Bundesgebiet relevant, da der streitgegenständliche Vertrieb von Fahrscheinen im SPNV im Zusammenhang mit der Akzeptanz der Fahrscheine über Tarifgrenzen hinweg stehe und daher bundesweit ausgerichtet sei. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

60b) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch den notwendigen Zwischenstaatlichkeitsbezug bejaht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erstreckt sich die marktbeherrschende Stellung der Beklagten zu 2 auf das gesamte Bundesgebiet. Ihre Vertriebsleistungen werden grenzüberschreitend von Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) nachgefragt. Es liegt damit nahe, dass die der Beklagten zur Last gelegten Verhaltensweisen auch den Marktzutritt für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten erschweren.

61c) Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht die Glaubhaftmachung der Voraussetzungen eines Kopplungsmissbrauchs nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. d AEUV verneint.

62aa) Art. 102 Abs. 2 Buchst. d AEUV verbietet missbräuchliche Kopplungsgeschäfte. Die Vorschrift versteht hierunter die an den Abschluss eines Vertrags geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen abnehmen, welche weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen. Ein entsprechendes Verhalten ist auch nach § 19 Abs. 1 GWB verboten (vgl. , WuW/E BGH 1965, [juris Rn. 13] - Gemeinsamer Anzeigenteil). Mit dem Verbot soll verhindert werden, dass das marktbeherrschende Unternehmen seine Marktmacht dazu einsetzt, Nachfragern unerwünschte Produkte aufzuzwingen und dadurch seine Marktstellung weiter ausbauen oder auf andere Märkte übertragen kann. Ferner soll erreicht werden, dass der Markt für das gekoppelte Produkt nicht auf diese Weise gegenüber anderen Wettbewerbern verschlossen wird (vgl. Kommission, Erläuterungen zu den Prioritäten bei der Anwendung von Artikel 82 - 2009/C 45/02, ABl. EU 2009 C 45/07 Rn. 49, 52; , Slg 2007, II-3601 Rn. 857 - Microsoft; Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., Art. 102 AEUV Rn. 274, 286; Bulst in Bunte, Kartellrecht, 14. Aufl., Art. 102 AEUV Rn. 223).

63bb) Der Tatbestand setzt voraus, dass das Unternehmen ein Produkt, für dessen Markt es über eine beherrschende Stellung verfügt, mit einem separaten Produkt koppelt und seinen Abnehmern nicht die Möglichkeit gibt, das Kopplungsprodukt ohne das gekoppelte Produkt zu beziehen (EuG, Slg 2007, II-3601 Rn. 842 - Microsoft; Fuchs in Immenga/Mestmäcker, aaO, Art. 102 AEUV Rn. 274, 286;Bulst in Bunte, aaO, Art. 102 AEUV Rn. 223). Die Aufzählung der missbräuchlichen Verhaltensweisen in Art. 102 Abs. 2 AEUV ist nicht abschließend. Auch Leistungen, die - entgegen dem Wortlaut von Art. 102 Abs. 2 Buchst. d AEUV - sachlich oder nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen, können unter Umständen missbräuchlich gekoppelt sein (, Slg 1996, I 5951 Rn. 37 - Tetrapak).

64cc) Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Bestand hat seine Wertung, die grundsätzliche Verbindung der Tarif- mit der Vertriebskooperation begegne keinen durchgreifenden kartellrechtlichen Bedenken. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wurde die Wirksamkeit des jeweiligen Tarifkooperationsvertrages davon abhängig gemacht, dass auch ein Vertriebskooperationsvertrag unterzeichnet wird. In § 4 des Mustertarifkooperationsvertrages heißt es, der Vertrieb sei nicht Gegenstand des Vertrags. Der Kooperationsvertrag bedürfe zu seiner Wirksamkeit eines gültigen Vertriebskooperationsvertrages. Diese Verbindung war sachlich geboten, soweit sie nicht über eine Basiskooperation beim wechselseitigen Fahrkartenvertrieb hinausging. Nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AEG waren im maßgeblichen Zeitraum und sind nach wie vor EVU dazu verpflichtet, daran mitzuwirken, dass im Personenverkehr durchgehende Tarife aufgestellt werden. Eine Tarifkooperation der Betreiber verschiedener Netze kann nur umgesetzt werden, wenn der Fahrkartenvertrieb auch für die fremden Streckenabschnitte über die eigene Vertriebsinfrastruktur ermöglicht wird und die Fahrscheine wechselseitig anerkannt werden. Davon geht ausweislich des Zusagenbeschlusses auch das Bundeskartellamt aus und hat insoweit keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken geäußert.

65dd) Jedoch kann mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht angenommen werden, die Klägerin habe auch hinsichtlich weitergehender, "überschießender" Vertriebsleistungen keine verbotswidrige Kopplung glaubhaft gemacht.

66(1) Die Klägerin sieht den Kern des Missbrauchs darin, dass die Beklagte zu 2 den Zedentinnen im Vertriebskooperationsvertrag "überschießende" Vertriebsleistungen aufgezwungen habe. Sie unterscheidet insoweit zwischen der wechselseitigen Anerkennung von Fahrscheinen, verbunden mit dem gegenseitigen Vertrieb (vom Bundeskartellamt als "Muss-Leistungen" oder "Vertrieb für die Strecke" bezeichnet), und zusätzlichen Vertriebsleistungen ("Kann-Leistungen" oder "Vertrieb an der Strecke"). Zu diesen zusätzlichen Leistungen gehört nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beispielsweise der Betrieb personenbedienter Verkaufsstellen und Fahrkartenautomaten in den Netzgebieten der Zedentinnen durch die Beklagte zu 2. Entsprechende Leistungen waren unter anderem in den Dienstleistungsverträgen der Tochterunternehmen der Klägerin, Trans Regio Deutsche Regionalbahn GmbH (nachfolgend: Trans Regio), Nord-Ostsee-Bahn GmbH und NordWestBahn GmbH, vorgesehen.

67(2) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei diesen Vertriebsleistungen um separate Produkte im Sinne des Art. 102 Abs. 2 Buchst. d AEUV handelt. Zwei getrennte Güter liegen vor, wenn angesichts der Verbrauchernachfrage jeweils ein getrennter Markt aktuell oder potenziell besteht (EuG, Slg 2007, II-3601 Rn. 917 - Microsoft; Fuchs in Immenga/Mestmäcker, aaO, Art. 102 AEUV Rn. 283). Bei komplementären Produkten genügt es für die Annahme getrennter Märkte, wenn die Abnehmer die Produkte zwar zusammen, aber von unterschiedlichen Quellen erwerben wollen (Bulst in Bunte, aaO, Art. 102 AEUV Rn. 229). Die zusätzlichen Vertriebsleistungen ("Kann-Leistungen"), wie zum Beispiel der Vertrieb über bestimmte Verkaufsstellen, können von den Grundleistungen in Gestalt des gegenseitigen Fahrkartenverkaufs und der gegenseitigen Anerkennung der Fahrkarten getrennt werden. Es ist ohne weiteres denkbar, dass die Zedentinnen einen personenbedienten Fahrkartenverkauf - sofern sie ihn überhaupt anbieten wollen - zu geringeren Kosten von Dritten hätten erbringen lassen können. Vorstellbar wäre etwa der Vertrieb über stationäre Ladengeschäfte oder Kioske. Ebenso erscheint möglich, dass - wie auch das Bundeskartellamt annimmt - sie diese Leistungen selbst erbringen.

68(3) Keinen Bestand kann jedoch die Annahme des Berufungsgerichts haben, es fehle an einer Glaubhaftmachung, dass die zusätzlichen Leistungen den Zedentinnen im Rahmen des Vertriebskooperationsvertrages entgegen ihrem Willen aufgezwungen worden seien.

69(a) Der Kopplungsmissbrauch setzt voraus, dass das marktbeherrschende Unternehmen seinen Abnehmern nicht die Möglichkeit gibt, das Kopplungsprodukt ohne das gekoppelte Produkt zu beziehen. Ein solcher Abnahmezwang kann auf verschiedene Arten erreicht werden. Eine Möglichkeit besteht darin, das Hauptprodukt nur im Paket mit dem Nebenprodukt zu vertreiben (vgl. Kommission, Entscheidung vom - 92/163/EWG, ABl. 1992 L 72, S. 1 Rn. 116, 117 - Tetra Pak II;Eilmansberger/Bien in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 3. Aufl., Art. 102 AEUV Rn. 613). Die Verknüpfung der Leistungen kann auch weniger stark ausgeprägt sein. Beispielsweise kann ein Unternehmen die fraglichen Leistungen derart miteinander verbinden, dass sie zwar nach Wahl des Abnehmers einzeln oder gemeinsam erworben werden können, zugleich aber bestimmte Anreize gesetzt werden, um vorzugsweise eine gleichzeitige Nachfrage nach dem gekoppelten Produkt zusammen mit dem koppelnden Produkt hervorzurufen (Fuchs in Immenga/Mestmäcker, aaO, Art. 102 AEUV Rn. 285; Bulst in Bunte, aaO, Art. 102 AEUV Rn. 228).

70(b) Das Berufungsgericht hat angenommen, unter Würdigung des Vortrags der Klägerin, der vorgelegten Unterlagen und des Zusagenbeschlusses könne nicht festgestellt werden, dass den Zedentinnen über die "Muss-Leistungen" hinaus weitere "Kann-Leistungen" aufgezwungen wurden. Die Klägerin trage insoweit konkret nur zu den Zedentinnen Trans Regio und Bayrische Regionalbahn GmbH vor. Dieser Vortrag sei jedoch nicht geeignet, eine Verpflichtung zur Abnahme unzulässig gekoppelter Leistungen anzunehmen. Das Argument, die Trans Regio habe nach dem Zusagenbeschluss auf die Basis-VK umgestellt und keine zusätzlichen Leistungen mehr bestellt, überzeuge nicht. Die Leistungen des personenbedienten Vertriebs seien in den früheren Verträgen ausdrücklich beauftragt worden. Die BRB habe auch nach dem Zusagenbeschluss noch zusätzliche Vertriebsleistungen abgenommen. Soweit die Klägerin vortrage, sie stehe nach der Umstellung wirtschaftlich besser da, lasse sich damit ein Kopplungsmissbrauch nicht begründen. Hinsichtlich der weiteren Zedentinnen sei aus den vorgelegten Verträgen zwar ersichtlich, dass die Beklagte zu 2 die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung bestimmter Vertriebsstrukturen, zum Beispiel personenbedienter Vertriebsstätten oder Automaten, eingegangen sei. Es sei jedoch nicht vorgetragen, dass diese Leistungen von den Zedentinnen nicht gewollt waren. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass sie aufgrund unternehmerischer Entscheidungen oder korrespondierender Verpflichtungen gegenüber ihren öffentlichen Auftraggebern vereinbart wurden. Auch der Zusagenbeschluss enthalte nicht die notwendigen Anknüpfungstatsachen. Aus ihm gehe nicht hervor, welche Leistungen im Vertrieb tatsächlich als "überschießend" bewertet werden könnten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Bundeskartellamt die Dienstleistungsverträge nicht gesichtet habe.

71(4) Diese Würdigung der vorgetragenen Indiztatsachen erweist sich als unvollständig und teilweise erfahrungswidrig. Anhaltspunkte für einen faktischen Abnahmezwang ergeben sich zunächst aus dem Zusagenbeschluss.

72(a) Dieser Beschluss ist für das Gericht zwar nicht bindend im Sinne des § 33b GWB (§ 33 Abs. 4 GWB a.F.), da er keine bestandskräftige Feststellung über einen Kartellrechtsverstoß enthält (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/3640, S. 34). Die Kartellbehörde trifft mit der Verbindlicherklärung der Verpflichtungszusage keine endgültige Aussage darüber, ob ein Kartellverstoß vorlag oder nicht (, WuW/E DE-R 4883 Rn. 22 - Trinkwasserpreise). Das schließt jedoch eine indizielle Bedeutung der Verpflichtungszusage und der Ausführungen des Bundeskartellamtes im Zusagenbeschluss nicht aus. Ob und ggf. inwieweit dem Beschluss im Zivilprozess eine Indizwirkung zukommen kann, wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt (befürwortend: Bornkamm/Tolkmitt in Bunte, aaO, § 32b GWB Rn. 29; Otto in LMRKM, Kartellrecht, 4. Aufl., § 32b GWB Rn. 16; für einen Anscheinsbeweis: Becker, NZKart 2016, 58, 62; differenzierend: Bach in Immenga/Mestmäcker, aaO, § 32b GWB Rn. 26; ablehnend: Spiecker in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., § 32b GWB Rn. 33). Für Zusagenentscheidungen der Europäischen Kommission nach Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2006 C 210/02) hat der Unionsgerichtshof bereits geklärt, dass das nationale Gericht die darin zum Ausdruck gekommene vorläufige Beurteilung der Kommission als Indiz oder als Anfangsbeweis für die Wettbewerbswidrigkeit (dort im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 AEUV) berücksichtigen muss (, WuW 2018, 31 Rn. 29 - Gasorba). Das Instrument der Verpflichtungszusagen nach § 32b GWB wurde entsprechend dem Vorbild des Art. 9 VO 1/2003 in das deutsche Recht eingeführt (vgl. BTDrucks. 15/3640, S. 34, 51 f.; BGH, WuW/E DE-R 4883 Rn. 21 - Trinkwasserpreise). Das spricht dafür, dass auch dem Zusagenbeschluss nach § 32b GWB eine indizielle Bedeutung zuzumessen ist. Das gilt jedenfalls für die Glaubhaftmachung nach § 33g GWB, die die Beweisführung im Kartellschadensersatzprozess erleichtern soll und an die deshalb keine hohen Anforderungen zu stellen sind.

73(b) Eine Verpflichtungszusage nach § 32b GWB setzt voraus, dass das in Frage stehende Verhalten aus Behördensicht nicht frei von kartellrechtlichen Bedenken war (vgl. Bornkamm/Tolkmitt in Bunte, aaO, § 32b GWB Rn. 25; Bach in Immenga/Mestmäcker, aaO, § 32b GWB Rn. 26). Schon der Umstand, dass das Bundeskartellamt im Rahmen seines Aufgreifermessens ein Verfahren einleitet, deutet darauf hin, dass anfänglich Anhaltspunkte für Verstöße vorlagen. Führt das Verfahren zu einer Verpflichtungszusage, kann dies dafür sprechen, dass die Hinweise nicht ausgeräumt werden konnten. Zwar ist die Verpflichtungszusage, die ein marktbeherrschendes Unternehmen im Rahmen des Kartellverwaltungsverfahrens macht, um ein als kartellrechtlich bedenklich eingestuftes Verhalten abzustellen, nicht als Eingeständnis eines Kartellverstoßes zu werten; sie kann aber ein Indiz darstellen (aA wohl Bach in Immenga/Mestmäcker, aaO, § 32b GWB Rn. 26). Die Indizwirkung des Verpflichtungsbeschlusses kann unter Umständen ausreichen, um einen Anspruch auf Erteilung bestimmter Auskünfte von dem Verpflichteten zu begründen, auch wenn die Anhaltspunkte, die zu dem behördlichen Vorgehen und der Verpflichtungszusage geführt haben, dem Kläger nicht im Einzelnen bekannt sind. Ob und in welchem Umfang eine indizielle Wirkung besteht, hängt allerdings von den Umständen des Einzelfalls ab.

74(c) Vorliegend hat die Beschlussabteilung nach Durchführung umfangreicher Ermittlungen der DB AG in einem Gespräch vom - vorläufige - Bedenken in Bezug auf die untersuchten Verhaltensweisen mitgeteilt. In der Folge kam es zu der vom Bundeskartellamt angeregten Verpflichtungszusage der Muttergesellschaft der Beklagten. Aus dem Zusagenbeschluss ergibt sich, dass sich diese verpflichtet hat, bis zum einen geänderten Mustervertrag für künftige Basis-Vertriebskooperationen vorzulegen, der nur die zwingend erforderlichen "Muss"-Leistungen enthält, und allen EVU anzubieten, anstatt der bestehenden Vertriebsverträge den neuen Basisvertrag anzuwenden. Danach liegt es nahe, dass dieses Angebot vor der Verpflichtung nicht ohne weiteres bestand. Nach der vorläufigen Würdigung des Bundeskartellamts wurden durch die bislang praktizierte verpflichtende Kopplung eines Tarifkooperationsvertrages an einen sehr umfassenden Vertriebskooperationsvertrag zwei - in ihrem Umfang nicht zwingend erforderliche - Leistungen miteinander verknüpft.

75(5) Das Berufungsgericht hat auch nicht berücksichtigt, dass nahezu alle zwischen den Zedentinnen und der Beklagten zu 2 geschlossenen Verträge eine gleichlautende Klausel enthielten, die auf eine Auflistung bestehender Vertriebseinrichtungen verwies. In § 3 Abs. 1 der Verträge heißt es, die Beklagte zu 2 erbringe Vertriebsleistungen "im Namen und für Rechnung des befördernden Verkehrsunternehmens an den … Strecken gemäß Anlage 1". In der Anlage 1 zu den Verträgen ist festgehalten, dass die Beklagte zu 2 ihre Vertriebswege, einschließlich Agenturen, bundesweit für Verkauf und Information nutzt. Die bestehende Vertriebspräsenz für die betreffenden Strecken wurde im Folgenden aufgelistet. Diese Art der Vertragsgestaltung legt nahe, dass die Beklagte zu 2 den NE-Bahnen vorgegeben hat, den Vertrieb über die gesamte vorhandene Vertriebsinfrastruktur der Beklagten zu 2 gebündelt in Auftrag zu geben. Dies spricht dagegen, dass die Zedentinnen frei wählen konnten, welche Vertriebsdienstleistungen sie in Anspruch nehmen wollen.

76(6) Die von den Beklagten vorgebrachten gegenteiligen Indizien greifen aus Rechtsgründen nicht durch. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können die genannten, für einen Kopplungsmissbrauch sprechenden Anhaltspunkte nicht durch einen "Vorher-Nachher" Vergleich zwischen den vor der Verpflichtungszusage und den danach in Anspruch genommenen Leistungen widerlegt werden. Maßgeblich ist, ob zum Zeitpunkt der vor dem Zusagenbeschluss abgeschlossenen Vertriebsverträge für die Zedentinnen eine realistische Möglichkeit bestand, nur die notwendigen "Muss"-Leistungen abzunehmen. Der Umstand, dass die Zedentinnen später teilweise weiterhin "Kann"-Leistungen von der Beklagten abgenommen haben, sagt darüber nichts aus. Die Kartellrechtswidrigkeit der Kopplung liegt gerade darin, dem Vertragspartner eine Wahlmöglichkeit zu nehmen (EuG, Slg 2007, II-3601 Rn. 652 - Microsoft). Die Frage, ob die "Kann"-Leistungen für die Zedentinnen trotz fehlender Wahlmöglichkeit von Interesse und werthaltig waren, stellt sich erst bei der Ermittlung des Schadens im Rahmen der Vorteilsausgleichung. Ein Rückschluss von den später freiwillig abgenommenen Leistungen auf die Wahlfreiheit zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verträge verbietet sich auch deshalb, weil nach dem Zusagenbeschluss wirtschaftlich eine neue Lage eingetreten war, da die Beklagte für ihre Vertriebsleistungen geringere Provisionen verlangte. Zudem hat das Bundeskartellamt in seiner vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Stellungnahme vom ausgeführt, dass die NE-Bahnen seit dem Zusagenbeschluss in unterschiedlichem Umfang Vertriebsleistungen bei der Beklagten nachfragen (dort S. 26). Die Trans Regio hat zum Beispiel unmittelbar zum Stichtag auf die Basis-VK umgestellt und keine zusätzlichen Leistungen bestellt. Das spricht dafür, dass die von der DB AG gegenüber dem Bundeskartellamt eingegangenen Verpflichtungen die Wettbewerbsbedingungen verbessert haben.

77(7) Anders als das Berufungsgericht meint spricht es auch nicht für eine ausreichende Wahlmöglichkeit, dass die Trans Regio bei einer Vertragsanpassung im Jahr 2014 bestimmte "Kann"-Leistungen in Gestalt eines personenbedienten Vertriebs an stark frequentierten Standorten wie Köln, Bonn, Koblenz und Mainz Hauptbahnhof ausdrücklich bestellt hatte. Der ursprüngliche Vertriebsvertrag der Trans Regio aus dem Jahr 2009 entspricht dem Muster der anderen Vertriebsverträge. Die Sonderregelung hinsichtlich der genannten Standorte bedeutet eine Ausnahme von der grundsätzlichen Regel, wonach sich die Beklagte zu 2 vorbehält, ihre Vertriebsstruktur während der Vertragslaufzeit "anpassen", also gegebenenfalls zurückbauen zu können (Ziff. 4 und 5 der Anlage 1 zum Vertrag). Der Umstand, dass die Beklagte zu 2 der Trans Regio bzw. ihrer Rechtsvorgängerin insoweit im Jahr 2014 eine Gestaltungsmöglichkeit einräumte, spricht daher nicht für eine grundsätzliche Wahlfreiheit. Ebenso lässt sich aus dem Anschreiben der Beklagten zu 2 an die Trans Regio vom nicht ableiten, dass sie "Kann"-Leistungen regelmäßig optional anbot. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts geht aus dem Schreiben hervor, dass die Beklagte angeboten hat, die Leistungen dahingehend anzupassen, dass keine Mindestanforderungen an stationäre Vertriebsstrukturen gestellt werden. Diese Nachverhandlungen sagen schon nichts darüber aus, ob auch bei dem ursprünglich im Jahr 2009 abgeschlossenen Vertrag diese Wahlmöglichkeit bestand; jedenfalls lässt sich dem Schreiben keine allgemeine Verhandlungsbereitschaft entnehmen.

78(8) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es schließlich auch nicht darauf an, ob den Zedentinnen von den Aufgabenträgern des SPNV, also den zuständigen Landesbehörden, Vorgaben im Hinblick auf die Bereitstellung bestimmter Vertriebsleistungen, etwa eines personenbedienten Vertriebs gemacht wurden. Selbst wenn man das unterstellt, wären die Zedentinnen durch eine mangelnde Wahlfreiheit hinsichtlich dieser Leistungen behindert worden. Sie hätten dann weniger Anreize gehabt, eigene Vertriebsstrukturen aufzubauen oder die Leistungen bei Dritten zu beziehen. Darauf hat auch das Bundeskartellamt im Zusagenbeschluss (Rn. 33) und in seiner schriftlichen Stellungnahme vom (S. 24 f.) verwiesen.

79d) Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich die Glaubhaftmachung des Ausbeutungsmissbrauchs durch überhöhte Preise nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV, § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB a.F., § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB ebenfalls nicht verneinen. Es liegen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte vor, die für einen Ausbeutungsmissbrauch gegenüber den Zedentinnen sprechen.

80aa) Ein Preis ist missbräuchlich überhöht im Sinne des Art. 102 AEUV, wenn der Inhaber einer marktbeherrschenden Stellung die sich daraus ergebenden Möglichkeiten genutzt hat, um geschäftliche Vorteile zu erhalten, die er bei hinreichend wirksamem Wettbewerb nicht erhalten hätte, und daher Preise durchsetzen konnte, die in keinem angemessenen Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung stehen (vgl. 27/76, Slg 1978, 207 Rn. 248, 257 - United Brands; vom - 226/84, Slg 1986, 3263 Rn. 27 - British Leyland; vom , C-385/07 P, WuW/E EU-R 1596 Rn. 142 - Duales System Deutschland/Kommission; , WuW 2021, 119 Rn. 66 - Stationspreissystem II, zu § 19 GWB). Ob ein solches Missverhältnis zwischen dem geforderten Preis und dem wirtschaftlichen Wert der angebotenen Leistung besteht, kann durch einen Vergleich zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten und dem tatsächlich verlangten Preis bestimmt werden (EuGH, Slg 1978, 207 Rn. 248, 257 - United Brands; Urteil vom - C-177/16, WuW 2017, 547 Rn. 36 - AKKA/LAA).

81(1) Da sich das Verhältnis zwischen dem Wert einer Leistung und ihrem Preis unter Berücksichtigung der an einer effizienten Leistungserbringung ausgerichteten Kosten ebenso wie ein hypothetischer Marktpreis nur mit erheblichen Schwierigkeiten objektiv bestimmen lässt, kann auf eine Betrachtung von Vergleichsmärkten zurückgegriffen werden (sog. Vergleichsmarktkonzept, vgl. EuGH, Slg 1986, 3263 Rn. 30 - British Leyland; Urteil vom - C-351/12, WRP 2014, 418 Rn. 87 - OSA/Léčebné lázně; Fuchs in Immenga/Mestmäcker, aaO, Art. 102 AEUV Rn. 180; Huttenlauch in LMRKM, Kartellrecht, 4. Aufl., Art. 102 AEUV Rn. 189). In Ermangelung anderer geeigneter Vergleichsmärkte kommt auch ein Vergleich mit Marktergebnissen in Betracht, wie sie sich auf dem relevanten Markt in der Vergangenheit oder zu nachfolgenden Zeitpunkten ergeben haben (, WuW 2021, 365 Rn. 24 - Stornierungsentgelt II; WuW 2021, 119 Rn. 67 - Stationspreissystem II). Unterschiede in der Marktstruktur stehen einer Wertung als Vergleichsmarkt regelmäßig nicht entgegen; ihnen ist gegebenenfalls durch entsprechende Zu- oder Abschläge Rechnung zu tragen (, WuW 2017, 286 Rn. 48 - Kabelkanalanlagen).

82(2) Eine Mindestschwelle für die Erheblichkeit der Preisdifferenz besteht nicht; allerdings muss der Unterschied unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von einigem Gewicht sein. Kann eine signifikante Differenz festgestellt werden, obliegt es dem marktbeherrschenden Unternehmen, gegenläufige Indizien vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die den höheren Preis rechtfertigen (EuGH, WuW 2017, 547 Rn. 57 mwN - AKKA/LAA, zur Beibringungslast im Verwaltungsverfahren; BGH, WuW 2021, 119 Rn. 67 - Stationspreissystem II).

83bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergeben sich aus einem Vergleich der vor der Verpflichtungszusage zwischen der Beklagten zu 2 und den Zedentinnen geschlossenen Verträge einerseits und den Konditionen der danach zugesagten Basisvertriebskooperation andererseits tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Provisionssätze im streitgegenständlichen Zeitraum missbräuchlich überhöht waren. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts verpflichtete sich die Muttergesellschaft der Beklagten im Mai 2016 dazu, für die Basisvertriebskooperation deutschlandweit einen Provisionssatz von maximal 8,5 % zu erheben. Zuvor hatten die Zedentinnen Provisionssätze zwischen 10 % und ca. 19 % zu zahlen. Dies legt einen Unterschied von einigem Gewicht im vorstehend genannten Sinne nahe.

84cc) Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, der für die Zeit nach der Verpflichtungszusage im Mai 2016 herabgesetzte Provisionssatz könne nicht als maßgeblicher Vergleichspreis herangezogen werden. Es fehle an einem dem Wettbewerb unterliegenden Vergleichsmarkt, weil der später zugesagte Provisionssatz nicht allein auf einer Preiskalkulation beruhe. Er decke auch nicht die gleichen Leistungen ab. Ferner hätten sich die Marktbedingungen verändert. Das Berufungsgericht hat dabei den Sachverhalt und den Zusagenbeschluss des Bundeskartellamts, dem auch insoweit indizielle Bedeutung zukommt, nicht vollständig gewürdigt.

85(1) Akzeptiert das Bundeskartellamt eine Preissenkung und nimmt sie zum Anlass, das eingeleitete Missbrauchsverfahren einzustellen, kann dies dafür sprechen, dass sich die unzulässige Preisüberhöhung in dieser Größenordnung bewegt (OLG Koblenz, WuW 2018, 585 Rn. 27). Denn es ist davon auszugehen, dass das marktbeherrschende Unternehmen seinen Preis nicht freiwillig deutlich unterhalb der zulässigen Schwelle festlegt. Diese Annahme liegt auch im Streitfall nahe. Ein weiterer Anhaltspunkt für die Aussagekraft des zugesagten Provisionssatzes als Vergleichsmaßstab ist, dass die den Zedentinnen zustehenden Provisionssätze stets einheitlich bei 7,5 % und damit in einem mit der herabgesetzten Provision der Beklagten zu 2 vergleichbaren Bereich lagen. Demgegenüber sahen die streitgegenständlichen Vertriebsverträge für Fahrkartenverkäufe der Beklagten zu 2, die sich auf Strecken der Zedentinnen bezogen, durchgängig höhere Provisionen vor (10 bis 19 %). Die Provisionssätze waren damit asymmetrisch. Zutreffend geht das Bundeskartellamt davon aus, dass eine unterschiedliche Bepreisung vergleichbarer Leistungen in der Geschäftsbeziehung zweier Unternehmen bei wirksamem Wettbewerb wenig wahrscheinlich wäre (Zusagenbeschluss, Rn. 36).

86Das Bundeskartellamt hat dabei angenommen, dass die Leistungen, die die Beklagte zu 2 von Wettbewerbern im SPNV erhält, vergleichbar sind mit den Leistungen, die diese von der Beklagten zu 2 erhalten. Dieser Wertung steht nicht das Argument der Beklagten entgegen, wonach ihre bundesweit, nicht nur lokal angebotenen Vertriebsleistungen umfassender seien. Es ist davon auszugehen, dass das deutschlandweite Vertriebsnetz der Beklagten in erster Linie dazu dient, eigene Fahrkarten zu verkaufen. Es deckt auch den Fernverkehr ab, in dem die Zedentinnen nicht tätig sind (vgl. schriftliche Erklärung des Bundeskartellamts vom , S. 29). Das breit angelegte Vertriebsnetz unterhält die Beklagte damit in erster Linie im eigenen Interesse, so dass es die Provisionshöhe zulasten der Beklagten kaum beeinflussen darf. Die unterschiedlich hohen Provisionssätze, die die Zedentinnen zu zahlen hatten, lassen sich auch nicht ohne weiteres mit regional unterschiedlichen Vertriebsstrukturen erklären. Zum einen liegt es nicht fern, dass an Standorten mit mehr Verkaufsstellen nicht nur höhere Kosten, sondern auch höhere Umsätze erzielt werden. Zum anderen hat sich die Beklagte im Zusagenbeschluss selbst zu symmetrischen und einheitlichen Provisionssätzen verpflichtet, obwohl die strukturellen Unterschiede fortbestehen dürften. Es kommt hinzu, dass die Zedentinnen nach den Vertriebsverträgen - unabhängig von strukturellen Unterschieden des jeweiligen Netzes und der vorgehaltenen Vertriebsstrukturen - stets nur den gleichen Provisionssatz beanspruchen konnten. Auch das spricht dafür, dass strukturelle Unterschiede der Vertriebsgebiete die Vergleichbarkeit des Provisionssatzes nicht ausschließen.

87(2) Das Berufungsgericht hat die vermeintlich fehlende Vergleichbarkeit ferner damit begründet, dass der im Kartellverwaltungsverfahren zugesagte Provisionssatz nicht einer Preisbildung entspreche, die Ausdruck der Marktkräfte sei. Die Verpflichtungszusage habe einer Gesamtbereinigung der verschiedenen vom Bundeskartellamt beanstandeten Verhaltensweisen gedient. Das Berufungsgericht geht also offenbar davon aus, der herabgesetzte Provisionssatz begegne nicht nur dem Vorwurf des Preishöhenmissbrauchs, sondern diene auch der "Bereinigung" weiterer kartellrechtlicher Vorwürfe. Die Revision rügt zu Recht, dass diese Annahme im Widerspruch zum Inhalt des Zusagenbeschlusses steht. Danach wurde die Muttergesellschaft der Beklagten je nach Vorwurf zu unterschiedlichen Maßnahmen verpflichtet. Soweit der Verdacht einer unzulässigen Kopplung mit überschießenden Vertriebsleistungen bestand, wurde sie verpflichtet, künftig einen Mustervertrag für eine Basiskooperation auf Grundlage der "Muss"-Leistungen vorzulegen. Soweit ihre Wettbewerber keine Fahrkarten für Fernverkehrszüge der DB AG verkaufen durften, obwohl sie im Nahverkehr Fernverkehrstickets anerkennen mussten, wurde sie verpflichtet, künftig dritten Unternehmen den Vertrieb von Fernverkehrstickets an deren Automaten zu ermöglichen. Soweit ihr vorgeworfen wurde, ihren Wettbewerbern den personenbedienten Vertrieb von Fahrkarten an Bahnhöfen dadurch zu erschweren, dass Mietverträge für Ladenlokale den Vertrieb von Fahrscheinen an die ausdrückliche Zustimmung des Vermieters knüpften, wurde sie dazu verpflichtet, die Mietverträge zu ändern. Daraus folgt, das jedem kartellrechtlichen Vorwurf mit eigenständigen Maßnahmen begegnet wurde.

88(3) Das Berufungsgericht zieht die Vergleichbarkeit der Lizenzsätze außerdem deshalb in Zweifel, weil der in der Verpflichtungszusage angesetzte Provisionssatz die in den streitgegenständlichen Vertriebsverträgen erbrachten Dienstleistungen der Beklagten zu 2 nur zum Teil abdecke. Die erbrachten Vertriebsdienstleistungen "an der Strecke" seien über den "Vertrieb für die Strecke" hinausgegangen, hätten also mit der Basis-VK nicht erfasst werden können.

89(a) Es trifft zwar zu, dass die früheren Provisionssätze auch die "überschießenden" Vertriebsleistungen abdeckten, die über die Basisvertriebskooperation hinausgingen. Der neue Vertrag der Basis-VK soll dagegen nur den "Muss"-Teil der Vertriebsleistungen in Gestalt des Vertriebs "für die Strecke" abdecken; weitere Vertriebsleistungen können gesondert vereinbart werden (Zusagenbeschluss, S. 14, Rn. 51). Der bundesweit einheitliche Provisionssatz von 8,5 % ist also für die Basisvertriebsleistung vorgesehen (Zusagenbeschluss, S. 14, Rn. 50). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die unterschiedliche Bemessungsgrundlage nicht deshalb unbeachtlich, weil die "Kann"-Leistungen in den früheren Verträgen mangels Wahlfreiheit zum Teil aufgezwungen waren. Beim Preishöhenmissbrauch geht es allein um die Vergleichbarkeit der Preise auf einem vergleichbaren Markt.

90(b) Trotzdem kann die Vergleichbarkeit mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden. Der neue Provisionssatz nach dem Zusagenbeschluss wurde nicht mehr jeweils netzbezogen ermittelt, sondern bundesweit. Er orientiert sich im Wesentlichen an den deutschlandweiten Kosten für den Fahrkartenvertrieb im Nahverkehr über alle Vertriebskanäle der DB AG, ohne Verbund-Vertrieb (Zusagenbeschluss, Rn. 50). Es wird also ein einheitlicher Provisionssatz unter Berücksichtigung der gesamten vorhandenen Vertriebsstruktur gebildet. Die Kosten für die vorhandenen Verkaufsstellen "an der Strecke" sind damit nach wie vor mit enthalten. Der Unterschied zu den früheren Provisionssätzen besteht darin, dass in den streitgegenständlichen Verträgen die Aufrechterhaltung einer bestimmten Vertriebsinfrastruktur im jeweiligen Netzgebiet in Gestalt von Verkaufsstellen und Automaten als "fest vereinbart" galt. In § 3 des neuen Mustervertriebsvertrags (Basis-VK) heißt es demgegenüber, die Beklagte zu 2 nutze ihre bundesweiten Vertriebswege, einschließlich Agenturen. Ein Anspruch auf eine konkrete Vertriebsinfrastruktur oder Dienstleistungen für das Netz besteht nicht. Sie kann in einer separaten Vereinbarung beauftragt werden.

91Dieser Unterschied im Leistungsumfang schließt nicht aus, einen Vergleich zwischen den früheren Provisionssätzen und dem einheitlichen Provisionssatz des Basis-VK als tatsächlichen Anhaltspunkt für einen Preishöhenmissbrauch bei der Prüfung eines Offenlegungsanspruchs gemäß § 33g Abs. 1 GWB heranzuziehen. Besonderheiten der Vertriebsstruktur in den einzelnen Netzen sind gegebenenfalls bei der Ermittlung der Schadenshöhe durch Zu- und Abschläge auf den Provisionssatz zu berücksichtigen. Umstände, die einen Zuschlag rechtfertigen, etwa bestimmte Streckennetze mit einer ungewöhnlich aufwändigen Vertriebsinfrastruktur, müssten von den Beklagten konkret vorgetragen werden. Ausreichende Feststellungen hat das Berufungsgericht insoweit nicht getroffen. Die Revisionserwiderung zeigt auch keinen übergangenen Vortrag auf.

92(4) Keinen Bestand kann auch die Auffassung des Berufungsgerichts haben, der Provisionssatz aus der Verpflichtungszusage sei in zeitlicher Hinsicht nicht auf die streitgegenständlichen Verträge übertragbar, weil sich das Verbraucherverhalten maßgeblich verändert habe.

93(a) Das Berufungsgericht ist von dem Vortrag der Beklagten ausgegangen, wonach sich von 2008 bis zu der Verpflichtungszusage im Jahr 2016 und darüber hinaus das Verbraucherverhalten beim Fahrkartenerwerb fortschreitend erheblich verändert habe. Das habe maßgeblichen Einfluss auf die Vertriebskosten gehabt. Während 2008 noch 47 % der Fahrscheine im personenbedienten Vertrieb verkauft worden seien, würden heute nur noch 24 % auf diesem Vertriebsweg veräußert. Im gleichen Zeitraum sei der Anteil der über das Internet erworbenen Fahrscheine von 15 % im Jahr 2008 auf heute 39 % gestiegen. Die Klägerin bestreite zwar die konkreten Zahlen, nicht jedoch die grundsätzliche Entwicklung. Diese sei auch gerichtsbekannt.

94(b) Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Klägerin hat unter Beweisantritt vorgetragen, der Wandel zum Online-Vertrieb betreffe vor allem den Fernverkehr. Im streitgegenständlichen Nahverkehr spiele er bis heute allenfalls eine untergeordnete Rolle. Das zeige sich daran, dass bei den 650 in Hessen vorwiegend für den Nahverkehr betriebenen Automaten in den letzten zweieinhalb Jahren keine Umsatzrückgänge zu verzeichnen seien. Die Behauptung einer erheblichen Senkung der Vertriebskosten infolge geänderten Verbraucherverhaltens ist damit streitig. Das Berufungsgericht hat sie zu Unrecht als offenkundig bewertet. Zwar mag die zunehmende Bedeutung des Online-Vertriebs allgemeinkundig sein; es ist jedoch nicht allgemein geläufig, dass die Beklagte zu 2 hierdurch im Bereich des SPNV im streitgegenständlichen Zeitraum erhebliche Kosten hätte einsparen können. Das lässt sich auch nicht aus der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Passage aus seinem Urteil in einem früheren Kartellrechtsstreit ableiten, an dem die Beklagte zu 2 beteiligt war. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts waren die Behauptungen im Zusammenhang mit der Änderung der Verbrauchergewohnheiten in dem Bezugsverfahren unstreitig. Das bedeutet nicht, dass sie allgemein mit Kosteneinsparungen einhergehen.

95(c) Es kommt hinzu, dass die behauptete Veränderung des Verbraucherverhaltens nicht insgesamt und schlagartig zum Stichtag am eingetreten sein kann. Das Berufungsgericht ist selbst von einer kontinuierlichen Entwicklung ausgegangen. Der Provisionssatz von 8,5 % erscheint damit zumindest für einen Teil des streitgegenständlichen Schadenszeitraums als geeigneter Vergleichspreis.

96dd) Für die Begründung des Auskunftsanspruchs bedarf es nicht der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens über die jeweiligen Netzkosten und die kostendeckende Provisionshöhe. Mit dem Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs nach § 33g Abs. 1 GWB ist eine Beweiserhebung über Tatsachen, über die der Anspruchssteller durch die Auskunftserteilung erst Klarheit erlangen will, nicht vereinbar (vgl. , BGHZ 205, 270 Rn. 18 zu § 84a AMG). Es genügt die Feststellung konkreter Anhaltspunkte, die einen gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Schadensersatzanspruch wegen Preismissbrauchs begründen.

97e) Das Berufungsgericht hat schließlich auch die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. c AEUV überspannt.

98aa) Nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. c AEUV handeln marktbeherrschende Unternehmen missbräuchlich, wenn sie unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern anwenden, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden. Dadurch soll eine Verzerrung des Wettbewerbs auf einem vor- oder nachgelagerten Markt zwischen Zulieferern oder Abnehmern des marktbeherrschenden Unternehmens vermieden werden (, WuW/E EU-R 1259 Rn. 144 - British Airways/Kommission; vom - C-525/16, WuW 2018, 320 Rn. 24 f. mwN - Meo; vgl. auch BGH, WuW 2021, 119 Rn. 53 - Stationspreissystem II). Die Vertragspartner des Unternehmens sollen im Wettbewerb untereinander nicht bevorzugt oder benachteiligt werden.

99bb) Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu 1 und die Zedentinnen allerdings zu Recht als gleichartige Unternehmen angesehen. Sie sind Handelspartner der Beklagten zu 2 auf einer nachgelagerten Wirtschaftsstufe. Die Zedentinnen betreiben Regionalbahnen und konkurrieren dabei nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts mit der Beklagten zu 1 bei öffentlichen Vergabeverfahren. Die Beklagte zu 2 stellt die Vertriebsinfrastruktur bereit. Auch das Bundeskartellamt stufte die Beklagte zu 1 und die Zedentinnen im Zusagenbeschluss als gleichartige Nachfrager der Leistungen der Beklagten zu 2 ein (dort Rn. 34-37). Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, der Gleichartigkeit stehe nicht entgegen, dass es sich bei der Beklagten zu 1 um eine Konzernschwester der Beklagten zu 2 handelt. Auf ein "Konzernprivileg" kann sich die Beklagte bei Anwendung des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbots nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. c AEUV nicht berufen (vgl. , Slg 1997, I-4449 Rn. 41-43 - GT-Link; vgl. auch , WuW/E EU-R 1 Rn. 93 - Deutsche Bahn/Kommission).

100cc) Keinen Bestand hat jedoch die Wertung des Berufungsgerichts, es fehle an der hinreichenden Glaubhaftmachung einer Ungleichbehandlung.

101(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Vortrag der Klägerin, wonach die Beklagte zu 1 geringere Provisionen gezahlt habe als die Zedentinnen, erlaube keine Feststellung der zwischen den Beklagten geltenden Bedingungen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die von den Zedentinnen und der Beklagten zu 1 empfangenen Leistungen tatsächlich gleichwertig seien. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten zeige deutlich, dass zwischen den Netzen der Zedentinnen erhebliche Unterschiede bestehen. Dies müsse ebenso für die von der Beklagten zu 1 bedienten Netze gelten. Zur Glaubhaftmachung einer Ungleichbehandlung sei erforderlich, dass ein Bezug zwischen den konkret verlangten Provisionen und den jeweiligen von der Beklagten zu 1 empfangenen Leistungen hergestellt werden könne, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Daran fehle es. Bei den Zedentinnen seien netzspezifische Vereinbarungen getroffen worden. Dies sei bei der Beklagten nicht möglich, weil diese eine zu große Anzahl von Netzen betrieben habe. Auch das Bundeskartellamt habe keine konkreten Feststellungen zu einer Diskriminierung getroffen, sondern lediglich diesbezügliche Anzeichen und Anhaltspunkte beschrieben, die nicht erläutert oder dargelegt worden seien. Zudem weise das Bundeskartellamt ausdrücklich darauf hin, dass es die Frage des sachlichen Grundes für eine mögliche Ungleichbehandlung nicht aufgeklärt habe.

102(2) Bei diesen Ausführungen hat das Berufungsgericht einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab angewandt. Der Auskunftsanspruch gemäß § 33g Abs. 1, 10 GWB setzt nicht voraus, dass eine Ungleichbehandlung festgestellt ist; vielmehr bedarf es auch hier lediglich einer Glaubhaftmachung. Dieses Merkmal ist auch in Bezug auf den Diskriminierungsmissbrauchstatbestand bereits dann erfüllt, wenn konkrete tatsächliche Anhaltspunkte mit gewisser Wahrscheinlichkeit den Rückschluss erlauben, dass dem Anspruchsteller aufgrund einer Diskriminierung ein Schaden entstanden ist.

103(3) Die Klägerin hat eine Ungleichbehandlung unter Darlegung konkreter Anhaltspunkte plausibel gemacht. Sie behauptet unter Hinweis auf den Zusagenbeschluss, die Beklagte zu 2 habe von der Beklagten zu 1 für das gleiche Leistungspaket, wie es in den Vertriebskooperationsverträgen der Zedentinnen vorgesehen ist, niedrigere Provisionssätze verlangt. Das Bundeskartellamt ist davon ausgegangen, die Differenzierung der Provisionssätze zwischen Wettbewerbern und DB-Konzerngesellschaften beim verpflichtenden Teil der Kooperation verstoße gegen das Diskriminierungsverbot (Zusagenbeschluss, Rn. 34). Aus diesem Grund hat sich die Muttergesellschaft der Beklagten verpflichtet, von konzerninternen und konzernexternen Unternehmen künftig dieselben Provisionssätze zu verlangen (Zusagenbeschluss, Rn. 54). Das reicht zur Glaubhaftmachung aus. Der Indizwirkung der Verpflichtungszusage steht nicht entgegen, dass das Bundeskartellamt die Anhaltspunkte, die für eine Ungleichbehandlung bei den Provisionssätzen sprechen, in seinem Beschluss nicht benannt hat. Die Klägerin kann diese Umstände normalerweise nicht kennen. Für die Glaubhaftmachung ihres Auskunftsanspruchs muss die Tatsache genügen, dass die Beklagte die Bedenken des Bundeskartellamts zum Anlass genommen hat, künftig dieselben Provisionssätze zu verlangen.

104(4) Der Indizwirkung des Zusagenbeschlusses steht auch nicht entgegen, dass das Bundeskartellamt nach der Verpflichtungszusage den Sachverhalt nicht mehr abschließend ermittelt und im Hinblick auf eine sachliche Rechtfertigung der möglichen Ungleichbehandlung bewertet hat. Die Klägerin muss im Rahmen des § 33g GWB nur eine Ungleichbehandlung bei gleichwertigen Leistungen glaubhaft machen. Ergeben sich dafür Anhaltspunkte, ist es Sache des marktbeherrschenden Unternehmens, Umstände darzulegen, aus denen sich eine objektive Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung ergeben kann (vgl. , BGHZ 41, 271 [juris Rn. 13] - Werkmilchabzug; WuW 2021, 119 Rn. 53 - Stationspreissystem II).

105(5) Der rechtlichen Prüfung hält auch nicht die Argumentation stand, mit der das Berufungsgericht die Vergleichbarkeit der von der Beklagten zu 1 und den Zedentinnen empfangenen Leistungen in Frage stellt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine vollkommene Übereinstimmung der Leistungen nicht erforderlich (Bulst in Bunte, aaO, Art. 102 AEUV Rn. 216). Die Gleichwertigkeit ist objektiv unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Märkte aus der Perspektive der Handelspartner zu beurteilen. Der Umstand, dass es zwischen den von den Zedentinnen bedienten Netzen Unterschiede gibt, schließt deshalb die Vergleichbarkeit der in Anspruch genommenen Vertriebsleistungen nicht generell aus. Die Beklagte zu 1 bedient nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine große Anzahl von Netzen. Es liegt damit nahe, dass sich darunter Netze finden, die mit den von den Zedentinnen jeweils bedienten Strecken vergleichbar sind. Für eine Gleichartigkeit spricht auch, dass die Beklagten vortragen, sie hätten bei der Kalkulation des Provisionssatzes der Beklagten zu 1 grundsätzlich dieselbe Kosten- und Erlösberechnung zugrunde gelegt wie bei den Zedentinnen. Nicht stichhaltig ist das Argument, mit der Beklagten zu 1 habe keine netzspezifische Vereinbarung getroffen werden können, da sie eine zu große Anzahl von Netzen bediene. Darin könnte allenfalls ein sachlicher Grund für eine pauschalere Berechnungsweise der Provision, nicht hingegen für eine im Durchschnitt niedrigere Provisionshöhe gesehen werden.

106III. Danach ist das angegriffene Urteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden.

1071. In Bezug auf die Beklagte zu 1 hat das Berufungsgericht, weil es zu Unrecht von einer zulässigen Stufenklage gemäß § 254 ZPO ausgegangen ist, nicht die Möglichkeit einer Aussetzung nach § 89b Abs. 4 GWB geprüft. Bei zutreffender rechtlicher Sicht hätte die Klägerin nach § 139 ZPO auf die Unzulässigkeit der Stufenklage hingewiesen und ihr die Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gegeben werden müssen. Das wird im wiedereröffneten Berufungsrechtszug nachzuholen sein.

1082. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 sind weitere Feststellungen - zunächst zu den Auskunftsanträgen - zu treffen. § 33g Abs. 1 GWB setzt voraus, dass die begehrten Auskünfte und Beweismittel "erforderlich" sind, um den Schadensersatzanspruch zu begründen. Der Auskunftsanspruch ist außerdem nach § 33g Abs. 3 GWB ausgeschlossen, wenn sich die Auskunftserteilung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten als unverhältnismäßig darstellt.

109C. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

110I. In Bezug auf die Klage gegen die Beklagte zu 2 wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob die begehrten Auskünfte und Beweismittel "erforderlich" sind, um den Schadensersatzanspruch zu begründen.

1111. Das Merkmal der Erforderlichkeit ist richtlinienkonform auszulegen. In Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104/EU findet sich der Begriff nicht gleichlautend. Stattdessen ist von "relevanten Beweismitteln" die Rede. Das bedeutet, dass die begehrten Informationen geeignet sein müssen, den Anspruchssteller in die Lage zu versetzen, den Schadensersatzanspruch zu begründen (vgl. Bach in Immenga/Mestmäcker, aaO, § 33g GWB Rn. 32, 37, 44; Preuß in Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, 2017, Kap. 10 Rn. 28; Makatsch/Kacholdt in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, aaO, § 33g GWB Rn. 29). Insoweit ist eine objektive Prognose der wahrscheinlichen Relevanz der mit den Anträgen begehrten Informationen und Beweismittel zu treffen (vgl. Art. 5 Abs. 3 Buchst. b Richtlinie 2014/104/EU).

1122. Es ist also zu klären, ob die mit den Anträgen zu 1 bis 9 begehrten Auskünfte geeignet sein können, die anspruchsbegründenden Voraussetzungen eines Kopplungsmissbrauchs, eines Preishöhenmissbrauchs oder der Diskriminierung hinreichend zu substantiieren. Sollte es an der Geeignetheit fehlen, etwa weil die begehrten Auskünfte allein der Feststellung der Schadenshöhe dienen können, wäre zunächst - gegebenenfalls unter Erhebung angebotener Beweismittel - zu klären, ob ein Verbotsverstoß tatsächlich vorliegt und dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch besteht. Die bloße Glaubhaftmachung des Anspruchs reicht dann nicht aus. Eine Informationsbeschaffung nur zum Zwecke der Ausforschung ist ausgeschlossen (§ 33g Abs. 3 Nr. 3 GWB; vgl. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 18/10207, S. 62).

113II. Sollte sich die Klage gegen die Beklagte zu 1 nach einer Umstellung des Antrags als zulässig erweisen, wird das Berufungsgericht die Haftung der Beklagten zu 1 nicht mit der bisherigen Begründung ablehnen können.

1141. Das Berufungsgericht hat zwar auf Grundlage seiner bisher getroffenen Feststellungen zu Recht eine mittäterschaftliche Haftung oder eine Beteiligung der Beklagten zu 1 an den der Beklagten zu 2 vorgeworfenen missbräuchlichen Verhaltensweisen nach § 33d Abs. 1 GWB i.V.m. § 830 Abs. 1, 2, § 840 BGB verneint. Sowohl die Mittäterschaft als auch die Teilnehmerhaftung verlangen eine Kenntnis der Tatumstände (, NJW 2012, 3177 Rn. 17; vom - XI ZR 295/12, WM 2014, 71 Rn. 29; vom - KZR 70/17, WuW 2020, 595 Rn. 35 - Schienenkartell III). Entgegen der Ansicht der Revision genügt hierfür nicht, dass die Beklagte zu 1 die Tarifkooperationsverträge mit den Zedentinnen geschlossen hat und dass deren Gültigkeit Voraussetzung für die Vertriebskooperationsverträge mit der Beklagten zu 2 war. Denn die grundsätzliche Verbindung der Tarifkooperation mit der Vertriebskooperation ist aus den oben genannten Gründen kartellrechtlich unbedenklich. Die den Beklagten vorgeworfenen missbräuchlichen Verhaltensweisen ergeben sich aus einer mangelnden Wahlfreiheit bei überschießenden Vertriebsleistungen sowie aus der Höhe der Vertriebsprovisionen. Insoweit hat das Berufungsgericht festgestellt, es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte zu 1 in die konkreten Regelungen der Dienstleistungsverträge (gemeint sind die Vertriebsverträge mit der Beklagten zu 2) einbezogen war und Kenntnis davon hatte.

1152. In Anbetracht der Tatsache, dass die Beklagten beide hundertprozentige Tochtergesellschaften der DB AG sind, könnte sich, worauf die Revision hingewiesen hat, eine Haftung der Beklagten zu 1 aber daraus ergeben, dass ihr die - unterstellten - Kartellrechtsverstöße der Beklagten zu 2 unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Einheit des Unternehmens zuzurechnen sind. Wenn wie hier ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV in Rede steht, sind die Vorgaben des Unionsrechts zum Kreis der Ersatzpflichtigen zu berücksichtigen (, WuW 2020, 202 Rn. 23 - Schienenkartell II). Unter dem Begriff "Unternehmen", der einen autonomen Begriff des Unionsrechts darstellt, ist jedoch nicht die juristische Person, sondern eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen, die rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen bestehen kann (EuGH, WuW 2019, 253 Rn. 37, 47 - Skanska). Nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs kann eine Konzerngesellschaft unter diesem Aspekt unter Umständen für das kartellrechtswidrige Verhalten einer anderen Konzerngesellschaft haften (vgl. für die Haftung der Tochtergesellschaft für das Verhalten ihrer Muttergesellschaft, , WuW 2021, 637 Rn. 51 - Sumal; ungeklärt bisher für Schwestergesellschaften, vgl. LG Dortmund, WuW 2020, 427 Rn. 31; Kersting in LMRKM, Kartellrecht, 4. Aufl., § 33a GWB Rn. 24; ders., ZHR 182 (2018), 8; Wagener, NZKart 2019, 535; dagegen: LG Mannheim, WuW 2019, 540, 541; Lübbig in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, aaO, § 33a GWB Rn. 27a; Bechtold/Bosch, aaO, § 33 Rn. 7).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:040423UKZR20.21.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 1474 Nr. 26
WM 2023 S. 1926 Nr. 41
EAAAJ-42139