BVerwG Beschluss v. - 6 B 34/22

Keine unzulässige Diskriminierung gemeinnütziger Gesellschaften mit beschränkter Haftung beim Rundfunkbeitrag

Leitsatz

Die gesetzgeberische Entscheidung in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 RBStV, nur gemeinnützigen eingetragenen Vereinen und Stiftungen aufgrund ihrer Rechtsform eine Beitragsermäßigung zu gewähren, nicht jedoch gemeinnützigen Gesellschaften mit beschränkter Haftung, verletzt nicht den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Belastungsgleichheit.

Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, § 5 Abs 3 S 1 Nr 1 RdFunkBeitrStVtr ND, § 5 Abs 3 S 1 Nr 2 RdFunkBeitrStVtr ND, § 5 Abs 3 S 1 Nr 3 RdFunkBeitrStVtr ND, § 5 Abs 3 S 1 Nr 4 RdFunkBeitrStVtr ND

Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 8 LB 6/22 Urteilvorgehend VG Braunschweig Az: 4 A 299/17

Gründe

I

1Die Klägerin, die als gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein psychiatrisches Krankenhaus sowie mehrere Tageskliniken und Psychiatriezentren betreibt, wendet sich gegen die Festsetzung nicht ermäßigter Rundfunkbeiträge für ihre Betriebsstätten und Kraftfahrzeuge.

2Sie macht einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz geltend. Denn obwohl sie von § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 RBStV erfasste Aktivitäten entfalte, werde sie trotz ihrer Anerkennung als gemeinnützig aufgrund ihrer Rechtsform als Kapitalgesellschaft diskriminiert. Bei gemeinnützigen Stiftungen und Vereinen werde demgegenüber der Rundfunkbeitrag gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) ohne Rücksicht auf deren konkrete Betätigung ermäßigt. Maßgeblich dürfe für die Beitragsermäßigung aber nur die Anerkennung der Gemeinnützigkeit sein. Insoweit sei von einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers auszugehen und eine Gleichbehandlung geboten, die die Beschränkung der Beitragspflicht auf einen Rundfunkbeitrag verlange.

3Widerspruch und Klage gegen die Festsetzung nicht ermäßigter Rundfunkbeiträge sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (NordÖR 2023, 97). Nach der Regelungsmethodik des § 5 Abs. 3 Satz 1 RBStV würden als gemeinnützig anerkannte Organisationen umfassend beitragsrechtlich privilegiert, wenn sie als eingetragene Vereine und Stiftungen organisiert seien. Im Umkehrschluss würden körperschaftlich strukturierte gemeinnützige Kapitalgesellschaften, wie etwa die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, davon ausgeschlossen. Nicht in der Rechtsform (gemeinnütziger) eingetragener Vereine oder Stiftungen organisierte Einrichtungsträger könnten eine Beitragsermäßigung für ihre einzelnen Einrichtungen nur erlangen, wenn diese als gemeinnützig anerkannt seien und zusätzlich eine der in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 RBStV aufgelisteten sozialen Aufgaben erfüllten; dies dann allerdings unabhängig von der Rechtsform ihrer Träger und auch davon, ob diese Rechtsträger insgesamt als gemeinnützig anerkannt seien.

4Entgegen der Auffassung der Klägerin liege dieser Differenzierung kein Redaktionsversehen des Gesetzgebers zugrunde, sondern dessen bewusste Entscheidung, gemeinnützige Einrichtungsträger nur dann umfassend beitragsrechtlich zu privilegieren, wenn sie in bestimmten Rechtsformen organisiert seien. Diese gesetzgeberische Entscheidung bewege sich im Rahmen der zulässigen gesetzlichen Typisierungsbefugnis und knüpfe an in diesem Lebensbereich bestehende Unterschiede im Grad der Professionalisierung und Ökonomisierung der geleisteten Tätigkeit an. Sie verstoße weder gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip noch gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit.

5Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde, der der Beklagte entgegentritt.

II

6Die zulässige Beschwerde der Klägerin, mit der diese die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend macht, bleibt ohne Erfolg.

7Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 6 B 43.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8 und vom - 6 B 2.18 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 31 Rn. 7).

8Die Klägerin wirft sinngemäß als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob die in § 5 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RBStV angelegte unterschiedliche Behandlung einer als gemeinnützig anerkannten Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf der einen gegenüber eingetragenen gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen auf der anderen Seite mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zu rechtfertigen sei. Diese Fragestellung rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Denn sie ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens positiv zu beantworten.

9Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich für das Abgabenrecht aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Grundsatz der Belastungsgleichheit ergibt. Der Gesetzgeber hat jedoch bei der Auswahl des Abgabengegenstands, der Bestimmung des Abgabensatzes sowie der Regelung von Entlastungs- oder Befreiungstatbeständen einen weitreichenden Gestaltungsspielraum. In der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen bei der Erhebung des Rundfunkbeitrags gefördert werden sollen und welche Ziele er für förderungswürdig hält, ist er weitgehend frei. Bei der Ausgestaltung von Beitragsregelungen darf sich der Gesetzgeber in erheblichem Umfang auch von Praktikabilitätserwägungen mit dem Ziel der Einfachheit der Erhebung leiten lassen; dies gilt in besonderem Maße bei Massenverfahren wie der Erhebung des Rundfunkbeitrags ( u. a. - BVerfGE 149, 222 Rn. 65, 71 m. w. N.).

10Die Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz verlangt von dem Gesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden Typisierungsbefugnis, bei Differenzierungen in Beitragsregelungen nach sachbezogenen Gesichtspunkten vorzugehen und die Regelungen so auszugestalten, dass diese sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Umstände stützen und insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt wird (vgl. BVerfG a. a. O. Rn. 71).

11Die in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 RBStV geregelten Privilegierungen finden keine Rechtfertigung in dem Gedanken des Vorteilsausgleichs, der den Rundfunkbeitrag als Vorzugslast legitimiert. Denn ihre Anknüpfung an die Gemeinnützigkeit der Einrichtungen oder Organisation lässt keine Rückschlüsse auf die Größe des abzugeltenden Vorteils zu ( 6 C 34.16 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 84 Rn. 29 ff.). Trotzdem sind sie mit Blick auf den für Vorzugslasten geltenden Kostendeckungsgrundsatz im Prinzip zu rechtfertigen, da der Gesetzgeber neben der Finanzierung der öffentlichen Aufgabe grundsätzlich auch andere Zwecke wie soziale Belange oder Verhaltenssteuerung verfolgen darf. Da aber Beitragsermäßigungen aus sozialen Gründen, die einzelnen Gruppen gewährt werden, eine tendenziell höhere Belastung der übrigen Abgabepflichtigen nach sich ziehen, dürfen sie sich nicht zu sehr von ihrem Zweck der Finanzierung des öffentlichen Rundfunks entfernen (BVerwG a. a. O. Rn. 26 ff. m. w. N.). Damit sind dem Gesetzgeber bei der Schaffung vorteilsfremder Ermäßigungstatbestände mit Blick auf deren Rechtfertigungserfordernis von vornherein Grenzen gesetzt.

12Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass der Gesetzgeber im Interesse der übrigen Beitragspflichtigen, für die jede Ausweitung einer Begünstigung zu einer Mehrbelastung führt, eine Beitragsprivilegierung im Bereich gemeinnütziger Tätigkeiten beschränken darf, um "Mitnahmeeffekte" oder ihm von ihrer sozialen Wertigkeit her nicht gerechtfertigt erscheinende Inanspruchnahmen jedenfalls in ihrem Umfang zu begrenzen (UA S. 13 f.). Dazu hat es auf die Gesetzesbegründung verwiesen, derzufolge "... auf eine gänzliche Befreiung gemeinnütziger Einrichtungen verzichtet und somit eine gleichmäßige Belastung angestrebt [wird]" (LT-Drs. 16/3437 S. 33).

13Im Hinblick auf die vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 RBStV ausgestalteten Ermäßigungstatbestände hat das Berufungsgericht tatsächliche Feststellungen zur Vielfalt der in der Rechtswirklichkeit vorzufindenden Erscheinungsformen gemeinnütziger Organisationen getroffen. Unter anderem auf der Grundlage der festgestellten rechtstatsächlichen Unterschiede der verschiedenen Rechtsformen gemeinnütziger Organisationen hat die Vorinstanz die Schlussfolgerung gezogen, die Einschätzung des Gesetzgebers sei jedenfalls nicht realitätsfern, dass bei gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen eine höhere Gewähr für die tatsächliche Verfolgung von ihm für förderungswürdig erachteter sozialer Ziele bestehe als etwa bei einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (UA S. 17 f.).

14An diese Tatsachenfeststellungen wäre der Senat in dem erstrebten Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da die Klägerin dagegen keine Verfahrensrügen erhoben hat. Ihrer Beschwerdebegründung lässt sich lediglich entnehmen, dass sie die von dem Berufungsgericht festgestellten Umstände nicht als einleuchtend für die von dem Gesetzgeber getroffene und vom Berufungsgericht gebilligte Differenzierung ansieht. Damit vermag sie indes die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zu erreichen.

15Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:240523B6B34.22.0

Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 10 Nr. 28
JAAAJ-41978