Strafzumessung: Straferhöhende Würdigung des dolus directus ersten Grades beim Körperverletzungsdelikt
Gesetze: § 46 Abs 2 StGB, § 46 Abs 3 StGB, § 223 StGB, § 224 Abs 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Duisburg Az: 35 Ks 6/22
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu Freiheitsstrafen von drei Jahren und zehn Monaten (A. T. ) sowie von drei Jahren und sechs Monaten (J. T. ) verurteilt. Ihre dagegen gerichteten, auf die Rügen der Verletzung materiellen und hinsichtlich des Angeklagten A. T. auch formellen Rechts gestützten Revisionen haben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzend anzumerken ist lediglich Folgendes:
2Nach den von der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen suchten die Angeklagten die beiden Nebenkläger gezielt auf, prügelten mit einem Teleskopschlagstock und einem Baseballschläger gemeinsam in lebensgefährdender Weise auf sie ein und verletzten sie erheblich. Das Landgericht hat vor diesem Hintergrund strafschärfend gewürdigt, dass es ihnen im Sinne eines dolus directus ersten Grades besonders auf die Verletzung des einen Nebenklägers ankam.
3Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung stand. Wie der Bundesgerichtshof bereits für die Tötungsabsicht ausdrücklich entschieden hat, begegnet es auch hier keinen Bedenken, den direkten Vorsatz in der Strafzumessung als Schärfungsgrund zu bewerten (, BGHSt 63, 54).
4Nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers, die in den Straftatbeständen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs zum Ausdruck kommt, haben die drei Vorsatzformen prinzipiell einen unterschiedlichen Schuldgehalt. Die Schuldschwere steigert sich im Grundsatz vom dolus eventualis (bedingter Vorsatz) über den dolus directus zweiten Grades (direkter Vorsatz in Form der „Wissentlichkeit“) hin zum dolus directus ersten Grades (direkter Vorsatz in Form der Absicht). Die kriminelle Intensität des Täterwillens ist beim zuletzt genannten in der Regel am stärksten ausgeprägt. Primärziel des Absichtstäters ist der tatbestandliche Erfolg; dessen Eintritt ist nicht nur die für möglich oder sicher gehaltene Nebenfolge seines Verhaltens (, NStZ-RR 2017, 237, 238). Die Absicht kann daher auch beim Körperverletzungsdelikt als Ausdruck der Beweggründe und Ziele des Täters sowie seiner Gesinnung und des bei der Tat aufgewendeten Willens (§ 46 Abs. 2 StGB) die individuelle Schuld erhöhen und taugliches Kriterium für eine Strafschärfung sein.
5In der straferhöhenden Würdigung des dolus directus ersten Grades ist kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot aus § 46 Abs. 3 StGB zu erblicken. Das unbedingte Streben nach der Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges ist - von Ausnahmen abgesehen (§ 224 Abs. 1 Nr. 3, § 226 Abs. 2 StGB) - kein Tatbestandsmerkmal der §§ 223 ff. StGB und stellt auch nicht den normativen Regelfall eines vorsätzlichen Körperverletzungsdelikts dar.
6Die Entscheidung darüber, ob in der Absicht ein die Strafhöhe beeinflussender, bestimmender Strafschärfungsgrund zu sehen ist, muss das Tatgericht allerdings unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls treffen (vgl. , BGHSt 63, 54 Rn. 28; MüKoStGB/Maier, 4. Aufl., § 46 Rn. 557; s. auch , NStZ-RR 2019, 353, 354). Insoweit ist im vorliegenden Fall kein Rechtsfehler ersichtlich.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:040423B3STR73.23.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-41964