BGH Beschluss v. - VIII ZR 136/22

Instanzenzug: Az: 32 U 347/22vorgehend LG München I Az: 41 O 14700/20

Gründe

I.

1Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von insgesamt 5.010,65 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die Ansprüche in Abrede gestellt und widerklagend beantragt, die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus dem Urteil des Landgerichts München I vom (15 O 12185/19), mit dem die Beklagte zur Zahlung von 13.595,53 € verurteilt worden war, für unzulässig zu erklären, sowie die Klägerin zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des genannten Urteils und zur Zahlung von 67.377,74 € nebst Zinsen an die Beklagte zu verurteilen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren auf 85.983,92 € festgesetzt.

2Die Beklagte hat den Antragsteller mit ihrer Vertretung im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beauftragt. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung hat sie für den Fall der Revisionszulassung angekündigt, ihre Verurteilung lediglich in Höhe von 4.610,65 € nebst Zinsen sowie die Abweisung ihrer Widerklage lediglich in Höhe von 35.351,47 € nebst Zinsen zu Fall bringen zu wollen.

3Mit Beschluss vom hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückgewiesen und den Wert des Beschwerdeverfahrens auf 39.962,12 € festgesetzt.

4Der Antragsteller beantragt, den Gegenstandswert seiner anwaltlichen Tätigkeit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf 85.983,92 € festzusetzen. Er hat hierzu ausgeführt, dass sich das ihm übertragene Mandat auf die vollumfängliche Prüfung der Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts bezogen habe und dementsprechend die Rechtsmitteleinlegung uneingeschränkt erfolgt sei. Die hierzu angehörte Beklagte hat keine Stellungnahme abgegeben.

II.

5Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren der Beklagten ist auf 85.983,92 € festzusetzen.

61. Gemäß § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht übereinstimmen.

7a) Der für die Gerichtskosten maßgebende gerichtliche Streitwert im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist gemäß § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 GKG der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert. Er bestimmt sich nach dem Antrag des Rechtsmittelführers, also danach, inwiefern der Rechtsmittelführer für den Fall der Zulassung des Rechtsmittels eine Abänderung der Entscheidung begehrt (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 325/18, juris Rn. 6; vom - VIII ZR 160/20, juris Rn. 7).

8Die Beklagte hat mit der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zum Ausdruck gebracht, dass sie für den Fall der Revisionszulassung die Entscheidung des Berufungsgerichts allein insoweit zur Überprüfung stellen will, als hierdurch ihre Berufung im Hinblick auf die Verurteilung zur Zahlung von 4.610,65 € nebst Zinsen und im Hinblick auf die Abweisung der Widerklage in Höhe von 35.351,47 € nebst Zinsen zurückgewiesen wurde. Den Wert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens hat der Senat dementsprechend auf 39.962,12 € festgesetzt.

9b) Für den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG grundsätzlich nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt, ist nach § 32 Abs. 1 RVG die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. Dies gilt allerdings nur, wenn der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens mit dem der anwaltlichen Tätigkeit identisch ist (, NJW-RR 2018, 700 Rn. 21 f.; Beschluss vom - V ZR 299/14, juris Rn. 3; jeweils mwN). Fehlt es daran, etwa weil der Wert der bei der Einlegung des Rechtsmittels entfalteten anwaltlichen Tätigkeit höher als der Wert des später durchgeführten Rechtsmittelverfahrens liegt, ist der Rechtsanwalt nicht gehindert, für seine auf einem umfassenderen Auftrag beruhende Tätigkeit entsprechende Gebühren gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen (, aaO Rn. 22; Beschlüsse vom - VI ZR 299/14, aaO Rn. 5; vom - VIII ZR 160/20, juris Rn. 9).

10Vorliegend weicht der anwaltliche Gegenstandswert von dem gerichtlichen Streitwert ab. Er richtet sich nach dem Wert, der die Grundlage für den Auftrag der Beklagten zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde bildete (, aaO Rn. 29; Beschlüsse vom - VII ZR 228/16, juris Rn. 4; vom - VIII ZR 160/20, aaO Rn. 10). Da sich das von der Beklagten übertragene Mandat nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Antragstellers auf die vollumfängliche Prüfung der Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten bezogen hat und dem Antragsteller somit ein Rechtsmittelauftrag unbeschränkt erteilt worden war, bemisst sich der Wert seiner anwaltlichen Tätigkeit nach der gesamten sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts ergebenden Beschwer der Beklagten (vgl. , aaO; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 325/18, juris Rn. 7 f.).

11Die Beklagte ist durch das Berufungsurteil in Höhe von 85.983,92 € beschwert. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der der Klägerin zugesprochenen Klageforderung in Höhe von insgesamt 5.010,65 € sowie aus dem Streitwert der abgewiesenen Widerklage. Für diesen sind der Wert des Zahlungsantrags (67.377,74 €) sowie der Wert der Vollstreckungsgegenklage, welcher sich nach dem Nennbetrag des vollstreckbaren Hauptanspruchs - vorliegend 13.595,53 € - bemisst (vgl. BGH, Beschlüsse vom - IX ZR 115/15, NZI 2016, 104 Rn. 2; vom - V ZR 82/13, juris), zu addieren. Der Wert der Klage auf Herausgabe des Vollstreckungstitels ist neben der Vollstreckungsgegenklage zu vernachlässigen (vgl. , NJW 2015, 251 Rn. 13). Die Zinsen sind wertmäßig nicht anzusetzen (§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO).

122. Über den Antrag auf Festsetzung entscheidet nach dem Inkrafttreten von § 1 Abs. 3 RVG auch beim Bundesgerichtshof gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 1 RVG der Einzelrichter (BGH - Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom - GSZ 1/20, juris Rn. 8).

III.

13Die Nebenentscheidungen folgen aus § 33 Abs. 9 RVG.

Dr. Böhm

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:260423BVIIIZR136.22.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-41612