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BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 6/23

Anwaltsgerichtliches Verfahren: Widerruf der Rechtsanwaltszulassung bei Vermögensverfall

Gesetze: § 14 Abs 2 Nr 7 BRAO

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Hamm Az: 1 AGH 30/22 Urteil

Gründe

I.

1Der im Jahr 1961 geborene Kläger ist seit 1992 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

2Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

31. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 30/19, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (vgl. Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 66/18, juris Rn. 5).

4Entsprechende Zweifel legt der Kläger nicht dar. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Senatsrechtsprechung.

5a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 1/16, juris Rn. 6 und vom - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 4; jeweils mwN). Ist der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen, wird ein Vermögensverfall vermutet (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 29/22, juris Rn. 3 mwN).

6b) Ausgehend davon bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Anwaltsgerichtshofs, dass der Kläger sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom in Vermögensverfall befand.

7aa) Der Anwaltsgerichtshof hat den Vermögensverfall des Klägers zu Recht aus der gesetzlichen Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO hergeleitet, da im Zeitpunkt des Widerrufs drei Eintragungen des Klägers wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis bestanden. Dabei hat der Anwaltsgerichtshof ausweislich der Ausführungen auf Seite 5 unten der angefochtenen Entscheidung entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht verkannt, dass § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO keine Definition des Vermögensverfalls enthält, sondern (nur) dessen widerlegliche Vermutung, die der Anwaltsgerichtshof jedoch auch durch das Vorbringen des Klägers als nicht widerlegt angesehen hat.

8bb) Die aus den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis folgende Vermutung seines Vermögensverfalls hat der Kläger, wie der Anwaltsgerichtshof ebenfalls zutreffend angenommen hat, nicht widerlegt.

9Zur Widerlegung der Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO muss der Rechtsanwalt nach ständiger Senatsrechtsprechung ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen sowie belegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 6/22, juris Rn. 6 mwN). Beides hat der Kläger nicht getan.

10Sein Vorbringen, er habe sich nicht in Vermögensverfall befunden, weil er Miteigentümer eines Erbbaupachtgrundstücks in H.    mit einem Marktwert von mindestens 200.000 € sei, so dass seine damaligen Passiva, bei denen es sich lediglich um Forderungen in einem geringen vierstelligen Bereich gehandelt habe, seine Aktiva nicht überstiegen hätten, reicht zur Widerlegung der Vermutung nicht aus. Wie bereits der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, ist Immobilienvermögen nach der Senatsrechtsprechung bei der Prüfung des Vermögensverfalls nur dann von Relevanz, wenn es dem Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hat. Auf die Liquidität entsprechender Mittel kommt es insoweit entscheidend an (st. Rspr.; siehe etwa Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 46/14, juris Rn. 10 mwN; Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 57/14, juris Rn. 3). Eine solche Liquidität ist hier nach den - vom Kläger nicht angegriffenen und auch sonst nicht zu beanstandenden - Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs nicht erkennbar.

11Den weiteren Einwand des Klägers, die Forderungen gegen ihn seien von "geringer Höhe" gewesen, hat der Anwaltsgerichtshof ebenfalls zu Recht für unerheblich erachtet, weil der Umstand, dass der Rechtsanwalt es sogar wegen vergleichsweise geringfügiger Forderungen zu einer Eintragung im Schuldnerverzeichnis hat kommen lassen, eher für und nicht gegen das Vorliegen eines Vermögensverfalls spricht (vgl. Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 20/22, juris Rn. 10).

12Keine andere Beurteilung rechtfertigt schließlich der Vortrag des Klägers, er habe sich zwar in einem - auch durch die Corona-Pandemie verursachten - finanziellen Engpass befunden, diesen aber im Hinblick auf die geringe Höhe der offenen Forderungen gegen ihn als nicht dramatisch angesehen und aufgrund der von ihm eingeleiteten, wegen langer Kündigungsfristen aber nicht sofort greifenden Konsolidierungsmaßnahmen keine Notwendigkeit gesehen, seinen Miteigentumsanteil an der o.g. Immobilie zu veräußern. Das spricht vielmehr dafür, dass der Kläger im Zeitpunkt des Widerrufs in schlechte finanzielle Verhältnisse geraten war, die er nicht in absehbarer Zeit ordnen konnte, und außerstande war, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

13c) Keine ernstlichen Zweifel bestehen auch an der weiteren Feststellung des Anwaltsgerichtshofs, dass der Vermögensverfall des Klägers die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet.

14Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (st. Rspr.; siehe etwa Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 29/22, juris Rn. 12 mwN).

15Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung hier zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs ausnahmsweise nicht bestand, hat der Kläger weder vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich.

162. Weitere Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 VwGO) hat der Kläger nicht dargetan und liegen auch nicht vor.

III.

17Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:280423BANWZ.BRFG.6.23.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-41518