BGH Beschluss v. - XIII ZB 75/20

Instanzenzug: LG Paderborn Az: 5 T 179/20vorgehend AG Paderborn Az: 11 XIV(B) 7/19

Gründe

1I. Der Betroffene, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am aus Spanien in das Bundesgebiet ein. Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von drei Monaten an. Am verlängerte das Amtsgericht Paderborn auf Antrag der beteiligten Behörde die Haft bis zum . Mit Schreiben vom schloss sich der vom Betroffenen als Person seines Vertrauens benannte F.G. (im Folgenden: Vertrauensperson) der dagegen am selben Tag eingelegten Beschwerde des Betroffenen an und beantragte, hilfsweise, die Haft aufzuheben sowie im Fall einer Haftentlassung das Verfahren als Feststellungsverfahren fortzusetzen. Das Amtsgericht hat nach Abschiebung des Betroffenen am den auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichteten Antrag der Vertrauensperson am zurückgewiesen. Die dagegen am eingelegte Beschwerde hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Vertrauensperson die Aufhebung dieses Beschlusses und Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist, hilfsweise Zurückverweisung.

2II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

31. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Beschwerde sei nach § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG verfristet. Der Beschluss des Amtsgerichts sei am erlassen worden. Maßgeblich für den Lauf der Beschwerdefrist nach § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG sei, dass die schriftliche Bekanntgabe an den bereits förmlich beteiligten Rechtsmittelführer unterblieben sei. Zugunsten der Vertrauensperson sei von ihrem Vortrag auszugehen, dass sie der Beschluss entgegen dem in der Akte enthaltenen Sendebericht am nicht erreicht habe. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien jedoch nicht gegeben. Die Vertrauensperson habe erst mit Schreiben vom und damit knapp eineinhalb Jahre nach ihrem Feststellungsantrag vom nach dem Stand der Sache gefragt. Die Vertrauensperson sei rechtskundig und führe viele Beschwerden. Ihr sei deshalb bewusst gewesen, dass Beschwerdefristen laufen. Auch der Umstand, dass die Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts eine zu kurze zweiwöchige Frist genannt habe, begründe keine Wiedereinsetzung. Es fehle an der Kausalität zwischen der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung und der verspäteten Einlegung der Beschwerde.

42. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

5a) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass die am eingelegte Beschwerde verfristet war. Nach § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde innerhalb einer Frist von einem Monat einzulegen.

6aa) Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist allerdings davon auszugehen, dass der Lauf der Monatsfrist nicht bereits durch die Übermittlung des Beschlusses per Telefax am an die Vertrauensperson gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG in Gang gesetzt wurde.

7(1) Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist ein anfechtbarer Beschluss demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht. Danach musste eine förmliche Zustellung des Beschlusses vom an die Vertrauensperson erfolgen, weil er mit der Beschwerde nach § 58 FamFG anfechtbar war und dem erklärten Willen der Vertrauensperson widersprach.

8(2) Das Unterbleiben einer gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Bekanntgabe, weshalb nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG die Beschwerdefrist nicht zu laufen beginnt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 491/14, FamRZ 2015, 1374 Rn. 7; vom - XII ZB 188/18, FGPrax 2019, 48 Rn. 11). Es kommt zwar in Betracht, dass der Zustellungsmangel gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 FamFG, § 189 Alt. 1 ZPO geheilt wurde. Da das Landgericht nicht festgestellt hat, dass das Schriftstück bereits am derart in den Machtbereich der Vertrauensperson gelangt ist, dass sie es behalten konnte und Gelegenheit zur Kenntnisnahme von dessen Inhalt hatte (vgl. , NJW-RR 2021, 193 Rn. 9), kann hiervon im Rechtsbeschwerdeverfahren jedoch nicht ausgegangen werden.

9bb) Ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die Beschwerdefrist nach § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses am zu laufen begann.

10(1) Die Fünf-Monats-Frist läuft immer, wenn die Zustellung an den - bereits förmlich - Beteiligten (aus welchen Gründen auch immer) unterblieben ist (vgl. , FamRZ 2015, 1006 Rn. 24 ff.). Dies gilt insbesondere auch in Fällen fehlerhafter Zustellung. Die Auffangfrist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG soll der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit für die Beteiligten dienen, wenn eine Bekanntgabe der Entscheidung an einen erstinstanzlich Beteiligten innerhalb dieses Zeitraums nicht gelingt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom , BT-Drucks. 16/9733, S. 289). Würde man den Anwendungsbereich der Vorschrift demgegenüber auf Fälle beschränken, in denen die Bekanntgabe überhaupt nicht erreicht werden konnte, träte bei einer nur fehlerhaften Bekanntgabe zu keinem Zeitpunkt die formelle Rechtskraft ein. Dies wäre mit dem Zweck der Vorschrift nicht zu vereinbaren (vgl. , FGPrax 2013, 232 Rn. 17 ff.).

11(2) Da der angegriffene Beschluss nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts am an die Geschäftsstelle übergeben und damit nach § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG erlassen worden ist, gilt er gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG nach Ablauf von fünf Monaten am als bekannt gegeben. Die einmonatige Beschwerdefrist begann mit Ablauf dieses Tages und endete am . Die erst am eingegangene Beschwerde der Vertrauensperson war daher verfristet.

12b) Im Ergebnis zu Recht hat das Beschwerdegericht auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 17 FamFG abgelehnt.

13aa) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass das Wiedereinsetzungsbegehren statthaft ist. Zwar findet eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG nicht statt, weil durch die Vorschrift nur die Bekanntgabe einer gerichtlichen Entscheidung fingiert wird und es sich nicht um eine Rechtsmittelfrist handelt. Dies schließt jedoch die Wiedereinsetzung gegen die versäumte Beschwerdefrist nicht aus, wenn die Rechtsmittelfrist schuldlos versäumt wurde (vgl. BGH, FGPrax 2013, 232 Rn. 21).

14bb) Die Vertrauensperson hat im Beschwerdeverfahren jedoch keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Zwar braucht ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht ausdrücklich erklärt zu werden; es kann auch konkludent in einem Schriftsatz enthalten sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XI ZB 4/05, NJW 2006, 1518 Rn. 13; vom - VIII ZB 61/17, NJW 2018, 1022 Rn. 17, zu § 233 ZPO). Dazu ist aber erforderlich, dass der Rechtsmittelführer zumindest eine Versäumung der Begründungsfrist für möglich hält und vorsorglich Ausführungen zu Wiedereinsetzungsgründen macht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 76/11, NJW-RR 2012, 1206 Rn. 8; vom - VIII ZB 61/17, NJW 2018, 1022 Rn. 17). Daran fehlt es. Der Beschwerdeführer hat mit seinem an das Amtsgericht Paderborn gerichteten Schriftsatz vom lediglich Beschwerde eingelegt. Nach Abgabe an das Landgericht hat er mit Schriftsatz vom deutlich gemacht, dass er von der Rechtzeitigkeit der Beschwerde ausgeht. Trotz des Hinweises des hat er nicht erkennen lassen, dass er eine Versäumung der Frist in Betracht zog.

15cc) Die Wiedereinsetzung war auch nicht von Amts wegen zu gewähren.

16(1) Ist die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nach § 18 Abs. 1 Satz 1 FamFG nachgeholt worden, was hier mangels entsprechender Feststellungen des Beschwerdegerichts zu unterstellen ist, kann gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 FamFG Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Das kommt allerdings nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist offenkundig sind oder nach einem nach § 28 Abs. 1 FamFG erforderlichen gerichtlichen Hinweis offenkundig geworden wären (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 187/13, NJW-RR 2015, 628 Rn. 121; vom - VIII ZB 61/17, NJW 2018, 1022 Rn. 19; vom - IV ZB 23/19, juris Rn. 10, jeweils zu § 236 Abs. 2 ZPO; Burschel/Perleberg-Kölbel in BeckOK FamFG, 45. Ed. [], § 18 Rn. 17; Pabst in MüKoFamFG, 3. Aufl., § 18 Rn. 9). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

17(2) Es war nach der Aktenlage nicht offenkundig, dass die Vertrauensperson ohne ihr Verschulden verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten (§ 17 FamFG). Die Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses beantragt werden (§ 18 Abs. 1 FamFG). Es bedarf daher Angaben zu dem Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, und zu dem Zeitpunkt des Wegfalls dieses Hindernisses (, NJW 2012, 2445 Rn. 9). In der Beschwerdeschrift vom wird zwar dargelegt, dass der Beschluss (erst) am eingegangen sei. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Vertrauensperson von dessen Erlass nicht auf andere Weise zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis erlangt hat.

18(3) Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung nach einem ausdrücklichen gerichtlichen Hinweis des Amtsgerichts auf die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags und die Erforderlichkeit einer geschlossenen Darstellung der tatsächlichen Abläufe (vgl. BGH NJW 2012, 2445 Rn. 9) offenkundig geworden wären. Dagegen spricht, dass die Vertrauensperson nach dem Hinweis des keinen maßgeblichen Vortrag zu den Abläufen gehalten hat. In der Verfügung vom wird auf die Verfristung hingewiesen und ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum der Beschwerdeführer nicht früher dem Verfahren Fortgang gegeben habe. Die Vertrauensperson hat daraufhin nicht dargelegt, dass sie von dem Erlass des Beschlusses vor dessen Übersendung am keine anderweitige Kenntnis erlangt hat. Sie hat lediglich mitgeteilt, sie sei der Auffassung, die Frist beginne erst mit Zustellung des Beschlusses.

19(4) Die Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung konnten diesen Mangel nicht mehr heilen. Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben dürfen zwar auch noch nach Fristablauf - auch mit der Rechtsbeschwerde - erläutert oder vervollständigt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 68/16, NJW-RR 2019, 502 Rn. 7 mwN; vom - V ZB 138/19, NJW 2020, 3041, Rn. 9). Das gilt jedoch nur, wenn die nachgeschobenen Angaben innerhalb der Antragsfrist zumindest angedeutet worden sind (vgl. , juris Rn. 10). Daran fehlt es hier. Die Vertrauensperson hat vor dem Amtsgericht und dem Landgericht weder Angaben zu ihrem Telefaxanschluss gemacht, noch dazu, ob sie auf anderem Wege Kenntnis von dem Beschluss erlangt hat. Derartige Angaben hat sie erstmals mit der Rechtsbeschwerdebegründung und ihrer beigefügten eidesstattlichen Versicherung vom gemacht. Erst dort hat sie vorgetragen, dass sie erstmals durch das Faxschreiben vom von dem Beschluss vom Kenntnis erhalten hat.

203. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:040423BXIIIZB75.20.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-41314