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NWB-EV Nr. 6 vom Seite 192

Nachweis der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer von Gebäuden

Geänderte Anforderungen an Gutachten und Gutachter im Lichte des

Paul Schnittger und Nils Hanisch

Durch die gesetzliche Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG haben Steuerpflichtige die Möglichkeit, für die Bemessung der Gebäude-AfA die tatsächliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen, wenn diese kürzer als die Regelnutzungsdauer für Gebäude nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG ist. Durch das wegweisende erfuhr diese Vorschrift zunächst eine besondere Praxisrelevanz, da in der Urteilsbegründung konkrete und – aus Sicht der Steuerpflichtigen – relativ großzügige Grundsätze zur Geltendmachung einer kürzeren Gebäudenutzungsdauer etabliert wurden. Demnach sei jede Darlegungsmethode zulässig, die für den Einzelfall einen geeigneten Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer bietet, soweit die voraussichtliche Restnutzungsdauer mit hinreichender Sicherheit geschätzt werden kann. Infolge dieses Urteils reichten zahlreiche Steuerpflichtige Immobiliengutachten ein, um das Wahlrecht zum Ansatz der kürzeren Nutzungsdauer § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG auszuüben. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat das die Voraussetzungen an die Nachweisführung mittels Gutachten erheblich verschärft. Demnach sollen nur noch Gutachten, die von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder von nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Sachverständigen bzw. Gutachtern erstellt wurden, als Nachweis einer kürzeren Gebäudenutzungsdauer anerkannt werden. Ferner muss das Gutachten auf alle maßgeblichen Determinanten, also technische, wirtschaftliche und rechtliche Einflussfaktoren auf die Nutzungsdauer eingehen und darlegen, weshalb am Ende der Nutzungsdauer kein Restwert besteht und dass keine, ggf. anderweitige, sinnvolle Nutzung mehr möglich ist. Dabei muss insbesondere auf den Zustand der tragenden Gebäudeelemente eingegangen werden. Aufgrund der neu aufgestellten Grundsätze der Finanzverwaltung werden modellhafte Berechnungen der Restnutzungsdauer in Anlehnung an bewertungsrechtliche Vorschriften wie die ImmoWertV oder die Sachwert-Richtlinie ebenso wie reine Verkehrswertgutachten oder Gutachten von nicht-zertifizierten Personen grundsätzlich nicht mehr anerkannt. Da das BMF-Schreiben überdies in allen offenen Fällen anzuwenden ist, führen die erhöhten Anforderungen zu Unsicherheiten zur weiteren Vorgehensweise in der Praxis. Dieser Beitrag stellt die aktuelle Rechtslage dar und leitet daraus Handlungsempfehlungen und Praxistipps zur Geltendmachung einer kürzeren Gebäudenutzungsdauer mittels Gutachten ab.

Kernaussagen
  • Das Berechnungsmodell nach Anlage 2 der ImmoWertV ist als alleinige Argumentationsgrundlage ungenügend, vielmehr muss eine Analyse des tatsächlichen baulichen Zustandes des Gebäudes, insbesondere seiner tragenden Bestandteile, erfolgen.

  • In der Praxis wird es sehr schwierig sein, sämtliche Anforderungen des BMF bis ins letzte Detail zu erfüllen ? im Zweifel sollte das Gutachten zunächst eingereicht werden und bei Nichtanerkennung Einspruch und anschließend ggf. Klage erhoben werden.

  • Im Rahmen eines Klageverfahrens sind die Finanzgerichte nicht an die Anwendung des BMF-Schreibens gebunden, so dass der Klageweg in Streitfällen ein probates Mittel zur Geltendmachung der kürzeren Nutzungsdauer darstellt.

I. Einleitung

Bereits seit Jahrzehnten räumt die Norm des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG Steuerpflichtigen das Wahlrecht ein, die gesetzlich standardisierten AfA-Sätze für Gebäude nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG durch die Abschreibung anhand der tatsächlichen Nutzungsdauer zu ersetzen, soweit nachgewiesen wird, dass die tatsächliche Nutzungsdauer kürzer ist als die in § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG normierte Regelnutzungsdauer.S. 193

Dieses zunächst für lange Zeit in der Praxis nur selten ausgeübte Wahlrecht erfuhr besondere Bekanntheit und Praxisrelevanz durch das wegweisende auf welches verschiedene Finanzgerichte in ihren Urteilen Bezug nahmen.

II. Entwicklung aufgrund des (bisheriger Rechtsstand)

Laut BFH sei für die Geltendmachung der kürzeren Nutzungsdauer jede Darlegungs- und Nachweismethode zulässig, die Rückschlüsse auf die Gründe für eine kürzere Nutzungsdauer ermöglicht und hierbei eine hinreichende Schätzungssicherheit für die Bestimmung der tatsächlichen Nutzungsdauer gewährleisten kann. Dabei wurden unterschiedliche Gutachtenformen als zulässig erachtet, solange zumindest eine gutachterliche Methodik angewandt werde. Im Urteilsfall wurde etwa das vom Gutachter verwendete Punktemodell nach Anlage 2 der ImmoWertV (Immobilienwertermittlungsverordnung) und Anlage 4 der Sachwert-Richtlinie, welches zur Bestimmung der Restnutzungsdauer von Wohngebäuden insbesondere das Gebäudealter sowie durchgeführte oder unterlassene Modernisierungen und Instandhaltungen berücksichtigt, als sachgerecht eingeschätzt. Zur Einschätzung der Restnutzungsdauer nahm der Gutachter das Gebäude in Augenschein und erhob die wesentlichen Gebäudemerkmale sowie den Modernisierungsgrad, nahm jedoch keine Stellung zum Zustand der Rohbausubstanz und dem technischen Verschleiß der tragenden Elemente. In der Urteilsbegründung führte der BFH weiter aus, dass die Festlegung eines bestimmten Ermittlungsverfahrens und eine Reglementierung der Gutachtenmethodik die Anforderungen an die Steuerpflichtigen zur Erbringung ihrer Feststellungslast überspannen würde. Demnach sei auch die eher modellhafte Berechnung nach Anlage 2 der ImmoWertV (welche zudem insbesondere zur Wertermittlung von Immobilien konzipiert ist), in Kombination mit ergänzenden Erläuterungen zur plausiblen Begründung einer geltend gemachten kürzeren Nutzungsdauer ausreichend, denn es bestehe kein wesentlicher Unterschied zwischen dem steuerlichen Begriff der (Rest-)Nutzungsdauer nach § 11c Abs. 1 Satz 1 EStDV und der immobilienbewertungsrechtlichen Legaldefinition in § 6 Abs. 6 ImmoWertV, so der BFH, welcher damit der vorinstanzlichen Auffassung des Finanzgerichtes zustimmte.

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