BGH Beschluss v. - 1 StR 412/22

Steuerstrafverfahren: Einziehung von Tatbeiträgen bei versuchter Hinterziehung von Einkommensteuer

Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 73 Abs 1 StGB, § 73c Abs 1 StGB, § 370 Abs 1 Nr 2 AO

Instanzenzug: Az: 27 KLs 9/20

Gründe

1Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen, davon in vier Fällen im Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, wovon ein Monat der Strafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gilt. Darüber hinaus hatte es die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom (1 StR 140/20) den Strafausspruch in 15 Fällen (betreffend elf Fälle der Steuerhinterziehung und vier Fälle der versuchten Steuerhinterziehung), den Gesamtstrafausspruch sowie die Einziehungsanordnung mit den zugehörigen Feststellungen wegen fehlerhafter Bestimmung des Schuldumfangs aufgehoben. Die weitergehende Revision des Angeklagten hat der Senat als unbegründet verworfen.

2Das Landgericht hat nunmehr den Angeklagten wegen der rechtskräftigen Schuldsprüche zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wovon zwei Monate der Strafe als vollstreckt gelten. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 160.264 Euro angeordnet. Die hiergegen mit der Beanstandung formellen und materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten erzielt lediglich hinsichtlich der Einziehungsentscheidung den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

31. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.

4Zur Rüge, dass das Landgericht die Vernehmung des Bruders des Angeklagten zum Beweis der Behauptung, dieser habe regelmäßig vom Angeklagten übergebene Bargeldbeträge von Deutschland in die Türkei transportiert, um die Lieferanten des Materials teilweise zur Umgehung von Zöllen schwarz zu bezahlen, rechtsfehlerhaft abgelehnt habe, ist ergänzend auszuführen: Es handelt sich aufgrund der konkreten bereits im Ablehnungsbeschluss mitgeteilten Feststellungen des Landgerichts zu dem zu erfassenden Betriebsaufwand nicht um einen Beweisantrag, sondern lediglich um einen Beweisermittlungsantrag. Die „Beweisbehauptungen“ sind dermaßen vage, dass sie einer Ablehnung nach den Gründen des § 244 Abs. 3 StPO nicht zugänglich sind. Auch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gebietet eine solche Beweiserhebung nicht, zumal eine Verfahrensrüge mit dieser Zielrichtung nicht erhoben ist.

52. Der Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung weisen keinen Rechtsfehler auf. Die Einziehungsentscheidung bedarf jedoch – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt – der Korrektur.

6a) Das Landgericht hat den Wert von Taterträgen in Höhe der „nicht gezahlten“ Einkommensteuer für die Veranlagungsjahre 2012 bis 2014 im Urteilstenor in Höhe von 160.264 Euro angeordnet, jedoch – wie es in den Urteilsgründen ausführt – sich zu Gunsten des Angeklagten um 2.111 Euro (162.375 Euro: UA S. 70) verrechnet. Hinsichtlich der Einkommensteuer für das Veranlagungsjahr 2014 hat der Angeklagte die Steuerhinterziehung jedoch lediglich versucht (beabsichtigter Hinterziehungsbetrag: 43.927 Euro), mit der Folge, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) insoweit ausscheidet. Wenn eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO vorliegt, setzt die Einziehung die Tatvollendung namentlich den Erlass eines Schätzungsbescheids oder den allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten voraus. Vorliegend war die Erklärungspflicht des Angeklagten durch die zuvor vorgenommene Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens suspendiert (vgl. Rn. 8 mwN und Urteil vom – 1 StR 360/21 Rn. 22). Vor Eintritt des Taterfolgs konnte der Angeklagte aber noch nicht über die Steuerersparnis verfügen (vgl. Rn. 24-28).

7b) Aufgrund des Rechtsfehlers zieht der Senat den vom Landgericht errechneten Betrag von 43.927 Euro von der getroffenen Einziehungsanordnung in Höhe von 160.264 Euro ab und entscheidet insoweit in der Sache entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst. Entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts ist der rechnerisch richtige Gesamtbetrag von 162.375 Euro nicht in Ansatz zu bringen. Wegen des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) kann dem Angeklagten als alleinigen Rechtsmittelführer dieser Rechenfehler des Landgerichts nicht als „Vorteil“ genommen werden, auch nicht im Wege der Verrechnung mit anderen Einziehungsbeträgen.

83. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Einziehungsanordnung beruht auf § 473 Abs. 4, § 465 Abs. 2 StPO analog (vgl. Rn. 6 f.); eine teilweise Kostenerstattung hat aus Billigkeitsgründen zu erfolgen.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:060423B1STR412.22.1

Fundstelle(n):
wistra 2023 S. 3 Nr. 10
wistra 2024 S. 25 Nr. 1
HAAAJ-40784