Gesetzgebung | Prozessrecht - Videoverhandlungen an Zivil - und Fachgerichten (BMJ)
Die Bundesregierung hat am den vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) vorgelegten Entwurf eines "Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten" beschlossen.
Folgende Neuerungen sind vorgesehen:
Ausbau von Videoverhandlungen: Die zentrale Norm für Videoverhandlungen – § 128a ZPO – soll insgesamt neu gefasst werden: Das Gericht soll eine Videoverhandlung nicht mehr nur gestatten, sondern gegenüber den Verfahrensbeteiligten auch anordnen können. Die Anordnung erfolgt durch die oder den Vorsitzenden. Der Adressat einer Anordnung kann innerhalb von zwei Wochen Einspruch gegen die Anordnung einlegen. Dieser Einspruch muss nicht näher begründet werden. Damit wird sichergestellt, dass niemand gegen seinen Willen in eine Videoverhandlung gezwungen wird. Stellen alle an einem Verfahren beteiligten Rechtsanwälte einen Antrag auf Durchführung einer Videoverhandlung, soll diese in der Regel angeordnet werden. Lehnt das Gericht einen Antrag auf Videoverhandlung ab, ist diese Entscheidung zu begründen.
Videoeinsatz bei der Beweisaufnahme: Die Regelungen zur Videobeweisaufnahme (§ 284 ZPO-E) sollen erweitert werden. Künftig soll auch eine Inaugenscheinnahme per Video möglich sein. Zudem soll auch die Videobeweisaufnahme durch das Gericht angeordnet werden können.
Videoverhandlungen sollen kostengünstiger werden: Die bisher für die Nutzung von Videokonferenztechnik nach den Gerichtskostengesetzen zu erhebende Auslagenpauschale soll entfallen.
Moderne Dokumentationsmöglichkeiten: Die Regelungen zur vorläufigen Protokollaufzeichnung (§ 160a ZPO-E) sollen dahingehend erweitert werden, dass neben der bereits zulässigen Tonaufzeichnung eine Bild-Ton-Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme zulässig ist.
Zeitgemäßer Zugang zur Justiz – „virtuelle Rechtsantragsstelle“: Anträge und Erklärungen rechtssuchender Bürger zu Protokoll der Geschäftsstelle sollen zukünftig auch per Video gegenüber der Geschäftsstelle abgegeben werden können (§ 129a ZPO-E). Dies betrifft beispielsweise die Beantragung von Prozesskosten- oder Beratungshilfe sowie die Erhebung einer Klage beim Amtsgericht.
Das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft soll um die Möglichkeit erweitert werden, diese per Video oder an einem anderen geeigneten Ort als in den Geschäftsräumen des Gerichtsvollziehers oder in der Wohnung des Schuldners abzunehmen (§ 802f ZPO-E).
Die geplanten Neuregelungen kommen grundsätzlich auch in den Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten zur Anwendung (Anwendung über die allgemeinen Verweisungsnormen in § 173 Satz 1 VwGO und § 155 Satz 1 FGO). Die bisherigen Vorschriften der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit über Videoverhandlungen bleiben dagegen weitgehend unverändert.
Den Ländern soll darüber hinausgehend die Möglichkeit eröffnet werden, die Durchführung sog. vollvirtueller Videoverhandlungen in der Zivilgerichtsbarkeit zu erproben, bei denen sich auch das Gericht nicht im Sitzungssaal aufhält.
Der heute vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet. Nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung wird dieser an den Deutschen Bundestag weitergeleitet und dort beraten.
Der Regierungsentwurf ist auf der Homepage des BMJ veröffentlicht.
Quelle. BMJ, Pressemitteilung v. (il)
Fundstelle(n):
NWB MAAAJ-40671