BGH Beschluss v. - 5 StR 516/22

Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung auf die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe vor der Maßregel; Dauer des Vorwegvollzugs

Gesetze: § 67 Abs 2 S 3 StGB, § 67 Abs 5 StGB

Instanzenzug: LG Dresden Az: 15 KLs 386 Js 39440/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Raub, gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr und vier Monaten der verhängten Freiheitsstrafe angeordnet. Die auf die Anordnung des Vorwegvollzugs beschränkte und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs.

21. Das Landgericht hat – sachverständig beraten – seiner Maßregelentscheidung zugrunde gelegt, dass der Angeklagte einen Hang zum Rauschmittelkonsum im Übermaß habe und die Tat auch dazu diente, Geld für den Konsum zu erlangen, mithin auf den Hang zurückgehe. Zudem sei es sehr wahrscheinlich, dass der Angeklagte auch zukünftig zur Finanzierung des Konsums vergleichbare Taten begehen werde. Eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB hat es nur „unter Berücksichtigung der festgelegten Vollstreckungsreihenfolge“ angenommen. Zwar sei der Angeklagte grundsätzlich therapiebereit, lehne aber eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt „strikt“ ab, da er dann den begonnenen Realschulkurs in der Justizvollzugsanstalt nicht fortsetzen könne. Um dennoch für den Angeklagten eine hinreichende Therapiemotivation zu schaffen, sei es erforderlich, den Abschluss des einjährigen Kurses abzuwarten, bevor die Maßregel vollstreckt werde. Deswegen habe es den Vorwegvollzug „nicht strikt anhand der Berücksichtigung des Halbstrafentermins gemäß § 67 Abs. 5 StGB festgelegt“, sondern auf der Grundlage der voraussichtlichen Therapiedauer von zwei Jahren berechnet, so dass der Angeklagte den Kurs abschließen und gegebenenfalls auch an Nachprüfungen teilnehmen könne.

32. Auf die Revision des Angeklagten oblag dem Senat die Überprüfung des gesamten Maßregelausspruchs. Dieser konnte keinen Bestand haben.

4a) Ausweislich der Begründung des Rechtsmittels richtet sich dieses isoliert gegen die von § 67 Abs. 2 und 5 StGB abweichende Bestimmung des Vorwegvollzugs, allein mit diesen Einwänden wird der Revisionsantrag abschließend gerechtfertigt. Dies lässt trotz des den Rechtsfolgenausspruch umfassenden Revisionsantrags den Beschränkungswillen erkennen. Diese Rechtsmittelbeschränkung erweist sich insoweit allerdings auch eingedenk der dem Rechtsmittelberechtigten gesetzlich eingeräumten prozessualen Gestaltungsmacht, die im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 547/16, BGHSt 62, 155, 160; vom – 5 StR 206/19, BGHSt 64, 209, 214), als unwirksam.

5Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf die Anordnung des Vorwegvollzugs grundsätzlich möglich (vgl. ). Die Rechtswirksamkeit einer Revisionsbeschränkung setzt aber voraus, dass der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von dem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen, und die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (st. Rspr.; vgl. mwN).

6Dies ist hier nicht der Fall. Denn das Landgericht hat die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht als Anordnungsvoraussetzung der Maßregel des § 64 StGB maßgeblich auf den entgegen § 67 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 StGB verlängerten Vorwegvollzug gestützt. Mit dem von der Revision begehrten Wegfall oder der Änderung der Dauer des Vorwegvollzugs würde damit die Anordnung der Maßregel ihre Grundlage verlieren, so dass die Gefahr von inneren Widersprüchen in der Gesamtentscheidung besteht. Dies führt dazu, dass das Rechtsmittel auch die Anordnung der Maßregel erfasst.

7b) Schon die Anordnung des Vorwegvollzugs ist rechtsfehlerhaft. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift insoweit ausgeführt:

Liegen – wie hier – keine Gründe vor, die [...] gegen eine Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe sprechen, so hat das Tatgericht bei der Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe [...] keinen Beurteilungsspielraum mehr (vgl. nur , NStZ-RR 2008, 142). Der Umstand, dass die gesetzliche Regelung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe dem Behandlungserfolg dient und daher zu Gunsten des Angeklagten wirkt (vgl. nur , NStZ-RR 2022, 139, [140]), rechtfertigt keinen längeren Vorwegvollzug als er sich bei Beachtung des § 67 Abs. 2 Satz [3] StGB ergibt und lässt auch die Beschwer des Angeklagten durch eine solche Anordnung nicht entfallen. Der vom Landgericht beabsichtigte längere Vorwegvollzug, um dem Angeklagten in (Straf-) Haft einen Schulabschluss zu ermöglichen, mag nach Rechtskraft des Urteils durch eine Entscheidung nach § 67 Abs. 3 StGB zu erreichen sein.

8Dem schließt sich der Senat an.

9c) Die Aufhebung der Entscheidung über den Vorwegvollzug führt zur Aufhebung auch der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Da die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht maßgeblich mit den Entwicklungen während des Vorwegvollzugs begründet worden ist, entzieht der Wegfall des Vorwegvollzugs der Anordnungsvoraussetzung nach § 64 Satz 2 StGB die Grundlage.

103. Der Senat hebt den Maßregelausspruch insgesamt auf, um dem neu zuständigen Tatgericht eine stimmige Beurteilung der Voraussetzungen der Anordnung der Maßregel zu ermöglichen.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:170123B5STR516.22.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-40571