Auslegung eines im Grundbuch eingetragenen "Wohnungsrechts"; Anspruch auf Nutzungsentschädigung eines Wohnungsberechtigten
Leitsatz
1. Ist ein auf Lebzeiten eingeräumtes Recht, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes als Wohnung zu benutzen, im Grundbuch und in der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung als „Wohnungsrecht“ bezeichnet, handelt es sich im Zweifel nicht um ein Wohnnutzungsrecht, sondern um ein Wohnungsrecht im Sinne des § 1093 BGB.
2. Der Eigentümer, der die von dem Wohnungsrecht erfassten Räume anstelle des dort nicht wohnenden Berechtigten als Wohnung benutzt, wird durch den damit verbundenen Gebrauchsvorteil nicht auf Kosten des Wohnungsberechtigten bereichert. Der Wohnungsberechtigte kann von dem Eigentümer auch nicht über eine analoge Anwendung von § 1065 BGB Nutzungsersatz nach den §§ 987 ff. BGB verlangen (Fortführung von Senat, Urteil vom - V ZR 206/11, NJW 2012, 3572).
Gesetze: § 812 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB, § 987 BGB, §§ 987ff BGB, § 1065 BGB, § 1093 Abs 1 S 2 BGB
Instanzenzug: Az: I-5 U 168/21vorgehend LG Siegen Az: 2 O 208/20
Tatbestand
1Die Parteien sind Geschwister. Mit notariellem Vertrag vom übertrug ihre 2003 verstorbene Mutter (nachfolgend: Erblasserin) ein mit einem Wohnungsrohbau bebautes Grundstück auf den Beklagten. In dem Übertragungsvertrag wurde Folgendes vereinbart:
2Das Wohnungsrecht wurde in das Grundbuch eingetragen. Der Beklagte stellte den Rohbau fertig und zog mit seiner Familie in die Hauptwohnung ein. Weder die bis heute unverheiratete Klägerin noch die Erblasserin nutzten in der Folgezeit die Wohnung im Untergeschoss. Beide lebten im früheren Elternhaus der Parteien. Der Beklagte vermietete die Untergeschosswohnung ab den 1989er Jahren. 1999 übereignete die Erblasserin der Klägerin ein Nachbargrundstück mit einem bezugsfertigen Haus. Nach dem Tod der Erblasserin verblieb die Klägerin im elterlichen Haus. 2011 bezog der Beklagte die Untergeschosswohnung selbst, was der Klägerin bekannt war. Mit Schreiben vom widersprach die Klägerin der Nutzung der Wohnung durch den Beklagten und forderte ihn zur Räumung auf. Alternativ bot sie ihm an, die Wohnung gegen Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung zu nutzen. Auf die Anfang 2019 erhobene Klage wurde der Beklagte im Januar 2020 rechtskräftig zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Er zog Mitte Mai 2020 aus der Wohnung aus; diese steht seitdem leer.
3Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Nutzungsersatz für die Zeit vom bis in Höhe von 26.000 € nebst Zinsen und die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des Nutzungsersatzes für den Zeitraum vom bis in Höhe von 9.000 € nebst Zinsen und hinsichtlich der Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Gründe
I.
4Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung aus § 1093 Abs. 1 Satz 2, § 1036, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 818 Abs. 2 BGB. Allerdings sei die Klägerin Inhaberin eines Wohnungsrechts im Sinne von § 1093 BGB und deshalb unter Ausschluss des Beklagten als Eigentümer zur Nutzung der Untergeschosswohnung berechtigt. Der Beklagte habe in dem Zeitraum von 2011 bis Mai 2020 den unmittelbaren Besitz an der Untergeschosswohnung unentgeltlich ausgeübt und damit „etwas auf sonstige Weise erlangt“ im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB. Dies sei jedoch nicht auf Kosten der Klägerin geschehen. Er habe zwar das getan, was eigentlich die Klägerin aufgrund ihres Wohnungsrechts hätte tun können. Der von dem Beklagten durch Eigennutzung vereinnahmte Nutzwert sei aber nicht der Klägerin zugewiesen, weil diese Dritten, zu denen auch der Eigentümer gehöre, das Nutzungsrecht nicht habe überlassen dürfen. Über die Zahlung einer Nutzungsentschädigung sei zwischen den Parteien auch keine Vereinbarung zustande gekommen. Die unentgeltliche Eigennutzung durch den Eigentümer sei genauso zu behandeln wie die Fremdvermietung durch diesen, bei der der Wohnungsberechtigte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keinen Anspruch auf den Nutzwert in Form der Mieteinnahmen habe.
5Der Klägerin stehe gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Nutzungsersatz gemäß § 990 Abs. 1, §§ 989, 987 BGB (analog) zu. Ob dem Wohnungsberechtigten bei Nutzung der Räume durch den Eigentümer der Nutzwert zugewiesen sei, stelle eine Wertungsfrage dar, die im Gleichklang mit dem bereicherungsrechtlichen Anspruch beantwortet werden müsse.
II.
6Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung, der sich mangels einer vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien nur aus dem Gesetz ergeben könnte, besteht nicht.
71. Zu Recht verneint das Berufungsgericht einen Zahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger herauszugeben, was er in sonstiger Weise auf dessen Kosten ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Diese Voraussetzungen für einen Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise sind nicht erfüllt.
8a) Allerdings hat der Beklagte durch die Eigennutzung den unmittelbaren Besitz an der Untergeschosswohnung ohne Rechtsgrund erlangt.
9aa) Er war von der Nutzung der Räumlichkeiten ausgeschlossen, weil der Klägerin daran ein Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB eingeräumt worden ist.
10(1) Nach § 1093 Abs. 1 BGB kann als beschränkte persönliche Dienstbarkeit auch das Recht bestellt werden, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen. Mehreren Berechtigten kann - wie hier der Klägerin und der Erblasserin - ein gemeinsames Wohnungsrecht eingeräumt werden, das ihnen „als Gesamtberechtigten im Sinne von § 428 BGB“ zustehen soll (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 24/66, BGHZ 46, 253, 256 ff.; , NJW 1996, 2153). Wesensmerkmal des dinglichen Wohnungsrechts (§ 1093 BGB) ist der Ausschluss des Eigentümers von der Benutzung des Gebäudes bzw. Gebäudeteils. Behält sich der Eigentümer dagegen die Mitbenutzung vor, so kann nur ein Wohnnutzungsrecht in der Form einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nach § 1090 BGB bestellt werden (vgl. , BGHZ 186, 372 Rn. 18; OLG Hamm, DNotZ 1962, 402; OLG München, FGPrax 2018, 110, 111 = juris Rn. 29; Staudinger/Reymann, BGB [2021], § 1093 Rn. 3; Böhringer, BWNotZ 1987, 129, 131). Bei diesem sind bezogen auf das Recht, die Sache zu nutzen, Eigentümer und Dienstbarkeitsberechtigter gleichberechtigt. Die §§ 741 ff. BGB finden entsprechend Anwendung (vgl. , BGHZ 186, 372 Rn. 19).
11(2) Die Auslegung des Berufungsgerichts, bei dem zugunsten der Klägerin bestellten dinglichen Rechts handele es sich um ein Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB, hält der - revisionsrechtlich uneingeschränkten (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 288/17, NJW-RR 2020, 77 Rn. 6 mwN) - Nachprüfung stand und wird von der Revision als ihr günstig hingenommen. Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, es sei lediglich eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gemäß § 1090 BGB in Gestalt eines Wohnnutzungsrechts bestellt worden.
12(a) Zur Ermittlung des Inhalts einer Dienstbarkeit ist vorrangig auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der nach § 874 BGB in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt; Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen jedoch insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 288/17, NJW-RR 2020, 77 Rn. 6 mwN; Urteil vom - V ZR 44/19, NJW-RR 2021, 1176 Rn. 13).
13(b) Richtig ist allerdings, dass die der Formulierung in § 1093 Abs. 1 BGB entsprechenden Worte „unter Ausschluss des Eigentümers“ in der Eintragungsbewilligung vom und dem Grundbucheintrag fehlen. Das steht der Annahme eines Wohnungsrechts gemäß § 1093 BGB jedoch nicht entgegen, wenn sich die Ausschließlichkeit der Nutzung aus dem Inhalt des dinglichen Rechts ergibt (vgl. OLG Frankfurt, MittBayNot 2007, 402, 403; OLG Zweibrücken, DNotZ 1997, 325, 326; Staudinger/Reymann, BGB [2021], § 1093 Rn. 3; Böhringer, BWNotZ 1990, 153, 154 f.; Wulf, DNotZ 1997, 331, 334). So ist es hier.
14(aa) Insoweit hilft entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zwar der Verweis auf die amtliche Überschrift „Wohnungsrecht“ von § 1093 BGB für die Auslegung der Grundbucheintragung und der nach § 874 BGB in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung nicht weiter. Die amtliche Überschrift von § 1093 BGB ist erst durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz am aufgenommen worden; sie gab es im Zeitpunkt der Bestellung des dinglichen Rechts im Jahre 1976 noch nicht.
15(bb) Ist ein auf Lebzeiten eingeräumtes Recht, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes als Wohnung zu benutzen, im Grundbuch und in der nach § 874 BGB in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung als Wohnungsrecht bezeichnet, handelt es sich aber im Zweifel nicht um ein Wohnnutzungsrecht, sondern um ein Wohnungsrecht im Sinne des § 1093 BGB. Das entspricht seit jeher allgemeiner Ansicht, weil es dem Regelfall entspricht, ein Wohnungsrecht unter Ausschluss des Eigentümers auszugestalten (so schon RG, BayZ 1932, 305, 306; Gruchot 73 [1933], 217, 219; vgl. OLG Hamm, DNotZ 1970, 417 f.; OLG Zweibrücken, DNotZ 1997, 325, 326 f.; OLG Celle, BeckRS 1997, 31137770; AG Bremen, DNotZ 1965, 751; Erman/Grziwotz, BGB, 16. Aufl., § 1093 Rn. 3; MüKoBGB/Mohr, 9. Aufl., § 1093 Rn. 5; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 1236; Böhringer, BWNotZ 1990, 153, 154 ff.; Haegele, DNotZ 1965, 752; Wulf, DNotZ 1997, 331, 334). Ein Wohnnutzungsrecht gemäß § 1090 BGB ist nur dann anzunehmen, wenn sich aus der in der Grundbucheintragung in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Eigentümer zur Mitbenutzung berechtigt sein soll (vgl. etwa OLG Stuttgart, BWNotZ 1990, 163; OLG Koblenz, NJW 2000, 3791, 3792).
16(cc) Solche Anhaltspunkte für eine vom Regelfall abweichende Bestellung eines Wohnnutzungsrechts statt eines Wohnungsrechts lassen sich weder der Eintragungsbewilligung vom noch dem Grundbucheintrag entnehmen. Das als „Wohnungsrecht“ bezeichnete Recht soll sich auf die „ausschließliche Nutzung“ der Wohnung des Untergeschosses beziehen. Ihm werden ganz bestimmte Räumlichkeiten unterworfen, nämlich die Untergeschosswohnung, und es weist auch im Übrigen einen mit § 1093 BGB zu vereinbarenden Inhalt auf. Aus dem Umstand, dass das lebenslängliche Wohnungsrecht der Klägerin unter der auflösenden Bedingung der Heirat steht, folgt bei nächstliegender Betrachtung ebenfalls nicht, dass sich der Eigentümer die Mitbenutzung der Wohnung vorbehalten hat.
17(3) Dass die Klägerin das Wohnungsrecht bislang zu keinem Zeitpunkt ausgeübt hat, führt nicht zu dessen Erlöschen. Das Wohnungsrecht besteht grundsätzlich fort, auch wenn der Wohnungsberechtigte die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume nicht (mehr) nutzt (zum dauerhaften Umzug in ein Pflegeheim vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 163/06, ZfIR 2007, 63 Rn. 13). Das Wohnungsrecht der Klägerin endete auch nicht mit dem Tod der Erblasserin. Das folgt aus der Gesamtberechtigung gemäß § 428 BGB (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 24/66, BGHZ 46, 253, 259 f.; Urteil vom - V ZR 329/18, DNotZ 2021, 275 Rn. 7; , NJW 1996, 3006, 3008) und ist in der Bestellungsurkunde zudem ausdrücklich so bestimmt.
18bb) Die Klägerin hat dem Beklagten die Benutzung der Wohnung nicht gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB überlassen. Zwar kann der Wohnungsberechtigte, wenn ihm dies gestattet ist, einem anderen und damit auch dem Eigentümer die Ausübung des Wohnungsrechts überlassen. Für eine solche Gestattung bedarf es aber einer Vereinbarung zwischen dem Eigentümer und dem Wohnungsberechtigten (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 163/06, NJW 2007, 1884 Rn. 20; , NJW 1963, 2319). Kommt diese zustande und wird dem Eigentümer auf dieser Grundlage die Wohnung zur alleinigen Nutzung überlassen, bedarf es der Auslegung im Einzelfall, ob dafür die Zahlung eines Entgelts vereinbart ist. Vorliegend ist schon keine Vereinbarung zwischen den Parteien über die Gestattung der Überlassung der Ausübung des Wohnungsrechts getroffen worden. Die Klägerin war nur zur entgeltlichen Überlassung der Wohnung an den Beklagte bereit und dieser hat das Angebot auf Abschluss einer Nutzungsvereinbarung abgelehnt.
19b) Der Beklagte hat die Gebrauchsvorteile, die aus dem rechtsgrundlosen Besitz der von dem Wohnungsrecht erfassten Untergeschosswohnung folgen, jedoch nicht auf Kosten der Klägerin erlangt.
20aa) Der Bereicherungsschuldner erlangt nur dann im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB etwas auf Kosten des Bereicherungsgläubigers, wenn er in eine Rechtsposition eingegriffen hat, die nach der Rechtsordnung dem Gläubiger zu dessen ausschließlicher Verfügung und Verwertung zugewiesen ist (vgl. nur , BGHZ 107, 117, 120 f.). Insoweit ist es nicht entscheidend, ob der Bereicherungsschuldner bei redlichem Vorgehen etwas für die erlangte Position hätte zahlen müssen. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Bereicherungsgläubiger nur die Unterlassung der unerlaubten Nutzung des Rechtsguts verlangen kann oder ob er darüber hinaus selbst berechtigt wäre, die Nutzungen zu ziehen (Senat, Urteil vom - V ZR 206/11, NJW 2012, 3572 Rn. 9).
21bb) Das Wohnungsrecht berechtigt gemäß § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zu einer eingeschränkten, nämlich der persönlichen Nutzung der umfassten Räume durch den Wohnungsberechtigten unter Ausschluss des Eigentümers. Es umfasst nicht das Recht zu einer alleinigen Überlassung der Räume an Dritte. Darin unterscheidet es sich von einem Nießbrauch, der ein umfassendes Nutzungsrecht gewährt (§ 1030 Abs. 1, § 1059 Satz 2 BGB; vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 206/11, NJW 2012, 3572 Rn. 13). Gestattet ist dem Wohnungsberechtigten lediglich die Aufnahme der Familie des Wohnungsberechtigten und der „zur standesgemäßen Bedienung und zur Pflege erforderlichen Personen“ (§ 1093 Abs. 2 BGB). Ob der Beklagte als Bruder der Klägerin zu diesem Personenkreis zählt, kann dahinstehen, weil die Klägerin als Wohnungsberechtigte die Räumlichkeiten schon nicht bewohnt. Die nach § 1093 Abs. 2 BGB Aufgenommenen erlangen kein eigenes Recht zum Wohnen, und ihnen darf die Wohnung nicht zur alleinigen Benutzung überlassen werden (vgl. OLG Oldenburg, NJW-RR 1994, 467, 468; BeckOGK/Kazele, BGB [], § 1093 Rn. 178; MüKoBGB/Mohr, 9. Aufl., § 1093 Rn. 12; Staudinger/Reymann, BGB [2021], § 1093, Rn. 40; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 1262).
22cc) Im Hinblick auf die nur eingeschränkte Berechtigung gemäß § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB zur persönlichen Nutzung hat der Senat bereits entschieden, dass der Wohnungsberechtigte gegen den eigenmächtig vermietenden Eigentümer keinen Anspruch auf Auskehrung der vereinnahmten Mieten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB hat (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 206/11, NJW 2012, 3572 Rn. 9 mwN). Der vermietende Eigentümer erlangt zwar den mittelbaren Besitz an der Wohnung, nicht aber die vereinnahmten Mieten auf Kosten des Wohnungsberechtigten. Die Nutzungen sind dem Wohnungsberechtigten nicht zugewiesen, denn er hat keinen Anspruch gegen den Eigentümer auf Gestattung der Vermietung. Es fehlt am Zurechnungszusammenhang zwischen der Bereicherung des Eigentümers und der Entreicherung des Wohnungsberechtigten. Letzterem steht kein Vermietungsrecht zu. Auch der Eigentümer hat bei einer unberechtigten Vermietung der dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume durch den Wohnungsberechtigten keinen Anspruch auf Auskehrung der vereinnahmten Mieten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 154/70, BGHZ 59, 51, 57 f.; zur unberechtigten Untervermietung vgl. , BGHZ 131, 297, 304 ff. mwN; Urteil vom - XII ZR 76/08, NJW-RR 2009, 1522 Rn. 30).
23dd) Diese Grundsätze gelten, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei annimmt, auch dann, wenn der Eigentümer - wie hier - die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume selbst bewohnt. Der Eigentümer, der die von dem Wohnungsrecht erfassten Räume anstelle des dort nicht wohnenden Berechtigten als Wohnung benutzt, wird durch den damit verbundenen Gebrauchsvorteil nicht auf Kosten des Wohnungsberechtigten bereichert. Der Eigentümer erlangt dann zwar, anders als bei der Vermietung an einen Dritten, nicht nur den mittelbaren, sondern den unmittelbaren Besitz. Er zieht selbst die Gebrauchsvorteile. Damit tut er das, was nach dem Inhalt des Wohnungsrechts (§ 1093 Abs. 1 BGB) das ausschließliche Recht des Wohnungsberechtigten ist. Dieser könnte die Unterlassung der unerlaubten Nutzung durch den Eigentümer verlangen (§ 1004, § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1027 BGB). Der Vorteil, den der Eigentümer aus der Wohnnutzung zieht, ist aber nicht dem Wohnungsberechtigten zugewiesen; diesem steht nur der Vorteil des eigenen Gebrauchs der Wohnung zu. Der Wohnungsberechtigte hat keinen Anspruch darauf, die Vorteile abzuschöpfen, die der Eigentümer durch eine Vermietung oder - wie hier - durch eine unentgeltliche Eigennutzung zieht.
242. Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht auch einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Nutzungsersatz aus § 1093 Abs. 1 Satz 2, § 1065, § 990 Abs. 1, § 987 Abs. 1, § 989 BGB.
25a) Unmittelbar anwendbar sind die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses nicht. Gemäß § 1093 Abs. 1 Satz 2 BGB finden auf das Wohnungsrecht nur bestimmte Vorschriften über den Nießbrauch entsprechende Anwendung. Die Norm des § 1065 BGB, die auf die für die Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften verweist, zählt dazu nicht.
26b) Der Wohnungsberechtigte kann von dem Eigentümer auch nicht über eine analoge Anwendung von § 1065 BGB Nutzungsersatz nach den §§ 987 ff. BGB verlangen.
27aa) Allerdings kommt im Grundsatz eine entsprechende Anwendbarkeit von § 1065 BGB auf das Wohnungsrecht in Betracht. Teilweise wird eine planwidrige Regelungslücke des § 1093 Abs. 1 Satz 2 BGB angenommen und über § 1065 BGB eine entsprechende Anwendung der §§ 985 ff. BGB bejaht (vgl. Grüneberg/Herrler, BGB, 82. Aufl., § 1093 Rn. 16; MükoBGB/Mohr, 9. Aufl., § 1093 Rn. 8; Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl., § 217 S. 1106; aA RGRK/Rothe, BGB, 12. Aufl., § 1093 Rn. 6). Jedenfalls wird wegen der kurzen Verjährungsfrist für den Abwehranspruch aus § 1004 BGB (§ 195 BGB) ein erhebliches praktisches Bedürfnis für eine Anwendung der §§ 985 ff. BGB gesehen (vgl. Staudinger/Reymann, BGB [2021], § 1093 Rn. 38; Staudinger/Weber, BGB [2017], § 1027 Rn. 23 für die Grunddienstbarkeit). Dabei besteht Einigkeit, dass der Wohnungsberechtigte von einem Dritten gemäß § 985 BGB die Herausgabe der von dem Wohnungsrecht erfassten Räume verlangen kann. Anerkannt ist auch, dass dem Wohnungsberechtigten gegen den störenden Eigentümer ein Herausgabeanspruch zusteht, wobei unterschiedlich beurteilt wird, ob dieser sich aus § 985 BGB ergibt (vgl. OLG Hamburg, WuM 2004, 492; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl., § 113 II 3 Fn. 9; Hurst, ZMR 1969, 97), oder ob § 985 BGB durch das gesetzliche Begleitschuldverhältnis, das mit der Bestellung des Wohnungsrechts kraft Gesetzes zwischen dem Wohnungsberechtigten und dem Eigentümer entsteht (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 164/07, NJW 2008, 3703 Rn. 16 f.), verdrängt wird (vgl. Staudinger/Reymann, BGB [2021], § 1093 Rn. 38; Staudinger/Weber, BGB [2017], § 1027 Rn. 23 für die Grunddienstbarkeit).
28bb) Nicht im Wege der analogen Anwendung von § 1065 BGB anwendbar sind jedoch im Verhältnis zwischen dem Wohnungsberechtigten und dem Eigentümer die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB über den Ersatz von Nutzungen. Es mangelt insoweit an der erforderlichen Vergleichbarkeit der Sachverhalte (vgl. zu den Voraussetzungen einer Analogie Senat, Beschluss vom - V ZB 102/06, NJW 2007, 3124 Rn. 11 mwN). Die §§ 987 ff. BGB regeln Ansprüche des Eigentümers gegen den nichtberechtigten Besitzer wegen Nutzungen, die wegen der bestehenden Vindikationslage an sich dem Eigentümer zustünden. Dabei soll jedoch der redliche und unverklagte rechtmäßige Besitzer geschützt werden, der eine vermeintlich eigene Sache nutzt. Nach diesem Regelungszweck unterscheidet sich der Fall, in dem der Eigentümer anstelle des Wohnungsberechtigten die Wohnung nutzt, indem er sie vermietet oder selbst bewohnt, wesentlich von dem unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 987 ff. BGB. Ohne eine Vereinbarung mit dem Wohnungsberechtigten ist der Eigentümer zwar von der Nutzung der Wohnräume ausgeschlossen (§ 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB) und zu deren Herausgabe verpflichtet. Die von dem Eigentümer unberechtigt gezogene Nutzung der Wohnung ist aber dem Wohnungsberechtigten von vornherein nicht zugewiesen (vgl. oben Rn. 23). Die Begrenzung des Zuweisungsgehalts des Wohnungsrechts auf die Eigennutzung durch den Wohnungsberechtigten steht der Anwendbarkeit der §§ 987 ff. BGB im Verhältnis zum Eigentümer entgegen. Die Wertung des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, dass der Wohnungsberechtigte keinen Anspruch darauf hat, die Vorteile abzuschöpfen, die der Eigentümer durch eine Vermietung oder - wie hier - durch eine Wohnnutzung zieht, gilt für die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB über die Herausgabe gezogener Nutzung bzw. die Zahlung von Nutzungsersatz gleichermaßen.
293. Der Wohnungsberechtigte ist durch die Verneinung der Ansprüche auf Nutzungsersatz aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 und §§ 987 ff. BGB gegen den Eigentümer nicht schutzlos gestellt. Er kann Schadensersatz verlangen, wenn der Eigentümer seine Pflicht zur Herausgabe der von dem Wohnungsrecht erfassten Räume verletzt (§ 280 Abs. 1 und 2, § 823 Abs. 1 BGB). Dafür kann dahinstehen, ob sich der Herausgabeanspruch des Wohnungsberechtigten gegen den Eigentümer aus § 985 BGB oder aus dem gesetzlichen Begleitschuldverhältnis ergibt, oder ob es sich insoweit um eine echte Anspruchskonkurrenz handelt. Der Klägerin ist durch die Wohnnutzung des Beklagten jedenfalls kein Schaden entstanden, weil sie zu keinem Zeitpunkt einen Willen hatte, die Wohnung selbst zu nutzen.
III.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:230323UVZR113.22.0
Fundstelle(n):
DNotZ 2023 S. 624 Nr. 8
NJW 2023 S. 3358 Nr. 46
NJW 2023 S. 3361 Nr. 46
WAAAJ-40176