Versuchte schwere räuberische Erpressung: Abgrenzung von fehlgeschlagenem Versuch und unbeendetem Versuch mit freiwilligem Rücktritt; Erfordernis der Erörterung einer kurzen Einzelfreiheitsstrafe bei Verhängung einer hohen Gesamtfreiheitsstrafe
Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 24 Abs 1 StGB, § 47 Abs 1 StGB, § 250 StGB, § 255 StGB, § 261 StPO, § 267 Abs 3 S 2 StPO
Instanzenzug: Az: 21 KLs 13/21nachgehend Az: 6 StR 384/24 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Köperverletzung, wegen Diebstahls und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung im Fall II.1.c. der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
3a) Nach den Feststellungen verlangte der Angeklagte von dem Geschädigten die Übergabe von 1.600 Euro für angeblich bestehende Drogenschulden. Da dieser angab, kein Geld zu haben, forderte der Angeklagte die Zahlung einer ersten Rate von 400 Euro in spätestens drei Tagen; ansonsten werde er den Geschädigten „auf den Schwulenstrich nach Leipzig“ schicken und dessen Familie „Stress machen“. Nachdem ein Mitbewohner sich bereit erklärt hatte, die Rate in einigen Tagen zu zahlen, schickte der Angeklagte diesen hinaus und schlug dem Geschädigten zweimal mit einem Teleskopschlagstock auf die Hand, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Bevor er die Wohnung verließ, drohte er dem Geschädigten und dessen Familie erneut Gewalt an, sollte keine Zahlung erfolgen. Dieser erstattete umgehend Anzeige bei der Polizei.
4Das Landgericht hat einen fehlgeschlagenen Versuch angenommen und einen strafbefreienden Rücktritt (§ 24 Abs. 1 StGB) deshalb verneint.
5b) Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6Zur Bewertung eines Fehlschlags sind regelmäßig Feststellungen zur Vorstellung des Täters nach dessen letzter Ausführungshandlung erforderlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 359/15, NStZ 2016, 332; vom - 6 StR 285/22). Darlegungen zu diesem sogenannten Rücktrittshorizont enthält das Urteil nicht. Es belegt nicht, dass der Angeklagte keine Möglichkeit mehr sah, Geld vom Geschädigten zu erlangen. Festgestellt ist lediglich, dass er nach der letzten Drohung die Wohnung verließ. Hingegen bleibt unerörtert, was sich der Angeklagte in diesem Moment vorstellte. Der Umstand, dass der Geschädigte dem Zahlungsverlangen nicht entsprochen hatte, begründet für sich betrachtet noch keinen Fehlschlag des Erpressungsversuchs (vgl. ). Es versteht sich angesichts der gesetzten Zahlungsfrist auch nicht von selbst, dass der Tatplan aufgrund der vom Geschädigten erstatteten Anzeige gescheitert war, weil diese die Tatvollendung als solche nicht hinderte und zudem offenblieb, ob der Angeklagte Kenntnis von ihr erlangte.
7c) Der Rechtsfehler zieht die Aufhebung der für sich genommen rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) sowie der Strafe von drei Jahren und drei Monaten nach sich.
8Während die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen bleiben und durch ihnen nicht widersprechende ergänzt werden können, hebt der Senat die Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf (§ 353 Abs. 2 StPO).
92. Der Strafausspruch hat auch im Übrigen keinen Bestand.
10Für die weiteren Taten hat die Strafkammer jeweils Freiheitsstrafen von drei Monaten verhängt, ohne sich - wie es § 267 Abs. 3 Satz 2 StPO vorschreibt - in den Urteilsgründen mit den Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen.
11Die Festsetzung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten hat regelmäßig nur Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (§ 47 Abs. 1 StGB) und dies in den Urteilsgründen dargestellt wird (vgl. , BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 7; vom - 3 StR 465/03, NStZ 2004, 554; Beschluss vom - 3 StR 135/20, NStZ-RR 2020, 273). Die gleichzeitige Verurteilung des Angeklagten zu einer hohen Freiheitsstrafe macht die Erörterung nicht entbehrlich; die Prüfung ist vielmehr für jede einzelne Tat vorzunehmen (vgl. , BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 4).
12Die Aufhebung der Strafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen haben Bestand.
133. Der Schriftsatz vom hat vorgelegen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:030523B6STR161.23.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-39897