Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen: Rechtsschutzbedürfnis nach rechtskräftiger Ungültigerklärung eines Beschlusses; Streitwertbemessung für Beschlussanfechtungsklage
Gesetze: § 544 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 48 WoEigG, § 49a Abs 1 GKG vom
Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth Az: 14 S 7436/19 WEGvorgehend Az: 244 C 8212/18 WEG Urteil
Gründe
I.
1Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Am fand eine außerordentliche Eigentümerversammlung statt, in der die Finanzierung von Maßnahmen im Rahmen der Notgeschäftsführung der Verwalterin beschlossen wurde.
2Mit der im Jahr 2018 eingegangenen Klage beantragen die Kläger zu 1 bis 23, den Beschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil unter Abweisung der Klage im Übrigen dahingehend abgeändert, dass die Ungültigerklärung lediglich auf die Klagen der Kläger zu 6 und 7 hin erfolgt. Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger zu 8, 9 und 23 mit ihrer Beschwerde, deren Zurückweisung die Beklagte zu 10 beantragt.
II.
3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
41. Es ist bereits zweifelhaft, ob das Rechtsschutzinteresse (vgl. hierzu , BGHZ 57, 224, 225) der Beschwerdeführer noch fortbesteht, nachdem der angefochtene Beschluss mit dem Urteil des Berufungsgerichts aufgrund der von den Klägern zu 6 und 7 erhobenen Klage rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist. Dieses Sachurteil wirkt nach § 48 Abs. 3 WEG aF i.V.m. § 48 Abs. 5 WEG nämlich auch zu Gunsten der Beschwerdeführer, die notwendige Streitgenossen der Kläger zu 6 und 7 sind (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 196/08, WuM 2009, 373 Rn. 22). Ein Rechtsschutzinteresse kann sich jedenfalls nicht daraus ergeben, dass die Beschwerdeführer weitere Anfechtungsgründe geltend machen, die nicht der Grund für die erfolgte Ungültigkeitserklärung waren; denn einzelne Beschlussmängel sind nur Teile des einheitlichen Streitgegenstands einer Anfechtungsklage (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 43/22, juris Rn. 10).
52. Jedenfalls übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
6a) Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will (Senat, Beschluss vom - V ZR 140/20, WuM 2021, 333 Rn. 4 mwN).
7b) Die Kläger zu 8, 9 und 23 haben in der Nichtzulassungsbeschwerde eine 20.000 € übersteigende Beschwer nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Sie meinen, ihre Beschwer stimme mit dem von dem Berufungsgericht für das Berufungsverfahren auf der Grundlage des gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG aF festgesetzten Streitwert von 338.358,50 € überein. Dies trifft nicht zu. Der Streitwert für wohnungseigentumsrechtliche Beschlussklagen entspricht in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer. Maßgebend ist vielmehr das Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung des angefochtenen Urteils, das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten ist (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 86/16, NJW-RR 2017, 584 Rn. 2; Beschluss vom - V ZR 167/16, NZM 2017, 635 Rn. 3). Anhaltspunkte für eine derartige Bewertung hat die Beschwerde nicht dargelegt.
8c) Der Senat schätzt die Beschwer der Kläger zu 8, 9 und 23 auf insgesamt 10.119,88 €. Das Revisionsgericht muss in dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegebenenfalls eine Schätzung vornehmen; als Grundlage der Schätzung dienen dabei aber nur solche Tatsachen, die der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist dargelegt und glaubhaft gemacht hat oder die jedenfalls in Verbindung mit dem Berufungsurteil offenkundig sind (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 149/21, MDR 2022, 791 Rn. 7). Hier lässt sich die Höhe des Interesses der Kläger zu 8, 9 und 23 an der Entscheidung den von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Ausführungen in dem amtsgerichtlichen Urteil entnehmen, gegen die sich die Kläger nicht gewandt haben. Hiernach beträgt das Interesse der Kläger zu 8 und 9 (2.287,19 € + 2.652,60 € =) 4.939,79 €, dasjenige der Klägerin zu 23 (2.080,72 € + 2.893,74 € + 205,63 € =) 5.180,09 €.
III.
91. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
102. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 49a Abs. 1 GKG aF (zu dessen Anwendbarkeit auf Altfälle vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 258/20, NJW-RR 2022, 20 Rn. 18 f.). Dabei legt der Senat bezüglich des Gesamtinteresses der Parteien mangels anderer Anhaltspunkte den von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Wert von 1.713.313,08 € zugrunde. Der nach § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG aF grundsätzlich auf das hälftige Gesamtinteresse zu bestimmende Wert ist nach § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG aF auf den fünffachen Wert des Interesses der Kläger zu 8, 9 und 23 begrenzt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:230223BVZR255.21.0
Fundstelle(n):
JAAAJ-39892