Instanzenzug: LG Lüneburg Az: 21 KLs 13/21nachgehend Az: 6 StR 116/24 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unter Einbeziehung von Strafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, eine Einziehungsentscheidung aus dem genannten Urteil aufrechterhalten und die weitere Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 900 Euro angeordnet.
2Die gegen das Urteil gerichtete Revision des Angeklagten ist mit der Sachrüge im Umfang der Beschlussformel erfolgreich (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
31. Die auf die Verletzung des § 275 Abs. 1 Satz 2 iVm § 338 Nr. 7 StPO gestützte Verfahrensrüge ist unbegründet. Das Urteil ist am siebten Verhandlungstag, dem – an einem Freitag und nicht wie die Revision vorträgt einem Dienstag –, verkündet worden. Die nach § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO siebenwöchige Urteilsabsetzungsfrist endete daher mit Ablauf des . Das Urteil ist am – an einem Donnerstag – und damit rechtzeitig zu den Akten gebracht worden.
42. Dagegen hat die Sachrüge zum Teil Erfolg. Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift u.a. das Folgende ausgeführt:
„Die Revision beanstandet allerdings zu Recht, dass es die Strafkammer versäumt hat, Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten im Hinblick auf den Transport und den Besitz von Betäubungsmitteln zu treffen (vgl. –, NStZ-RR 2008, 319; Urteil vom – 1 StR 401/21 –, NStZ 2022, 301 f.; 4 St RR 91/98 –, juris Rdnr. 14; Weber in Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rdnr. 1386). Das versteht sich vorliegend auch nicht von selbst. Aus der Schilderung des äußeren Tatablaufs heraus lassen sich keinerlei Belege oder Indizien entnehmen, denen zufolge der Angeklagte billigend in Kauf nahm, dass und in welcher Art und Menge er als Kurier Betäubungsmittel transportierte. Der Angeklagte hat sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen nicht geäußert (UA S. 14). Der Mitangeklagte M. hat ausschließlich zu seinen eigenen Handlungen Angaben gemacht (UA S. 13). Der Zeuge B. hat lediglich – und das auch nur hinsichtlich der Tat II.5 der Urteilsgründe – bekundet, dass das von ihm beim Mitangeklagten M. bestellte Marihuana vom Angeklagten ausgeliefert worden sei; dieser habe ihm in professioneller Manier den Kofferraum seines Pkws geöffnet, sodass er die Ware eigenständig habe herausnehmen können (UA S. 17 f.). Ob für den Angeklagten dabei – sei es visuell, olfaktorisch oder in sonstiger Weise – erkennbar gewesen ist, dass er Güter in Gestalt von Betäubungsmitteln liefert, lässt sich hieraus indessen nicht ableiten. Der Zeuge konnte überdies bloß vom Hörensagen berichten, dass der Angeklagte Bunkerhalter des Mitangeklagten M. gewesen sein soll (UA S. 18). Ebenso besagt der Umstand, dass der Angeklagte für die Fahrten Entlohnungen im jeweils dreistelligen EUR-Bereich erhielt, für sich genommen nichts zu einer diesbezüglichen Vorstellung bei Tatausführung aus. Aufschluss hierüber geben schließlich auch nicht die vom Landgericht dokumentierten EncroChat-Nachrichten (UA S. 14-16).“
5Dem schließt sich der Senat an. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen können bestehen bleiben, weil sie nicht von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
63. Sollte das neue Tatgericht zu der Überzeugung gelangen, dass der Angeklagte in den ihm vorgeworfenen Fällen vorsätzlich gehandelt hat, wird Folgendes zu beachten sein:
7a) Es wird – anders als bisher geschehen – Feststellungen zum Wirkstoffgehalt und zu den Wirkstoffmengen der Betäubungsmittel zu treffen haben. Dies ist bei allen Handlungen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schon allein mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der „nicht geringen Menge“ notwendig. Zudem sind jedenfalls im Regelfall solcherlei Feststellungen auch für die Bemessung der Schuld erforderlich (vgl. , NStZ-RR 2022, 250 mwN). Soweit tatgegenständliche Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht (mehr) zur Verfügung stehen, ist unter Berücksichtigung der gesamten Tatumstände die für den Angeklagten günstigste Wirkstoffkonzentration zugrunde zu legen. Indizien hierfür können etwa die Herkunft und der Preis der Betäubungsmittel, möglicherweise aber auch Feststellungen zu früheren Geschäften zwischen den Beteiligten sein (vgl. ; Beschlüsse vom – 5 StR 407/22; vom – 6 StR 117/22, NStZ-RR 2022, 250).
8b) Im Fall 18 der Urteilsgründe hat das Tatgericht den nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt, ohne zuvor einen minder schweren Fall im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG geprüft zu haben. Im Übrigen liegt die Obergrenze des gemilderten Strafrahmens des § 29a Abs. 1 BtMG bei elf Jahren und drei Monaten, nicht aber bei elf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe.
9c) Soweit das Tatgericht erneut die Voraussetzungen des § 73c StGB bejahen sollte, wäre gemäß § 55 Abs. 2 StGB eine einheitliche Entscheidung mit den früher eingezogenen Taterträgen zu treffen. Dies geschieht durch die Summierung der Beträge aus der früheren und der aktuellen Entscheidung (vgl. ). Auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts wird auch insoweit verwiesen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:180423B6STR458.22.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-39207