BGH Beschluss v. - 3 StR 30/23

Einfuhr und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Gesetze: § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 33 S 1 BtMG, § 52 Abs 1 StGB, § 74 Abs 2 StGB

Instanzenzug: LG Kleve Az: 120 KLs 11/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 17 Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und von weiteren Vorwürfen freigesprochen. Daneben hat es die Einziehung unter anderem von 43 Ecstasy-Tabletten sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten in Höhe von 42.000 € und weiteren 99.500 € als Gesamtschuldner mit dem ebenfalls wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilten Mitangeklagten angeordnet. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, einzelne der ausgeurteilten Taten seien nicht von der Anklageschrift umfasst. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen, sich geringfügig auf den Mitangeklagten erstreckenden Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

21. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen ein, soweit der Angeklagte im Fall II. 21) der Urteilsgründe - wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - verurteilt worden ist.

32. Die Prozessvoraussetzung einer die abgeurteilten Taten erfassenden Anklage ist gegeben. Das gilt insbesondere für die vom Landgericht festgestellten zwei Lieferungen von jeweils einem Kilogramm Kokain zu einem namentlich bezeichneten Abnehmer in S.   (Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe) sowie das Verbringen von zwölf Kilogramm Marihuana an einen bestimmten Kunden in D.     (Fall 9 der Urteilsgründe). Die Taten entsprechen den sich aus dem Anklagesatz ergebenden Tatvorwürfen mit dem einzigen Unterschied, dass dort dem Angeklagten - in Bezug auf Fall 9 der Urteilsgründe - der Verkauf von drei statt zwölf Kilogramm Marihuana zur Last gelegt worden ist. Da die Anklage lediglich eine einmalige Lieferung an den konkreten Abnehmer erfasst und Gegenstand der Urteilsfindung gemäß § 264 Abs. 1 StPO die Tat ist, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, stellt die größere Menge der betroffenen Betäubungsmittel die Nämlichkeit der Tat nicht in Frage. Etwas anderes folgt nicht aus dem in der Anklageschrift dargelegten wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen. Die dort wiedergegebenen Einlassungen des Mitangeklagten zu insgesamt sechs Kokain- und zwei Marihuanalieferungen an die beiden Abnehmer hat die Anklagebehörde ersichtlich nicht als vollständig belastbar angesehen, da sie abweichend davon ausdrücklich lediglich eine einzige Übergabe an den Kunden in D.     angenommen hat. Der Anklageschrift ist auch bei einer Gesamtbetrachtung nicht zu entnehmen, dass sie dem Angeklagten andere als die ausgeurteilten Taten zur Last gelegt hat.

43. Der Schuldspruch ist um drei Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu reduzieren. Zum einen entfällt die Verurteilung wegen der eingestellten Tat. Zum anderen handelt es sich bei zwei weiteren Fällen des Handeltreibens nicht um eigenständige Taten.

5a) Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen 24 und 25 der Urteilsgründe, das sich auf Restmengen aus einer ersten Ernte einer Marihuanaplantage einerseits und die neuen Anpflanzungen andererseits bezieht, ist nach den konkreten Umständen nicht tatmehrheitlich, sondern tateinheitlich verwirklicht. Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:

„aa) Zwar sind gesonderte Anbauvorgänge grundsätzlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu werten. Allein der gleichzeitige Besitz bereits abgeernteten Pflanzenmaterials mit noch im Wachstum befindlichen Pflanzen führt nicht zu einer Bewertungseinheit. Doch hat das Landgericht bei der Annahme von Tatmehrheit nicht bedacht, dass mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln - unabhängig vom Vorliegen einer Bewertungseinheit - zueinander dann in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB stehen, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich - teilweise - überschneiden. Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, vermag der gleichzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte jedenfalls dann Tateinheit in diesem Sinne zu begründen, wenn die Art und Weise der Besitzausübung über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass - etwa wegen eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs - die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellt (Senat, Beschluss vom - 3 StR 95/18; NStZ 2020, 42; BGH NStZ-RR 2020, 82; Beschluss vom - 6 StR 162/20; NStZ 2020, 227; BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, 55. Ed. , StGB § 52 Rn. 36.1; BeckOK BtMG/Becker, 17. Ed. , BtMG § 29 Rn. 132 mwN).

bb) Diese Wertung ist auch im vorliegenden Fall veranlasst. Nach den getroffenen Feststellungen besaß der Angeklagte die beiden zum Handel bestimmten Mengen nicht lediglich gleichzeitig. Vielmehr verfügte er über beide Betäubungsmittelmengen gemeinsam. Denn das bereits abgeerntete Pflanzenmaterial und die 43 Ecstasy-Tabletten (Fall 24) befanden sich nach den Feststellungen des Urteils - obschon in verschiedenen Räumen - in demselben Keller des von dem Angeklagten bewohnten Hauses (UA Bl. 11). Mithin hat der Angeklagte sich wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen strafbar gemacht (vgl. Senat, Beschluss vom - 3 StR 95/18, juris Rn. 7). Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend abändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung des Tatgeschehens nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.“

6Dem verschließt sich der Senat nicht und ändert den Schuldspruch entsprechend, sieht indes aus Gründen der Übersichtlichkeit davon ab, die zweifache tateinheitliche Verwirklichung des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in der Beschlussformel zum Ausdruck zu bringen (vgl. etwa , NStZ-RR 2016, 274, 275 mwN).

7Für das einheitliche Geschehen setzt der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog eine Einzelstrafe von vier Jahren fest. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung auf eine geringere als diese für jede der beiden ausgeurteilten Taten jeweils verhängte Einzelstrafe erkannt hätte.

8b) Die den Fällen 13 und 14 der Urteilsgründe zugrundeliegenden Ankaufbemühungen stellen ebenfalls keine zwei gesonderten Taten dar.

9Nach den dazu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen fragte der Angeklagte am bei einem niederländischen Chatteilnehmer nach, ob dieser 30 Kilogramm Marihuana („Haze“) vorrätig habe und welchen Preis er berechne (Fall 13). Nachdem der Angeklagte am mitgeteilt hatte, dass ihm die Ware zu teuer sei, erklärte er am schließlich, zehn Kilogramm Marihuana („Haze“) zu benötigen, bat um die Übersendung eines Fotos der Ware und fragte, was der Gesprächspartner am Preis machen könne (Fall 14).

10Verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, bilden im Rahmen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln eine tatbestandliche Bewertungseinheit (st. Rspr.; vgl. etwa , BGHSt 63, 1 Rn. 19; zum Handeltreiben bei Ankaufbemühungen , StV 2019, 336 Rn. 6 mwN). Dies kann auch bei mehreren, auf denselben Umsatz zielenden Angeboten der Fall sein (vgl. zu Verkaufsangeboten , NStZ 2021, 52 Rn. 8). Dementsprechend bezogen sich die vom Angeklagten innerhalb von vier Tagen entfalteten Bemühungen, von einem bestimmten Vertragspartner mehrere Kilogramm Marihuana einer konkreten Sorte zum Weiterverkauf zu erwerben, letztlich auf den identischen Umsatz. Dass dabei mit Blick auf die finanziellen Möglichkeiten sowie den angebotenen Preis unterschiedliche Mengen in Rede standen und der Angeklagte die Ware zwischenzeitlich für zu teuer befand, ändert daran nichts, weil es sich um einen fortlaufenden Verhandlungsprozess über dasselbe Betäubungsmittel handelte.

11Danach liegt bei dem Lebenssachverhalt lediglich eine Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor. Der zweite Schuldspruch entfällt.

12c) Der Wegfall von drei Einzelstrafen lässt die Gesamtstrafe unberührt. Angesichts der Einsatzstrafe von fünf Jahren, insgesamt 13 weiteren Einzelstrafen von unter anderem zwei Mal vier Jahren und neun Monaten, zwei Mal vier Jahren sowie drei Mal zwei Jahren und sechs Monaten ist auszuschließen, dass die Strafkammer ohne die drei Strafen eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.

134. Der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) ist dahin zu ändern, dass gegen den Angeklagten lediglich eine solche in Höhe von 96.800 € angeordnet ist, für die er als Gesamtschuldner haftet. Der darüberhinausgehende Ausspruch wird durch die Feststellungen nicht getragen.

14a) In den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe erhielt der Angeklagte für das jeweils von ihm an einen Kunden gelieferte Kokain kein Geld, sondern der Mitangeklagte vereinnahmte jeweils zumindest 21.000 €, da er dem Angeklagten in Finanzangelegenheiten nicht mehr traute. Dieser erlangte mithin durch oder für diese Taten nichts. Dass er später vom Mitangeklagten einen Anteil erhielt oder eine tatsächliche (Mit-)Verfügungsgewalt über das Geld hatte, ergibt sich nicht. Die zu Beginn der gemeinsamen Geschäfte vereinbarte hälftige Gewinnteilung führt zu keinem anderen Ergebnis, weil sich daraus deren tatsächliche Umsetzung Monate später nicht entnehmen lässt und sie sich zudem lediglich auf den Gewinn bezog. Da auszuschließen ist, dass sich dazu noch weitere Feststellungen treffen lassen, ist die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 42.000 € ersatzlos aufzuheben.

15b) Hinsichtlich der weiteren Einziehung des Wertes von Taterträgen beläuft sich diese auf lediglich 96.800 €. Die Strafkammer hat nicht dargelegt, wie sie den höheren Betrag von 99.500 € berechnet hat. Nach den Feststellungen erhielt der Angeklagte durch die Taten für im Fall 2 geliefertes Amphetaminöl 22.000 € und für Ecstasy-Tabletten 1.800 €, jeweils 4.700 € für in den Fällen 3 und 4 überbrachtes Marihuana, im Fall 5 für Amphetaminöl 2.200 €, für Ecstasy-Tabletten 300 € und für Marihuana 4.700 € sowie im Fall 9 für Marihuana 56.400 €. Mithin kommt eine Einziehung nur hinsichtlich des sich daraus ergebenden Gesamtbetrages in Betracht.

16Die danach erforderliche Minderung des Einziehungsbetrages ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangeklagten zu erstrecken, soweit gegen diesen in gleicher Höhe wie gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen als Gesamtschuldner angeordnet worden ist; denn insofern liegt der Entscheidung derselbe materiellrechtliche Fehler zugrunde.

175. Die auf § 33 BtMG gestützte Einziehung von 43 Ecstasy-Tabletten hat zu entfallen. Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Abschlussverfügung das „Handeltreiben mit 43 Stck. XTC-Tabletten“ gemäß § 154/§ 154a StPO im Hinblick auf die in der Anklage aufgeführten Gesetzesverletzungen vorläufig eingestellt. Zu einer Wiedereinbeziehung ist es nicht gekommen. Infolge der Beschränkung war ein Handeltreiben mit den konkreten Tabletten nicht Gegenstand der Verurteilung, so dass sie in dem Strafverfahren nicht als Tatobjekte nach § 74 Abs. 2 StGB, § 33 Satz 1 BtMG eingezogen werden konnten (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 228/22, NZWiSt 2023, 140 f.; vom - 4 StR 297/18, NStZ 2019, 271 Rn. 11 mwN).

186. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung, wie vom Generalbundesanwalt näher dargelegt, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:180423B3STR30.23.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-39204