BGH Beschluss v. - VIII ZB 17/22

Wiedereinsetzungsantrag: Anforderung an konkludente Antragstellung; Nachweis der korrekten Sendezeit bei Übertragung der Berufungsbegründung per Fax

Leitsatz

1. Zum Vorliegen eines stillschweigend gestellten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (im Anschluss an Senatsbeschluss vom - VIII ZB 96/20, NJW-RR 2022, 644 Rn. 30 mwN).

2. Zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Erfassung des Beginns der Sendezeit und der Übertragungszeit bei der Versendung einer Berufungsbegründung per Telefax kurz vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist (im Anschluss an , NJW 2011, 859 Rn. 14).

Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 233 S 1 ZPO, § 236 Abs 1 ZPO, § 236 Abs 2 S 2 Halbs 2 ZPO, § 520 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: LG Bochum Az: I-10 S 23/21vorgehend AG Witten Az: 2 C 982/19

Gründe

I.

1Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem zwischen ihnen geschlossenen Kaufvertrag über eine Polsterecke.

2Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Beklagte auf Rückerstattung einer von ihm geleisteten Anzahlung in Höhe von 1.153 € nebst Zinsen sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Die Beklagte hat widerklagend die Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von 1.999,99 €, Zug um Zug gegen die Übergabe und Übereignung der streitgegenständlichen Polsterecke, sowie die Feststellung begehrt, dass sich der Kläger mit deren Annahme im Verzug befindet.

3Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.

4Gegen dieses - seinem Prozessbevollmächtigten am zugestellte - Urteil hat der Kläger am Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag hat das Landgericht die Berufungsbegründungsfrist bis zum (Samstag) verlängert. Die Berufungsbegründung vom hat der Klägervertreter zunächst per Telefax an das Berufungsgericht versandt. Der in der Akte befindliche Telefaxausdruck des Schriftsatzes weist als Empfangszeit den um 00.09 Uhr ("12.09 AM") aus.

5Mit Verfügung vom hat das Berufungsgericht den Kläger darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufungsbegründung erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei.

6Das Original der Berufungsbegründungsschrift ist am beim Berufungsgericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers anwaltlich versichert, er habe die Berufungsbegründung am persönlich gefertigt und noch vor 00.00 Uhr per Telefax an das Berufungsgericht übersandt. Er hat den ihm vorliegenden Fax-Sendebericht eingereicht, wonach die Berufungsbegründung am um 23.54 Uhr an das Berufungsgericht mit einer Übertragungszeit von 3 Minuten und 52 Sekunden übermittelt worden ist.

7Der Klägervertreter hat in der Folgezeit mit Schriftsatz vom auch darauf verwiesen, dass sein Faxgerät stets die korrekte Uhrzeit aus dem Internet beziehe.

8Nach Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des für den Betrieb der Faxgeräte des Berufungsgerichts zuständigen Mitarbeiters und Einsichtnahme in das gerichtliche Faxtätigkeitsprotokoll hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse - ausgeführt:

9Die Berufung des Klägers sei unzulässig, da sie nicht fristgerecht begründet worden sei (§ 520 Abs. 2 ZPO). Ausweislich des Fax-Vermerks auf der Berufungsbegründung sei diese am um 12.09 AM (00.09 Uhr) - und damit nach Ablauf der am endenden Berufungsbegründungsfrist - bei Gericht eingegangen. Das Risiko eines verspäteten Eingangs liege bei der - wie hier - im Übrigen nicht zu beanstandenden Ausschöpfung einer Frist bei demjenigen, der die Frist zu wahren habe; dies vorbehaltlich einer hier ausdrücklich nicht begehrten Wiedereinsetzungsprüfung im Hinblick darauf, ob die Fristversäumnis im Einzelfall gegebenenfalls unverschuldet sei.

10Anhaltspunkte dafür, dass der Fax-Vermerk auf der Berufungsbegründung nicht die richtige Uhrzeit des Empfangs wiedergebe, lägen nicht vor. Insbesondere habe der für den Betrieb der Faxgeräte am Berufungsgericht zuständige Mitarbeiter in seinem Vermerk ausgeführt, er habe bei einer Überprüfung des Faxgeräts - dem die Uhrzeit durch die Internetverbindung übermittelt werde - festgestellt, dass dieses die korrekte Uhrzeit anzeige.

11Der von dem Kläger vorgelegte Fax-Sendebericht mit der Angabe 23.54 Uhr als Beginn der Sendezeit könne die rechtzeitige Übermittlung der Berufungsbegründung nicht belegen. Insoweit sei anerkannt, dass ein Sendebericht nicht den Zugang des Telefaxschreibens beweise. Der "OK"-Vermerk belege nur das Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung der Signale an das Empfangsgerät. Der Vermerk "16/08/2021 23.54 Uhr" auf dem Faxausdruck der Berufungsbegründung gebe - auch nach dem Vortrag des Klägers - ebenfalls nicht die Empfangszeit, sondern nur den Beginn der Sendezeit wieder.

12Der Umstand, dass das Telefax mit der Berufungsbegründung nach der anwaltlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers rechtzeitig abgesandt worden sei, sei unerheblich. Denn maßgeblich komme es darauf an, dass die gesendeten Signale noch vor Fristablauf vom Empfangsgerät des Gerichts vollständig empfangen worden seien. Bei dieser Sachlage sei das Berufungsgericht auch nicht gehalten gewesen, eine weitere Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, zu betreiben.

13Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

14Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte und auch den Form- und Fristerfordernissen genügende Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Denn die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom - VIII ZB 21/22, juris Rn. 10 mwN), sind nicht erfüllt.

15Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der angefochtene Beschluss mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen und deshalb eine Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht im Hinblick auf die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gegeben. Auch verletzt der Beschluss den Kläger, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht deshalb in seinen aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verfahrensgrundrechten auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren, weil das Berufungsgericht nicht geprüft habe, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei.

161. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist der angegriffene Beschluss des Berufungsgerichts nicht deshalb aufzuheben, weil er die in der Berufungsinstanz gestellten Anträge der Parteien nicht wiedergibt.

17a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, grundsätzlich den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 28/21, WuM 2023, 49 Rn. 5; vom - VIII ZB 96/20, NJW-RR 2022, 644 Rn. 14 mwN; vom - VIII ZB 46/19, juris Rn. 6 mwN). Die Wiedergabe des Sachverhalts und der Anträge ist in einem die Berufung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO verwerfenden Beschluss jedoch nicht ausnahmslos erforderlich. Der Beschluss kann sich etwa bei Verwerfung der Berufung wegen nicht gewahrter Berufungsfrist (§ 517 ZPO) oder Begründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) auf die entscheidungserheblichen Umstände beschränken. Die Entscheidung des Berufungsgerichts muss jedoch auch in diesen Fällen jedenfalls die die Verwerfung tragenden Feststellungen enthalten, weil anderenfalls dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der Entscheidung nicht möglich ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 28/21, aaO; vom - VIII ZB 96/20, aaO; jeweils mwN).

18b) Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss, der lediglich die von den Parteien in der Berufungsinstanz gestellten Anträge nicht enthält, noch gerecht. Denn er gibt die prozessualen, die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Vorgänge wieder, aufgrund derer das Berufungsgericht die Berufungsbegründungsfrist als nicht gewahrt und die Berufung infolgedessen als unzulässig angesehen hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Rechtsbeschwerde angeführten Senatsbeschluss vom (VIII ZB 7/16, juris), dem eine andere Sachverhaltskonstellation zugrunde lag.

192. Der angefochtene Verwerfungsbeschluss verletzt den Kläger - entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung - auch nicht in seinen Ansprüchen auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren.

20a) Das Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) gebietet es, dass Gerichte zivilprozessuale Vorschriften, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung des Instanzenzugs von Bedeutung sind, nicht derart auslegen und anwenden, dass dies den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (st. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG, NJW 2012, 2869 Rn. 8; NZA 2016, 122 Rn. 10; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 61/17, NJW 2018, 1022 Rn. 10; vom - VIII ZB 57/16, NJW-RR 2018, 588 Rn. 7; vom - VIII ZB 52/20, juris Rn. 8; vom - VIII ZB 83/20, NZM 2022, 269 Rn. 20; jeweils mwN).

21b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht den Zugang des Klägers zu der Berufungsinstanz nicht in unzumutbarer Weise dadurch erschwert, dass es nicht geprüft hat, ob dem Kläger eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist (§ 233 Satz 1 ZPO) - auch ohne ausdrücklichen Antrag - zu gewähren gewesen wäre (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO). Denn die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung lagen nicht vor. Anhaltspunkte für eine von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang zusätzlich gerügte Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Klägers auf ein faires Verfahren legt sie nicht dar und sind auch sonst nicht ersichtlich.

22aa) Die Berufung des Klägers war gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger sie entgegen der Vorschrift des § 520 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig begründet hat. Die Berufungsbegründung ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erst nach Ablauf der - bis Samstag, den , verlängerten, aber erst am Montag, den , endenden (vgl. § 222 Abs. 2 ZPO) - Berufungsbegründungsfrist am bei Gericht eingegangen.

23bb) Das Berufungsgericht hat auch - im Ergebnis - zu Recht von der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist abgesehen.

24(1) Nach § 233 Satz 1 ZPO ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - auf Antrag (§ 234 Abs. 1 Satz 1; § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) oder von Amts wegen (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO) - zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den von der Partei glaubhaft gemachten Tatsachen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Fristversäumnis von der Partei beziehungsweise ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 42 mwN; vom - VIII ZB 2/22, NJW 2023, 368 Rn. 14).

25(2) Einen Wiedereinsetzungsantrag hat der Kläger im vorliegenden Fall nicht gestellt.

26(a) Zwar braucht ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht ausdrücklich erklärt zu werden; es kann vielmehr konkludent in einem Schriftsatz enthalten sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XI ZB 4/05, NJW 2006, 1518 Rn. 13; vom - VIII ZB 61/17, NJW 2018, 1022 Rn. 17). Für die Annahme eines solchen konkludent gestellten Wiedereinsetzungsantrags ist es jedoch erforderlich, dass der Rechtsmittelführer eine Versäumung der Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist zumindest für möglich hält und vorsorglich Ausführungen zu Wiedereinsetzungsgründen macht, mithin zum Ausdruck bringt, das Verfahren trotz verspäteter Einreichung der Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift fortsetzen zu wollen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - III ZB 13/52, BGHZ 7, 194, 197 f.; vom - VIII ZB 61/17, aaO; vom - XII ZB 432/18, NJW-RR 2019, 1394 Rn. 10; vom - VIII ZB 96/20, NJW-RR 2022, 644 Rn. 30).

27(b) Gemessen hieran ist auch nicht von einem zumindest stillschweigend gestellten Wiedereinsetzungsantrag des Klägers auszugehen. Dieser hat zu keinem Zeitpunkt Ausführungen dazu gemacht, aus welchen Gründen ihm eine fristgerechte Einreichung der Berufungsbegründung nicht möglich war. Er hat vielmehr auf den gerichtlichen Hinweis über den verspäteten Eingang der Berufungsbegründung hin darauf beharrt, dass dieser rechtzeitig erfolgt sei, und hierzu näher vorgetragen. Mit nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist eingegangenem Schriftsatz vom hat er zudem ausdrücklich - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend verweist - erklärt, dass es aus seiner Sicht eines Wiedereinsetzungsantrags nicht bedürfe.

28(3) Das Berufungsgericht war auch nicht gehalten, dem Kläger eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO) zu gewähren.

29(a) Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO offenkundig sind oder nach einem erforderlichen gerichtlichen Hinweis offenkundig geworden wären. Nach Fristablauf können erkennbar unklare Angaben durch Erläuterung offenkundig werden, sofern die nachgeschobenen Angaben innerhalb der Frist zumindest angedeutet worden sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 61/17, NJW 2018, 1022 Rn. 19; vom - V ZB 187/13, NJW-RR 2015, 628 Rn. 12). Auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO müssen deshalb die Wiedereinsetzungstatsachen des § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO dargelegt werden (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 96/20, NJW-RR 2022, 644 Rn. 31; vom - IV ZB 23/19, IV ZB 24/19, juris Rn. 10; vom - VIII ZB 61/17, aaO; vom - V ZB 187/13, aaO).

30(b) Gemessen hieran lagen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen im Streitfall nicht vor. Die Rechtsbeschwerde zeigt weder auf noch ist ansonsten ersichtlich, dass ein fehlendes Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers an der verspäteten Einreichung der Berufungsbegründung innerhalb der einmonatigen Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO dargelegt worden oder sonst offenkundig geworden ist.

31(aa) Ein Rechtsanwalt hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - IV ZB 17/22, VersR 2023, 200 Rn. 10; vom - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 44; vom - XII ZB 335/17, NJW-RR 2018, 312 Rn. 13; vom - VIII ZB 57/15, NJW 2016, 2042 Rn. 17; jeweils mwN). Entschließt er sich, einen fristgebundenen Schriftsatz selbst bei Gericht einzureichen, hat er auch in diesem Fall geeignete Maßnahmen zu treffen, um einen fristgerechten Eingang bei Gericht zu gewährleisten (vgl. BGH, Beschlüsse vom - IV ZB 17/22, aaO; vom - XII ZB 335/17, aaO).

32Reicht der Rechtsanwalt einen Schriftsatz nicht rechtzeitig bei Gericht ein, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn er alle erforderlichen Schritte unternommen hat, die bei einem normalen Verlauf der Dinge mit Sicherheit dazu führen würden, dass eine Frist gewahrt wird. Schöpft ein Rechtsanwalt - wie im vorliegenden Fall - eine Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum letzten Tag aus, hat er wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos zudem erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - III ZB 54/18, NJW-RR 2018, 1529 Rn. 9; vom - XII ZB 335/17, aaO; vom -VIII ZB 5/16, NJW-RR 2017, 953 Rn. 16 jeweils mwN). Dies bedingt, dass dem korrekten Erfassen der maßgeblichen Zeit besondere Bedeutung zukommt und hierauf ein besonderes Augenmerk zu richten ist (vgl. , NJW 2011, 859 Rn. 14).

33Bedient der Rechtsanwalt sich für die Übersendung der Rechtsmittelbegründung eines Telefaxgeräts, hat er das seinerseits Erforderliche getan, wenn er bei Verwendung eines funktionsfähigen Sendegeräts und korrekter Eingabe der Empfängernummer so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis zum Fristablauf zu rechnen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 60/19, NJW-RR 2021, 54 Rn. 9; vom - VIII ZB 19/18, NJW 2019, 3310 Rn. 16; vom - XII ZB 335/17, aaO Rn. 14; vom - VIII ZB 57/15, aaO Rn. 17; jeweils mwN). Soll bei der Ermittlung der genauen Uhrzeit zum Zwecke der Wahrung der Frist allein die Anzeige des Faxgeräts ausreichend sein, muss diese Anzeige zuverlässig die gesetzliche Zeit wiedergeben. Wenn ein Gerät in Gebrauch ist, das technisch nicht dafür ausgelegt ist, selbständig einen stetigen Abgleich mit der gesetzlichen Zeit vorzunehmen, gehört es zur anwaltlichen Sorgfalt, dass regelmäßig eine Überprüfung der Zeiteinstellung am Faxgerät stattfindet (vgl. , aaO).

34(bb) Ausgehend hiervon zeigt die Rechtsbeschwerde bereits nicht auf, dass die für die Gewährung einer Wiedereinsetzung erforderlichen Tatsachen von dem Kläger innerhalb der einmonatigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO dargelegt worden oder sonst offenkundig geworden sind. Diese Frist hat im vorliegenden Fall jedenfalls mit der Zustellung des gerichtlichen Hinweises auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vom zu laufen begonnen (vgl. zum Fristbeginn , NJW 2012, 159 Rn. 9 mwN). In der auf diesen Hinweis erfolgten und von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Stellungnahme mit Schriftsatz vom hat der Klägervertreter jedoch lediglich unter Verweis auf den Fax-Sendebericht ausgeführt, die Berufungsbegründungsschrift sei am um 23.54 Uhr mit einer Übertragungszeit von 3 Minuten und 52 Sekunden an das Berufungsgericht übersandt worden. Er hat außerdem anwaltlich versichert, er habe die Berufungsbegründung noch vor 00.00 Uhr an diesem Tag rechtzeitig an das Berufungsgericht versandt.

35Ausführungen zur korrekten Erfassung des Beginns der Sendezeit und der Übertragungszeit durch das Faxgerät des Klägervertreters oder einer regelmäßigen Überprüfung der Zeiteinstellung an diesem Gerät durch den Klägervertreter oder seine Mitarbeiter sind diesem Schriftsatz dagegen nicht zu entnehmen, wären aber vor dem Hintergrund, dass das Berufungsgericht ihn auf einen erst am erfolgten Eingang der Berufungsbegründung bei Gericht aufmerksam gemacht hatte, geboten gewesen.

36Hiernach kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägervertreter sich auf eine fehlerhafte Zeitangabe seines Faxgeräts verlassen hat, obwohl er ohne deren Überprüfung nicht von einer korrekten Wiedergabe ausgehen durfte, und dass ausgehend hiervon die Berufungsbegründung tatsächlich so spät an das Berufungsgericht per Telefax versandt worden ist, dass nicht mehr mit dem fristgerechten Eingang dieses Schriftsatzes gerechnet werden konnte. Weitergehenden Tatsachenvortrag des Klägers, der eine Wiedereinsetzung begründen könnte, innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist oder entsprechenden Akteninhalt zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Damit ist ein fehlendes Verschulden des Klägervertreters innerhalb der hier maßgeblichen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht offenkundig geworden, so dass auch eine Wiedereinsetzung von Amts wegen (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO) durch das Berufungsgericht nicht in Betracht kam.

37Soweit die Rechtsbeschwerde darauf verweist, das Berufungsgericht habe selbst zugrunde gelegt, dass der Klägervertreter mit der Übersendung der Berufungsbegründung per Fax an das Gericht um 23.54 Uhr begonnen habe, führt auch dieses Vorbringen nicht zu einer anderen Bewertung. Das Berufungsgericht hat zwar im Rahmen der von ihm vorgenommenen Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist die entsprechende Behauptung des Klägers nicht in Zweifel gezogen, diese jedoch im Hinblick auf den von dem Kläger nachzuweisenden rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung bei Gericht als unerheblich angesehen. Dies ändert aber nichts daran, dass die für eine Wiedereinsetzung erforderlichen Tatsachen - wie hier nicht der Fall - innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO hätten dargelegt und glaubhaft gemacht werden müssen.

III.

38Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:210223UVIIIZB17.22.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 1282 Nr. 23
FAAAJ-39192