Instanzenzug: Sächsisches Oberverwaltungsgericht Az: 5 A 499/20 Urteilvorgehend VG Chemnitz Az: 3 K 2264/19 Urteil
Tatbestand
1Die verheiratete Klägerin begehrt die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für ihre Nebenwohnung im Zeitraum vom bis zum vor dem Hintergrund der Übergangsregelung, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom - 1 BvR 1675/16 u. a. - (BVerfGE 149, 222) zu § 2 Abs. 1 und 3 RBStV getroffen hat. Die Klägerin wohnt mit ihrem Ehemann in C., hierbei handelt es sich melderechtlich um ihre gemeinsame Hauptwohnung. Die Wohnung war im streitigen Zeitraum unter dem Namen ihres Ehemannes als Rundfunkbeitragspflichtigem angemeldet. Vom bis zum unterhielt die Klägerin außerdem eine Nebenwohnung in L., für die sie sich beim Beklagten als Rundfunkbeitragspflichtige anmeldete. Am beantragte sie unter Hinweis auf das die rückwirkende Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zum . Mit Schreiben vom teilte ihr der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio mit, die erforderlichen Voraussetzungen dafür lägen nicht vor. In der Folge wandte sich die Klägerin noch mehrfach vergeblich an den Beklagten.
2Nachdem die Klägerin am Klage mit dem Begehren erhoben hat, den Beklagten zu verpflichten, sie rückwirkend ab dem von der Rundfunkbeitragspflicht für ihre Nebenwohnung in L. zu befreien, ist der Beklagte dem mit Bescheid vom im Hinblick auf die Änderung seiner Verwaltungspraxis im Vorgriff auf den 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ab dem nachgekommen. Eine Befreiung vor dem komme jedoch mangels Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am während des Klageverfahrens Widerspruch. Nach übereinstimmender Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache für den Zeitraum ab Mai 2019 hat die Klägerin ihren Klageantrag im Übrigen aufrechterhalten. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten es übereinstimmend für erledigt erklärt haben und die Klage im Übrigen abgewiesen.
3Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zugelassen, soweit die Vorinstanz die Klage auch für den Zeitraum vom bis abgewiesen hat, und sie mit Urteil vom zurückgewiesen. Soweit die Klage Gegenstand des Berufungsverfahrens sei, sei sie zwar zulässig, aber unbegründet. Für ihre Zulässigkeit könne dahinstehen, ob die Mitteilung des Beklagten im Schreiben vom einen Verwaltungsakt darstelle oder der Befreiungsantrag der Klägerin (erst) mit Bescheid vom abgelehnt worden sei. Im ersten Fall habe die Klägerin mit Schreiben vom und im zweiten Fall am fristgerecht Widerspruch eingelegt. Die Durchführung eines Vorverfahrens vor Klageerhebung sei gemäß § 75 Satz 1 Alt. 1 VwGO entbehrlich gewesen. Keiner der möglichen Ablehnungsbescheide verletze die Klägerin in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf die begehrte Befreiung für den Zeitraum vom bis zum . Die Voraussetzungen der einzig als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden Überleitungsregelung im u. a. - lägen nicht vor. Aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Überleitungsregelung folge, dass ein Ehegatte die Befreiung von dem Rundfunkbeitrag für eine von ihm gehaltene Nebenwohnung nicht verlangen könne, wenn nicht er, sondern der andere Ehegatte den Rundfunkbeitrag für die gemeinsame Hauptwohnung entrichte.
4Der dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegende Fall habe einen abweichenden Sachverhalt betroffen. Dort sei das Beitragskonto für die Hauptwohnung auf den Namen der die Nebenwohnung bewohnenden Person geführt worden. Aus dem Wortlaut des Urteilstenors zu 1 ergäbe sich, dass derjenige seiner Rundfunkbeitragspflicht nachkomme, der "zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen", mithin auf Zahlung in Anspruch genommen werde. Wer herangezogen werde, bestimmten die Inhaber der Wohnung durch ihre Anmeldung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 RBStV selbst. Erst nach erfolgloser Inanspruchnahme des angemeldeten Wohnungsinhabers dürfe die Rundfunkanstalt die Daten weiterer Inhaber erheben und jene heranziehen. Bei Mehrpersonenhaushalten werde daher nur diejenige Person herangezogen, auf deren Namen das Beitragskonto geführt werde. Dem Urteil lasse sich weiter entnehmen, dass "Entrichten" gleichbedeutend sei mit "Nachkommen" und es sich hierbei um das perspektivische Gegenstück zur "Heranziehung" handele. Dabei sei nicht erforderlich, dass die herangezogene Person den Beitrag selbst entrichte. Ausreichend sei die Zahlung durch Dritte auf Rechnung der herangezogenen Person ("Fürzahler"), wobei es sich dann nach dem objektiven Empfängerhorizont um die Tilgung der Beitragsschuld der herangezogenen Person handele.
5Auf das Rechtsverhältnis der in Mehrpersonenhaushalten lebenden Personen untereinander komme es nicht an. Es sei unerheblich, ob im Innenverhältnis Ausgleichsansprüche gemäß § 426 Abs. 1 BGB bestünden. Diese wirkten sich nicht auf die Frage aus, wer der Beitragspflicht nachkomme. Die gegenteilige Ansicht übersehe die Bedeutungsgleichheit von "nachkommen", "entrichten" und "herangezogen werden". Die Bezugnahme in der Überleitungsregelung auf § 2 Abs. 3 RBStV müsse so verstanden werden, dass sie sich nur auf einen gesamtschuldnerisch haftenden Beitragsschuldner beziehe, auf dessen Rechnung der Rundfunkbeitrag für die angemeldete Hauptwohnung entrichtet werde. Hierfür sprächen auch Sinn und Zweck der Überleitungsregelung, die eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Belastung von Zweitwohnungsinhabern mit einem weiteren Rundfunkbeitrag abzuwenden suche. Der dem Vorteilsausgleich und der Kostendeckung für eine Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen dienende Beitrag werde für die Möglichkeit erhoben, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen. Wenn der Rundfunkbeitrag auf Rechnung des einen Ehegatten für die Hauptwohnung entrichtet werde, schöpfe dies allein bei ihm den Vorteil der Empfangsmöglichkeit in jener Wohnung ab. Entrichte der andere Ehepartner den Beitrag für die Nebenwohnung auf seine Rechnung, werde wiederum nur bei diesem der Vorteil abgeschöpft, dort öffentlichen Rundfunk zu empfangen. Deswegen fehle es an einer - verfassungswidrigen - mehrfachen Abschöpfung desselben Vorteils.
6Zwar führe die Entrichtung eines Rundfunkbeitrags durch einen Beitragspflichtigen eines Mehrpersonenhaushalts im Außenverhältnis zur Rundfunkanstalt zum Erlöschen der Beitragspflicht der übrigen gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 RBStV i. V. m. § 44 AO gesamtschuldnerisch haftenden Haushaltsmitglieder (§ 44 Abs. 2 Satz 1 AO). Es sei unerheblich, welcher Bewohner als Beitragsschuldner angemeldet sei, weil jeder bis zur vollständigen Bezahlung den Beitrag schulde. Da aber die Rundfunkanstalt erst nach erfolgloser Inanspruchnahme des angemeldeten Beitragsschuldners weitere Inhaber heranziehen dürfe, hätten die nicht leistenden Gesamtschuldner den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit im Außenverhältnis unentgeltlich. Dieses Verständnis werde im Übrigen von § 4a RBStV n. F. bestätigt und sei mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
7Mit der von dem Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Übergangsregelung im gelte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch für Eheleute. Die Rundfunkanstalt lasse eine gemeinsame Anmeldung von Ehegatten nicht zu; dies könne nicht zu ihren Lasten gehen.
8Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Urteile des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom und des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom zu verpflichten, die Klägerin in dem Zeitraum vom bis zum von der Rundfunkbeitragspflicht für die Zweitwohnung in L. zu befreien.
9Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
10Er verteidigt das Berufungsurteil und führt ergänzend aus: Die Anmeldung des Ehemannes der Klägerin gehe auf die Überleitungsregelung in § 14 Abs. 3 und 4 RBStV zurück, weil dieser bereits mit Rundfunkgeräten im Datenbestand der Gebühreneinzugszentrale angemeldet gewesen sei. Hieran habe er - der Beklagte - nichts geändert. Auch die Klägerin habe keine Bemühungen gezeigt, das Beitragskonto der Hauptwohnung auf ihren Namen umzumelden. Im Übrigen liege nach den Entscheidungsgründen des eine doppelte Inanspruchnahme zur Zahlung des Rundfunkbeitrags nur vor, wenn dieselbe Person mehrfach herangezogen werde. Die Klägerin leiste jedoch für die Hauptwohnung keinen Rundfunkbeitrag. Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, weil die Klägerin und ihr Ehemann auch getrennt voneinander jeweils in der Haupt- und der Nebenwohnung öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfangen könnten. Auch eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG liege nicht vor, Eheleute würden gegenüber anderen Mehrpersonenhaushalten nicht benachteiligt. § 4a RBStV n. F. diene nicht der Beseitigung von Benachteiligungen von Ehepartnern, sondern setze das Fördergebot aus Art. 6 Abs. 1 GG um.
Gründe
11Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsgericht hat die auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht für zulässig erachtet (1.). Allerdings beruht das angefochtene Urteil auf einer Verletzung revisiblen Rechts im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO, soweit es die Klage als unbegründet angesehen hat. Es stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da es für die Entscheidung in der Sache keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf, kann sie der Senat gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO selbst treffen (2.).
121. Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Abweichend von § 68 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO bedurfte es nicht der vorherigen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, da ein Fall der behördlichen Untätigkeit gemäß § 75 Satz 1 Alt. 2 VwGO vorliegt.
13Unzutreffend nimmt das Berufungsgericht zwar an, dass die Voraussetzungen des § 75 Satz 1 Alt. 1 VwGO erfüllt seien, d. h. der Beklagte über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat. Entweder sei das Schreiben des Beklagten vom als Bescheid auszulegen, mit dem der auf Befreiung gerichtete Antrag der Klägerin abgelehnt worden sei, gegen den diese mit Schreiben vom rechtzeitig Widerspruch erhoben habe, oder liege die Ablehnung des Befreiungsantrags im Bescheid des Beklagten vom , gegen den am Widerspruch erhoben worden sei. Dies ist mit Bundesrecht nicht vereinbar, weil der Beklagte bis zur Erhebung der Klage ohne zureichenden Grund innerhalb einer angemessenen Frist noch nicht einmal über den Antrag der Klägerin auf Befreiung entschieden hatte. Jedoch ist die Klage gemäß § 75 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulässig.
14Erst mit dem während des gerichtlichen Verfahrens ergangenen Bescheid vom hat der Beklagte der Klägerin die begehrte Befreiung ab dem gewährt und sie für den davorliegenden Zeitraum abgelehnt. Das vorprozessuale Schreiben des Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio vom stellt keine Ablehnung des Antrags der Klägerin in Gestalt eines Verwaltungsakts dar. Das Berufungsgericht hat diese Frage offengelassen, so dass der Senat den Inhalt des Schreibens selbständig auslegen kann (vgl. 2 C 36.69 - Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 18 S. 4 sowie vom - 9 C 28.14 - Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 126 Rn. 24 m. w. N.). Auszugehen ist hierbei von den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen vom (SächsGVBl., S. 142 ff.), das durch Art. 3 des Gesetzes vom (SächsGVBl., S. 503 ff.) - SächsVwVfZG - geändert worden ist. Die in § 2 Abs. 3 dieses Gesetzes enthaltene Bereichsausnahme für die Tätigkeit des Mitteldeutschen Rundfunks greift nicht, da sie nach ständiger Rechtsprechung des Berufungsgerichts nur den Kernbereich der Rundfunkfreiheit umfasst, nicht aber Bereiche, in denen - wie hier - die Rundfunkanstalt typische Verwaltungstätigkeiten ausübt (OVG Bautzen, Urteil vom - 3 A 582/14 - juris Rn. 13 ff. m. w. N.). An diese Auslegung des Landesrechts ist der Senat gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). Nach der gesetzlichen Definition des § 1 SächsVwVfZG i. V. m. § 35 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ob ein Verwaltungshandeln diese Merkmale erfüllt, hängt maßgeblich von der Ausgestaltung des zugrundeliegenden materiellen Rechts ab ( 1 B 95.98 - Buchholz 402.43 § 9 MRRG Nr. 1 S. 1 m. w. N.), das hier gemäß § 13 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags vom in der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen, vom bis zum geltenden Fassung des 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrags (SächsGVBl. 2018, S. 159 ff. und S. 293) - RBStV - revisibel ist.
15Bei dem vorprozessualen Schreiben vom handelt es sich um ein bloßes Mitteilungsschreiben, das keinen Regelungscharakter im Sinne des § 1 SächsVwVfZG i. V. m. § 35 Satz 1 VwVfG aufweist. Nach seinem Erklärungsgehalt ist das Schreiben nicht darauf gerichtet, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen (zu dieser Voraussetzung: 9 C 54.87 - BVerwGE 79, 291 <293> und vom - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 15). Dafür müsste es für den Betroffenen rechtsverbindlich Rechte oder Pflichten begründen, inhaltlich ausgestalten, ändern, aufheben, feststellen oder einen derartigen Ausspruch rechtsverbindlich ablehnen ( 6 C 3.16 - BVerwGE 159, 148 Rn. 12 m. w. N.). Hingegen beinhaltet das Schreiben nach dem objektivierten Maßstab des Empfängerhorizonts lediglich eine rechtliche Einschätzung zum Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Befreiungsanspruchs. Eine Aussage dazu, dass aus diesem Grund die beantragte Befreiung - als Rechtsfolge - abgelehnt wird, trifft das Schreiben nicht. Dies bestätigt die äußere Form dieses Schreibens, das weder als "Bescheid" bezeichnet wird noch eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält.
16Ist danach die Klage zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Dezember 2019 gemäß § 75 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulässig gewesen, bleibt der Klägerin diese Vergünstigung erhalten, ohne dass der verspätet ergangene Ablehnungsbescheid vom hieran etwas ändert. Der während des Verfahrens erlassene Bescheid ist in das Verfahren einbezogen worden. Weiterer Verfahrenshandlungen der von der Ablehnung betroffenen Klägerin bedurfte es nicht (vgl. 10 B 4.20 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 55 Rn. 8 m. w. N.). Wenn das Verwaltungsgericht bei einer Untätigkeitsklage - wie hier - nicht nach § 75 Satz 3 VwGO verfährt, mithin keine Frist für eine Bescheidung festsetzt und das gerichtliche Verfahren solange aussetzt, ist die Klage ohne Rücksicht darauf zulässig, ob gegen den nachträglich erlassenen Ablehnungsbescheid Widerspruch eingelegt worden ist. Nur bei einer (ablehnenden) Bescheidung innerhalb einer vom Gericht bestimmten Frist nach § 75 Satz 3 VwGO ist eine gerichtliche Sachentscheidung erst nach der Durchführung des Widerspruchsverfahrens zulässig ( 5 C 114.81 - BVerwGE 66, 342 <344>, vom - 1 C 42.88 - BVerwGE 88, 254 <255 f.> und vom - 3 C 24.94 - BVerwGE 100, 221 <224> m. w. N.).
172. Allerdings geht das angefochtene Urteil zu Unrecht davon aus, dass die Verpflichtungsklage unbegründet ist. Vielmehr ist die Ablehnung der Befreiung vor dem durch den Bescheid des Beklagten vom rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Befreiung von der Beitragspflicht für ihre Zweitwohnung in L. im Zeitraum vom bis zum . Der gegenteiligen Würdigung des Berufungsgerichts liegt ein zu enges Verständnis der - nach § 13 RBStV revisibles Recht betreffenden - Übergangsregelung im u. a. - zugrunde. Hierauf beruht das angefochtene Urteil (§ 137 Abs. 1 VwGO).
18Die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage geltenden Bestimmungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags enthalten keinen Befreiungstatbestand für Inhaber von Zweitwohnungen. Zutreffend hat das Berufungsgericht deshalb in der Übergangsregelung im u. a. - (BVerfGE 149, 222) die einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Befreiung gesehen.
19Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Urteil entschieden, dass die Zustimmungsgesetze und Zustimmungsbeschlüsse der Länder zu Art. 1 des 15. Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom , soweit sie § 2 Abs. 1 RBStV in Landesrecht überführen, mit Art. 3 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar sind, als Inhaber mehrerer Wohnungen über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden. Der Rundfunkbeitrag, der den Vorteil der individuellen Nutzungsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgelte, werde zwar in grundsätzlich nicht zu beanstandender Weise anknüpfend an die Wohnungsinhaberschaft erhoben. Die dabei entstehenden Ungleichheiten erreichten nicht eine solche Qualität oder ein solches Ausmaß, dass sie verfassungsrechtlich zu beanstanden wären. Allerdings verstoße die Beitragsbemessung insoweit gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit, als ein Rundfunkbeitrag auch für die Inhaberschaft von Zweitwohnungen erhoben werde. Soweit Wohnungsinhaber nach dem zur Prüfung gestellten Regelungsgefüge für eine Wohnung schon zur Leistung eines Rundfunkbeitrags herangezogen worden seien, sei der Vorteil bereits abgegolten. Dieselbe Person dürfe für die Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung nicht zu insgesamt mehr als einem vollen Beitrag herangezogen werden ( u. a. - BVerfGE 149, 222 Rn. 73 ff.).
20Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht angeordnet, dass das geltende Rundfunkbeitragsrecht vorübergehend fortgelten soll, allerdings in modifizierter Weise: Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung mit der Maßgabe weiter anwendbar, dass ab dem Tag der Verkündung jenes Urteils bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung diejenigen Personen, die nachweislich als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Abs. 1 und 3 RBStV nachkommen, auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien sind. Ist über Rechtsbehelfe noch nicht abschließend entschieden, kann ein solcher Antrag rückwirkend für den Zeitraum gestellt werden, der Gegenstand des jeweils angegriffenen Festsetzungsbescheides ist. Die Gesetzgeber hat es verpflichtet, spätestens zum eine Neuregelung zu treffen ( u. a. - BVerfGE 149, 222 <224 im Tenor zu 2 und 3>).
21Bei dieser Übergangsregelung handelt es sich um eine modifizierte Fortgeltungsanordnung, die das Bundesverfassungsgericht - obschon im Urteil nicht ausdrücklich so bezeichnet - auf der Grundlage von § 35 BVerfGG getroffen hat. Ihr kommt gemäß § 31 BVerfGG Bindungswirkung zu (a.). Der Inhalt der übergangsweise geltenden Regelung ist aus dem Urteil selbst zu bestimmen (b.). Ausgehend hiervon erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, die Anordnung gewähre einem Ehepartner, der eine Nebenwohnung innehat, keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht, wenn der andere Ehegatte den Rundfunkbeitrag für die gemeinsam bewohnte Hauptwohnung entrichte, als fehlerhaft. Vielmehr sind Inhaber weiterer Wohnungen auf Antrag von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien, ohne dass es darauf ankommt, auf welchen Namen das Beitragskonto einer von mehreren Wohnungsinhabern bewohnten Hauptwohnung bei der Rundfunkanstalt geführt wird (c.).
22a. Das Bundesverfassungsgericht hat auf der Grundlage von § 35 BVerfGG die Befugnis, für eine Übergangszeit die Weitergeltung einer für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärten Norm - auch mit inhaltlichen Modifizierungen - anzuordnen. Es trifft von Amts wegen, somit unabhängig von Anträgen oder Anregungen, alle Anordnungen, die erforderlich sind, um seinen ein Verfahren abschließenden Sachentscheidungen Geltung zu verschaffen ( - BVerfGE 6, 300 <303>). Das Gericht ist insbesondere befugt, über die bloße Anordnung der Fortgeltung eines als verfassungswidrig erkannten Rechts hinaus die materielle Rechtslage jenseits einer kassatorischen Entscheidung übergangsweise positiv gestaltend zu regeln (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvL 83/86, 24/88 - BVerfGE 84, 9 <21 ff.> und vom - 2 BvF 1/92 - BVerfGE 93, 37 <85>; Urteil vom - 1 BvR 3262/07 u. a. - BVerfGE 121, 317 <376 ff.>; Heusch, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2. Aufl. 2022, § 31 Rn. 82; Burkiczak, in: ebd., § 35 Rn. 18 m. w. N.). Hiervon hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom Gebrauch gemacht, indem es die um einen Befreiungstatbestand ergänzte befristete Fortgeltung der rundfunkbeitragsrechtlichen Regelungen angeordnet hat. Die bundesverfassungsgerichtliche Übergangsregelung entfaltet gemäß § 31 BVerfGG eine über den Einzelfall hinausgehende Bindungswirkung für alle Behörden und Gerichte (vgl. 6 A 3.05 - Buchholz 452.00 § 14 VAG Nr. 5 Rn. 26).
23b. Der Inhalt einer Übergangsregelung ist aus dem bundesverfassungsgerichtlichen Urteil selbst zu bestimmen. Denn eine Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG bleibt ein Akt der Rechtsprechung und wird nicht selbst zu einem Gesetz (vgl. Heusch, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2. Aufl. 2022, § 31 Rn. 73). Die Heranziehung der für Rechtsnormen geltenden Auslegungsregeln kommt deswegen nicht in Betracht. Vielmehr sind Art, Maß und Inhalt einer Vollstreckungsanordnung abhängig vom Inhalt der zu vollstreckenden Sachentscheidung sowie von den konkreten Verhältnissen, unter denen diese umzusetzen ist (BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 6, 300 <303 f.> und vom - 2 BvR 1651/15, 2006/15 - BVerfGE 158, 89 Rn. 76).
24Auch wenn eine Vollstreckungsanordnung ausschließlich auf die Durchsetzung der Sachentscheidung ausgerichtet ist und dadurch begrenzt wird (BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 6, 300 <303 f.> und vom - 2 BvR 1651/15, 2006/15 - BVerfGE 158, 89 Rn. 77 m. w. N.), schließt dies Pauschalierungen des Bundesverfassungsgerichts bei der Schaffung von Übergangsregelungen nicht aus. Eine typisierende Betrachtung ist dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen des § 35 BVerfGG nicht verwehrt (vgl. u. a. - BVerfGE 121, 317 <376 f.>). Dem Bundesverfassungsgericht ist auch unbenommen, bei der Schaffung einer Übergangsregelung an maßstabsbildende Entscheidungen des Gesetzgebers in ähnlichen Fallgestaltungen anzuknüpfen (vgl. u. a. - BVerfGE 99, 300 <304, 321 f., 331 f.> m. w. N.; 2 C 20.16 - BVerwGE 161, 297 Rn. 23 ff.). Eine pauschalierende Übergangsregelung gewährleistet umfassend, den festgestellten Verfassungsverstoß zu vermeiden. Hinzu kommt weiter, dass Verwaltungspraktikabilitätserwägungen in dem Zeitraum bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber Rechnung getragen werden kann, wenn eine Zwischenregelung mit geringerem Verwaltungsaufwand umzusetzen ist. Überdies reduziert eine für die Verwaltung handhabbare und für die Bürger überschaubare Übergangslösung auch die Wahrscheinlichkeit, dass es in dem Interimszeitraum zu Fehlentscheidungen kommt, die den Anlass für neue Rechtsstreitigkeiten bieten könnten. Der daraus resultierende Übergriff auf den Kompetenzbereich des Gesetzgebers ist hinnehmbar, wenn die Übergangsregelungen - dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgend - erforderlich sind, namentlich um einen sonst drohenden noch verfassungswidrigeren Zustand abzuwenden (Burmeister, in: Barczak, BVerfGG, 2018, § 35 Rn. 13). Zudem wird der Übergriff dadurch abgemildert, dass das Bundesverfassungsgericht die Vollstreckungsanordnung unter größtmöglicher Schonung des aktuellen gesetzgeberischen Willens trifft und dessen Regelungskonzept so weit als möglich erhält (vgl. - BVerfGE 93, 37 <85> und Urteil vom - 1 BvR 3262/07 u. a. - BVerfGE 121, 317 <376> m. w. N.).
25c. In Anwendung dieses Maßstabs zur Bestimmung des Inhalts einer vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Anordnung erweist sich das berufungsgerichtliche Verständnis des Befreiungstatbestandes im u. a. - als zu eng. Inhaber mehrerer Wohnungen sind aufgrund dieser Übergangsregelung auf Antrag von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Unerheblich ist hierfür, auf welchen Namen das Beitragskonto einer von mehreren Wohnungsinhabern bewohnten Hauptwohnung bei der Rundfunkanstalt geführt wird. Die verfassungsgerichtliche Übergangsregelung ist wegen ihres Wortlauts (aa.) und aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität (bb.) weit zu verstehen. Darüber hinaus hängt es oftmals vom Zufall ab, wer bei mehreren Wohnungsinhabern der Anzeigepflicht des § 8 Abs. 1 Satz 1 RBStV nachkommt, deren Erfüllung durch einen Beitragsschuldner gemäß § 8 Abs. 3 RBStV auch für die übrigen Beitragsschuldner der Wohnung wirkt (cc.). Wird ein weites Verständnis zugrundegelegt, gewährleistet die Übergangsregelung umfassend, dass Inhaber mehrerer Wohnungen nicht über einen vollen Beitrag hinaus in Anspruch genommen werden und damit der vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit vermieden wird.
26Hiervon unberührt bleibt der Gestaltungsspielraum der Gesetzgeber bei einer Neuregelung, die diese mit den Änderungen des 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrags zum in § 4a RBStV n. F. getroffen haben (SächsGVBl. 2020 S. 195 ff. und S. 329).
27aa. Nach dem Wortlaut der Übergangsregelung sind diejenigen Personen auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien, die nachweislich als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Abs. 1 und 3 RBStV nachkommen. Das Verb "nachkommen" wird in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht näher erläutert. Nach seinem Wortsinn beschreibt "nachkommen" die Erfüllung oder Vollziehung desjenigen, was ein anderer von einem wünscht oder verlangt (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 9. Aufl. 2019). Das Gewünschte oder Verlangte wird in der übergangsweise geltenden Regelung klar bezeichnet: Es ist die "Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Absatz 1 und 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags", der nachweislich nachgekommen werden muss. Das Verb "nachkommen" wird allein auf die in § 2 Abs. 1 und 3 RBStV normierte Beitragspflicht bezogen.
28Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV bestimmt, dass mehrere Beitragsschuldner als Gesamtschuldner entsprechend § 44 der Abgabenordnung - AO - haften. Jeder schuldet den Rundfunkbeitrag in voller Höhe. Dieser ist insgesamt aber nur einmal zu bezahlen, weil jede Zahlung auch für die übrigen Beitragsschuldner wirkt (sogenannte Erfüllungswirkung, § 44 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 AO). Mit diesem Regelungssystem hat das Bundesverfassungsgericht die von ihm statuierte Befreiungsregelung verknüpft. Dagegen lassen seine Ausführungen nicht erkennen, dass es für die Inanspruchnahme der Befreiungsregelung für weitere Wohnungen auf die Frage ankommt, welcher Beitragsschuldner sich in einer von mehreren gemeinsam bewohnten Hauptwohnung bei der Rundfunkanstalt nach § 8 RBStV angemeldet hat.
29Die Inbezugnahme des § 2 Abs. 3 RBStV lässt - anders als das Berufungsgericht meint - erkennen, dass das Bundesverfassungsgericht seine Übergangsregelung auch für Mehrpersonenhaushalte getroffen hat. Der konkrete Fall einer Einzelperson, die Inhaber einer Haupt- und einer Nebenwohnung ist, bot für die Nennung des § 2 Abs. 3 RBStV keinen Anlass. Die Verweisung auf § 2 Abs. 3 RBStV in der Übergangsregelung ist daher so zu verstehen, dass es dem Bundesverfassungsgericht insbesondere auch auf die Erfüllungswirkung im Gesamtschuldverhältnis ankam. Sie tritt unmittelbar mit der Erfüllung der Beitragsschuld durch einen Schuldner ein (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 AO). In Mehrpersonenhaushalten kommen die verschiedenen Beitragsschuldner ihrer jeweils bestehenden Beitragspflicht schon dadurch nach, indem sie dafür Sorge tragen, dass einer von ihnen die für die Wohnung geschuldete Beitragsschuld erfüllt. Mehr verlangt das Regelungsregime des § 2 Abs. 1 und 3 RBStV nicht von ihnen.
30bb. Das nach dem Wortlaut der von dem Bundesverfassungsgericht getroffenen Anordnung naheliegende Verständnis wird durch Gründe der Verwaltungspraktikabilität gestützt.
31Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, die Gesetzgeber könnten bei einer Neuregelung die gleichheitswidrige Beitragsbelastung von Inhabern mehrerer Wohnungen dadurch beseitigen, dass sie eine antragsgebundene Befreiung von der Beitragspflicht vorsähen oder auf andere Weise sicherstellten, dass Beitragspflichtige nicht mit insgesamt mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag belastet würden, etwa durch eine Beschränkung der Beitragspflicht auf Erstwohnungen. In der erstgenannten Hinsicht stünden den Gesetzgebern zwei Modelle zur Verfügung. Sie könnten die Befreiung von einem Nachweis der Anmeldung von Erst- und Zweitwohnung als solche abhängig machen, um Verwaltungsschwierigkeiten zu vermeiden. Sie könnten sich aber auch im Sinne einer engeren Lösung dahingehend verständigen, für solche Zweitwohnungsinhaber von einer Befreiung abzusehen, die die Entrichtung eines vollen Rundfunkbeitrags für die Erstwohnung durch sie selbst nicht nachwiesen. Für die von ihm getroffene Anordnung ist das Bundesverfassungsgericht von einer antragsgebundenen Befreiung ausgegangen ( u. a. - BVerfGE 149, 222 Rn. 111, 155). Es drängt sich auf, dass es dabei dasjenige Modell im Blick gehabt hat, das in der Übergangszeit Verwaltungsschwierigkeiten vermeidet, weil nicht geprüft werden muss, durch wen der Beitrag für die Hauptwohnung gezahlt wird.
32cc. Darüber hinaus kommt für das Verständnis der vom Bundesverfassungsgericht geschaffenen Übergangsregelung auch dem Umstand Bedeutung zu, dass es oftmals vom Zufall abhängt, wer bei mehreren Wohnungsinhabern der Anzeigepflicht des § 8 Abs. 1 Satz 1 RBStV nachkommt, deren Erfüllung durch einen Beitragsschuldner gemäß § 8 Abs. 3 RBStV auch für die übrigen Beitragsschuldner der Wohnung wirkt. Denn es war bislang - abgesehen von Befreiungen und Ermäßigungen nach § 4 Abs. 1 und 2 RBStV, die sich auf bestimmte weitere Wohnungsinhaber erstrecken (§ 4 Abs. 3 RBStV) - rechtlich unerheblich, auf welchen Namen das Beitragskonto bei der Rundfunkanstalt geführt wird. Im Zusammenhang mit der Umstellung des Rundfunkgebührenrechts auf das Rundfunkbeitragsrecht im Jahre 2013 sind in großem Umfang frühere Gebührenkonten der Gebühreneinzugszentrale ohne inhaltliche Änderungen als Beitragskonten fortgeführt worden (vgl. § 14 Abs. 3 RBStV). In dem Massengeschäft des Rundfunkbeitragsrechts kam dem Umstand, wer von mehreren Bewohnern einer Wohnung nach außen gegenüber der Rundfunkanstalt auftritt, keine Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund wäre anzunehmen gewesen, dass das Bundesverfassungsgericht deutlich zu erkennen gegeben hätte, wenn diesem formalen Umstand bei der Übergangsregelung ausschlaggebendes Gewicht beizumessen wäre. Hierfür gibt es im Urteil keine Anhaltspunkte.
33Soweit die Vertreter des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt haben, (auch) denjenigen Nebenwohnungsinhabern die Befreiung gewährt zu haben, die zumindest nach Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts eine Ummeldung des Beitragskontos der gemeinsam mit anderen bewohnten Hauptwohnung auf ihren Namen veranlasst hätten, führt auch dies nicht zu einer anderen Bewertung. Vielmehr verstärken sich die aufgezeigten Bedenken, weil ein solches Verständnis der Übergangsregelung dazu führen würde, dass die Gewährung der Befreiung allein davon abhängig gemacht würde, ob zumindest nach Erlass des Urteils von dieser formalen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch gemacht worden ist. Es erscheint ausgeschlossen, dass das Bundesverfassungsgericht ein solches Verständnis seiner Übergangsregelung beabsichtigt hat.
34Der inzwischen geltende Befreiungstatbestand in § 4a RBStV n. F., mit dem der Gesetzgeber für die Rechtslage ab dem von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, gibt für die Deutung der zuvor geltenden bundesverfassungsgerichtlichen Befreiungsregelung nichts her.
35Das Urteil kann auch nicht nach § 144 Abs. 4 VwGO auf Grund anderer Erwägungen aufrecht erhalten bleiben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (vgl. § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Ehemann der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom bis zum der Rundfunkbeitragspflicht für die gemeinsame Hauptwohnung in C. nachgekommen. Die Klägerin erfüllt daher in Bezug auf ihre Nebenwohnung in L. für diesen Zeitraum die tatbestandlichen Voraussetzungen der richterrechtlichen Befreiungsregelung. Sie ist vom Beklagten insoweit von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:250123U6C7.21.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-38702