BVerwG Beschluss v. - 20 F 5/21

90-Jahre-Lebenszeit-Vermutungsregel; Sperrgrund der sicherheitsbehördlichen Aufgabenerschwernis bei verstorbenen Nachrichtendienstmitarbeitern

Leitsatz

1. Lassen sich bei der Geheimhaltungsprüfung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO die Lebensdaten einiger Personen nicht ermitteln, ist zu vermuten, dass sie leben, bis 90 Jahre nach ihrer Geburt vergangen sind (Fortführung von 20 F 10.15 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 70).

2. Bei verstorbenen Mitarbeitern inländischer Nachrichtendienste lässt der bloße Umstand ihrer früheren nachrichtendienstlichen Tätigkeit für sich genommen noch nicht darauf schließen, dass eine Offenlegung ihrer Identitäten die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden erschweren würde.

Gesetze: § 11 Abs 1 BArchG, § 11 Abs 2 BArchG, § 99 Abs 1 S 2 Alt 3 VwGO

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 15 A 2538/14 Beschlussvorgehend Az: 20 K 6400/12

Gründe

I

1Der Kläger ist Journalist. Er begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren Einsicht in beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) archivierte Akten zu Uwe Barschel, für die am die 30jährige Schutzfrist gemäß § 11 Abs. 1 und 6 BArchG abgelaufen ist.

2Das Oberverwaltungsgericht hat der Beklagten mit Beweisbeschluss vom aufgegeben, zahlreiche Unterlagen ungeschwärzt vorzulegen.

3Die Beklagte hat nur einen Teil der angeforderten Schriftstücke - teils mit Schwärzungen - vorgelegt, die vollständige und ungeschwärzte Übermittlung hingegen unter Vorlage einer Sperrerklärung des Beigeladenen vom verweigert.

4Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom seinen Beweisbeschluss teilweise geändert. Es hat der Beklagten aufgegeben, die mit dem Beweisbeschluss angeforderten Unterlagen ungeschwärzt vorzulegen, soweit dies mit der Sperrerklärung noch nicht erfolgt sei, wobei bestimmte Schwärzungen bestehen bleiben könnten.

5Der Kläger hat die Einleitung eines in-camera-Verfahrens beantragt. Die Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten. Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II

6Der Antrag des Klägers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

71. Gegenstand des Zwischenverfahrens ist die Sperrerklärung vom , soweit sie solche Aktenteile betrifft, die vom Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom noch ungeschwärzt angefordert worden sind.

82. Die Zulässigkeit des Antrags auf Entscheidung des Fachsenats im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO setzt voraus, dass das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen ordnungsgemäß bejaht hat (vgl. 20 F 13.20 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 98 Rn. 7 m. w. N.). Auch wenn dies zunächst in einem Beweisbeschluss geschehen ist, kann das Hauptsachegericht verpflichtet sein, die Entscheidungserheblichkeit nach Abgabe der Sperrerklärung erneut zu überprüfen (vgl. 20 F 8.17 - juris Rn. 5 m. w. N.).

9Hat es - wie hier zunächst mit Beweisbeschluss vom und nach Vorlage der Sperrerklärung mit Änderungsbeschluss vom - die Entscheidungserheblichkeit förmlich verlautbart, ist der Fachsenat grundsätzlich an dessen Rechtsauffassung gebunden. Eine andere Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist oder wenn dieses seiner Verpflichtung nicht genügt hat, die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zu erschöpfen, um auf dieser Grundlage über die Erforderlichkeit der Aktenvorlage zu entscheiden (vgl. 20 F 9.20 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 96 Rn. 16 m. w. N.).

10Beides ist vorliegend nicht der Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat den Sachverhalt durch die ihm zur Verfügung stehenden Mittel hinreichend aufgeklärt und ausführlich begründet, weshalb es der Einsicht in die angeforderten Aktenbestandteile bedarf. Dabei ist es nicht offensichtlich fehlerhaft davon ausgegangen, dass die mit Beschluss vom noch angeforderten ungeschwärzten Aktenbestandteile vom Klagegegenstand umfasst sind, die Klage zulässig ist und nur mit Kenntnis der ungeschwärzten Unterlagen beurteilt werden kann, ob die fachgesetzlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Aktennutzungsanspruchs vorliegen.

113. Der Antrag ist im tenorierten Umfang begründet. Die Weigerung, die mit Beschluss vom noch angeforderten ungeschwärzten Aktenbestandteile vorzulegen, ist teilweise rechtswidrig.

12Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

13a) Für die in der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO gelten folgende Maßstäbe:

14aa) Ein Nachteil für das Wohl des Bundes oder eines Landes im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO ist gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde (vgl. 20 F 6.14 - juris Rn. 7 m. w. N.). Bei seit Langem abgeschlossenen Vorgängen muss erkennbar sein, dass die vollständige Offenlegung noch Rückschlüsse auf die gegenwärtige Arbeitsweise oder Aufklärungsarbeit der Sicherheitsbehörde zulässt ( 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 42 f. m. w. N.).

15Dies kann der Fall sein, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen - vor allem in einer Zusammenschau - Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen. Zu solchen Rückschlüssen geeignet sind z. B. Vorgangsblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen ( 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 42 f. m. w. N.).

16Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann ferner erschwert werden, wenn sich die Sperrerklärung auf Unterlagen bezieht, welche eine Sicherheitsbehörde von anderen Sicherheitsbehörden im Rahmen der Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund erhalten und deren Vorlage diese Behörden unter Hinweis auf den Quellenschutz widersprochen haben. Allerdings ist nicht jeder Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbehörden geheim und der Widerspruch einer Behörde auf Empfängerseite für sich genommen kein Weigerungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO (vgl. 20 F 7.19 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 86 Rn. 11 f. m. w. N.). Etwas Anderes gilt indes, wenn die Partnerbehörde nicht Empfänger, sondern Absender einer Information ist. Denn ein Partnerdienst, der unter dem Schutz einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit Informationen übermittelt oder Anfragen gestellt hat, darf darauf vertrauen, dass die übersandten Informationen oder Auskunftsersuchen auch Jahre später nicht ohne seine Mitwirkung preisgegeben werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 20 F 7.19 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 86 Rn. 11 m. w. N., vom - 20 F 7.20 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 93 Rn. 13 m. w. N. und vom - 20 F 3.21 - juris Rn. 9).

17Eine Offenlegung kann dem Wohl des Bundes auch dann Nachteile bereiten, wenn die von einem ausländischen Nachrichtendienst übermittelten Informationen unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit Dritten bekannt gegeben werden (vgl. 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 39 m. w. N.). Ob hiernach die Geheimhaltung geboten ist, unterliegt im Hinblick auf mögliche außenpolitische Folgen einer Beurteilungs- und Einschätzungsprärogative der Bundesregierung. Für die Regelung der auswärtigen Beziehungen räumt das Grundgesetz der Bundesregierung einen grundsätzlich weit bemessenen Gestaltungsspielraum ein ( - BVerfGE 121, 135 <158>). Demgemäß ist auch die Prognose, ob eine Offenlegung bestimmter Dokumente eine Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen erwarten lässt, verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 20). Das gilt auch im Zwischenverfahren vor dem Fachsenat ( 20 F 4.20 - juris Rn. 18 m. w. N.).

18bb) Personenbezogene Daten sind ihrem Wesen nach grundsätzlich geheimhaltungsbedürftig im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Sie werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst, welches die Befugnis des Einzelnen gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. - BVerfGE 156, 11 Rn. 71). Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn sie Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht ( 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 13). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Daran ändert nichts, dass diese in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten (vgl. 20 F 3.21 - juris Rn. 7).

19Das grundrechtlich abgesicherte Interesse betroffener Dritter an einer Geheimhaltung erfasst allerdings zum einen regelmäßig nur die Daten als solche und nicht die gesamten Vorgänge, in denen sie erwähnt werden. Zum anderen greift der Schutz persönlicher Daten nur soweit, als diese Daten tatsächlich schutzwürdig sind. Daran fehlt es bei persönlichen Daten, die in allgemein zugänglichen Quellen erwähnt worden sind und diese Quellen - wie etwa Zeitungsberichte oder sonstige Publikationen - in den Unterlagen lediglich wiedergegeben sind, ohne dass dadurch weiterführende Rückschlüsse ermöglicht werden ( 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 14 m. w. N.). An der Schutzwürdigkeit fehlt es auch bei Daten von Personen der Zeitgeschichte, die in den Unterlagen nur in ohnehin bereits bekannten Zusammenhängen angeführt werden (vgl. 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 14 m. w. N.). Im Übrigen bestimmt sich die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Daten von Personen der Zeitgeschichte nach einer Abwägung mit den entgegenstehenden Informationsinteressen (vgl. 20 F 10.12 - ZIP 2014, 442 Rn. 11 ff. m. w. N.).

20Der Schutz von Grundrechten (mutmaßlich) bereits verstorbener Personen begründet einen Weigerungsgrund nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO in den Fällen, in denen der postmortale Ehrenschutz dies gebietet. Der aus der Menschenwürde fließende allgemeine Achtungsanspruch schützt Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung sowie den sittlichen, personalen und sozialen Geltungswert, den der Verstorbene durch seine Lebensleistung erworben hat. Die Veröffentlichung wahrer Tatsachenangaben über einen Verstorbenen verletzt seine Menschenwürde hingegen grundsätzlich nicht ( 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 18 f. m. w. N.). Bei (mutmaßlich) bereits verstobenen Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben gegeben haben, können sich darüber hinaus aus dem Schutz der Grundrechte - insbesondere von Leib und Leben - ihrer Angehörigen Weigerungsgründe ergeben, wenn eine Gefährdung nicht nur theoretisch möglich ist und schematisch behauptet wird, sondern aufgrund konkreter Umstände nachvollziehbar dargelegt werden kann ( 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 20 m. w. N.).

21cc) Darüber hinaus kann wiederum das Wohl des Bundes im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO nach dem Tod eines Informanten eine weitere Geheimhaltung seiner Daten rechtfertigen, wenn deren Bekanntgabe die künftige effektive Erfüllung der Aufgaben einer Sicherheitsbehörde des Bundes erschweren würde (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 26 ff., vom - 20 F 2.17 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 76 Rn. 22 ff., vom - 20 F 4.18 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 80 Rn. 19 ff., vom - 20 F 14.17 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 83 Rn. 24 ff., vom - 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 24 ff. und vom - 30 GS 1.20 - BVerwGE 172, 159 Rn. 22 ff.).

22b) Nach Maßgabe dessen bestehen für die verfahrensgegenständlichen Schwärzungen und Vorenthaltungen von Aktenbestandteilen die geltend gemachten Weigerungsgründe nur zum Teil. Von einer über die nachfolgenden Erwägungen hinausgehenden Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i. V. m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO).

23aa) Nicht bei allen Schwärzungen auf den auf Seite 11 der Sperrerklärung bezeichneten Blättern kann der insoweit unter IV. 1. a) der Sperrerklärung ("Schutz der Persönlichkeitsrechte und sonstiger Belange Dritter") angeführte Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO festgestellt werden.

24Denn die Schutzwürdigkeit der betreffenden personenbezogenen Daten wurde in Anwendung einer falschen Vermutungsregelung bejaht. Ausweislich Seite 11 der Sperrerklärung wurde, soweit bei den betreffenden Personen ein Todesdatum nicht recherchierbar war, "von einem mutmaßlichen Todesdatum entsprechend der Wertung des § 11 Abs. 2 BArchG 100 Jahre nach Geburt bzw. 60 Jahre nach Entstehung der Unterlage" ausgegangen. Nach der Senatsrechtsprechung ist jedoch bei Personen, deren Lebensdaten nicht ermittelt werden konnten, entsprechend der Wertung des § 11 Abs. 2 BArchG zu vermuten, dass sie leben, bis 90 Jahre nach ihrer Geburt vergangen sind (vgl. 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 16 f. m. w. N.). Denn § 11 Abs. 2 BArchG normiert, dass Archivgut des Bundes nach Ablauf der Schutzfrist des § 11 Abs. 1 BArchG frühestens zehn Jahre nach dem Tod der jeweiligen Person genutzt werden darf und dass die Schutzfrist, wenn das Todesjahr nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand festzustellen ist, 100 Jahre nach der Geburt der Personen endet. Danach ist es angemessen, von der Vermutung auszugehen, dass die Person bereits dann nicht mehr schutzwürdig ist, wenn seit ihrer Geburt mehr als 90 Jahre vergangen sind (vgl. 20 F 10.15 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 70 Rn. 13).

25(1) Davon unberührt bleiben allerdings die Schwärzungen im getippten Text auf Blatt 5 sowie die Schwärzung auf Blatt 62. Insoweit hat der Senat nach eigenen Internetrecherchen keine begründeten Zweifel daran, dass die betreffenden Personen bei Erlass der Sperrerklärung noch lebten. Folglich greift für diese personenbezogenen Daten der genannte Weigerungsgrund.

26(2) Unerheblich ist die falsche Vermutungsregelung auch bei den Schwärzungen im getippten Text auf Blatt 27 und bei allen Schwärzungen auf Blatt 67. Denn die Geburtsjahre der betreffenden Personen wurden offengelegt. Bei Erlass der Sperrerklärung waren jeweils noch keine 90 Jahre seit ihrer Geburt vergangen. Der Senat hat durch Internetrecherchen nicht feststellen können, dass sie tot sind. Mithin sind ihre personenbezogenen Daten geheimhaltungsbedürftig.

27(3) Aus demselben Grund liegt der unter IV. 1. a) der Sperrerklärung aufgezeigte Weigerungsgrund bei Blatt 26 für die unter 1.1 geschwärzte Anschrift vor. Nicht geheimhaltungsbedürftig ist hingegen das dort teilgeschwärzte Geburtsdatum. Denn es ist unter https://www.stasi-liste.online bei Eingabe des offengelegten Namens abrufbar. Auch für den geschwärzten Namen mittig unten auf Blatt 26 ist eine Schutzwürdigkeit nicht plausibel dargetan. Denn der Sperrerklärung ist nicht zu entnehmen, ob diese Person bei Erlass der Sperrerklärung nach den Erkenntnissen des Beigeladenen sicher lebte oder - sofern nicht - diesem das Geburtsdatum bekannt ist und er in Anwendung der falschen Vermutungsregelung von einem mutmaßlichen Fortleben ausgegangen ist. Im letztgenannten Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Anwendung der richtigen Vermutungsregelung bereits vom mutmaßlichen Tod auszugehen wäre.

28(4) Die restlichen Schwärzungen auf Blatt 5 und 26 enthalten keine personenbezogenen Daten. Für die sonstigen Schwärzungen auf Blatt 27 und alle Schwärzungen auf Blatt 1 bis 3, 9 bis 13, 15 bis 18, 63, 69 und 82, soweit sich die Ausführungen unter IV. 1. a) darauf beziehen, ist der dort geltend gemachte Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO aus den im vorstehenden Absatz zuletzt aufgezeigten Gründen ebenfalls nicht plausibel dargetan.

29(5) Der Geheimhaltungsgrund des Schutzes der Persönlichkeitsrechte Dritter greift des Weiteren nicht ein, soweit allgemein zugängliche Daten einer Person der Zeitgeschichte geschwärzt worden sind. Dies betrifft die mit diesem Geheimhaltungsgrund begründeten Schwärzungen auf Blatt 81, 95 bis 100, 102, 103 sowie 105 bis 112.

30Diese Schwärzungen betreffen eine 1941 geborene Person der Zeitgeschichte. Als solche ist jedenfalls eine Person anzusehen, die durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das Interesse auf sich gezogen hat (vgl. - VersR 2019, 1432 Rn. 9). Dies ist bei der betreffenden Person der Fall. Zum einen handelt es sich um einen bekannten Epidemiologen. Er veröffentlichte 1989 mit dem Fachbuch "AIDS - vom Molekül zur Pandemie" die seinerzeit umfassendste Darstellung der Krankheit Aids und wurde vom bayerischen Innenstaatssekretär Gauweiler zum Aufklärungsberater des staatlichen Gesundheitsdienstes berufen (vgl. den Artikel "AIDS: Im Untergrund ein unsichtbares Netzwerk" im SPIEGEL Nr. 2/1988). Ferner koordinierte er ein multinationales Projekt zur Vorhersage der weltweiten Verbreitung von Aids (vgl. den Artikel "Den Toten können wir nicht helfen" im SPIEGEL Nr. 10/1987 auf Blatt 86 ff. in den Originalunterlagen). Ausweislich der auf Blatt 93 f. der Originalunterlagen abgehefteten Zeitungsartikel wurde er in der Politik und Gesellschaft für seine Vorschläge zum Teil heftig kritisiert. Zum anderen hat er dem im SPIEGEL Nr. 2/1993 veröffentlichten Artikel "Eine blühende Phantasie" zufolge im Zuge eines vom BfV behandelten Verdachtsfalls einer Anwerbung von Uwe Barschel als Spion das öffentliche Interesse auf sich gezogen, wozu in dem Artikel zahlreiche Einzelheiten veröffentlicht wurden.

31Die genannten Schwärzungen betreffen Daten dieser Person, die entweder in - insbesondere aufgrund der letztgenannten Publikation - ohnehin bekannten Zusammenhängen aufgeführt werden oder bei Eingabe ihres Namens auf der Internetseite https://prabook.com/web/home.html öffentlich zugänglich sind.

32(6) Bei Blatt 91 und 104 liegt der unter IV. 1. a) der Sperrerklärung geltend gemachte Weigerungsgrund für alle Schwärzungen vor.

33(7) Bei Blatt 98 besteht er nur für die letzte Schwärzung. Im Übrigen gelten die vorstehenden Ausführungen unter (5).

34(8) Bei Blatt 102 greift er nur für die letzten beiden Schwärzungen in der dritten Zeile des viertletzten Absatzes und für die Schwärzungen in den letzten beiden Absätzen. Im Übrigen gelten die vorstehenden Ausführungen unter (5). Eine Schutzwürdigkeit der personenbezogenen Daten der Eltern der Person der Zeitgeschichte wurde nicht plausibel aufgezeigt. Denn aufgrund ihres auf Blatt 102 angegebenen Alters waren sie bei Erlass der Sperrerklärung mutmaßlich tot.

35(9) Bei Blatt 103 liegt der Weigerungsgrund für alle Schwärzungen mit Ausnahme derjenigen im vierten Absatz vor. Für die letztgenannte Schwärzung besteht er nicht, weil die betreffende Person nach der Altersangabe im Text bei Erlass der Sperrerklärung mutmaßlich tot war.

36(10) Bei Blatt 106 besteht er nur für die Schwärzung im zweiten Absatz vor "1974" und die Schwärzungen in der zweiten und dritten Zeile des zweiten Absatzes. Im Übrigen handelt es sich um Informationen zu der Person der Zeitgeschichte in bekannten Zusammenhängen, die zum Teil auch auf Blatt 108 und 111 offengelegt sind.

37(11) Bei Blatt 107 besteht der unter IV. 1. a) geltend gemachte Weigerungsgrund nicht. Für die Schwärzungen im Betreff gelten die vorstehenden Ausführungen unter (5), für die letzte Schwärzung diejenigen unter (3) zur Unterschrift mittig unten auf Blatt 26. Die erste Schwärzung auf Blatt 107 ist kein personenbezogenes Datum.

38(12) Bei Blatt 108 liegt der geltend gemachte Weigerungsgrund ebenfalls nicht vor. Die Schwärzung im Bezug ist kein personenbezogenes Datum. Für alle weiteren Schwärzungen gelten die vorstehenden Ausführungen unter (5).

39(13) Bei Blatt 109 und 112 besteht der Weigerungsgrund jeweils nur für die Schwärzungen im ersten Absatz. Im Übrigen handelt es sich um Informationen zu der Person der Zeitgeschichte in bekannten Zusammenhängen.

40(14) Bei Blatt 110 besteht der geltend gemachte Weigerungsgrund nicht. Die Schwärzung im Bezug unter 1. ist kein personenbezogenes Datum. Für die Schwärzung im Bezug unter 2. gelten die zuletzt gemachten Ausführungen unter (3), für die beiden verbleibenden Schwärzungen diejenigen unter (5).

41bb) Für die Schwärzungen auf den auf Seite 13 der Sperrerklärung bezeichneten Blättern liegen die unter IV. 1. b) der Sperrerklärung ("Hinweise auf nachrichtendienstliche Mitarbeiter/innen") geltend gemachten Weigerungsgründe ebenfalls nur teilweise vor.

42(1) Hinsichtlich der geschwärzten Namen von Mitarbeitern ausländischer Nachrichtengeber - solche sind nach dem Schriftsatz der Beklagten vom ausschließlich auf Blatt 13 (dort unter 9.4 und 9.5) zu finden - besteht der Weigerungsgrund nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO. Insoweit wird in der Sperrerklärung begründet, weshalb eine Offenlegung dem Staatswohl zuwiderliefe, ohne dass die diesbezügliche Einschätzungsprärogative überschritten wurde. Dies gilt auch für den Fall, dass die betreffenden Personen tot sind. Denn die Prognose, dass die Offenlegung eine Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen erwarten lässt, ist nur eingeschränkt überprüfbar (s. o.).

43(2) Dies gilt auch für Schwärzungen, die persönliche Daten noch lebender Mitarbeiter der deutschen Nachrichtendienste betreffen. Insofern rechtfertigen sowohl das Staatswohl als auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen im aktiven Dienst oder im Ruhestand befindlichen Personen die Geheimhaltung ihrer persönlichen Daten, soweit sie nicht Personen der Zeitgeschichte sind oder als Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes nach Außen hin tätig geworden sind oder ihre Amtsstellung bereits zuvor bekannt geworden ist. Da der Beigeladene als oberste Aufsichtsbehörde des Bundesamtes für Verfassungsschutz und über dessen Kooperation mit anderen Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder ohne Weiteres in Erfahrung bringen kann, welche Mitarbeiter der Nachrichtendienste, auch wenn sie zwischenzeitlich in den Ruhestand getreten sind und Versorgungsbezüge erhalten, noch leben, bestehen keine Zweifel an dem Vortrag von Seite 11 bis 12 der Sperrerklärung, dass die Schwärzungen auf den auf Seite 13 aufgelisteten Blättern der vorgelegten Unterlagen lebende Mitarbeiter der deutschen Nachrichtendienste betreffen. Der Beigeladene ist ersichtlich auch differenziert vorgegangen und hat die Namen einzelner (früherer) Mitarbeiter inländischer Nachrichtendienste offengelegt, so dass keine Zweifel daran bestehen, dass die geschwärzten Personendaten solche (früheren) Mitarbeiter inländischer Nachrichtendienste betreffen, die noch leben und auch nicht bereits in ihrer Amtsträgerschaft öffentlich bekannt geworden sind.

44cc) Hinsichtlich einzelner Schwärzungen auf den auf Seite 14 der Sperrerklärung angeführten Seiten der Unterlagen liegen die in Punkt IV. 1. c) der Sperrerklärung geltend gemachten Geheimhaltungsgründe eines Nachteils für das Staatswohl nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO bzw. des Schutzes persönlicher Daten noch lebender Mitarbeiter inländischer Nachrichtendienste nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO vor, soweit sie sich auf Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Verfügungen, Namen und Unterschriften von nachrichtendienstlichen Mitarbeitern, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise beziehen. Die Einsicht in die ungeschwärzten Unterlagen hat bestätigt, dass einzelne Schwärzungen auf den angeführten Seiten Inhalte dieser Art betreffen und daher nicht zu beanstanden sind.

45Nicht gedeckt von diesen Geheimhaltungsgründen sind die Schwärzungen der Namen unter 11.1 auf Blatt 15, die Teilschwärzungen des Geburtsdatums auf Blatt 26, die Schwärzungen der personenbezogenen Daten der o. g. Person der Zeitgeschichte auf Blatt 95 bis 100, die Schwärzungen auf Blatt 102 in der ersten und dritten Zeile des ersten Textabsatzes und im zweiten Textabsatz sowie die Schwärzungen auf Blatt 110 mit Ausnahme der Schwärzung im Bezug unter 1.

46dd) Bei den Schwärzungen auf den auf Seite 15 der Sperrerklärung unter IV. 1. d) bezeichneten Blättern, die unter dem Aspekt "Hinweise auf ausländische Nachrichtengeber, Schutz der Kommunikationswege mit ausländischen Nachrichtengebern" mit einer Beeinträchtigung der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung begründet wurden, besteht der insoweit der Sache nach geltend gemachte Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO nur zum Teil.

47Bei Blatt 107 und 108 greift er für die erste Schwärzung. Denn diese Schwärzungen betreffen eine noch aktuelle Modalität der Kommunikation mit dem betreffenden ausländischen Dienst. Für alle weiteren Schwärzungen besteht aus den zu diesen Blättern oben aufgezeigten Gründen kein Weigerungsgrund.

48Auf Blatt 12, 13 und 14 enthalten zwar die erste Schwärzung auf Blatt 12, alle Schwärzungen auf Blatt 13 sowie die Schwärzungen vor 10. auf Blatt 14 Hinweise auf die Zusammenarbeit mit einem ausländischen Dienst. Insoweit besteht der geltend gemachte Weigerungsgrund aber nicht. Denn aus diesen geschwärzten Informationen ergibt sich nur, an welchen ausländischen Nachrichtendienst das BfV 1990 welche Dokumente des Ministeriums für Staatssicherheit abgegeben hat. Insoweit würde selbst ein Widerspruch des ausländischen Nachrichtendienstes als bloßer Empfänger des Materials für sich genommen nicht genügen, um die Schwärzungen zu rechtfertigen (s. o.). Aus den geschwärzten Informationen ergeben sich auch keine Hinweise auf Übermittlungswege. Ihnen ist nur zu entnehmen, dass die betreffenden Dokumente an den ausländischen Nachrichtendienst abgegeben wurden, nicht auf welchem Wege und in welcher Form.

49ee) Die unter IV. 2. (1) bis (3) der Sperrerklärung erläuterten Schwärzungen sind, soweit sie zu prüfen sind, nur teilweise von den geltend gemachten Weigerungsgründen gedeckt.

50(1) Für die Schwärzungen in dem unter IV. 2. (1) genannten Dokument (Blatt 28 bis 39) gilt Folgendes:

51(a) Nicht zu prüfen sind die ersten drei Schwärzungen auf Blatt 39, die nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom bestehen bleiben können.

52(b) Hinsichtlich der geschwärzten Aktenzeichen und Hinweise auf noch gebräuchliche und nicht bekannte Arbeitsweisen des BfV liegt der dazu unter IV. 2. (1) a) der Sperrerklärung mit dem Verweis auf die Ausführungen unter IV. 1. c) geltend gemachte Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO vor. Dies betrifft alle Schwärzungen auf Blatt 28, alle geschwärzten handschriftlichen Informationen auf Blatt 29 bis 38 und die letzte Schwärzung auf Blatt 39.

53(c) Im Hinblick auf die unter IV. 2. (1) c) mit dem Quellenschutz begründete Schwärzung auf Blatt 36 unter 2.19 liegt jedenfalls der Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO vor. Die betreffenden Angaben lassen in Verbindung mit weiteren Informationen Rückschlüsse auf die Identität der nach der 90-Jahre-Vermutungsregelung mutmaßlich noch lebenden, 1945 geborenen Quelle zu.

54(d) Für die geschwärzten Namen und Daten sonstiger Personen besteht der Weigerungsgrund nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO im Ergebnis für die geschwärzten getippten Informationen auf Blatt 29, 30, 32, 33 und 38 sowie auf Blatt 31 mit Ausnahme derjenigen unter , auf Blatt 34 mit Ausnahme derjenigen unter 2.9, auf Blatt 35 mit Ausnahme derjenigen unter 2.13, auf Blatt 36 mit Ausnahme derjenigen unter 2.17 und auf Blatt 37 mit Ausnahme derjenigen unter 2.20 und 2.22. Denn diese anderweitig nicht zugänglichen Informationen betreffen jeweils (anders als die genannten Ausnahmen) Personen, deren (ungefähre) Geburtsjahre offengelegt wurden, die bei Anwendung der 90-Jahres-Vermutungsregelung noch lebten und bei denen auch eigene Internetrecherchen des Senats keine Hinweise auf einen Tod ergeben haben.

55Demgegenüber sind die teilgeschwärzten Geburtsdaten auf Blatt 36 unter 2.17 und auf Blatt 37 unter 2.20 nicht schützenswert, weil sie bei Eingabe der offengelegten Namen unter https://www.stasi-liste.online abrufbar sind. Alle weiteren genannten Ausnahmen betreffen Personen, die bei Anwendung der 90-Jahres-Vermutungsregelung nicht mehr lebten, so dass die Schutzwürdigkeit ihrer Daten besonderer Darlegungen bedurft hätte.

56Hinsichtlich der geschwärzten Unterschrift des Behördenmitarbeiters auf Blatt 39 ist der Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO aus den oben unter Punkt II 3. b) bb) (2) dargelegten Gründen erfüllt.

57(2) Für die Schwärzungen in dem unter IV. 2. (2) der Sperrerklärung genannten Dokument (Blatt 40 bis 43) besteht ein Weigerungsgrund.

58(a) Die unter IV. 2. (2) a) der Sperrerklärung angeführten Schwärzungen von Aktenzeichen und Hinweisen auf noch gebräuchliche und nicht bekannte Arbeitsweisen des BfV sind vom Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO getragen. Dies betrifft auf Blatt 40 die Schwärzungen in der Betreff- und in der Bezugszeile sowie die Schwärzung unter 2., auf Blatt 42 die Schwärzung in der Bezugszeile und die letzte Schwärzung sowie auf Blatt 43 die letzte Schwärzung unter 3. Auch für die Schwärzung des Namens des Behördenmitarbeiters ist ein Weigerungsgrund aus den zu Punkt II. 3. b) bb) (2) ausgeführten Gründen plausibel dargetan.

59(b) Hinsichtlich der unter IV. 2. (2) b) der Sperrerklärung mit dem Schutz einer 1945 geborenen Quelle begründeten Schwärzungen auf Blatt 40 und 42 jeweils unter 1. sowie die mit Schutz einer 1933 geborenen Quelle begründeten Schwärzungen auf Blatt 41 und 43 jeweils unter 3. liegt jedenfalls der Weigerungsgrund nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO vor. Denn die geschwärzten Daten lassen Rückschlüsse auf die Identität der mutmaßlich noch lebenden Quellen zu.

60(3) Auch bei den Schwärzungen in dem unter IV. 2. (3) der Sperrerklärung genannten Dokument (Blatt 44 bis 52), soweit sie zu prüfen sind, besteht der jeweils geltend gemachte Weigerungsgrund.

61(a) Nicht verfahrensgegenständlich sind infolge des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom sämtliche Schwärzungen auf Blatt 44 mit Ausnahme des geschwärzten Aktenzeichens sowie sämtliche Schwärzungen auf Blatt 45 außer der geschwärzten Randnotiz unten rechts.

62(b) Für die verbleibenden Schwärzungen auf Blatt 44 und 45 sowie für die Schwärzung der handschriftlichen Information unter "Bundesgebiet" auf Blatt 46, alle Schwärzungen auf Blatt 47 und 48, alle geschwärzten handschriftlichen Informationen auf Blatt 49 und 50 und das unter 11. in der zweiten Zeile angeführte Aktenzeichen auf Blatt 50 besteht der Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO.

63(c) Alle weiteren Schwärzungen auf Blatt 46, 49, 50 und 51 wurden in der Sperrerklärung mit dem Schutz einer 1933 geborenen Quelle begründet. Insoweit liegt aus den obigen Erwägungen zu Blatt 40 bis 43 der Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO vor.

64(d) Auch hinsichtlich der geschwärzten Unterschrift des Behördenmitarbeiters auf Blatt 52 ist aus den eben genannten Gründen ein Weigerungsgrund ausreichend dargetan.

65ff) Die vollständige Vorenthaltung der unter IV. 2. (4) bis (13) der Sperrerklärung genannten Unterlagen ist, soweit sie zu prüfen ist, nur teilweise von den geltend gemachten Weigerungsgründen getragen.

66(1) Nicht verfahrensgegenständlich sind die unter IV. 2. (6) der Sperrerklärung angeführten Blätter, weil sie vom Oberverwaltungsgericht nicht angefordert worden sind.

67(2) Für die unter IV. 2. (5), (7) und (12) der Sperrerklärung genannten Dokumente (Blatt 72 bis 79, 114 bis 129 und 156) liegt der Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO vor, der mit dem jeweiligen Verweis auf die Gründe des Staatswohls nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG, dessen fachgesetzliche Vorgaben insoweit mit dem Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO faktisch übereinstimmen (vgl. 30 GS 1.20 - BVerwGE 172, 159 Rn. 19 m. w. N.), der Sache nach geltend gemacht wurde. Denn es handelt sich um Schreiben einer Landesbehörde für Verfassungsschutz, die einer Weitergabe an Dritte außerhalb des Verfassungsschutzverbundes widersprochen hat. Sie darf darauf vertrauen, dass diese Dokumente nicht preisgegeben werden (s. o.).

68(3) Hingegen ist für die Vorenthaltung der unter IV. 2. (4), (8) bis (11) und (13) der Sperrerklärung bezeichneten Unterlagen kein Weigerungsgrund ersichtlich.

69(a) Die unter IV. 2. (4) angeführten Unterlagen (Blatt 53 bis 60) stammen laut Sperrerklärung aus einer Personenakte zu einer bei Erlass der Sperrerklärung nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes lebenden Person, die Mitarbeiter(in) des Ministeriums für Staatssicherheit war.

70Insoweit wurde allenfalls mit der Erwähnung des "allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des informationellen Selbstbestimmungsrechts" der Sache nach der Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO geltend gemacht. Den weiteren Ausführungen kann keine Geltendmachung eines Weigerungsgrundes im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO entnommen werden.

71Zwar kann der Schutz personenbezogener Daten über bloße Schwärzungen hinaus auch eine vollständige Verweigerung der Vorlage von Unterlagen rechtfertigen. Schwärzungen, die nur Seiten ohne Informationsgehalt und demnach nichts Verwertbares übrig lassen oder zu einer Verfälschung des Aussagegehalts und damit zu Missverständnissen führen, müssen nicht erwogen werden (vgl. 20 F 10.12 - ZIP 2014, 442 Rn. 16).

72Bei den betreffenden Unterlagen erschließt sich aber nicht, weshalb bloße Teilschwärzungen zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der betreffenden Person nicht genügen sollen. Vielmehr ergibt sich aus dem höchst vorsorglichen Hinweis unter c) ("dass auch im Fall einer Vorlage Schwärzungen aufgrund des Schutzes von Persönlichkeitsrechten, Hinweisen auf nachrichtendienstliche Mitarbeiter/innen sowie Aktenzeichen und Arbeitshinweisen <vgl. Punkt IV. 1.> erforderlich wären"), dass eine teilweise Offenlegung möglich ist.

73(b) Die unter IV. 2. (8), (10) und (13) der Sperrerklärung angeführten Dokumente (Blatt 130 bis 131, 140 bis 145 und 157 bis 221) stammen laut Sperrerklärung aus der Personenakte zu einer bei Erlass der Sperrerklärung nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes ebenfalls noch lebenden Person.

74Bei den unter (8) und (10) genannten Unterlagen wurde jeweils allenfalls mit dem Verweis auf "Gründe des Persönlichkeitsschutzes der betroffenen Person nach § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BArchG", bei dem unter (13) genannten Dokument allenfalls mit dem Verweis auf § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BArchG der Sache nach (auch) der Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO geltend gemacht. Den weiteren Ausführungen kann keine Geltendmachung eines Weigerungsgrundes im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO entnommen werden.

75Bei diesen Dokumenten erschließt sich ebenfalls nicht, weshalb bloße Schwärzungen von Textstellen, die Rückschlüsse auf die Identität der betroffenen Person zulassen, zu deren Persönlichkeitsschutz nicht ausreichen sollen. Für die jeweiligen höchst vorsorglichen Hinweise zu diesen Unterlagen in der Sperrerklärung gelten die Ausführungen zu dem entsprechenden Hinweis unter IV. 2. (4) der Sperrerklärung.

76Beim etwaigen Erlass einer neuen Sperrerklärung wäre zu berücksichtigen, dass die Person Internetrecherchen des Senats zufolge inzwischen verstorben ist.

77(c) Die unter IV. 2. (9) und (11) der Sperrerklärung genannten Unterlagen (Blatt 132 bis 139 und 146 bis 155) stammen laut Sperrerklärung aus der Personenakte zu einer Person, die nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes bereits vor Erlass der Sperrerklärung verstarb. Angesichts dessen hätte das Vorliegen eines Weigerungsgrundes im Sinne des § 99 VwGO besonderer Darlegungen bedurft. Dem genügt der Verweis auf § 11 Abs. 2 BArchG, der keinen Weigerungsgrund im Sinne des § 99 VwGO darstellt, nicht. Für die jeweiligen höchst vorsorglichen Hinweise gelten die Ausführungen zu dem entsprechenden Hinweis unter IV. 2. (4) der Sperrerklärung.

78c) Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Weigerungsgrundes vorliegen, ist die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung des Beigeladenen rechtmäßig.

79Er hat das ihm durch § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eröffnete Ermessen erkannt und geprüft, ob überwiegende Interessen an der unbeschränkten Offenlegung der Aktenstücke trotz ihres geheimen Inhalts gegeben sind. Dabei hat er das anhand der einzelnen Aktenbestandteile überprüfte und festgestellte Geheimhaltungsinteresse sowohl gegen das öffentliche Interesse an der von Amts wegen gebotenen Sachverhaltsaufklärung durch das Hauptsachegericht als auch gegen das private Interesse des Klägers an der Durchsetzung seines Auskunftsanspruchs abgewogen.

80Bei seiner Abwägung ist er unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten des Einzelfalls nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip verfahren und hat zunächst unter IV. 1. der Sperrerklärung nach verschiedenen Geheimhaltungsinteressen geordnete Gruppen gebildet, innerhalb derer die Zurückhaltung der Information jeweils durch denselben Geheimhaltungsgrund gerechtfertigt ist. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, dass er in der Sperrerklärung die Gesichtspunkte Schutz der Persönlichkeitsrechte und sonstiger Belange Dritter (IV. 1. a), Hinweise auf nachrichtendienstliche Mitarbeiter/innen (IV. 1. b), Aktenzeichen, Verfügungen, Arbeitshinweise (IV. 1. c) sowie Hinweise auf ausländische Nachrichtengeber, Schutz der Kommunikationswege mit ausländischen Nachrichtengebern (IV. 1. d) als für eine Geheimhaltung der Akten sprechend berücksichtigt hat, soweit ein Weigerungsgrund besteht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 20 F 10.06 - juris Rn. 6, vom - 20 F 11.08 - juris Rn. 8, vom - 20 F 15.10 - NVwZ-RR 2011, 261 Rn. 6, vom - 20 F 16.10 - juris Rn. 6 und vom - 20 F 19.10 - juris Rn. 7).

81Soweit der Beigeladene darüber hinaus unter IV. 2. der Sperrerklärung im Hinblick auf die dort geprüften Unterlagen jeweils in eine Einzelfallabwägung eingetreten ist, sind seine diesbezüglichen Ermessenserwägungen, soweit ein Weigerungsgrund besteht, ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

824. Einer eigenständigen Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren vor dem Fachsenat nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht, weil es sich im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren um einen unselbstständigen Zwischenstreit handelt ( 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 48 m. w. N.).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:230223B20F5.21.0

Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 2740 Nr. 37
EAAAJ-38699