Online-Nachricht - Donnerstag, 27.04.2023

International | Nichtberücksichtigung "finaler" ausländischer Betriebsstättenverluste (BFH)

Der auf einem DBA (hier: DBA-Großbritannien 1964/1970) beruhende Ausschluss der Berücksichtigung von Verlusten einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte (sog. Symmetriethese) verstößt auch im Hinblick auf endgültige ("finale") Verluste nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit (; veröffentlicht am ; Anschluss an „WAG“; Bestätigung ).

Sachverhalt und Verfahrensverlauf: Die Klägerin ist eine deutsche Wertpapierhandelsbank. In den Wirtschaftsjahren 2004/2005 bis 2006/2007 unterhielt sie eine Zweigniederlassung in Großbritannien, die keine Gewinne abwarf. Mitte 2007 wurde daher deren Betrieb eingestellt. Die Beteiligten streiten nun darüber, ob die Verluste der Zweigniederlassung im Streitjahr 2007 trotz Freistellung der Einkünfte aufgrund des DBA-Großbritannien in Deutschland bei der Gewinnermittlung (§ 4 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) zu berücksichtigen sind, weil sie sich in Großbritannien zu keinem Zeitpunkt ausgewirkt haben.

Nach deutschem Recht sind die Verluste nicht zu berücksichtigen. Allerdings könnte sich eine Pflicht zur Berücksichtigung der „finalen" Verluste einer im Ausland der EU belegenen Betriebsstätte aus der unionsrechtlich gewährleisteten Niederlassungsfreiheit ergeben. Vor diesem Hintergrund hatte der BFH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen vorgelegt (s. unsere Online-Nachricht v. 22.10.2022).

Der EuGH hatte mit Urteil v. – C 538/20 „WAG“ sodann klargestellt, dass unterschiedliche Regelungen über den Ausschluss des nationalen Besteuerungsrechts auch zu einer unterschiedlichen Beurteilung der objektiven Vergleichbarkeit von Inlands- und Auslandsfall führen. Nur die abkommensrechtliche Freistellung führt zur fehlenden Vergleichbarkeit (vgl. StuB 22/2022 S. 865).

Der BFH sah nun die Revision des FA als begründet an und hob das FG-Urteil auf:

  • Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz mindern die in der britischen Zweigniederlassung der Klägerin im Zeitraum von 2004 bis 2007 entstandenen Verluste die Bemessungsgrundlagen der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrags für das Streitjahr nicht.

  • Der Ausschluss der Verlustberücksichtigung bei der Körperschaft- und der Gewerbesteuer verstößt nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit. Nach Auffassung des EuGH ist im Fall der auf einem DBA beruhenden Freistellung der ausländischen Einkünfte im Sitzstaat wegen der fehlenden Besteuerungsbefugnis bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit schon tatbestandlich eine Vergleichbarkeit mit der Behandlung reiner Inlandsfälle nicht gegeben.

  • Entgegen der Sichtweise der Klägerin handelt es sich bei der die Verlustberücksichtigung im Streitfall ausschließenden Symmetriethese um einen abkommensbasierten (bilateralen) und nicht um einen unilateralen Ausschluss des Verlustabzugs. Der Senat führt die Symmetriethese in ständiger Rechtsprechung auf die Vereinbarung der Freistellungsmethode zurück. Da sich der Begriff der Betriebsstättengewinne auf einen Nettobetrag bezieht, sind auch Betriebsstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen.

  • Ursprünglich gingen allerdings sowohl der EuGH als auch der BFH davon aus, dass aus Gründen der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit ein Verlustabzug möglich ist, wenn und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im ausländischen Betriebsstättenstaat „final“ sind. Das „Timac Agro Deutschland“ war sodann vom BFH () als Aufgabe dieser Rechtsprechung verstanden worden. Nachdem jedoch aufgrund weiterer EuGH-Entscheidungen daran Zweifel aufgekommen waren, hatte der BFH den EuGH erneut zur Klärung angerufen. Dieser hat mit Urteil v. – C-538/20 sein Urteil „Timac Agro Deutschland“ – und damit im Ergebnis die Aufgabe der früheren Rechtsprechung – bestätigt.

Quelle: ; NWB Datenbank; BFH-Pressemitteilung Nr. 24 v. (JT)

Fundstelle(n):
CAAAJ-38613