BGH Beschluss v. - 2 StR 44/23

Instanzenzug: Az: 101 KLs 19/22

Gründe

1Das Landgericht hat beide Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in zwei Fällen (Fälle 17 und 40 der Urteilsgründe), davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 17 der Urteilsgründe), sowie wegen Computerbetrugs in 21 Fällen (Fälle 18 bis 38 der Urteilsgründe), den Angeklagten B.   darüber hinaus wegen Betrugs in 16 Fällen (Fälle 1 bis 16 der Urteilsgründe) sowie eines weiteren Falls des Computerbetrugs (Fall 39 der Urteilsgründe) zu Gesamtstrafen von sieben Jahren und drei Monaten (Angeklagter I.   ) bzw. acht Jahren (Angeklagter B.   ) verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten B.   in einer Entziehungsanstalt bei einem Vorwegvollzug von zwei Jahren Freiheitsstrafe vor der Maßregel angeordnet und gegen beide Angeklagte Einziehungsentscheidungen getroffen. Die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsmittel der Angeklagten bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.

21. Beide Rechtsmittel sind unbeschränkt eingelegt. Die Beschränkung der Revision durch den Angeklagten B.   , mit der er seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom Rechtsmittelangriff ausnehmen will, ist unwirksam, da er sich im Übrigen mit der Sachbeschwerde gegen den gesamten Schuldspruch richtet und die Feststellung einer Symptomtat unerlässliche Voraussetzung der Maßregelanordnung ist (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 302/09, juris Rn. 4; , juris Rn. 4).

32. Den Rechtsmitteln bleibt der Erfolg versagt. Die Überprüfung des angegriffenen Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Näherer Erörterung bedürfen lediglich die Schuld- und Strafaussprüche in den Fällen 17 bis 19 der Urteilsgründe.

4a) Hierzu hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

5Am erbat der Angeklagte B.   gemeinsam mit dem Angeklagten I.   und einem weiteren Mittäter zwischen 2.00 Uhr und 3.00 Uhr Einlass in das Haus des ihm bekannten Nebenklägers. Dort schlugen der Angeklagte I.   und der weitere Mittäter, dem gemeinsamen Tatplan folgend, den Nebenkläger mit Fäusten auf den Kopf und den Rücken. Der Angeklagte I.   zog den am Boden liegenden Nebenkläger von hinten hoch, holte ein Teppichmesser hervor, hielt es dem Nebenkläger an den Hals und drohte damit, ihm die Kehle durchzuschneiden. Der Angeklagte B.   , der mit dem Messereinsatz einverstanden war, forderte den Nebenkläger in dieser Situation auf, ihm Geld zu geben. Der verängstigte Nebenkläger erklärte, die Wertgegenstände seien in der oberen Etage.

6Der Angeklagte B.   und der weitere Mittäter fanden in der oberen Etage im Portemonnaie des Nebenklägers 10 € und eine EC-Karte zu dessen Bankkonto. Hiermit begaben sie sich zurück zum Nebenkläger, wo der Angeklagte B.   diesen aufforderte, ihm die PIN-Nummer für die EC-Karte zu nennen. Unter dem Eindruck der zuvor angewendeten Gewalt sowie der Drohung mit dem Teppichmesser teilte der Nebenkläger dem Angeklagten B.   die PIN-Nummer mit. Die drei Tatgenossen fesselten den Nebenkläger sodann mit einem vor Ort abgezogenen Antennenkabel.

7Während der Angeklagte I.   und der weitere Mittäter mit dem gefesselten Nebenkläger in dessen Haus verblieben, fuhr der Angeklagte B.   mit einem herbeigerufenen Taxi zu einem Geldautomaten, wo er unter Einsatz der EC-Karte und der PIN 300 € abhob. Von dort fuhr er weiter zu einer Tankstelle, wo er unter Einsatz der EC-Karte und unter Eingabe der PIN 16 Minuten später eine Schachtel Zigaretten und ein Getränk für 10,84 € erwarb (Fälle 18 und 19 der Urteilsgründe). Anschließend fuhr er zurück zum Haus des Nebenklägers, wo er den dort Anwesenden mitteilte, dass die genannte PIN-Nummer zuträfe.

8Nunmehr durchsuchten die drei Tatgenossen das Haus des weiterhin gefesselten Nebenklägers. Sie nahmen weitere 80 € sowie mehrere Wertgegenstände an sich, um diese für sich zu behalten. Ferner fanden sie eine Kreditkarte und forderten den Nebenkläger auf, ihnen auch diese PIN zu nennen. Aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung erklärte der Nebenkläger, dass sich ein Brief mit der PIN in einem Ordner im Schlafzimmer befände. Daraufhin zerrten die drei Täter den Zeugen in das im Obergeschoss gelegene Schlafzimmer, wo er ihnen, nachdem sie seine Fesseln gelöst hatten, den Brief mit der PIN für die Kreditkarte heraussuchte. Anschließend brachten sie den Nebenkläger in den Keller, wo sie ihn mit Kabelbindern an Händen und Füßen fesselten. Danach schlugen sie erneut mit Fäusten auf ihn ein und erklärten, dass er nicht zur Polizei gehen dürfte, andernfalls der Angeklagte I.   ihm die Kehle durchschneiden werde. Anschließend verließen sie unter Mitnahme des einzig verfügbaren Telefons gegen 4.00 Uhr das Haus. Der Nebenkläger, der erhebliche Verletzungen erlitten hatte, konnte sich nach einer halben Stunde befreien.

9b) Diesen Sachverhalt hat das Landgericht als drei selbständige Taten – besonders schwerer Raub in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung sowie Computerbetrug in zwei Fällen – gewürdigt. Dies hält hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Beurteilung rechtlicher Prüfung nicht stand.

10aa) Angesichts des Ausnutzens derselben – vorangegangenen und gegenwärtigen – Bedrohung des Geschädigten mit der Anwendung von (weiterer) Gewalt bei allen Einzelakten des Tatgeschehens, stellt sich das Verhalten der Angeklagten bereits insgesamt als eine Tat im Rechtssinne dar. Die Angeklagten haben ferner tateinheitlich auch den Tatbestand des § 239a Abs. 1 Alt. 2 StGB verwirklichte sowie tateinheitlich hierzu eine weitere besonders schwere räuberische Erpressung begangen (vgl. , NStZ 2011, 213), indem sie sich zunächst des Nebenklägers bemächtigten und ihm im weiteren Verlauf sowohl die PIN der EC– wie auch der Kreditkarte abpressten (vgl. , NStZ-RR 2004, 333 ff.; Beschluss vom – 5 StR 365/16, juris; vgl. auch Beschluss vom – 6 StR 85/20, juris Rn. 4). Die Verwirklichung des erpresserischen Menschenraubs lässt hier die tateinheitliche Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) unberührt, da letztere über die in § 239a Abs. 1 StGB vorausgesetzte Einschränkung der persönlichen Fortbewegungsfreiheit des Opfers zeitlich erheblich hinausging und daher einen eigenständigen Unrechtsgehalt aufwies (vgl. Senat, Urteil vom – 2 StR 266/02, NStZ-RR 2003, 45 f.).

11Die während des erpresserischen Menschenraubs begangenen beiden Computerbetrüge stehen mit den übrigen Taten in Tateinheit (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 169/03, juris Rn. 2). Vollendet war der erpresserische Menschenraub bereits, als der Angeklagte B.   den Nebenkläger unter Ausnutzung der zuvor eingetretenen stabilen Bemächtigungslage aufforderte, die PIN für die von ihm aufgefundene EC-Karte mitzuteilen. Beendet war der erpresserische Menschenraub indes erst, als die Angeklagten und ihr Mittäter den Nebenkläger gegen 4.00 Uhr gefesselt in seinem Haus alleine zurückließen. Dies hat zur Folge, dass die während des erpresserischen Menschenraubs begangenen Taten insgesamt mit diesem in Tateinheit stehen (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 169/03, aaO; , juris Rn. 33; MK-StGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 239a Rn. 88).

12bb) Die Angeklagten sind indes durch die unzutreffende Annahme von Tatmehrheit für den Computerbetrug in den Fällen 18 und 19 der Urteilsgründe nicht beschwert. Für beide wäre ein um die weiteren Verbrechen des erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung ergänzter Schuldspruch und die daraus folgende Änderung der hier maßgeblichen Einsatzstrafen im Fall 17 der Urteilsgründe von größerer Beschwer, als die unzutreffende Annahme von Tatmehrheit für den Computerbetrug in den beiden genannten Fällen (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 169/03, aaO). Dies gilt umso mehr, als die Strafkammer bei der Zumessung der Gesamtfreiheitsstrafen bei beiden Angeklagten, in die die jeweiligen Einsatzstrafen im Fall 17 der Urteilsgründe (sechs Jahre sechs Monate bei dem Angeklagten B.     ; sechs Jahre bei dem Angeklagten I.   ) und die Einzelstrafen für den weiteren besonders schweren Raub im Fall 40 der Urteilsgründe (drei Jahre neun Monate bei dem Angeklagten B.   ; drei Jahre drei Monate bei dem Angeklagten I.   ) einflossen, ausdrücklich zur Rechtfertigung des engen Zusammenzugs der Einzelstrafen in den Blick genommen hat, dass sämtliche Computerbetrügereien mit der im Fall 17 erlangten EC- bzw. Kreditkarte unter Einsatz der jeweiligen PIN-Nummer innerhalb weniger Stunden begangen wurden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:010323B2STR44.23.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-38292