Online-Nachricht - Dienstag, 18.04.2023

Gesetzgebung | Offenlegung von Ertragsteuerinformationen stößt auf Kritik (hib)

Mehrere Sachverständige übten in einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags an dem Vorhaben Kritik, dass künftig multinationale und umsatzstarke Unternehmen und Konzerne Informationen zu in den Mitgliedstaaten gezahlten Ertragsteuern veröffentlichen müssen.

Hintergrund: Einer EU-Richtlinie zufolge müssen multinationale und umsatzstarke Unternehmen und Konzerne künftig Informationen zu in den Mitgliedstaaten gezahlten Ertragsteuern veröffentlichen. Durch dieses sog. Country-by-Country Reporting solle „eine informierte öffentliche Debatte darüber ermöglicht werden, ob die betroffenen multinationalen Unternehmen und Konzerne ihren Beitrag zum Gemeinwohl auch dort leisten, wo sie tätig sind“, heißt es in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021 / 2101 im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen“ (BT-Drucks. 20/5653). Schätzungen zufolge sind rund 500 bis 600 deutsche Unternehmen von dieser Publikationspflicht betroffen.

Mehrere Sachverständige übten grundsätzliche Kritik an der EU-Richtlinie, die allerdings bereits beschlossen ist und die Deutschland bis Mitte dieses Jahres umsetzen muss.

So erklärte Monika Wünnemann vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die geplante Offenlegung sei nicht mit der in der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beschlossenen vertraulichen Weitergabe zwischen den nationalen Steuerbehörden in Einklang zu bringen. Auch müsse man die EU-Richtlinie im Kontext der zwischenzeitlich auf OECD- und G20-Ebene vereinbarten Mindestbesteuerung von 15 Prozent für Unternehmensgewinne sehen. Da die Regelungen im vorliegenden Gesetzentwurf nicht mit den OECD-Regeln abgestimmt seien, ergebe sich für die Unternehmen ein erheblicher Mehraufwand. Dieser dürfte insbesondere bei Konzernen, die in vielen Ländern tätig sind, erheblich über den im Gesetzentwurf angegebenen Aufwand hinausgehen, erklärte Wünnemann.

Nach Ansicht des Mannheimer Professors für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Christoph Spengel dagegen sind die unterschiedlichen Berichtspflichten „bis auf wenige Details vergleichbar“. Allerdings sieht Spengel erhebliche „implizite Kosten“ vor allem für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen. Während die meisten börsennotierten Unternehmen bereits freiwillig Country-by-Country-Berichte veröffentlichten, handele es sich hier häufig um sogenannte Hidden Champions, also hochspezialisierte Weltmarktführer. Diese müssten nun „erstmals sensible, unternehmensinterne nicht-steuerliche Daten länderbezogen öffentlich berichten, welche die externe Rechnungslegung bisher bewusst ausschließt“, wie Gewinne vor Steuern und Umsatzerlöse. Dies führe zu Wettbewerbsnachteilen, die „mittlerweile empirisch gut belegt“ seien.

Die Leipziger Professorin für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Carmen Bachmann verwies auf die geringen Gestaltungsspielräume für den deutschen Gesetzgeber aufgrund der EU-Vorlage. Dennoch könne der vorgelegte Gesetzesentwurf an mehreren Stellen nachgebessert werden, „um Rechtsunsicherheiten zu eliminieren und den Erfüllungsaufwand für die betroffenen Unternehmen zu minimieren“. Dies gelte besonders für eine unklar formulierte Bestimmung, wonach Unternehmen auf die Veröffentlichung bestimmter Daten verzichten dürfen, sofern sonst erhebliche Nachteile etwa für die Marktstellung drohten, etwa weil Wettbewerber, Lieferanten und Kunden solche Informationen zum Schaden des Unternehmens nutzen können.

Als ein Beispiel für solche Nachteile nannte Ralph Brügelmann vom Handelsverband Deutschland HDE ein Einzelhandelsunternehmen, das in einem anderen Land Fuß fassen will. „Wir wollen Konkurrenten nicht sagen, wie weit wir schon sind, ob wir etwa schon aus den Anfangsverlusten heraus sind“, sagte Brüggemann. Inwieweit in einer solchen Situation auf die Veröffentlichung bestimmter länderbezogener Geschäftsdaten verzichtet werden darf, müsse im Gesetz präziser dargelegt werden.

Ausdrückliche Zustimmung fand die EU-Richtlinie wie der Gesetzentwurf zu ihrer Umsetzung bei Christoph Trautvetter vom Verein zur Förderung der Steuergerechtigkeit. Die begrüßenswerten Reformbemühungen auf OECD-Ebene reichten nicht aus, um insbesondere große Digitalkonzerne zu einer gerechten Steuerleistung in Deutschland, aber auch im globalen Süden zu veranlassen. Trautvetter forderte, im Umsetzungsgesetz über die EU-Richtlinie hinausgehend die öffentliche Berichtspflicht auf weitere Länder auszudehnen. Sie sollte einerseits mehr von ausländischen Konzernen genutzte Steueroasen und andererseits auch leer ausgehende Länder im globalen Süden erfassen.

Zwei besondere verfassungsrechtliche Aspekte brachte der Leipziger Steuerrechtler Marc Desens zur Sprache. Zum einen hat nach seiner Einschätzung, die er in einer schriftlichen Stellungnahme ausführlich begründet, die EU mit dem Erlass der Richtlinie ihre Kompetenzen überschritten. Zum anderen widerspricht Desens der Bundesregierung, die ihren Gesetzentwurf als bloßes Einspruchsgesetz deklariert, das nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es handele sich um eine steuerrechtliche Regelung und sei daher zustimmungspflichtig. „Nur weil es im Handelsgesetzbuch formal umgesetzt wird, ist es nicht Handelsrecht“, stellte Desens fest.

Quelle: hib – heute im bundestag Nr. 266 (il)

Fundstelle(n):
JAAAJ-37831