Leitsatz
1. Die Aufhebung eines Zuteilungsbescheides i. S. d. § 190 AO kann unabhängig von der Frage, ob sich die gesetzlich nicht
geregelte örtliche Zuständigkeit für Zuteilungsbescheide nach § 22 AO oder nach § 24 AO richtet, regelmäßig nicht allein deswegen
beansprucht werden, weil der Zuteilungsbescheid von einem örtlich unzuständigen Finanzamt erlassen worden ist.
2. Eine Einspruchsentscheidung kann nur dann wegen einer sachlichen Unzuständigkeit der die Einspruchsentscheidung erlassenden
Behörde aufgehoben werden, wenn eine Behörde gehandelt hat, die diese Aufgaben auch allgemein überhaupt nicht wahrzunehmen
hat.
3. Die Jahresfrist zur Beantragung eines Zuteilungsbescheids (§ 190 Satz 2 AO i. V. m. § 189 Satz 3 AO) beginnt, wenn der
Gewerbesteuermessbetragsbescheid mit Ablauf der Einspruchsfrist formell bestandskräftig geworden ist. Daher löst auch ein
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Gewerbesteuermessbescheid die Jahresfrist des § 189 Satz 3 AO aus.
4. Die Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung des Gewerbesteuermessbetragsbescheid löst eine neue Jahresfrist i. S. d.
§ 189 Satz 3 AO aus, da sie einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Wird jedoch der Vorbehalt
der Nachprüfung nicht aufgehoben, sondern entfällt er gemäß § 164 Abs. 4 AO mit Ablauf der Festsetzungsfrist, beginnt keine
neue Jahresfrist zu laufen.
5. Die Nennung der hebeberechtigten Gemeinde im Gewerbesteuermessbescheid stellt eine lediglich nachrichtliche Mitteilung
und keine i. S. v. § 351 Abs. 2 AO für die Gewerbesteuerfestsetzung bindende Feststellung dar, welcher Gemeinde die Hebeberechtigung
i. S. v. § 4 Abs. 1 GewStG letztlich zukommt. Der Erlass von Änderungsbescheiden über den einheitlichen Gewerbesteuermessbescheid
allein zum Zwecke einer nachrichtlichen Benennung einer anderen Gemeinde ist daher nicht zulässig.
6. Die Bestimmung des Steuergläubigers als der hebeberechtigten Gemeinde ist als materiellrechtliche Voraussetzung von der
Gemeinde beim Erlass des Gewerbesteuerbescheids eigenständig zu prüfen und kann nur in einem gegen den Gewerbesteuerbescheid
gerichteten Rechtsbehelfsverfahren geklärt werden, sofern sie nicht Gegenstand eines Zuteilungsbescheids nach § 190 AO oder
eines Zerlegungsbescheids nach § 185 AO ist.
7. Höhere Gewalt als Grund für eine Wiedereinsetzung nach Ablauf der Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO kann auch anzunehmen
sein, wenn ein Beteiligter durch ein arglistiges Verhalten des Finanzamts von einem fristgerechten Antrag abgehalten worden
ist oder wenn die Fristversäumnis auf das rechts- oder treuwidrige Verhalten der Behörde zurückgeführt werden kann und der
Beteiligte das unsachgemäße Verhalten der Behörde trotz aller ihm zumutbaren Anstrengungen nicht erkennen konnte. Eine solches
arglistiges Verhalten liegt nicht schon dann vor, wenn die Steuerfahndung wegen der gewerbesteuerlichen Hebeberechtigung Ermittlungen
durchgeführt und eine bisher nicht am Messbetrag beteiligte Gemeinde nicht schon während der Ermittlungen oder spätestens
unmittelbar nach Erstellung des Prüfungsberichts benachrichtigt hat, damit diese noch innerhalb der Jahresfrist nach § 190
Satz 2 i. V. m. § 189 Satz 3 AO rechtzeitig einen Zuteilungsbescheid beantragen hätte können.
8. Das Finanzamt ist nicht schon aufgrund eines Verdachts, der zu Ermittlungen der Steuerfahndung geführt hat, verpflichtet,
eine bisher nicht am Gewerbesteuermessbetrag beteiligte Gemeinde von einer möglicherweise bestehenden Hebeberechtigung zu
informieren. Jedenfalls in diesem Stadium der Ermittlungen gibt es keine Verpflichtung des Finanzamts zur Unterrichtung der
Gemeinde über möglicherweise gewerbesteuerlich relevante Sachverhalte.
9. Die Aufgaben der Steuerfahndung umfassen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO im Bereich der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen
nur die Vorbereitung der Steuerfestsetzung. Sie selbst ist jedoch nicht befugt, Maßnahmen im Bereich der Steuerfestsetzung
einschließlich der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zuteilung der Gewerbesteuermessbeträge zu treffen.