BGH Beschluss v. - IX ZB 23/22

Instanzenzug: Az: 12 U 9/22vorgehend Az: 27 O 347/18

Gründe

I.

1Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Herausgabe von Unterlagen und auf Schadensersatz in Anspruch. Der Beklagte zu 1 war bis August 2014 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin. Der Beklagte zu 2 war Steuerberater der Klägerin. Nachdem der Beklagte zu 1 seine Geschäftsanteile veräußert hatte, führte das Finanzamt im Jahr 2017 eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Zeiträume 2012 und 2013 durch. Da die streitgegenständlichen Unterlagen nicht vorlagen, konnte einerseits eine Differenz zwischen den Umsatzsteuervoranmeldungen und der Umsatzsteuererklärung nicht aufgeklärt werden. Andererseits wurde von dem Finanzamt wegen fehlender Belege nur ein geringerer Vorsteuerabzug anerkannt.

2Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

3Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil ein Zulässigkeitsgrund (§ 574 Abs. 2 ZPO) nicht eingreift.

41. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Berufung sei unzulässig. Die Berufungsbegründung bestehe bis auf eine Seite aus den in erster Instanz gestellten Anträgen und in einer wörtlichen Wiedergabe von erstinstanzlichen Schriftsätzen. Eine konkrete Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Urteils erfolge nicht. Es fehle mithin an der für eine zulässige Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils bekämpft würden und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe die Klägerin diesen Punkten im Einzelnen entgegensetze.

52. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Würdigung des Berufungsgerichts ist nicht von Rechtsfehlern beeinflusst, welche die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründen könnten (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung legt die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr zutreffend zugrunde.

6a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat, wenn die Berufung darauf gestützt wird, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1, § 546 ZPO), die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser - zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich - diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsführers in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (st. Rspr., vgl. , NJW 2012, 3581 Rn. 8 mwN). Eine bloße Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen ist als Begründung allerdings grundsätzlich unzureichend (vgl. , FamRZ 2018, 283 Rn. 11 mwN). Auch reicht es nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts nur mit allgemeinen Redewendungen zu rügen (vgl. , ZIP 2021, 1675 Rn. 5).

7b) Nach diesen Maßstäben ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Berufungsbegründung der Klägerin genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht, frei von Beanstandungen und enthält keinen Zulässigkeitsgrund. Namentlich ergibt sich daraus keine Verletzung von Verfahrensgrundrechten der Klägerin.

8Von den 327 Seiten der Berufungsbegründung befassen sich lediglich die Seiten 119 und 326 f mit dem angefochtenen Urteil des Landgerichts. Die restlichen Seiten des Schriftsatzes bestehen aus den in erster Instanz gestellten und in zweiter Instanz weiterverfolgten Anträgen und der chronologischen, wörtlichen und unkommentierten Wiedergabe erstinstanzlichen Vortrags der Klägerin. Das geht nicht über eine bloße Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag hinaus. An einer konkreten Verknüpfung dieses Vorbringens mit der Begründung des Rechtsmittels mangelt es. Soweit die Berufungsbegründung auf das erstinstanzliche Urteil eingeht, fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der vom Landgericht gegebenen tragenden Begründung. Konkrete Angriffe gegen die Beweiswürdigung finden sich in dem Schriftsatz von vornherein nicht. Zur Rechtslage führt die Berufungsbegründung zwar aus, der Klägerin stehe wegen einer unterbliebenen Herausgabe der Unterlagen ein Schadensersatzanspruch zu. Darüber hinaus sei der in Frage stehende Schaden schon nach dem Prüfbericht des Finanzamts zu bejahen, auch sei eine Abänderung der Steuerbescheide nicht mehr möglich. Das geht jedoch an den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts vorbei. Das Landgericht hat gerade argumentiert, es fehle bei beiden Beklagten jedenfalls an der Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung für den behaupteten Schaden. Es sei nämlich nicht ausgeschlossen, dass es auch bei rechtzeitiger Vorlage der fehlenden Unterlagen zum Erlass gleichlautender Bescheide durch das Finanzamt gekommen wäre. Eine Auseinandersetzung mit dieser tragenden Erwägung des Gerichts erfolgt in der Berufungsbegründung der Klägerin nicht einmal ansatzweise. Ihre Ausführungen vermögen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils daher nicht in Frage zu stellen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:090223BIXZB23.22.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-37601