Online-Nachricht - Donnerstag, 13.04.2023

Umsatzsteuer | Keine Lieferung von dezentral verbrauchtem Strom (BFH)

Die Zahlung eines sog. KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom gemäß § 4 Abs. 3a KWKG 2009 führt nicht zu einer Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 4 Abs. 3a Satz 1 KWKG 2009 war ein Zuschlag auch für KWK-Strom zu entrichten, der nicht in ein Netz für die allgemeine Versorgung eingespeist wurde. Die Verpflichtung zur Zahlung des Zuschlags traf den Betreiber eines Netzes für die allgemeine Versorgung, mit dessen Netz die in § 4 Abs. 3a Satz 1 KWKG 2009 genannte KWK-Anlage unmittelbar oder mittelbar verbunden war (§ 4 Abs. 3a Satz 2 KWKG 2009).

Sachverhalt: Die Klägerin ist u.a. als Betreiberin von öffentlichen Stromverteilernetzen tätig. An diese Stromnetze sind von unterschiedlichen Anlagenbetreibern betriebene KWK-Anlagen zur Stromerzeugung angeschlossen. Es handelt sich dabei auch um solche Anlagen, bei denen die Betreiber den erzeugten Strom (nahezu) ausschließlich selbst (dezentral) verbrauchen. Die Klägerin zahlte den Anlagenbetreibern gemäß der im Streitjahr geltenden Vorschriften des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (§ 4 KWKG) einen Zuschlag auch für den Strom, der aufgrund des dezentralen Verbrauchs tatsächlich nicht in das Stromnetz für den allgemeinen Gebrauch eingespeist wurde. Die Klägerin erstellte hierüber keine gesonderten Abrechnungen und unterwarf den Vorgang auch nicht der Umsatzsteuer.

Das FA vertrat unter Hinweis auf Abschnitt 2.5 UStAE die Auffassung, dass der gesamte von den Betreibern der KWK-Anlagen erzeugte und selbst verbrauchte Strom zunächst in das öffentliche Stromnetz eingespeist und fiktiv an die Klägerin geliefert werde. In einem zweiten Schritt werde dieser Strom dann von der Klägerin als Netzbetreiberin wieder fiktiv an den Anlagenbetreiber zurück geliefert. Diese "Hin- und Rücklieferungen" seien umsatzsteuerlich zu erfassen. Daher setzte das FA hinsichtlich der "Rücklieferung" des dezentral verbrauchten Stroms Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin fest. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (, s. hierzu Jeske, sowie unsere Online-Nachricht v. 10.8.2021).

Die Richter des BFH wiesen die hiergegen gerichtete Revision des FA zurück:

  • Der sog. Direktverbrauch bei zuschlagsberechtigten KWK-Anlagen führt nicht zu einer Lieferung an den Betreiber des Stromnetzes (Netzbetreiber).

  • Entgegen der Ansicht des FA kann eine Stromlieferung von der Klägerin an die Anlagenbetreiber nicht fingiert werden.

  • Eine Hin- und Rücklieferung ergibt sich u.a. nicht aus § 4 Abs. 3a KWKG 2009. Es handelt sich hierbei insbesondere nicht um eine Regelung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, wonach ein Umsatz nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt.

  • Mit der Zahlung des Zuschlags nach § 4 Abs. 3a KWKG 2009 erhielt der Anlagenbetreiber für den nicht eingespeisten Strom lediglich eine finanzielle Förderung, die der Stromnetzbetreiber zu zahlen hatte, der wiederum die Kosten des Zuschlags letztlich auf die Letztverbraucher umlegte (vgl. § 9 Abs. 7 KWKG 2009).

  • Bereits der auf die Begründung einer Zahlungspflicht für eine Nichteinspeisung beschränkte Wortlaut der Regelung spricht gegen die Annahme einer Lieferung an den Netzbetreiber wie auch gegen eine Rücklieferung durch diesen an den Anlagenbetreiber. Aus einer bloßen Vergütungsregelung folgt nicht, dass der Zahlende Empfänger einer Leistung ist.

  • Bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 3a KWKG 2009. Die Regelung bezweckte, dass die Betreiber von KWK-Anlagen auch insoweit Zuschläge erhalten, als der von ihnen erzeugte KWK-Strom im Rahmen der im Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG) geregelten Eigenversorgung in ein anderes Netz als dem für die allgemeine Versorgung eingespeist und an ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes geliefert wurde. Der Netzbetreiber sollte vor dem Hintergrund der Versorgungssicherheit sowie des Ressourcen- und Klimaschutzes als gewichtigen Gemeinwohlzielen lediglich den Zuschlag für den KWK-Eigenversorgungsstrom zahlen.

  • Schließlich spricht der Zweck des § 4 Abs. 3a KWKG 2009 gegen eine Lieferung des vom Anlagenbetreiber dezentral verbrauchten Stroms an den Netzbetreiber und wieder zurück. Die Einführung von § 4 Abs. 3a KWKG erfolgte allein aus energiepolitischen Zwecken zur Förderung der Betreiber von KWK-Anlagen, die Strom zur Eigenversorgung erzeugten.

  • Mit der Einführung des Absatzes 3a sollten auch die Betreiber von KWK-Anlagen Zuschläge nach dem Gesetz erhalten, soweit der von ihnen erzeugte KWK-Strom nicht in das Netz für die allgemeine Versorgung, sondern im Rahmen der im EnWG geregelten Eigenversorgung in ein anderes Netz eingespeist und an ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes geliefert wird (BT-Drucks 16/8305, S. 16). Dieser energiepolitische Zweck beeinflusste nicht die Frage, ob dem Stromnetzbetreiber der dezentral verbrauchte Strom vom Anlagenbetreiber i.S. des § 3 Abs. 1 UStG geliefert wird. Hierüber ist vielmehr unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität ( "ITH Comercial Timișoara", EU:C:2020:919, Rz 48) zu entscheiden.

  • Insoweit übertrug der Anlagenbetreiber im Fall des § 4 Abs. 3a KWKG 2009 dem Stromnetzbetreiber gerade nicht Substanz, Ertrag oder Wert des dezentral verbrauchten Stroms, da dieser Strom nicht in das Netz des Stromnetzbetreibers eingespeist wurde und der Stromnetzbetreiber über diesen Strom auch nicht anderweitig - den Anlagenbetreiber ausschließend - verfügen konnte.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:

Die Entscheidung ist für die Betreiber von eingesetzten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen), die dezentral den Strom verwenden, ohne ihn tatsächlich in ein Netz der allgemeinen Stromversorger einzuspeisen, wichtig und begünstigend.

Die Verwaltung war der Ansicht, dass von einer fiktiven Lieferung des Stroms auszugehen sei. Die Mengen an dezentral verbrauchten Strom würden aufgrund des KWK-Bonus genau festgestellt. Diese Mengen würden vom Stromversorger mit dem Zuschlag vergütet. Es müsse daher von einer Lieferung ausgegangen werden.

Der BFH folgt der Verwaltung und der Vorinstanz nicht und setzt für eine Lieferung eine tatsächliche/physische Einspeisung voraus. Auch eine kaufmännisch-bilanzielle Weitergabe komme nicht in Betracht. Denn der Anlagenbetreiber "lieferte" den selbst erzeugten Strom in seinem eigenen Stromnetz (sog. Kundenanlage), ohne bilanziell eine Stromeinspeisung in das Elektrizitätsversorgungsnetz und eine Stromentnahme aus dem Elektrizitätsversorgungsnetz vorzunehmen. Im Ergebnis kann man daher festhalten: ohne physische Einspeisung von Strom kann auch keine steuerpflichtige Lieferung angenommen werden.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
SAAAJ-37546