BGH Beschluss v. - V ZR 70/21

Instanzenzug: OLG Rostock Az: 3 U 34/19vorgehend LG Rostock Az: 10 O 1016/16 (2)

Gründe

I.

1Der Kläger hat von der Beklagten Zahlung von Schadensersatz bzw. Bereicherungsausgleich wegen durchgeführter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus einer Grundschuld begehrt. Er hat erstinstanzlich mit den Klageanträgen zu 1-5 bezifferte Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 516.466,07 € nebst Zinsen geltend gemacht. Ferner hat er die Beklagte mit dem Klageantrag zu 6 auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.855,51 € in Anspruch genommen. Schließlich hat er mit dem Klageantrag zu 7 beantragt festzustellen, dass die Beklagte ihm jene Aufwendungen zu ersetzen hat, die er zur Durchsetzung der Rückgewähransprüche der im Grundbuch eingetragenen Grundschulden aufbringen muss, soweit sie gegen die Rückgewährschuldner nicht durchgesetzt werden können. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger den bereits erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag nunmehr als Klageantrag zu 6 gestellt und in der Weise modifiziert, dass er die Feststellung begehrt hat, dass die Beklagte ihm die notwendigen Aufwendungen zu ersetzen hat, die ihm bei der Durchsetzung der Rückgewähransprüche der im Grundbuch eingetragenen Grundschulden entstehen und für die die Rückgewährschuldner der Grundschulden neben der Beklagten gesamtschuldnerisch haften. Ferner hat er nunmehr mit dem Klageantrag zu 7 die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt sowie zusätzlich mit dem Klageantrag zu 10 hilfsweise die Feststellung, dass die Vollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde des Notars H.   B.   , L.     -T.       , vom Nr. 88/1998 insgesamt endgültig unzulässig ist. Im Übrigen hat er die erstinstanzlichen Klageanträge auch im Berufungsverfahren gestellt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Den Hilfsantrag zu 10 hat das Berufungsgericht mit der Begründung nicht in der Sache beschieden, die Voraussetzungen einer Klageänderung nach § 533 Nr. 1 ZPO hätten nicht vorgelegen.

2Der Kläger hat seinen Prozessbevollmächtigten beauftragt, gegen das Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen und die Erfolgsaussichten im Hinblick auf den angefochtenen Beschluss des Berufungsgerichts zu prüfen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung hat der Kläger nur die Zahlungsanträge zu 1-5 und 7 weiterverfolgt. Der Senat hat mit Beschluss vom die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückgewiesen und den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens - entsprechend der Gesamthöhe der bezifferten Zahlungsansprüche - auf 516.466,07 € festgesetzt.

3Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, den Wert seiner außergerichtlichen Tätigkeit auf 620.000 € festzusetzen.

4Der Kläger bringt dagegen vor, der Gegenstandswert der geprüften Anträge außerhalb des Beschwerdeverfahrens sei in der Antragsbegründungsschrift nur in Höhe von 103.533,93 € angegeben, so dass dem Antrag schon nach der eigenen Begründung nicht zu folgen sei. Der Hilfsantrag zu 10 führe nicht zu einer Streitwerterhöhung der bezifferten Klage, da der Gegenstand dieses Antrags mit dem Hauptantrag identisch gewesen sei und sich das Leistungsbegehren mit dem Feststellungsbegehren decke.

II.

5Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 33 Abs. 1 RVG.

61. Nach dieser Vorschrift setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest, wenn sich Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn ein Rechtsmittel aufgrund eines unbeschränkten Rechtsmittelauftrags uneingeschränkt eingelegt, dann aber entsprechend dem Inhalt der Rechtsmittelbegründung nur beschränkt durchgeführt wird (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 299/14, BeckRS 2019, 29151 Rn. 3; , NJW-RR 2018, 700 Rn. 18, 29).

72. So liegt es hier. Der Kläger hat uneingeschränkt Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts eingelegt. Er hat das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aber nur wegen eines Teils seiner Beschwer tatsächlich durchgeführt. Der unbeschränkten Einlegung der Beschwerde lag ein unbeschränkter Rechtsmittelauftrag zugrunde. Wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers dargelegt hat, hat der Kläger ihn beauftragt, zunächst uneingeschränkt bei dem Bundesgerichtshof Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen und die Erfolgsaussichten für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der gesamten Beschwer zu prüfen. Erst nach dem Ergebnis seiner Begutachtung hat er die Beschwerde im Einvernehmen mit dem Kläger auf den Betrag von 516.466,07 € begrenzt.

83. Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit ist in einem solchen Fall abweichend von § 32 Abs. 1 RVG nicht nach dem Wert des gerichtlichen Verfahrens zu bestimmen. Diese Vorgabe gilt nämlich nur, wenn der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens mit dem der anwaltlichen Tätigkeit identisch ist. Liegt der Wert der bei der Einlegung eines Rechtsmittels entfalteten anwaltlichen Tätigkeit höher als der Wert des später durchgeführten Rechtsmittelverfahrens, ist der Rechtsanwalt nicht gehindert, für seine auf einem umfassenderen Auftrag beruhende Tätigkeit entsprechende Gebühren gegenüber seinen Mandanten geltend zu machen. Der Wert dieser Tätigkeit entspricht dem uneingeschränkten Auftrag, dessen Wert wiederum der Beschwer aus dem angefochtenen Urteil (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 299/14, BeckRS 2019, 29151 Rn. 5).

94. Die Beschwer des Klägers aus der Entscheidung des Berufungsgerichts beläuft sich auf 616.466,07 €. Die für die Zulässigkeit und die sachliche Berechtigung der Festsetzung erforderlichen tatsächlichen Behauptungen und die für eine Schätzung nötigen Angaben hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom vorgetragen.

10a) Für die Berechnung der Beschwer des Klägers aus dem Berufungsurteil ist von dem durch Senatsbeschluss vom für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren festgesetzten Gegenstandswert von 516.466,07 € auszugehen. Der Kläger hat die Durchführung des Beschwerdeverfahrens auf die bezifferten Klageanträge zu 1 bis 5 und 7 beschränkt, mit denen er im Berufungsverfahren unterlegen ist. Diese ergeben einen Wert von 516.466,07 €.

11b) Beschwert wird der Kläger aus dem Berufungsurteil ferner durch die endgültige Abweisung des im Berufungsrechtszug gestellten Feststellungsantrags zu 6, durch welchen festgestellt werden sollte, dass die Beklagte dem Kläger die notwendigen Aufwendungen zu ersetzen hat, die ihm bei der Durchsetzung der Rückgewähransprüche der im Grundbuch eingetragenen Grundschulden entstehen und für die die Rückgewährschuldner der Grundschulden neben der Beklagten gesamtschuldnerisch haften. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die     N.    AG eine Grundschuld über 8 Millionen DM wirksam an die Beklagte abgetreten, die später geteilt wurde. Die erforderlichen Aufwendungen zur Durchsetzung der behaupteten Rückgewähransprüche lassen sich entsprechend den Ausführungen im Schriftsatz des Klägervertreters vom , denen der Kläger nicht entgegengetreten ist, angesichts der Nominalwerte der Grundschulden und der Höhe der abgesicherten Darlehensforderungen und unter Berücksichtigung des üblichen Abzugs von 20 % wegen mangelnder Vollstreckungsfähigkeit eines Feststellungsurteils auf jedenfalls 50.000 € schätzen.

12c) Schließlich ist der Kläger dadurch beschwert, dass das Berufungsgericht den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag zu 10 in der Sache nicht beschieden hat, weil es die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz für unzulässig erachtet hat.

13aa) Mit dem Hilfsantrag hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Vollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde vom insgesamt endgültig unzulässig sei. Angesichts des Nominalwerts der Grundschulden beläuft sich das wirtschaftliche Interesse an der Beseitigung der Vollstreckbarkeit der Grundschuldbestellungsurkunde auf jedenfalls 50.000 €. Denn der Streitwert der Vollstreckungsgegenklage bestimmt sich nach dem Nennwert der titulierten Forderung. Das gilt auch dann, wenn Teile der Forderung erfüllt oder beigetrieben sind, es sei denn, aus den Klageanträgen oder aus der Klagebegründung ergibt sich, dass die Vollstreckung aus der Urkunde nur teilweise für unzulässig erklärt werden soll (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 82/13, BeckRS 2014, 17486 Rn. 1). Hierfür gibt es im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte.

14bb) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Gegenstand des Eventualantrags mit dem der Hauptanträge mangels wirtschaftlicher Identität zu addieren (§ 23 Abs. 1 Satz 2, 3 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 2, 3 GKG). Nach ständiger Rechtsprechung besteht zwischen dem Gegenstand des Haupt- und eines Hilfsantrags wirtschaftliche Identität, wenn beiden, das durch die Antragstellung hergestellte Eventualverhältnis hinweggedacht, nicht gleichzeitig stattgegeben werden könnte, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen nach sich zöge (vgl. , NJW-RR 2017, 1453 Rn. 9). Nach diesen Grundsätzen mangelt es hier an einer wirtschaftlichen Identität von Haupt- und Hilfsantrag. Das Leistungsbegehren deckt sich nicht mit dem Feststellungsbegehren. Während das Feststellungsbegehren darauf gerichtet war, die Vollstreckung aus dem Titel für unzulässig zu erklären, hat der Kläger mit seinem Leistungsbegehren das Ziel verfolgt, Ersatz für den durch die Vollstreckung erlittenen Schaden zu erlangen. Der Kläger hat seine Zahlungsansprüche auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt, u.a. auch auf eine Verletzung der Pflichten aus der Sicherungsvereinbarung. Nicht alle Rechtsgründe hängen demnach von der Frage der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde ab.

15d) Schließlich kommt es nicht darauf an, ob sich das Berufungsgericht mit dem auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichteten Berufungsantrag zu 6 befasst hat. Der abgewiesene Antrag zu 6 betrifft eine Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, § 23 Abs. 1 RVG und ist daher für die Bestimmung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit unbeachtlich und bei der Wertfestsetzung auch nicht berücksichtigt worden.

III.

16Die Nebenentscheidungen folgen aus § 33 Abs. 9 RVG.

Malik

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:220223BVZR70.21.0

Fundstelle(n):
DStR 2023 S. 14 Nr. 17
NWB-Eilnachricht Nr. 24/2023 S. 1693
NWB-Eilnachricht Nr. 24/2023 S. 1693
UAAAJ-37528