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BGH Beschluss v. - NotZ (Brfg) 6/22

Ablehnung von Notarstelle wegen fehlender persönlicher Eignung

Gesetze: § 1 BNotO, § 5 Abs 1 BNotO, § 14 Abs 1 S 2 BNotO, § 28 BNotO, § 64a BNotO, § 64d Abs 1 Nr 1 BNotO, § 43a Abs 4 BRAO, § 45 Abs 1 Nr 1 Buchst c BRAO

Instanzenzug: Az: Not 2/20

Gründe

I.

1Der im Jahr 1973 geborene Kläger ist seit April 1999 als Rechtsanwalt zugelassen und wurde seit Juli 2000 fortlaufend zum Notarvertreter bestellt.

2Am 19. April und am erteilte die zuständige Rechtsanwaltskammer dem Kläger jeweils eine Rüge wegen des Vorwurfs, er habe in den Jahren 2003 bis 2006 beziehungsweise im November 2006 einen Urkundsbeteiligten anwaltlich vertreten, nachdem sein Sozius in derselben Angelegenheit als Notar tätig gewesen sei. Eine weitere Rüge sprach die Rechtsanwaltskammer gegen den Kläger am wegen des Vorwurfs der Vertretung widerstreitender Interessen aus. Ein wegen dieses Vorwurfs eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße von 5.000 € im Jahr 2012 gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestellt.

3Im Mai 2015 bewarb sich der Kläger auf eine von zwei am für den Bezirk des Amtsgerichts H.            ausgeschriebenen Notarstellen. Mit Bescheid vom teilte die beklagte Präsidentin des Oberlandesgerichts dem Kläger mit, dass er wegen Bedenken an seiner Fähigkeit zur Wahrung der Neutralität und hierdurch begründeter Zweifel an seiner persönlichen Eignung bei der Stellenbesetzung nicht berücksichtigt werden könne. Von den beiden ausgeschriebenen Notarstellen wurde bislang nur eine besetzt.

4Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Oberlandesgericht die Beklagte mit Urteil vom unter Aufhebung des Bescheids vom verpflichtet, die Bewerbung des Klägers unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung erneut zu bescheiden. Die Beklagte habe zwar das zurückliegende berufsrechtswidrige Verhalten des Klägers bei ihrer Auswahlentscheidung zutreffend berücksichtigt, es sei aber nicht erkennbar, dass auch die vom Kläger beanstandungsfrei wahrgenommenen Notarvertretungen in der gebotenen Weise in die Eignungsprognose eingestellt worden seien.

5In der Folge holte die Beklagte weitere Erkundigungen zu dem gegen den Kläger geführten berufsrechtlichen Ermittlungsverfahren und zu dessen bisheriger Notarvertretertätigkeit ein und forderte eine aktualisierte Bewerbung des Klägers an. Der Kläger kam dem mit Schreiben vom nach und wies dabei auch darauf hin, dass gegen ihn erneut ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Das Verfahren betrifft den Vorwurf, der Kläger sei im Zeitraum 2015/2016 für eine Partei eines von ihm als Notarvertreter beurkundeten Kaufvertrags in einem nachfolgenden Rechtsstreit zwischen den Kaufvertragsparteien, in dem es auch um Honoraransprüche seiner Sozietät als Schadensposition gegangen sei, tätig geworden. Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf mit, dass vor einer Entscheidung über seine Bewerbung zunächst der Ausgang des aufsichtsrechtlichen Verfahrens der Rechtsanwaltskammer abzuwarten sei. Im weiteren Verlauf leitete die zuständige Staatsanwaltschaft wegen des Vorgangs ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Parteiverrats ein, das im Jahr 2019 in der Erhebung einer Anklage und einem bislang nicht abgeschlossenen Strafverfahren mündete. Das berufsrechtliche Ermittlungsverfahren wurde mit Blick auf das Strafverfahren vorläufig eingestellt.

6Am hat der Kläger gegen die Beklagte Untätigkeitsklage erhoben. Mit Blick auf das gegen den Kläger laufende Strafverfahren hat der Notarsenat des Oberlandesgerichts das Verfahren ausgesetzt. Nachdem das Amtsgericht den Kläger in der Folge aus Rechtsgründen freigesprochen und die Staatsanwaltschaft hiergegen Berufung eingelegt hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom mit, dass ihm keine der ausgeschriebenen Notarstellen übertragen werde, weil er mit seinem anwaltlichen Tätigwerden im Zivilrechtsstreit seiner früheren Urkundsbeteiligten jedenfalls den Tatbestand des § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO a.F. (jetzt § 45 Abs. 1 Nr. 1 c) BRAO) erfüllt und somit auch ungeachtet des weiterhin laufenden Strafverfahrens zum maßgeblichen Zeitpunkt der seinerzeitigen Entscheidung über die Bewerbung nicht über die notwendige persönliche Eignung für die Übertragung eines Notaramtes verfügt habe.

7Die vom Kläger hierauf in eine „Anfechtungs- und Leistungsklage“ geänderte Klage, mit der er das Ziel verfolgt, den Bescheid vom aufheben und die Beklagte zur Neubescheidung seiner Bewerbung verpflichten zu lassen, hat keinen Erfolg gehabt. Die Berufung hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er möchte sein Begehren, die Notarstelle übertragen zu bekommen, nach Zulassung der Berufung weiterverfolgen.

8Das Landgericht Bielefeld hat das den Angeklagten freisprechende Urteil des Amtsgerichts zwischenzeitlich bestätigt; über die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision hat das Oberlandesgericht - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden.

II.

9Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

10Ein Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO liegt nicht vor. Insbesondere bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) noch weist die Sache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 111d Satz 2 BNotO). Schließlich kommt der Sache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO zu.

111. Die Zulassung der Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geboten.

12a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) ist gegeben, wenn der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und sich dies auf die Richtigkeit des Ergebnisses auswirken kann (st. Rspr. zB Senat, Beschluss vom - NotZ(Brfg) 7/21, NJOZ 2022, 1179 Rn. 8 mwN).

13b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Oberlandesgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die dagegen vom Kläger vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

14Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung seiner Bewerbung (§ 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), weil der ablehnende Bescheid vom rechtmäßig ist. Ihm kann die ausgeschriebene Notarstelle mangels persönlicher Eignung nicht übertragen werden.

15aa) Gemäß § 5 Abs. 1 BNotO (zuvor § 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO a.F.) darf zum Notar nur bestellt werden, wer persönlich und fachlich für das Amt geeignet ist. Auch bei begründeten Zweifeln an der persönlichen Eignung darf ein Bewerber nicht oder noch nicht zum Notar bestellt werden (Senat, Beschlüsse vom - NotZ 21/09, ZNotP 2010, 314 juris Rn. 8 mwN und vom - NotZ 33/98, DNotZ 2000, 145, 146).

16Das Kriterium der persönlichen Eignung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Verneinung durch die Justizverwaltung nach § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 114 VwGO nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt (Senat, Beschlüsse vom - NotZ(Brfg) 2/18, WM 2019, 85 Rn. 3; vom - NotZ 30/04, DNotZ 2005, 796 mwN; vom - NotZ 33/98, DNotZ 2000, 145, 146 und vom - NotZ 48/95, BGHZ 134, 137, 139 f., 141 f.). Das Gericht darf nur prüfen, ob die Justizverwaltung von einem zutreffenden Verständnis der gesetzlichen Auswahlmaßstäbe ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet, sachwidrige Erwägungen ausgeschlossen und den zu beurteilenden Tatbestand verfahrensfehlerfrei festgestellt hat (Senat aaO).

17bb) Hieran gemessen ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der Notarsenat des Oberlandesgerichts das berufliche Fehlverhalten des Klägers in Form von Verstößen gegen das Mitwirkungsverbot gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAO a.F. (jetzt § 45 Abs. 1 Nr. 1 c) BRAO) und das Verbot widerstreitender Interessen (§ 43 Abs. 4 BRAO), das Gegenstand der dem Kläger in den Jahren 2007 und 2010 erteilten Rügen war, und das dem noch laufenden Strafverfahren zugrunde liegende - jedenfalls berufsrechtswidrige - Verhalten des Klägers zu Recht bei seiner Eignungsprognose berücksichtigt und auf dieser Grundlage dessen Eignung für das Amt des Notars rechtsfehlerfrei verneint.

18(1) Einer Berücksichtigung des früheren Fehlverhaltens des Klägers, das Gegenstand der Rügen in den Jahren 2007 und 2010 war, steht nicht etwa die Bindungswirkung des entgegen. Aus der genannten Entscheidung ergibt sich schon nicht, dass die berufsrechtlichen Verfehlungen des Klägers keinen Eingang in die Eignungsbeurteilung hätten finden dürfen. Ebenso wenig trifft die Entscheidung eine - bindende - Aussage darüber, dass dem bisherigen beruflichen Fehlverhalten des Klägers gegenüber den von ihm beanstandungsfrei wahrgenommenen Notarvertretungen nur ein solch geringes Gewicht beizumessen wäre, dass die Eignungsprognose positiv ausfallen müsste. Schließlich entfaltet das auch keine Bindungswirkung dergestalt, dass für die erneute Bescheidung der Bewerbung des Klägers eine Berücksichtigung neu gewonnener Erkenntnisse ausschiede. Vielmehr gilt auch für die erneute Entscheidung über eine Bewerbung nach einem vom Bewerber erstrittenen Bescheidungsurteil der Grundsatz, dass für die Beurteilung der Eignung auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist abzustellen ist (vgl. hierzu Senat, Beschlüsse vom - NotZ(Brfg) 7/21, NJOZ 2022, 1179 Rn. 13; vom - NotZ 30/04, DNotZ 2005, 796, 797 mwN; vgl. auch BR-Drucks 890/95 S. 20), die Eignung des Bewerbers im Sinne des § 5 Abs. 1 BNotO (zuvor § 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO a.F.) aber auch zur Zeit der Besetzungsentscheidung nicht fehlen darf (vgl. Senat, Beschlüsse vom - NotZ 33/98, DNotZ 2000, 145, 147 und vom - NotZ 48/95, BGHZ 134, 137, 142). Die Beurteilung ist aufgrund einer Gesamtschau zu treffen, in die alle Erkenntnisse mit Aussagekraft für die Eignungsbeurteilung einzustellen sind (siehe Senat, Beschluss vom - NotZ 33/92, NJW-RR 1994, 745, 746).

19(2) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen auch nicht deshalb, weil das Oberlandesgericht die berufsrechtlichen Verfehlungen des Klägers im Zusammenhang mit dem im Zeitraum 2015/2016 geführten Zivilrechtsstreit über den von ihm beurkundeten Kaufvertrag seiner Auswahlentscheidung nicht hätte zugrunde legen dürfen.

20(a) Das berufsrechtswidrige Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit der Beteiligten seines Beurkundungsgeschäfts ist rechtsfehlerfrei festgestellt. Das Oberlandesgericht hat insoweit nicht nur auf die Feststellungen des freisprechenden Urteils des Amtsgerichts Bielefeld vom Bezug genommen, sondern - dies ist nicht zu beanstanden - insbesondere auch darauf abgestellt, dass der Kläger das ihm zur Last gelegte Verhalten - die Wahrnehmung der Interessen eines der Urkundsbeteiligten im nachfolgenden Zivilrechtsstreit - nicht bestritten, sondern er lediglich die mögliche Tätereigenschaft des beurkundenden Notars beziehungsweise Notarvertreters in Abrede gestellt hat. Ungeachtet dessen reicht es, um die persönliche Eignung eines Bewerbers als Notar zu verneinen, aus, dass der begründete Verdacht eines gewichtigen berufsrechtlichen Fehlverhaltens besteht (Senat, Beschluss vom - NotZ 5/00, DNotZ 2000, 943, 944 f.).

21(b) Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte hätte die Erkenntnisse aus dem Ermittlungs- und Strafverfahren wegen eines Beweisverwertungsverbotes ihrer Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen, geht fehl.

22(aa) Zu Recht ist das Oberlandesgericht zunächst davon ausgegangen, dass § 64a Abs. 2 BNotO a.F. (jetzt § 64d BNotO) staatliche Stellen zur Übermittlung von persönlichen Daten betreffend den Bewerber auf eine Notarstelle ermächtigt, der hiermit verbundene Eingriff in das Recht des Bewerbers auf informationelle Selbstbestimmung von der Ermächtigungsnorm gedeckt und im Fall überwiegender öffentlicher Belange (vgl. hierzu BVerfGE 65, 1, 47; 80, 367, 373) auch gerechtfertigt ist, es insbesondere auf eine Einwilligung des betroffenen Bewerbers insoweit nicht ankommt (vgl. auch Herrmann in Schippel/Bracker, BNotO, 10. Aufl., § 64a Rn. 10; Herrmann in BeckOKBNotO, Eschwey, 6. Ed. Stand , § 64d Rn. 1). Das Oberlandesgericht hat insbesondere richtig ausgeführt, dass das Interesse des Bewerbers an der Geheimhaltung ihn betreffender persönlicher Daten in der Abwägung hinter dem Interesse der Allgemeinheit, nur geeignete Bewerber mit dem Notaramt zu betrauen, zurückstehen muss, weil dem Amt des Notars für eine funktionierende vorsorgende Rechtspflege als überragend wichtigem Gemeinschaftsgut eine hohe Bedeutung zukommt (zur Bedeutung der vorsorgenden Rechtspflege vgl. Senat, zB Urteil vom NotZ(Brfg) 7/18 - WM 2019, 2041, 2043 Rn. 15).

23(bb) Der Verwertung der Erkenntnisse aus dem Ermittlungs- und Strafverfahren steht auch ein Verwertungsverbot wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder wegen Verletzung sonstiger rechtsstaatlicher Grundsätze nicht entgegen. Dahingestellt bleiben kann dabei, ob aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, NJW 2021, 3654, 3655 Rn. 13 f. mwN), wonach vor Gewährung von Akteneinsicht an einen von einer Straftat Verletzten der Beschuldigte anzuhören ist, folgt, dass auch die Übermittlung von personenbezogenen Daten in einem Bewerbungs- und Stellenbesetzungsverfahren im notariellen Bereich eine vorherige Anhörung des betroffenen Bewerbers voraussetzt. Selbst wenn nämlich die der Beklagten von den Ermittlungsbehörden und Strafgerichten gewährte Akteneinsicht und die von ihnen erteilten Auskünfte mangels vorheriger Anhörung des Klägers rechtswidrig gewesen wären, würde dies - so das Oberlandesgericht zutreffend - kein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen.

24Gemäß § 64a BNotO gelten für das behördliche Verfahren die Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze. Im Verwaltungsverfahren besteht indes wie auch im Strafverfahren kein ausnahmsloses Verwertungsverbot für rechtsfehlerhaft gewonnene Beweise; vielmehr ist im Einzelfall abzuwägen, ob unter Berücksichtigung eines rechtswidrig erlangten Beweises das öffentliche Interesse an einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung in der Abwägung überwiegt oder der Schutzzweck der Norm, die bei der Beweiserhebung verletzt wurde, ein Verwertungsverbot fordert. Bei schwerwiegenden beziehungsweise willkürlichen Verstößen, die Verfahrensvorgaben planmäßig oder systematisch außer Acht lassen, oder besonders geschützten Geheimhaltungsinteressen Betroffener kann ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen sein (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 1502/04, NVwZ 2005, 1175 und vom - 2 BvR 75/94, NJW 2000, 3557; OVG 1 A 3.13, juris Rn. 43; , juris Rn. 9; Ritter in Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl. Stand: § 26 VwVfG Rn. 16; Schneider in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022 § 24 Rn. 94 ff., insbesondere Rn. 96).

25Nichts anderes gilt im Ergebnis für das gerichtliche Verfahren. Auch nach dem insoweit geltenden Beweisrecht, das sich gemäß § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO nach dem Verwaltungsprozessrecht beziehungsweise gemäß § 173 Satz 1 VwGO nach den Beweisregeln der Zivilprozessordnung richtet ( 3 B 12.96 - juris Rn. 361 mwN), hängt die Konsequenz einer Verletzung von Beweiserhebungsregelungen für das weitere Verfahren von einer Abwägung ab (vgl. zB VGH Mannheim, Urteil vom - 10 S 2327/07, juris Rn. 34 mwN; OVG Berlin aaO mwN; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 98 Rn. 4; H. Müller in Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl. Stand § 98 VwGO Rn. 43 f. mwN).

26Die danach gebotene Abwägung führt aus den vom Oberlandesgericht genannten, zutreffenden Gründen nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Das Interesse der Allgemeinheit an der Verwertung der Erkenntnisse aus der Einsicht in die Ermittlungs- und Strafverfahrensakten sowie der Sachstandsmitteilungen der Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte dient der Auswahl geeigneter Bewerber für das Amt des Notars und damit einer funktionierenden vorsorgenden Rechtspflege; es hat ein deutlich höheres Gewicht als das Interesse des Klägers, vor der Akteneinsicht über deren - von ihm ohnedies nicht zu verhindernde - Gewährung angehört zu werden.

27(cc) Ein Verwertungsverbot folgt auch nicht daraus, dass - wie der Kläger meint - ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Parteiverrats schon nicht gegen ihn hätte eingeleitet werden dürfen. Warum ein die Einleitung eines Ermittlungs- und Strafverfahrens rechtfertigender Anfangsverdacht nicht vorgelegen haben sollte, legt der Kläger schon nicht nachvollziehbar dar. Er verkennt überdies, dass es gerade Sinn und Zweck eines Ermittlungs- und Strafverfahrens ist, aufzuklären und zu entscheiden, ob sich eine Person strafbar gemacht hat.

28(dd) Ungeachtet dessen ist die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens nicht wesentlich für die selbständig zu prüfende Frage, ob aus dem zugrundeliegenden Verhalten negative Folgerungen im Hinblick auf die wegen des öffentlichen Amts erhöhten persönlichen Anforderungen an einen Notar zu ziehen sind (Senat, Beschluss vom - NotZ(Brfg) 10/13, DNotZ 2014, 311 Rn. 15 mwN).

29(3) Die Berücksichtigung des beruflichen Fehlverhaltens des Klägers erweist sich auch nicht deshalb als rechtsfehlerhaft, weil dieses wegen der seit den Verstößen vergangenen Zeit und zwischenzeitlichen Wohlverhaltens des Klägers nicht mit dem ihm beigemessenen Gewicht in die Eignungsprognose hätte einfließen dürfen.

30(a) Ob und gegebenenfalls mit welchem Gewicht ein früheres berufliches Fehlverhalten des Bewerbers in die Eignungsprognose einzustellen ist, ist keiner schematischen Beurteilung zugänglich, sondern hängt von verschiedenen Faktoren ab. Insbesondere spielt für die Berücksichtigungsfähigkeit früheren berufsrechtlich relevanten Fehlverhaltens eines Bewerbers nicht nur der Zeitablauf seit dem Verstoß gegen Berufsrecht eine Rolle, sondern auch Art und Gewicht des Verstoßes, eine etwaige Wiederholung berufsrechtlich relevanten Fehlverhaltens und das sonstige Verhalten des Bewerbers, das gegebenenfalls Rückschlüsse auf eine Einsicht oder auch auf eine grundsätzliche Fehleinstellung des Bewerbers zulässt (st. Rspr.; vgl. hierzu zB Senat, Beschluss vom - NotZ 30/04, DNotZ 2005, 796 f. mwN; vom - NotZ 33/92, NJW-RR 1994, 745, 746 f. mwN). Eine absolute zeitliche Grenze der Berücksichtigungsfähigkeit von berufsrechtlichen Verfehlungen folgt insoweit nur aus den gesetzlichen Tilgungsfristen (§ 205a Abs. 1, 3 und 4 BRAO a.F.; nunmehr § 205a Abs. 1 Nr. 1 b), Abs. 3 und 4 BRAO n.F.; § 110a BNotO).

31(b) An diesen Maßgaben gemessen begegnet die angefochtene Entscheidung keinen Bedenken. Das Oberlandesgericht hat die Verstöße des Klägers gegen das Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAO a.F. (jetzt § 45 Abs. 1 Nr. 1 c) BRAO) und das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43 Abs. 4 BRAO) sowie die in seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Zivilrechtsstreit seiner vorherigen Urkundsbeteiligten zusätzlich liegende Verletzung nachwirkender Pflichten aus der Notariatsvertretung (§ 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2, § 28 BNotO) auch mit Blick auf die zeitlichen Abläufe zu Recht bei seiner Eignungsprognose berücksichtigt und diesen in der gebotenen Gesamtbetrachtung auch nicht zu großes Gewicht beigemessen.

32Da der Notar als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege (§ 1 BNotO) wichtige und schwierige Aufgaben zu erfüllen hat, darf der anzulegende Maßstab an die zu fordernden persönlichen Eigenschaften eines Notarbewerbers nicht zu milde sein. Wenn die Justizverwaltung bei der pflichtgemäßen Prüfung aller Umstände begründete Zweifel daran hat, ob der Bewerber diese Eigenschaften besitzt, darf sie ihn nicht oder noch nicht zum Notar bestellen (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschlüsse vom - NotZ 10/93, juris Rn. 12; vom - NotZ 33/92, NJW-RR 1994, 745, 746 mwN).

33Hieran gemessen hat das Oberlandesgericht dem berufsrechtswidrigen Verhalten des Klägers mit tragfähiger Begründung ein nicht unerhebliches Gewicht beigemessen und auf dieser Grundlage die persönliche Eignung des Klägers für das Amt des Notars zu Recht verneint. Es hat insoweit richtig bedacht, dass die notarielle Neutralitätspflicht (§ 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2, § 28 BNotO), die eine strikte Beachtung von Mitwirkungsverboten gebietet, wegen ihrer zentralen Bedeutung für die Akzeptanz des Anwaltsnotariats in der Bevölkerung für die Auswahlentscheidung von besonderer Bedeutung ist. Nicht zu beanstanden ist insoweit insbesondere, dass das Oberlandesgericht in seine Überlegungen eingestellt hat, dass der Kläger wiederholt gegen anwaltsrechtliche Mitwirkungsverbote verstoßen hat und es sich daher nicht um eine singuläre Verfehlung handelte, dass das Fehlverhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit seiner früheren Urkundsbeteiligten unmittelbar Pflichten aus seiner Tätigkeit als Notarvertreter betraf, sowie dass insoweit auch ein besonderer zeitlicher Zusammenhang mit dem Bewerbungsverfahren bestand. Zu Recht hat es auf dieser Grundlage angenommen, dass ein insgesamt beanstandungsfreies Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit den von ihm wahrgenommenen Notariatsvertretungen nicht zugrunde gelegt werden konnte. Auch die Berücksichtigung der schon länger zurückliegenden, mit Rügen sanktionierten Verfehlungen des Klägers - die nach § 205a Abs. 3 BRAO noch nicht tilgungsreif sind - ist nicht zu beanstanden, weil auch diesen in der Gesamtschau mit der Verletzung des Mitwirkungsverbots und des Neutralitätsgebots im Zeitraum 2015/2016 (vgl. dazu auch AGH Schleswig-Holstein, ZEV 2023, 40) trotz der seither vergangenen Zeit ein nicht unerhebliches Gewicht zukommt. Die wiederholten Verstöße des Klägers gegen elementare Berufspflichten - deren Sanktionierungen in den Jahren 2007 und 2010, wie aus dem Verstoß 2015/2016 ersichtlich, ohne nachhaltigen Effekt geblieben sind - sprechen für eine grundsätzliche Fehleinstellung des Klägers und begründen damit zumindest erhebliche Zweifel an dessen Eignung als Notar. Auf die - ohnedies schon wegen § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO (zuvor § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO a.F.) zu verneinende (vgl. Senat, Beschlüsse vom - NotZ(Brfg) 7/21, NJOZ 2022, 1179, 1180 Rn. 13 und vom - NotZ 24/06, DNotZ 2007, 154, 156) - Frage, ob ein etwa beanstandungsfreies Verhalten des Klägers nach dem Ende der Bewerbungsfrist in die Eignungsprognose eingestellt werden könnte, kommt es dabei schon deshalb nicht an, weil dies in der Gesamtschau keine andere Beurteilung der persönlichen Eignung des Klägers rechtfertigen könnte. Letztlich unternimmt der Kläger lediglich den unbehelflichen Versuch, den zutreffenden Wertungen des Oberlandesgerichts eine eigene - auf den getroffenen Feststellungen widersprechende Behauptungen gestützte - Wertung entgegenzusetzen.

34Insbesondere geht auch die Annahme des Klägers fehl, an die Eignungsvoraussetzungen zu stellende Maßstäbe seien daran auszurichten, welches Gewicht ein berufsrechtlich relevantes Fehlverhalten haben muss, um eine Enthebung eines Anwaltsnotars aus dem Notaramt zu rechtfertigen. Die Rechtsprechung, wonach der persönlichen Eignung des Notarbewerbers insbesondere die Tatbestände entgegenstehen, die nach § 50 BNotO zur Amtsenthebung führen würden (Senat, Beschluss vom - NotZ 10/93, juris Rn. 12), ist nicht dahin zu verstehen, dass ein Fehlverhalten eines Bewerbers dessen Berücksichtigung nur dann hindert, wenn das Verhalten eine Amtsenthebung rechtfertigen würde. Mit Blick auf die Bedeutung einer funktionierenden vorsorgenden Rechtspflege als überragend wichtigem Gemeinschaftsgut ist es nicht geboten, einem Bewerber Zugang zum Amt des Notars zu verschaffen, wenn bereits im Vorhinein aufgrund berufsrechtlicher Verfehlungen Zweifel an dessen persönlicher Eignung bestehen, die die Schwelle der Anforderungen für eine Amtsenthebung noch nicht erreichen (vgl. Senat, Beschluss vom - NotZ 22/00, NJW-RR 2001, 1138; Diehn/Bormann, BNotO, § 6 Rn. 8). Denn bereits derartige Zweifel rechtfertigen eine negative Eignungsprognose. Das gewichtige Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden vorsorgenden Rechtspflege, das Zugangsschranken zur vorsorglichen Vermeidung von unterhalb der Schwelle der Amtsenthebungsgründe liegenden Verfehlungen rechtfertigt, überwiegt in einem solchen Fall das Interesse des Bewerbers am Zugang zum Amt des Notars (Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG).

352. Auch der - vom Kläger weiter geltend gemachte - Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 111d S. 2 BnotO liegt nicht vor. Eine Rechtssache weist dann besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn sie wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zugrundeliegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen Streitigkeiten deutlich abhebt (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom - NotZ(Brfg) 7/21, NJOZ 2022, 1179, 1181 Rn. 18 und vom - NotZ(Brfg) 5/19, NJOZ 2020, 1373 Rn. 17 mwN).

36Derlei Umstände macht der Kläger bereits nicht geltend. Die bloße Bemerkung, Sachverhalte seien als unstreitig beziehungsweise als feststehend berücksichtigt worden, die nicht hätten verwertet werden können, lässt schon nicht erkennen, warum sich die Sache mit Blick auf ihre Schwierigkeit von durchschnittlichen Streitigkeiten abheben sollte.

373. Die Zulassung der Berufung ist schließlich auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 111d Satz 2 BNotO) veranlasst.

38a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und die deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (st. Rspr. zB Senat, Beschlüsse vom - NotZ(Brfg) 2/19, NJOZ 2020, 1435 Rn. 5 und vom - NotZ(Brfg) 12/14, DNotZ 2015, 872, 873 Rn. 9).

39b) An vorstehenden Maßstäben gemessen kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Frage, nach welchem Zeitablauf ein mögliches Fehlverhalten eines Bewerbers auf eine Notarstelle noch (mit welchem Gewicht) zu berücksichtigen ist, ist einer allgemeingültigen Beantwortung nicht zugänglich, sondern hängt von einer Gesamtwürdigung aufgrund einer Vielzahl von Kriterien ab und ist daher eine solche des Einzelfalls. Überdies steht ein langer Zeitablauf seit der letzten Verfehlung vorliegend auch nicht im Raum, nachdem der Kläger noch während des Bewerbungs- und Stellenbesetzungsverfahrens seine beruflichen Pflichten verletzt hat.

III.

40Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 111g Abs. 2 Satz 1 BNotO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:060323BNOTZ.BRFG.6.22.0

Fundstelle(n):
DNotZ 2023 S. 711 Nr. 9
QAAAJ-37525