BGH Beschluss v. - StB 6/23, StB 7/23, StB 6/23 + StB 7/23

Zustellung an Staatsanwaltschaft durch Übersendung von Akten nebst Übersendungsverfügung

Gesetze: § 35 Abs 2 S 1 StPO, § 36 Abs 1 S 1 StPO, § 41 S 1 StPO, § 311 Abs 2 StPO

Gründe

I.

1Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führte gegen mehrere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung. Auf ihren Antrag ordnete das Amtsgericht Stuttgart mit Beschlüssen vom (          ) sowie (          ) hinsichtlich verschiedener Beschuldigter und Rufnummern die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation sowie Auskunftserteilung über Verkehrsdaten an. Zudem ordnete es mit Beschlüssen vom 13. und (          ,           ) die längerfristige Observation mehrerer Beschuldigter und ihrer Kontaktpersonen an. Der Generalbundesanwalt übernahm am das Ermittlungsverfahren. Mit Schreiben vom informierte er die beiden Antragsteller, dass sie von unterschiedlichen Ermittlungsmaßnahmen betroffen worden seien.

2Die Drittbetroffenen haben jeweils die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragt. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat durch Beschlüsse vom (          ,           ) - unter Zurückweisung der Anträge im Übrigen - festgestellt, dass die mit den Beschlüssen des Amtsgerichts Stuttgart angeordneten Maßnahmen und darüber hinaus die Art und Weise ihres Vollzuges aus mehreren Gründen rechtswidrig gewesen seien. Nachdem er die Übersendung an den Generalbundesanwalt verfügt hatte, sind die Vorgänge dort am eingegangen und später aufgrund von Verfügungen des Ermittlungsrichters vom jeweils „zur Zustellung des Beschlusses […] gemäß § 41 StPO“ erneut dorthin übersandt worden.

3Der Generalbundesanwalt wendet sich mit seinen sofortigen Beschwerden vom gegen die Beschlüsse insoweit, als die Rechtswidrigkeit der angeordneten Maßnahmen festgestellt worden ist. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise des Vollzugs greift er nicht an.

II.

4Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg, da sie unzulässig sind. Die gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 5 StPO statthaften sofortigen Beschwerden sind nicht innerhalb der nach § 311 Abs. 2 StPO zu beachtenden Frist von einer Woche ab Bekanntmachung der Entscheidungen eingelegt worden.

51. Die angefochtenen Beschlüsse sind dem Generalbundesanwalt bereits am im Sinne von § 35 Abs. 2 Satz 1 StPO bekannt gemacht worden. An diesem Tag sind sie ihm auf Anordnung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs durch Vorlegung der Urschrift zugestellt worden (§ 36 Abs. 1 Satz 1, § 41 Satz 1 StPO).

6a) Die Wirksamkeit einer förmlichen Zustellung setzt nach § 36 Abs. 1 Satz 1 StPO eine Zustellungsanordnung des Vorsitzenden - im Vorverfahren des Ermittlungsrichters (vgl. MüKoStPO/Valerius, 2. Aufl., § 36 Rn. 4) - voraus. Diese ist an keine besondere Form gebunden, muss aber im Zeitpunkt der Zustellung aktenkundig sein (s. , BGHR StPO § 36 Abs. 1 Satz 1 Anordnung 2 Rn. 6 mwN). Den Anforderungen an eine Zustellung an die Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO ist dadurch genügt, dass diese aus der Übersendungsverfügung in Verbindung mit der aus den Akten zu ersehenden Verfahrenslage erkennen kann, mit der Übersendung an sie werde die Zustellung nach § 41 StPO bezweckt. Es bedarf keines ausdrücklichen Hinweises auf diese Vorschrift (, BGHSt 58, 243 Rn. 18 mwN; , JMBl. NW 1982, 21, 22). Für den Zeitpunkt der Zustellung kommt es allein auf den Eingang bei der Behörde, nicht aber auf den bei der zuständigen Abteilung oder gar dem das Verfahren bearbeitenden Staatsanwalt an (, BGHR StPO § 36 Abs. 1 Anordnung 1 Rn. 13 f. mwN).

7b) Daran gemessen sind die Urschriften der angefochtenen Beschlüsse dem Generalbundesanwalt aufgrund einer entsprechenden Anordnung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs am zugestellt worden. Dessen unmittelbar den Beschlüssen angehängten Verfügungen ist zu entnehmen, dass der gesamte ihm vorliegende Vorgang mitsamt den Beschlüssen dem Generalbundesanwalt in Urschrift zugeleitet werden sollte. Aus den sich aus den Akten ergebenden Umständen folgt, dass damit zugleich die Beschlüsse zugestellt werden sollten. Ein anderer Zweck der Übersendung erschließt sich nicht, zumal weder um Rücksendung des Vorgangs gebeten noch eine Wiedervorlagefrist notiert worden ist. Daraus wird deutlich, dass der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Vorgang über die Anträge der Drittbetroffenen als abgeschlossen betrachtet hat und nicht lediglich eine formlose informatorische Übersendung in Rede steht (vgl. zu einer solchen Konstellation , BGHSt 58, 243 Rn. 19).

8Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung steht einem Zustellungswillen und der Wirksamkeit einer Zustellung nicht entgegen. Eine Belehrung sieht § 35a Satz 1 StPO nur gegenüber Betroffenen, nicht gegenüber der Staatsanwaltschaft vor (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 35a Rn. 5). Im Übrigen führt eine unterbliebene Belehrung gemäß § 44 Satz 2 StPO lediglich dazu, dass die Versäumung einer Rechtsmittelfrist als unverschuldet anzusehen ist. Daher lässt sich daraus, dass den Betroffenen ebenfalls keine Belehrung erteilt wurde, hier nicht maßgeblich auf einen fehlenden Zustellungswillen schließen.

9Auch sonst ist den Anordnungen, den Betroffenen jeweils eine Beschlussausfertigung zu übersenden, nichts Wesentliches für einen Zustellungswillen gegenüber dem Generalbundesanwalt zu entnehmen. Unabhängig davon, dass eine Zustellung jeweils empfängerbezogen zu prüfen ist, ist hinsichtlich der Betroffenen immerhin die Übersendung einer Ausfertigung (vgl. § 275 Abs. 4 StPO in der bis zum geltenden Fassung) und nicht lediglich einer einfachen Abschrift verfügt worden. Im Übrigen ist zu beachten, dass die Beschlüsse weitestgehend im Sinne der Betroffenen ausgefallen sind, da jeweils die Rechtswidrigkeit sowohl der angeordneten Maßnahmen als auch der Art und Weise des Vollzugs - mit Blick auf einzelne Gesichtspunkte - festgestellt wurde.

10Für die Wirksamkeit der Zustellungen ist der in der Beschwerdebegründung dargelegte Umstand nicht entscheidend, dass die Sachakten in sieben Kartons beim Generalbundesanwalt eingegangen sind und der Vorgang über die Beschwerdeentscheidungen nicht gesondert beigefügt war, sondern in einem der Kartons unter den aufgestapelten Sachakten in einer Laufmappe gelegen hat; denn ungeachtet der konkreten Art und Weise der Übersendung tragen die beiden Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs einen Eingangsstempel des Generalbundesanwalts mit dem Datum des . Damit steht außer Frage, dass sie tatsächlich eingegangen und zur Kenntnis genommen worden sind. Ob sie innerhalb der Behörde an die zuständige Stelle weitergeleitet worden sind, ist, wie dargelegt, für die Frage der Zustellung ohne Belang.

11c) Der Wirksamkeit der Bekanntgabe steht schließlich nicht entgegen, dass der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am auf entsprechende Beanstandungen des Generalbundesanwalts erneut die Zustellung an diesen, nunmehr ausdrücklich zur Zustellung der Beschlüsse „gemäß § 41 StPO“ angeordnet hat.

122. Die Rechtsmittelfrist hat demnach mit Ablauf des geendet. Durch die abermalige Zustellung der Beschlüsse am hat die Frist nicht erneut begonnen (vgl. , BGHR StPO § 273 Abs. 1 Zustellung 1; Urteil vom - 4 StR 326/77, NJW 1978, 60; s. auch , BGHR StPO § 36 Abs. 1 Satz 1 Anordnung 1). Die am eingelegten sofortigen Beschwerden sind somit verspätet.

133. Es besteht kein Anlass, von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 44 Satz 1, § 45 StPO).

Schäfer                    Hohoff                    Anstötz

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:080323BSTB6.23.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-37286