Steuerhinterziehung bei Scheinrechnungen zwischen eigenen Unternehmen
Gesetze: § 370 Abs 1 AO, § 370 Abs 3 S 2 Nr 1 AO, § 13 Abs 1 Nr 3 UStG, § 13 Abs 1 Nr 4 UStG vom
Instanzenzug: LG München I Az: 6 KLs 307 Js 116158/18
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen unter Einbeziehung "des Urteils des Amtsgerichts München" vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Es hat ferner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 883.942,89 Euro angeordnet. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Soweit der Angeklagte in seiner – insoweit als Verfahrensrüge auszulegenden – Revisionsrechtfertigung die unterbliebene Kompensation eines Konventionsverstoßes beanstandet, bleibt seinem Rechtsmittel aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen der Erfolg versagt.
32. Die auf die Sachrüge veranlasste materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat im Schuldspruch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler aufgedeckt. Auch der Strafausspruch hält im Wesentlichen revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Landgericht ist lediglich im Fall der Hinterziehung von Umsatzsteuer im Veranlagungszeitraum 2014 von einem zu hohen Schuldumfang ausgegangen. Überdies war der Tenor betreffend die einbezogene Entscheidung neu zu fassen. Im Einzelnen:
4a) Die Strafkammer ist im Fall der Hinterziehung von Umsatzsteuer im Veranlagungszeitraum 2014 von einem Verkürzungsumfang in Höhe von 78.420,45 Euro ausgegangen. Es hat dabei neben der sich aus der auf die erzielten Umsätze entfallenden Umsatzsteuer abzüglich der Vorsteuer auf die Eingangsrechnungen ergebenden Zahllast (47.481,72 Euro) einen in Scheinrechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 30.938,73 Euro berücksichtigt. Der Ansatz der 30.938,73 Euro erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
5aa) Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
"a) Nach den - zur Tatzeit Geltung beanspruchenden - Bestimmungen des § 14c Abs. 2 Satz 2 2. Alternative, § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG entsteht die Steuerschuld bei Ausweis von Umsatzsteuer in nicht leistungsunterlegten Rechnungen nicht bereits mit der Erstellung, sondern erst mit der Ausgabe der Rechnung an den Rechnungsempfänger (vgl. Senat, Beschluss vom - 1 StR 538/17 -, juris Rn. 16; Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, 201. Lieferung 9/2022, § 13 Rn. 992 und 994; Rieß in Kraeusel/Langer, UStG, 179. Lieferung 10/2022, § 13 Rn. 54). Dabei gilt es ferner in den Blick zu nehmen, dass eine steuerbare Lieferung oder sonstige Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG einen Austausch zwischen mehreren Personen voraussetzt, mithin der Leistungsempfänger ein vom Leistenden verschiedenes Rechtssubjekt sein muss (vgl. Probst in Hartmann/Metzenmacher, UStG, 7. Auflage, 9. Ergänzungslieferung 2022, § 1 Rn. 76), und folglich Innenumsätze eines Unternehmers nicht steuerbar sind (vgl. -, juris Rn. 33; Nieskens aaO, § 1 Rn. 453). In Konsequenz dessen liegt eine steuerbegründende Ausgabe einer Rechnung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG a.F. (jetzt § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG) nicht vor, solange die Rechnung den die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit umfassenden Bereich des Unternehmers nicht verlassen hat (vgl. -, juris Rn. 17).
b) Ausgerichtet an diesen Maßstäben waren die Scheinrechnungen nicht im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG a.F. […] ausgegeben worden. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte auf den Veranlagungszeitraum 2014 bezogene Scheinrechnungen mit offenem Ausweis von Umsatzsteuer unter der Firmierung des von ihm betriebenen Einzelunternehmens „P. “ ausgestellt, deren Rechnungsempfänger stets das Einzelunternehmen „G. “ war (UA S. 16 f.). Letzteres war im Tatzeitraum zwar offiziell auf den Mitangeklagten M. angemeldet, wurde aber tatsächlich ebenfalls ausschließlich vom Angeklagten geführt (UA S. 14 und 30 f.). Dem folgend umfasste die umsatzsteuerrelevante unternehmerische Tätigkeit des Angeklagten gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG sämtliche Aktivitäten unter den Firmierungen „P. “ und „G. “. Durch eine Rechnungslegung gegenüber der „G. “ verließen die Rechnungen somit nicht den Unternehmensbereich des Angeklagten und gelangten daher nicht, wie von § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG a.F. […] verlangt, in den Verkehr. Eine in § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG ihre Grundlage findende Steuerschuld des Angeklagten wurde eingedenk dessen durch die Scheinrechnungen nicht begründet."
6Dem schließt sich der Senat an.
7bb) Vor diesem Hintergrund hat die insoweit durch die Strafkammer festgesetzte Einzelstrafe von einem Jahr und zwei Monaten keinen Bestand. Denn das Landgericht hat seiner Zumessung der Strafe den Verkürzungsumfang in Höhe von 78.420,45 Euro bestimmend zugrunde gelegt und den Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zur Anwendung gebracht hat. Dies zwingt indes vorliegend nicht zur Zurückverweisung der Entscheidung an das Tatgericht (vgl. Rn. 4 ff.). Aus dem Gesamtgefüge der Strafzumessung ergibt sich, dass in vergleichbaren Fällen jeweils Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr bestimmt worden sind. Der Senat setzt die für den Fall der Hinterziehung von Umsatzsteuer im Veranlagungszeitraum 2014 ausgesprochene Einzelfreiheitsstrafe daher entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts auf ein Jahr herab (§ 354 Abs. 1a Satz 2 StPO).
8cc) Die festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten bleibt hiervon unberührt. Denn es ist angesichts der Einsatzstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten sowie den weiteren 15 Einzelfreiheitsstrafen zwischen drei Monaten sowie einem Jahr und zehn Monaten auszuschließen, dass das Landgericht auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
9b) Ferner war klarzustellen, dass bei der nachträglichen Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe nicht – wie durch die Strafkammer tenoriert – das sondern die darin in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts München I vom ausgesprochene Einzelfreiheitsstrafe einbezogen ist (vgl. Rn. 5).
103. Der unter 2. a) aa) dargestellte Rechtsfehler betrifft auch die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO analog setzt der Senat den Einziehungsbetrag auf 853.013,46 Euro fest.
114. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Angesichts des geringen Teilerfolgs des Rechtsmittels erscheint es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten desselben zu belasten. Dies gilt auch für die im Revisionsverfahren betreffend die Einziehung entstandenen Kosten.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:070223B1STR430.22.0
Fundstelle(n):
wistra 2023 S. 3 Nr. 7
wistra 2023 S. 473 Nr. 11
VAAAJ-37276