BGH Beschluss v. - I ZB 39/21

Zulassungsfreie Rechtsbeschwerde im Markenlöschungsverfahren: Verletzung des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs und Begründungsmangel bei Nichtigerklärung der Wort-Bild-Marke "HUQQA" durch das Bundespatentgericht

Gesetze: § 83 Abs 3 Nr 3 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 6 MarkenG, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: 28 W (pat) 37/20 Beschlussnachgehend Az: I ZB 39/21 Beschluss

Gründe

1I. Die Markeninhaberin ist seit 2016 Inhaberin der am angemeldeten und am eingetragenen Wort-Bild-Marke Nr. 30 2015 005 583

Deren Schutz erstreckt sich auf folgende Waren und Dienstleistungen:

Klasse 34: Raucherartikel;

Klasse 41: Auskünfte über Veranstaltungen [Unterhaltung]; Ausstellungsdienstleistungen für Unterhaltungszwecke; Beratung in Bezug auf Unterhaltung; Beratung über Unterhaltung; Beratung über Unterhaltungsveranstaltungen; Beratung über Veranstaltungen [Unterhaltung]; Betrieb eines Clubs [Unterhaltung]; Betrieb eines Clubs zu Unterhaltungszwecken; Betrieb eines Fanclubs [Unterhaltung]; Betrieb eines Nachtclubs [Unterhaltung]; Betrieb von Casinos [Unterhaltung]; Betrieb von Clubs zu Unterhaltungszwecken; Betrieb von Unterhaltungsclubs; Betrieb von Unterhaltungszentren; Buchungen für Unterhaltungsveranstaltungen; Dienstleistungen der Radio- und TV-Unterhaltung; Durchführung von Live-Unterhaltungsveranstaltungen von Musikgruppen; Durchführung von Live-Veranstaltungen zu Unterhaltungszwecken; Feste (Organisation von Festen) zur Unterhaltung; Live-Darbietungen zur Unterhaltung; Live-Unterhaltung; Live-Unterhaltungsdienstleistungen; Organisation von Partys [Unterhaltung]; Party-Planung [Unterhaltung]; Sport-Unterhaltung; Unterhaltung; Unterhaltung in Form von Live-Musikaufführungen; Unterhaltungsdienstleistungen eines Klubs; Unterhaltungsdienstleistungen in Hotels; Unterhaltungsdienstleistungen in Nachtclubs; Veranstaltung von Unterhaltungsshows [Künstleragenturen]; Veranstaltung von Vorführungen für Unterhaltungszwecke; Vermietung von Einrichtungen zur Unterhaltung; Vermietung von Räumlichkeiten für Unterhaltungszwecke

Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen; Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen in Cocktailbars.

2Der Antragsteller hat am beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung mit der Begründung beantragt, die angegriffene Marke sei nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig.

3Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss vom die Eintragung der angegriffenen Marke für nichtig erklärt und gelöscht. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Markeninhaberin ist ohne Erfolg geblieben ( 28 W [pat] 37/20, juris).

4Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie mehrere Verletzungen ihres Grundrechts auf rechtliches Gehör rügt und geltend macht, die angegriffene Entscheidung sei nicht mit Gründen versehen.

5II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, die Eintragung der angegriffenen Marke sei wegen Fehlens der für eine Eintragung erforderlichen Unterscheidungskraft sowie wegen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses für nichtig zu erklären und zu löschen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

6Der angegriffenen Marke fehle die Unterscheidungskraft, weil deren Wortbestandteil "HUQQA" ein Synonym für "Wasserpfeife" sei. Die leicht abgewandelte Schreibweise "Huka" sei bereits lexikalisch nachweisbar und bezeichne eine indische Wasserpfeife. Das Zeichenelement "HUQQA" finde vielfach Verwendung im Inland, ebenso wie der von "Huqqa" abgeleitete Begriff "Hookah", der auch in das Englische übernommen worden sei. Aufgrund der großen Bekanntheit von Wasserpfeifen und des hiermit verbundenen hohen Konsums stelle der Begriff "Huqqa" für einen erheblichen Teil der angesprochenen inländischen Verkehrskreise - vor allem Jugendliche und junge Erwachsene - eine Alternativbezeichnung für "Wasserpfeife" und "Shisha" dar. Damit stelle die angegriffene Marke für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine beschreibende Sachangabe dar, so dass ihr die für die Eintragung als Marke erforderliche Unterscheidungskraft fehle. Das Schutzhindernis habe bereits bei der Anmeldung im Februar 2015 bestanden. Die von "Huqqa" abgeleiteten deutschen Begriffe "Hukka" beziehungsweise "Huka" seien bereits weit vor der Anmeldung in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen. Da die Bezeichnung "Huqqa" im Namen tragende oder den Konsum von "Huqqa" anbietende Bars bereits vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke auf dem Markt existiert hätten, sei davon auszugehen, dass die Bezeichnung "Huqqa" den angesprochenen Verkehrskreisen bereits zum Anmeldezeitpunkt als Synonym für den Begriff "Wasserpfeife" bekannt gewesen sei. Auch die grafische Ausgestaltung der angegriffenen Marke sei nicht geeignet, das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft zu überwinden.

7Darüber hinaus sei die angegriffene Marke freihaltebedürftig. Sie sei zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen objektiv geeignet. Der Mitte der 2000er Jahre aufgekommene Trend zum Tabakkonsum mit Wasserpfeifen habe bereits damals zu dem Bedürfnis verschiedener Anbieter geführt, Wasserpfeifen sowie gastronomische Betriebe mit thematischem Bezug zu Wasserpfeifen entsprechend zu beschreiben.

8III. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

91. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) und auf einen Begründungsmangel (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG). Diese Rügen hat die Rechtsbeschwerde im Einzelnen begründet. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2018, 111 Rn. 7 = WRP 2018, 197 - PLOMBIR; Beschluss vom - I ZB 13/20, juris Rn. 5; Beschluss vom - I ZB 64/20, juris Rn. 5, jeweils mwN).

102. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen.

11a) Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Markeninhaberin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG, Art. 103 Abs. 1 GG).

12aa) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt, wenn das Gericht einen Parteivortrag zwar zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, daraus jedoch andere rechtliche Schlüsse gezogen hat als die vortragende Partei. Das Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde dient nicht der Überprüfung, ob die Entscheidung des Bundespatentgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2018, 111 Rn. 11 - PLOMBIR, mwN).

13bb) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe nicht hinreichend die Schreibweise der angegriffenen Marke berücksichtigt und zudem nicht beachtet, dass ein Schutzhindernis bereits bei der Anmeldung der Marke im Februar 2015 hätte bestehen müssen. Das Bundespatentgericht habe sich nicht mit dem Gesichtspunkt auseinandergesetzt, dass sich der Wortbestandteil der angegriffenen Marke "HUQQA" in seiner Schreibweise weder in der deutschen noch in einer anderen Sprache wiederfinde. Es sei der Frage nicht nachgegangen, ob die deutlich unterschiedliche Schreibweise von "HUQQA" aufgrund der Doppelkonsonantenfolge "QQ" sowie der Großbuchstaben Unterscheidungskraft begründen könne. Das Bundespatentgericht habe sich zudem näher mit dem Gesichtspunkt auseinandersetzen müssen, dass lediglich die Begriffe "Huka" beziehungsweise "Hukka" im Duden enthalten seien und eine "indische Wasserpfeife" bezeichneten, für "Hukka" gelte dies aber erst deutlich nach dem Anmeldezeitpunkt. Die angegriffene Marke weise gegenüber diesen Bezeichnungen und dem englischen Begriff "Hookah" aufgrund der Doppelkonsonantenfolge "QQ" in der Wortmitte einen deutlichen Unterschied auf. Die Markeninhaberin habe zudem mehrfach angemerkt, dass der Begriff in der indischen Sprache nicht "Huqqa" geschrieben werde. Der Begriff "Huqqa" meine im Übrigen wohl "Gefäß" und gerade nicht "Wasserpfeife".

14Ein Gehörsrechtsverstoß ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht. Das Bundespatentgericht ist davon ausgegangen, dass maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke der Anmeldezeitpunkt ist ( 28 W [pat] 37/20, juris Rn. 36). Es hat das von der Rechtsbeschwerde als übergangen gerügte Vorbringen zur Schreibweise des Wortbestandteils der angegriffenen Marke in seiner Entscheidung wiedergegeben ( 28 W [pat] 37/20, juris Rn. 10, 17 f.). Das Vorbringen der Markeninhaberin, dass der Begriff "Hukka" zum Anmeldezeitpunkt nicht im Duden eingetragen gewesen sei, hat das Bundespatentgericht unter Verweis auf die Ausgabe des Duden von 1996 als widerlegt angesehen ( 28 W [pat] 37/20, juris Rn. 52). Es stellt zudem keinen Gehörsverstoß dar, dass das Bundespatentgericht entgegen der Ansicht der Markeninhaberin den englischen Begriff "Hookah" dem Wortbestandteil der angegriffenen Marke "HUQQA" als phonetisch gleichwertig angesehen hat (vgl. 28 W [pat] 37/20, juris Rn. 42). Wie der Begriff "Huqqa" in der indischen Sprache geschrieben und verstanden wird, ist im Streitfall ohne Bedeutung, weil es maßgeblich allein darauf ankommt, wie die angesprochenen Verkehrskreise in Deutschland den Wortbestandteil der angegriffenen deutschen Marke verstehen. Das Bundespatentgericht brauchte deshalb hierauf nicht einzugehen.

15cc) Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, die vorgelegten Nachweise zu diversen Restaurantbezeichnungen seien entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts unergiebig, macht sie damit keinen Gehörsverstoß geltend, sondern versucht, ihre eigene Sichtweise an die Stelle derjenigen des Bundespatentgerichts zu setzen. Auch mit ihrer Rüge, die Überlegungen des Bundespatentgerichts seien sachfremd und es habe die Ausführungen des Deutschen Patent- und Markenamts weitgehend unkritisch übernommen, kann ein Gehörsverstoß nicht begründet werden.

16dd) Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht sei zu Unrecht von einem pauschalen Bestreiten der Markeninhaberin hinsichtlich der Existenz von "Huqqa-Bars" vor dem Anmeldezeitpunkt ausgegangen, es hätte deshalb eine mündliche Verhandlung durchführen und Beweis erheben müssen, ist die Gehörsrüge schon nicht hinreichend ausgeführt, jedenfalls aber unbegründet.

17Das Bundespatentgericht hat angenommen, die Markeninhaberin habe die Existenz der aus der Anlage 13 zum Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom ersichtlichen, seit dem Jahr 2011 bestehenden Bar "H.     Huqqa" und einer Huqqa-Bar im Gastronomie-Zentrum "B.     " in der B.    Innenstadt, bereits bestehend im Jahr 2008, nur pauschal bestritten. Zur Begründung hat es sich auf den Inhalt dieser Anlage 13 berufen ( 28 W [pat] 37/20, juris Rn. 54). Bei dieser Anlage 13 zum Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom handelt es sich um die Ergebnisliste einer mit der Suchmaschine Google durchgeführten Recherche zum Begriff "Huqqa Bar". Dort sind diverse Treffer aufgelistet, die ein Datum ausweisen, das vor dem Tag der Anmeldung der angegriffenen Marke am liegt. Vom Deutschen Patent- und Markenamt als maßgeblich angesehene Treffer sind durch einen Rahmen hervorgehoben. Soweit sich die Rechtsbeschwerde zur Begründung der Gehörsrüge demgegenüber auf den Inhalt der vom Löschungsantragsteller vorgelegten Anlage 13 beruft, die einen anderen Inhalt hat, handelt es sich dabei um eine Urkunde, auf die das Bundespatentgericht seine Beurteilung nicht gestützt hat.

18Das Bundespatentgericht hat im Übrigen mit Recht das Bestreiten der Markeninhaberin als pauschal und deshalb als unbeachtlich gewertet. Die Markeninhaberin hat lediglich vorgetragen, die "angeblichen Auszüge aus Google können so nicht als Nachweis verwendet werden, da die dort gezeigten Daten nicht nachweisen, dass die Bezeichnung auch zu diesem Datum so verwendet wurde. Die von Google angezeigten Daten taugen nicht als Beweis, denn sie sind fehlerhaft und ungenau." Darin liegt kein substantiiertes Bestreiten der vom Deutschen Patent- und Markenamt hervorgehobenen Treffer zu Huqqa-Bars, die Informationen zur Lage der aufgefundenen Bars und zum Zeitpunkt ihrer Existenz erkennen lassen.

19ee) Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Markeninhaberin habe - bezogen auf die in dieser Google-Trefferliste aufgeführte "Huqqa Bar B.  " - durch Vorlage eines Gewerberegisterauszugs nachgewiesen, dass die betreffende Bar nicht bereits seit dem Jahr 2011 unter dieser Bezeichnung betrieben worden sei. Das Bundespatentgericht hat sich mit diesem Vorbringen befasst ( 28 W [pat] 37/20, juris Rn. 53), es jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Dem Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör ist damit Genüge getan. Dass das Bundespatentgericht dem Vorbringen nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß.

20b) Die angegriffene Entscheidung leidet auch nicht unter einem Begründungsmangel im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG.

21aa) Die Vorschrift des § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG soll allein den Anspruch der Beteiligten auf Mitteilung der Gründe sichern, aus denen ihr Rechtsbegehren keinen Erfolg hat. Es kommt deshalb nur darauf an, ob erkennbar ist, welcher Grund für die Entscheidung maßgebend gewesen ist; dies kann auch bei lückenhafter und unvollständiger Begründung der Fall sein. Nicht entscheidend ist, ob die Beurteilung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Entscheidungsgründe nach § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG in Verbindung mit § 313 Abs. 3 ZPO nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten müssen. Dem Erfordernis einer Begründung ist daher schon dann genügt, wenn die Entscheidung zu jedem selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel Stellung nimmt (, MarkenR 2018, 389 Rn. 18, mwN; Beschluss vom - I ZB 101/19, juris Rn. 24).

22bb) Nach diesen Maßstäben liegt kein Begründungsmangel vor. Die Entscheidung des Bundespatentgerichts lässt ohne Weiteres erkennen, aus welchen Gründen es der angegriffenen Marke die Schutzfähigkeit abgesprochen hat. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Rechtsbeschwerde eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der vom Bundespatentgericht für seine Entscheidung gegebenen Begründung möglich ist.

23IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:210422BIZB39.21.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-37270