(Ausgleich von sogenannten Grundrenten-Entgeltpunkten)
Leitsatz
Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrenten-Entgeltpunkte) sind auch in der Anwartschaftsphase im Wertausgleich bei der Scheidung regelmäßig ausgleichsreif.
Gesetze: § 18 Abs 1 SGB 4, § 76g Abs 1 SGB 6, § 109 Abs 6 SGB 6, § 2 Abs 1 VersAusglG, § 2 Abs 2 Nr 3 VersAusglG, § 18 Abs 2 VersAusglG, § 18 Abs 3 VersAusglG, § 19 Abs 1 Nr 3 VersAusglG, § 19 Abs 2 VersAusglG
Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 11 UF 107/22vorgehend AG Bad Iburg Az: 5 F 492/20 VA
Gründe
I.
1Auf den am zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) und der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) geschieden. Über die abgetrennte Folgesache Versorgungsausgleich hat es durch gesonderten Beschluss entschieden. Während der Ehezeit ( bis ; § 3 Abs. 1 VersAusglG) erwarb der Ehemann 57,5688 Entgeltpunkte mit einem Ausgleichswert von 28,7844 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 217.105,93 € in der gesetzlichen Rentenversicherung, 43,90 Versorgungspunkte mit einem Ausgleichswert von 21,70 Versorgungspunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 11.116,54 € in der kirchlichen Zusatzversorgungskasse sowie ein Anrecht in der privaten Altersversorgung mit einem Kapitalwert von 29.119,62 €. Die Ehefrau erwarb 19,3801 Entgeltpunkte mit einem Ausgleichswert von 9,6901 Entgeltpunkten bei einem korrespondierenden Kapitalwert von 73.087,44 € in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zusätzlich erwarb sie in der gesetzlichen Rentenversicherung einen Zuschlag von 4,0484 Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrenten-Entgeltpunkte) mit einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 2,0242 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 15.267,50 €.
2Den Ausgleich weiterer beiderseitig erworbener betrieblicher Anrechte sowie von Anrechten der Ehefrau in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes und in einer privaten Altersversorgung haben die Ehegatten durch Vereinbarung ausgeschlossen.
3Das Familiengericht hat die nicht von der Ausschlussvereinbarung erfassten Anrechte jeweils intern geteilt mit Ausnahme des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung, zu dessen Ausgleich sich die Entscheidung nicht äußert.
4Auf die Beschwerde des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (Beteiligte zu 3) hat das Oberlandesgericht ergänzend angeordnet, dass der von der Ehefrau erworbene Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung mit einem Ausgleichswert von 2,0242 Entgeltpunkten dem Ausgleich nach der Scheidung vorbehalten bleibe. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3.
II.
5Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zum Ausgleich des Anrechtes aus dem Zuschlag für langjährige Versicherung bereits bei der Scheidung.
61. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Bei dem Zuschlag für langjährige Versicherung handele es sich um ein Anrecht, das durch Arbeit geschaffen sei, auch wenn das Anrecht durch Steuern finanziert sei. Das Anrecht sei auch, soweit es zu keiner Einkommensanrechnung komme, auf eine Rente gerichtet. Es handele sich um eine besondere Entgeltpunkteart, die nicht mit den übrigen Entgeltpunkten zu verrechnen, sondern gesondert auszugleichen sei. Solange die ausgleichspflichtige Person aus dieser Entgeltpunkteart noch keine Rente beziehe, sei ein solches Anrecht jedoch nicht ausgleichsreif, da es im Hinblick auf die gesetzlichen Anrechnungsvorschriften noch nicht hinreichend verfestigt sei. Außerdem sei das Anrecht im vorliegenden Fall wegen Unwirtschaftlichkeit nicht ausgleichsreif, weil der Ausgleichsberechtigte daraus unter Anrechnung seiner zu erwartenden Altersnettoeinkünfte von jedenfalls oberhalb 1.317 € voraussichtlich keinen Versorgungsanspruch erlangen könne.
72. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen, dass es sich bei dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (§ 76 g SGB VI) um ein im Versorgungsausgleich auszugleichendes Anrecht handelt.
9aa) Anrechte in diesem Sinne sind im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 2 Abs. 1 VersAusglG).
10Gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG ist ein Anrecht auszugleichen, sofern es durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist, der Absicherung im Alter oder bei Invalidität, insbesondere wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit, dient und auf eine Rente gerichtet ist. Dieser Regelung liegt die Vorstellung zu Grunde, dass auf andere Weise als durch Arbeit oder Vermögen erworbene Versorgungsanrechte nicht auf einer gemeinsamen Lebensleistung der Ehegatten beruhen und damit nach dem Prinzip des Versorgungsausgleichs den Ausgleich nicht rechtfertigen würden (Senatsbeschluss vom - XII ZB 649/11 - FamRZ 2013, 106 Rn. 13 mwN).
11bb) Unter die danach auszugleichenden Anrechte fällt auch der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung. Dieser wird nach näheren Berechnungsmaßgaben gewährt, wenn mindestens 33 Jahre mit Grundrentenzeiten vorhanden sind (§ 76 g Abs. 1 SGB VI). Die Grundrentenzeiten beruhen grundsätzlich auf Pflichtbeiträgen oder auf freiwilligen Beiträgen, die der Versicherte bis zum Erreichen der Altersgrenze in Abhängigkeit von seinem Einkommen zu erbringen hat. Somit handelt es sich um ein Anrecht, das durch Arbeit geschaffen und aufrechterhalten wird. Darauf, ob die Höhe des Rentenanspruchs mit der Höhe der erbrachten Beitragszahlungen korrespondiert, kommt es nicht an. Denn § 2 Abs. 2 VersAusglG verlangt nicht ein beitragsfinanziertes Versorgungssystem, sondern nur einen Kausalitäts- und Zurechnungszusammenhang zwischen der Arbeitsleistung des Ehegatten und seinem Rentenanspruch. Ausgleichspflichtig wäre daher auch ein Rentenanspruch, der sich allein aus Arbeitgeberbeiträgen oder aus Steuermitteln finanziert, sofern nur das Teilhaberecht des Ehegatten auf seine Arbeit als Teil der gemeinsamen Lebensleistung zurückzuführen ist (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 623/17 - FamRZ 2018, 904 Rn. 8 und vom - XII ZB 649/11 - FamRZ 2013, 106 Rn. 14). Diese Voraussetzung ist bei dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung erfüllt (ebenso OLG Bamberg Beschluss vom - 7 UF 193/22 - juris Rn. 15; OLG Hamm FamRZ 2023, 124 f.; Wick FuR 2021, 78, 79).
12Dass der Erwerb des Zuschlags zusätzlich voraussetzt, dass während des Erwerbslebens eine bestimmte Höchstgrenze an Durchschnittseinkommen nicht überschritten wurde, steht dem nicht entgegen (aA OLG Frankfurt FamRZ 2022, 1767, 1768 f.; Strube NZFam 2022, 717, 719 f.). Denn Anknüpfung bleibt - wie bei der Mindestbewertung von Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 262 SGB VI; vgl. dazu Senatsbeschluss vom - XII ZB 350/15 - FamRZ 2016, 1649 Rn. 21) - die regelmäßig auf Arbeit beruhende langjährige Versicherteneigenschaft. Welche gesetzgeberischen Motive einer Anerkennung gesellschaftlich relevanter Leistungen der Einführung des Zuschlags zugrunde gelegen haben mögen, ist nach den Kriterien des § 2 VersAusglG bedeutungslos (aA OLG Frankfurt FamRZ 2022, 1767, 1769).
13Auch ist das so begründete Anrecht auf eine Rente gerichtet (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG). Gemeint sind hiermit alle an einen Versorgungsfall anknüpfenden regelmäßig wiederkehrenden Geldleistungen (MünchKommBGB/Maaß 9. Aufl. VersAusglG § 2 Rn. 47; Erman/Norpoth/Sasse BGB 16. Aufl. § 2 VersAusglG Rn. 9; Borth Versorgungsausgleich 9. Aufl. Kap. 1 Rn. 91). Durch den Begriff werden Kapitalleistungen abgegrenzt, die nur unter Erfüllung der Voraussetzungen eines Anrechts im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes ausgleichsfähig sind (vgl. auch Strube NZFam 2022, 717, 719). Nach diesem Abgrenzungskriterium wird das Merkmal der wiederkehrenden Geldleistung unabhängig von der nach § 97 a SGB VI vorgesehenen Einkommensanrechnung erfüllt. Denn entscheidend für die Qualifikation ist, dass das Stammrecht auf eine regelmäßig wiederkehrende Geldleistung zielt. Eine gleichbleibende Höhe der aus dem Stammrecht fließenden Zahlbeträge ist demgegenüber kein zwingendes Merkmal einer Rente (OLG Frankfurt Beschluss vom - 2 UF 83/22 - juris Rn. 16; OLG Hamm FamRZ 2023, 124, 125; aA OLG Frankfurt FamRZ 2022, 1767, 1769).
14Auch der Wortlaut des § 120 f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI und die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/18473 S. 39, 44) gehen davon aus, dass der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung in den Versorgungsausgleich einzubeziehen ist.
15b) Das aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung bestehende Anrecht ist auch während der Ehezeit erworben worden (§ 3 Abs. 2 VersAusglG). Zwar endete die Ehezeit gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG bereits am und somit noch vor dem Inkrafttreten des Grundrentengesetzes am , mit dem die Entgeltpunkteart „Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung“ erstmals existent geworden ist. Die Eingrenzung des Versorgungsausgleichs auf Anrechte, die während der Ehezeit erworben wurden, will jedoch nur sicherstellen, dass diejenigen Anrechte ausgeglichen werden, die auf einer gemeinsamen Lebensleistung beruhen (Borth Versorgungsausgleich 9. Aufl. Kap. 1 Rn. 125; Erman/Norpoth/Sasse BGB 16./17. Aufl. § 3 VersAusglG Rn. 6). Maßgebend für den Versorgungsausgleich ist daher jeweils nicht der Zeitpunkt des Rechtserwerbs wie etwa der Zeitpunkt der Erteilung einer Versorgungszusage oder der Beginn der Mitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung, sondern inwieweit die Schaffung oder Aufrechterhaltung des Anrechts durch Arbeit oder Vermögen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG) in die Ehezeit fällt (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 188/94 - FamRZ 1997, 166, 167 und vom - XII ZB 186/08 - FamRZ 2011, 1216 Rn. 21 mwN). Deshalb kommt es auch für den Ausgleich von Entgeltpunkten aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nur darauf an, dass deren rentenrechtliche Erwerbsvoraussetzungen zum Ende der Ehezeit erfüllt waren. Während der Ehezeit erworben sind sie, soweit die - typischerweise auf gemeinsamer Lebensleistung beruhenden - Grundrentenzeiten innerhalb der Ehezeit liegen.
16c) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts erfüllt der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung auch grundsätzlich die Voraussetzungen der Ausgleichsreife im Sinne von § 19 Abs. 1 und 2 VersAusglG.
17aa) Nicht ausgleichsreif ist ein Anrecht insbesondere, wenn es dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG). Hinreichend verfestigt ist ein Anrecht insoweit, als der Versorgungswert dem Grund und der Höhe nach durch die künftige, namentlich betriebliche oder berufliche Entwicklung des Berechtigten nicht mehr beeinträchtigt werden kann und somit bereits endgültig gesichert ist (Senatsbeschluss vom - XII ZB 403/12 - FamRZ 2014, 282 Rn. 21 mwN).
18Im Falle von Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung ist damit allerdings nicht gemeint, dass zum Ehezeitende bereits sämtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit eine gesetzliche Rente nach dem Erreichen der Altersgrenze zur Auszahlung gelangt. Maßgebend ist vielmehr, ob der Versorgungswert in seiner Bezugsgröße dem Grund und der Höhe nach nicht mehr beeinträchtigt werden kann. Die Frage beurteilt sich nach den gesetzlichen Bewertungsvorschriften und ist beim Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung zu bejahen. Denn nach dem hier anzuwendenden Bewertungsmaßstab der auf das Ehezeitende zu beziehenden Berechnung einer fiktiven Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze (§ 109 Abs. 6 SGB VI) steht die Höhe des Zuschlags in der Bezugsgröße dieser Entgeltpunkteart fest. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist insoweit das Ende der Ehezeit (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG). Zwar kann der Zuschlag später noch entfallen, wenn das Einkommen nach Ehezeitende steigt und aufgrund dessen die Höchstgrenze der durchschnittlichen Entgeltpunkte überschritten wird (vgl. Strube NZFam 2022, 717, 721). Darin läge jedoch eine Veränderung nach dem Ende der Ehezeit, die im Versorgungsausgleichsverfahren (nur) nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG zu berücksichtigen ist (vgl. Wick FuR 2021, 78, 79).
19Eine spätere Einkommensanrechnung nach § 97 a SGB VI hingegen wirkt von vornherein nicht auf die Bezugsgröße des Anrechts - nämlich Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung - und stellt daher die hinreichende Verfestigung des Stammrechts als solches nicht infrage (OLG Bamberg Beschluss vom - 7 UF 193/22 - juris Rn. 17 f.; Bachmann/Borth FamRZ 2020, 1609, 1612; Ruland NZS 2021, 241, 248; Wick FuR 2021, 78, 80; MünchKommBGB/Recknagel 9. Aufl. VersAusglG § 51 Rn. 60; Adamus/Götsche FuR 2022, 602, 603; aA OLG Naumburg Beschluss vom - 3 UF 31/22 - juris Rn. 9; anders auch die Fallgestaltung beim Senatsbeschluss vom - XII ZB 371/12 - FamRZ 2013, 1021).
20bb) Ebenfalls zu Unrecht hat das Oberlandesgericht angenommen, der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung sei gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 3 VersAusglG deshalb nicht ausgleichsreif, weil sein Ausgleich im konkreten Fall für die ausgleichsberechtigte Person unwirtschaftlich wäre.
21Unwirtschaftlichkeit im Sinne dieser Bestimmung setzte voraus, dass sich der Ausgleich voraussichtlich nicht zugunsten der ausgleichsberechtigten Person auswirken wird, was etwa dann der Fall ist, wenn der Ausgleichsberechtigte eine erforderliche Wartezeit nicht mehr erfüllen kann (vgl. Johannsen/Henrich/Althammer/Holzwarth Familienrecht 7. Aufl. § 19 VersAusglG Rn. 21; Borth Versorgungsausgleich 9. Aufl. Kap. 4 Rn. 6; MünchKommBGB/Recknagel 9. Aufl. VersAusglG § 19 Rn. 22).
22Im Unterschied hierzu kann jedoch grundsätzlich nicht bereits im Versorgungsausgleichsverfahren festgestellt werden, dass die nach § 97 a SGB VI vorgesehene Einkommensanrechnung zu einer Unwirtschaftlichkeit des Ausgleichs insoweit führt (aA OLG Frankfurt FamRZ 2022, 1351, 1352; OLG Hamm FamRZ 2023, 124, 125; - juris Rn. 25; Adamus/Götsche FuR 2022, 602, 603 ff.; vgl. auch OLG Bamberg FamRZ 2022, 1769, 1770; OLG Naumburg Beschluss vom - 3 UF 31/22 - juris Rn. 11). Denn ob es zu einer Einkommensanrechnung kommt, ergibt sich erst im laufenden Leistungsbezug und kann sich zudem jährlich ändern.
23Anzurechnendes Einkommen im Leistungsbezug ist gemäß § 97 a Abs. 2 Nr. 1 SGB VI namentlich das zu versteuernde Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG. Darunter versteht sich das Einkommen, vermindert um die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehenden Beträge. Einkommen ist der Gesamtbetrag der der Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen (§ 2 Abs. 4 EStG). Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens werden somit vom Gesamtbetrag der Einkünfte Sonderausgaben wie etwa Vorsorgeaufwendungen, individuelle Freibeträge und außergewöhnliche Belastungen abgezogen (vgl. Ruland NZS 2021, 241, 244). Da sich Art und Höhe der im künftigen Leistungsbezug zu berücksichtigenden Abzüge wie beispielsweise Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) oder Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen (§ 33 b EStG) nicht im Vorhinein bestimmen lassen, bieten die vom Oberlandesgericht allein anhand der zu erwartenden Versorgungsbezüge angestellten Erwägungen keine ausreichende Anknüpfung für die Ermittlung eines im Leistungsbezug anzurechnenden Einkommens und somit für die Annahme, der Ausgleich werde sich dauerhaft nicht zugunsten der ausgleichsberechtigten Person auswirken.
24d) Von dem sonach bereits bei der Scheidung durchzuführenden Ausgleich ist auch nicht wegen Geringfügigkeit abzusehen.
25aa) Die Beurteilung dieser Frage richtet sich nach § 18 Abs. 2 VersAusglG, da der Ehemann während der Ehezeit kein gleichartiges Anrecht, nämlich keine Entgeltpunkte aus einem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung, erworben hat. Die von ihm erworbenen übrigen Entgeltpunkte sind nicht von gleicher Art wie der von der Ehefrau erworbene Zuschlag an Entgeltpunkten (§ 120 f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI; vgl. Wick FuR 2021, 78, 79), weshalb in Bezug auf solche eine Differenzbetrachtung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht in Betracht kommt.
26bb) Ein Ausgleichswert nach § 18 Abs. 2 VersAusglG ist gering, wenn er am Ende der Ehezeit die in § 18 Abs. 3 VersAusglG genannte jeweilige Bagatellgrenze nicht überschreitet. Ist die maßgebliche Bezugsgröße ein Rentenwert, beträgt die Bagatellgrenze 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. In allen anderen Fällen kommt es darauf an, ob der Kapitalwert 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt. Maßgebliche Bezugsgröße im Sinne des § 5 Abs. 1 VersAusglG sind hier Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung, also kein Rentenbetrag, so dass der Kapitalwert heranzuziehen ist (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 501/11 - FamRZ 2012, 513 Rn. 15 mwN).
27cc) Der Versorgungsträger der Ehefrau hat hinsichtlich des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung einen Ausgleichswert von 2,0242 Entgeltpunkten und einen sich daraus ergebenden korrespondierenden Kapitalwert von 15.267,50 € angegeben. Die Auskunft ist von keiner Seite angegriffen und ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Der Ausgleichswert liegt deutlich über der bei Ehezeitende im Jahre 2020 geltenden Bagatellgrenze von 3.822 €, so dass nicht wegen Geringfügigkeit von einem Ausgleich der Anrechte abgesehen werden kann.
283. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind. Der Ehezeitanteil der von der Ehefrau erworbenen Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung ist in hälftiger Höhe im Wege der internen Teilung auf das Versicherungskonto des Ehemanns zu übertragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:010323BXIIZB360.22.0
Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 1805 Nr. 25
NJW 2023 S. 1808 Nr. 25
NJW 2023 S. 8 Nr. 17
UAAAJ-37246