BGH Urteil v. - 6 StR 238/22

Prognoseentscheidung zu Unterbringung in Entziehungsanstalt

Gesetze: § 64 S 2 StGB

Instanzenzug: LG Regensburg Az: 7 KLs 507 Js 5242/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten angeordnet sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die wirksam auf den Maßregelausspruch beschränkte, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift dazu ausgeführt:

„Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hat das Landgericht wohlfundiert [begründet]. Dessen Erwägungen weisen insbesondere zu der hierfür erforderlichen Erfolgsperspektive keine Rechtsfehler auf.

Eingedenk des dem Tatgericht bei einer ihm abverlangten Prognoseentscheidung zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. , NStZ-RR 2018, 275, 276) besteht für den Angeklagten nach den nicht zu beanstandenden Urteilsfeststellungen die hinreichend bestimmte Erwartung, ihn wenigstens für eine erhebliche Zeitspanne von einem Rückfall in seine Betäubungsmittelabhängigkeit zu bewahren und so von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten.

Die Strafkammer hat die konkrete Therapieaussicht ausweislich der Urteilsurkunde anhand einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände bejaht; von der Behandlungswilligkeit des Angeklagten hat es seine Vorhersage gerade nicht allein abhängig gemacht (vgl. , BGHR, StGB, § 64 Satz 2, Erfolgsaussicht 2 – Therapiedauer und konkrete Erfolgsaussicht). Zweifel, die an diesem Versprechen nagen, hat es dabei ebenso wenig unterschlagen (vgl. zu den Darstellungsanforderungen: , NStZ-RR 2020, 338). Vor allem hat es bedacht, dass der Angeklagte mehrere Rückfälle in den Drogenkonsum während seiner zwei vorangegangenen stationären Therapien erlitten hatte und diese letztlich allein aufgrund seines Verhaltens abgebrochen werden mussten. Es liegt fern, in diesen tatrichterlichen Erwägungen nicht zugleich den jeweiligen konkreten schwierigen Behandlungsverlauf berücksichtigt zu sehen. Das Scheitern des Angeklagten in den vormaligen Unterbringungen, mit dem sich die Urteilsgründe im Übrigen auseinandersetzen, vermag für sich betrachtet die Erfolgsaussicht eines neuerlichen Anlaufs nicht auszuschließen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 532/15 Rn. 13, vom – 2 StR 428/19, NStZ-RR 2020, 338).

Greifbar hat sich das Landgericht – anders als noch die Gutachterin (UA S. 26) – die Gewissheit über die positive Perspektive der angeordneten Maßregel aufgrund des von Schuldeinsicht und Reue getragenen Geständnisses des Angeklagten, seiner Krankheitseinsicht und Änderungsbereitschaft, seines Eindrucks von der neuerlichen Haft, ferner seines sozialen familiären Rückhalts und der Trennung von seiner ebenfalls betäubungsmittelabhängigen Freundin, darüber hinaus des seit einem halben Jahr anhaltenden Unterbleibens eines Beikonsums und schließlich der vom Angeklagten angesichts seiner Biografie erlernten Strategien, mit Misserfolgen umzugehen, verschafft.

Der hierauf gerichtete Angriff der Staatsanwaltschaft erschöpft sich in einer eigenen Bewertung und Gewichtung der rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen. Dies rechtfertigt einen Eingriff in die tatrichterliche Unterbringungsentscheidung durch das Revisionsgericht nicht. Ebenso verhält es sich mit der Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft, die Maßregel sei gegenüber dem Strafvollzug mit Vorteilen verbunden, derentwegen der Angeklagte Therapiebereitschaft vorgetäuscht haben könnte. Diese Wertung wollte das Tatgericht nicht treffen.“

2Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:290622U6STR238.22.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-37032