BGH Beschluss v. - XIII ZB 70/21

(Wirksamkeit eines Haftantrags bei fehlender Unterschrift; Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zu einer Anhörung)

Gesetze: § 70 Abs 1 FamFG, § 70 Abs 3 Nr 3 FamFG, § 415 Abs 1 FamFG, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Instanzenzug: LG Landshut Az: 62 T 3629/21vorgehend AG Erding Az: 306 XIV 324/21 (B)

Gründe

1Die Betroffene, eine indische Staatsangehörige, erschien am aus Serbien kommend unter Vorlage eines indischen Reisepasses bei der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle am Flughafen M., wo ihr die Einreise verweigert wurde. Am erschien sie erneut, gab an, der Reisepass sei ihr gestohlen worden und stellte ein Schutzersuchen. In der Folge wurde ein Verfahren bei Einreise auf dem Luftweg gemäß § 18a AsylG durchgeführt. Der Betroffenen wurde am eröffnet, dass ihr Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Die Einreise wurde ihr verweigert. Die Klage gegen die Einreiseverweigerung lehnte das Verwaltungsgericht am ab. Die Zurückweisung nach Serbien wurde der Betroffenen am eröffnet. Mit Antrag vom beantragte die beteiligte Behörde, die in der Flughafenunterkunft befindliche Betroffene für die Dauer von drei Wochen in Sicherungshaft zu nehmen.

2Das Amtsgericht hat am Haft zur Sicherung der Zurückweisung bis zum angeordnet. Am hat die Betroffene Beschwerde eingelegt, die das Landgericht am zurückgewiesen hat. Die Rechtsbeschwerde ist am eingegangen und wird nach der Zurückweisung der Betroffenen nach Serbien am mit einem Feststellungsantrag weiterverfolgt.

3I. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

41. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Betroffene sei ordnungsgemäß angehört worden. Es liege ein zulässiger Haftantrag vor, der der Betroffenen vollständig übersetzt und in deutscher Sprache übergeben worden sei. Die Voraussetzungen der Zurückweisungshaft, nämlich eine rechtmäßig ergangene Zurückweisungsentscheidung, die Unmöglichkeit der sofortigen Vollziehung der Zurückweisung und der Haftgrund der Fluchtgefahr seien gegeben. Die Haft sei auch verhältnismäßig, da ein milderes Mittel, insbesondere ein Verbleib im Transitbereich, nicht ersichtlich sei. In der Vergangenheit sei es zu Entweichungen aus diesem Bereich gekommen.

52. Die gemäß § 70 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere nicht dadurch unzulässig geworden, dass sich die Hauptsache im Rechtsbeschwerdeverfahren erledigt hat. Die Vorschrift des § 62 FamFG ist auf die Rechtsbeschwerde entsprechend anzuwenden (, NVwZ 2010, 726 Rn. 9).

63. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.

7a) Soweit sie geltend macht, der Haftantrag sei nicht unterschrieben worden, führt das nicht zur Unwirksamkeit des verfahrenseinleitenden Antrags. Es steht nach den gesamten Umständen des Falles zweifelsfrei fest, dass es sich nicht lediglich um einen Entwurf handelt, sondern der Antrag mit Wissen und Wollen der Behörde dem Haftrichter zugeleitet worden ist (vgl. , InfAuslR 2011, 71 Rn. 11). Das ergibt sich schon aus dem E-Mail Schreiben, mit dem der Haftantrag dem Amtsgericht übermittelt worden ist. Zudem befindet sich ein jedenfalls vom Dienstgruppenleiter unterschriebener Haftantrag in der elektronischen Akte. Das bestätigt den Vortrag der beteiligten Behörde, dass ein unterschriebenes PDF-Dokument elektronisch übermittelt worden sei.

8b) Der Rüge der Rechtsbeschwerde, das Amtsgericht habe die Betroffene in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG), ist kein Erfolg beschieden. Zwar hat die Betroffene im Beschwerdeverfahren den vermeintlichen Verstoß - wie erforderlich - gerügt (vgl. , juris Rn. 10 ff.). Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt aber nicht vor.

9aa) Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen. Erfährt oder weiß das Gericht, dass der Betroffene einen Rechtsanwalt hat, muss es dafür Sorge tragen, dass dieser von dem Termin in Kenntnis gesetzt und ihm die Teilnahme an der Anhörung ermöglicht wird; gegebenenfalls ist unter einstweiliger Anordnung einer nur kurzen Haft nach § 427 FamFG ein neuer Termin zu bestimmen. Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft; es kommt in diesem Fall nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht (st. Rspr.; vgl. nur , InfAuslR 2022, 416 Rn. 11 mwN).

10bb) Das Amtsgericht muss einen Verfahrensbevollmächtigten zum Anhörungstermin aber nur laden, wenn der Bevollmächtigte in dem Verfahren zur Entscheidung über den Haftantrag der beteiligten Behörde seine Bestellung angezeigt oder der Betroffene von der Bestellung Mitteilung gemacht hat. Eine solche Mitteilung ist nicht entbehrlich, wenn der Verfahrensbevollmächtigte den Betroffenen in einem vorhergehenden ausländer- oder asylrechtlichen Verfahren vertreten hat. Dabei handelt es sich um ein anderes Verfahren, das vor einem anderen Gericht geführt wird, so dass sich die Vollmacht auf das Freiheitsentziehungsverfahren nicht erstreckt, § 11 Satz 5 FamFG, §§ 81, 82 ZPO (vgl. , juris Rn. 14 mwN).

11cc) Nach diesen Maßstäben war für eine faire Verfahrensgestaltung weder die Ladung von Rechtsanwalt B. zur Anhörung am noch seine Hinzuziehung im Termin erforderlich.

12(1) Es kann dahinstehen, ob Rechtsanwalt B. von der Betroffenen in der Freiheitsentziehungssache (§ 415 Abs. 1 FamFG) mandatiert war. Denn er hat dies gemäß § 11 FamFG jedenfalls erst mit Einlegung der Beschwerde angezeigt. Auch die Betroffene hat trotz ausdrücklicher Belehrung über ihr Recht, einen Rechtsanwalt zu der Anhörung hinzuziehen, nicht erklärt, dass sie durch Rechtsanwalt B. vertreten werde und seine Hinzuziehung wünsche. Es wäre Aufgabe der Betroffenen und ihr auch zumutbar gewesen, das Gericht auf seine ausdrückliche Frage über eine etwaige Mandatierung von Rechtsanwalt B. zu unterrichten (, juris Rn. 16).

13(2) Ein anderes Ergebnis folgt nicht daraus, dass die Betroffene, nachdem der Beschluss ausweislich des Anhörungsprotokolls ergangen, der Betroffenen eine beglaubigte Abschrift ausgehändigt und der Tenor übersetzt worden war sowie sie eine Rechtsmittelbelehrung erhalten hatte, auf den erneuten Hinweis, dass es ihr unbenommen sei, einen Rechtsbeistand beizuziehen, erklärt hat, dass ihr "Anwalt des Asylverfahrens" eine Abschrift des Beschlusses erhalten solle. Denn die Bitte der Betroffenen bezog sich ersichtlich nur darauf, dass der sie im Asylverfahren vertretende Rechtsanwalt über den Beschluss und damit auch über ihren Verbleib informiert werden sollte. Soweit die Rechtsbeschwerde in Zweifel zieht, dass der Tenor des Beschlusses gemäß § 41 Abs. 2 FamFG ordnungsgemäß verlesen worden sei, kommt es darauf hier schon deshalb nicht an, weil der Betroffenen der Beschluss durch die im Protokoll dokumentierte Übergabe einer beglaubigten Abschrift des begründeten Beschlusses gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 FamFG ordnungsgemäß bekanntgegeben und dadurch gemäß § 40 Abs. 1 FamFG wirksam geworden ist. Im Übrigen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Verlesung unterblieben ist.

144. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:280223BXIIIZB70.21.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-37028