BVerwG Urteil v. - 2 WD 4/22

Freispruch vom disziplinarischen Vorwurf der Unterschlagung eines Laptops

Gesetze: § 261 StPO, § 84 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 84 Abs 2 WDO 2002, § 91 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 123 S 3 WDO 2002, § 139 Abs 2 WDO 2002, § 140 Abs 3 S 1 WDO 2002

Instanzenzug: Truppendienstgericht Süd Az: S 8 VL 18/21 Urteil

Tatbestand

1Das Verfahren betrifft den Vorwurf der Unterschlagung eines Laptops durch einen 19... geborenen Berufssoldaten im Dienstgrad eines Hauptfeldwebels.

21. Im gerichtlichen Disziplinarverfahren wurde der Soldat wie folgt angeschuldigt:

"Vor dem Ende seines Einsatzes im ... nahm der Soldat zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum bis das zuvor dienstlich dezentral zu einem Preis von US-Dollar 690,- beschaffte schwarze Laptop der Marke Lenovo (Artikel 20 KN-0005AD - Seriennummer: PF-OZYZ8W), das u. a. ihm zuvor zur Nutzung während seines Einsatzes überlassen worden war, an sich und verstaute dieses vor seinem sog. OUT am aus dem ... in einer Kiste seines unbegleiteten Gepäcks, um das dienstliche Laptop zukünftig ausschließlich für eigene private Zwecke zu verwenden.

Hilfsweise:

Vor dem Ende seines Einsatzes im ... am 26. oder (= dem Tag des sog. OUT aus dem ... des Soldaten) unterließ der Soldat es, das zuvor dienstlich dezentral zu einem Preis von US-Dollar 690,- beschaffte schwarze Laptop der Marke Lenovo (Artikel 20 KN-0005AD - Seriennummer: PF-OZYZ8W), das zuvor u. a. ihm zur Nutzung während des Einsatzes überlassen worden war und das sich in einer seiner drei Kisten seines unbegleiteten Gepäcks befand, was er jedenfalls an einem der beiden genannten Tage bemerkte, dieses herauszunehmen und wieder abzugeben. Stattdessen beließ er es in seiner Kiste, um das dienstliche Laptop zukünftig ausschließlich für eigene private Zwecke zu verwenden."

32. Das Truppendienstgericht hat den Soldaten mit Urteil vom freigesprochen.

4Der Soldat sei ab September 2018 im Auslandseinsatz im ... Netzwerkadministrator in der Fernmeldezentrale gewesen. Ende September 2018 habe er von dem Materialverantwortlichen für IT-Geräte, dem Hauptfeldwebel A (im Folgenden: Zeuge A), einen Laptop zu Betreuungszwecken erhalten. Dieser sei im ... dezentral zum Neupreis von 690 US-Dollar beschafft worden, habe allen Angehörigen der Fernmeldezentrale zur Verfügung gestanden und sei als Schleusenlaptop, für Recherchen im ungeschützten Internet und für Filme genutzt worden. Ein Materialnachweis sei nicht geführt worden.

5Um den herum habe der Soldat für vier Tage in das B Training Center verlegt, um eine Netzinfrastruktur aufzubauen. In einer Einsatzkiste habe er u. a. den Laptop nach B verbracht. Dort habe sich kein Gebrauch dafür gefunden. Die Situation sei angespannt gewesen. Die Kommunikationsmittel seien ausgefallen, so dass der Soldat auch keinen Kontakt zu seiner Familie in Deutschland habe halten können. Zeitgleich seien die Systeme in C ausgefallen, worum sich der Soldat nach B umgehend habe kümmern müssen. Zurück in C habe er die Einsatzkiste in ein Regal gestellt, ohne den Inhalt nachzubereiten. Ende November 2018 sei sein Nachfolger im ... eingetroffen und die Übergabephase habe begonnen.

6Vor seinem Rückflug nach Deutschland am habe der Soldat seine persönliche Ausrüstung in zwei Kisten gepackt. Da nicht alle Gegenstände hineingepasst hätten, habe er nunmehr die Einsatzkiste geöffnet und darin noch Holster, Gefechtshelm, Magazine und Schutzweste verstaut. Den Laptop in der Einsatzkiste habe er dabei nicht bewusst wahrgenommen. Die drei Kisten habe er als unbegleitetes Gepäck in der Materialgruppe abgegeben.

7Kurz vor dem Rückflug habe der Zeuge A den Soldaten auf den Laptop angesprochen. Angesichts der bevorstehenden Rückkehr zur Familie habe sich der Soldat nicht an den Ablageort des Laptops zu erinnern vermocht. Wenig später sei der Zeuge A mit der Zugführerin des Soldaten (Major D, im Folgenden: Zeugin D) zurückgekommen. Der Soldat habe dieser angeboten, in sein Gepäck zu schauen. Sie habe darauf verzichtet und der Soldat sei nach Deutschland geflogen.

8In C sei die Suche nach dem Laptop ergebnislos verlaufen. Am habe der ermittelnde Disziplinarvorgesetzte, Oberstleutnant E (im Folgenden: Zeuge E), den Soldaten in Deutschland angerufen und ihn gebeten, dessen noch in C befindliche Kisten durchsuchen zu dürfen. Damit habe sich der Soldat zunächst nicht einverstanden erklärt; er sei sich "zu 60/70 % sicher, dass der Laptop nicht in diesen Kisten sei". Schließlich habe er eingelenkt und erklärt, dass der Laptop - wenn überhaupt - in der Kiste sei, die mit in B gewesen sei. Diese mit einem Vorhängeschloss gesicherte Kiste sei sodann von den Zeugen E und D mit Feldjägern geöffnet worden. Dabei sei der Laptop gefunden worden. In der Kiste hätten sich auch Gegenstände befunden, die der Soldat noch kurz vor seinem Rückflug getragen habe. Die beim Öffnen der Kiste erstellte Inhaltsliste und die Bilddokumentation belegten aber nicht, dass diese Gegenstände unter der Laptoptasche gelegen hätten.

9Zum Beweis der Hauptanschuldigung hätte irgendein Zeuge eine Erinnerung daran haben müssen, den Laptop nach dem B-Aufenthalt des Soldaten vor dessen Rückflug nach Deutschland gesehen zu haben. Dies sei nicht der Fall. Die von der Zeugin D am Gerät durchgeführten Nachforschungen hätten auch nicht ergeben, dass in diesem Zeitraum mit dem Laptop gearbeitet worden sei. Es lasse sich nicht bestimmt sagen, ob ein seinerzeit durchgeführtes Update manuell veranlasst worden sei. Daher sei nicht auszuschließen, dass der Soldat den Laptop nach seiner Rückkehr aus B in seiner Einsatzkiste vergessen habe und das Update im Ruhezustand des Geräts bei vorhandener Internetverbindung in der Fernmeldezentrale automatisch erfolgt sei.

10Zur Hilfsanschuldigung lägen zwar Indizien dafür vor, dass dem Soldaten am Ende seines Einsatzes bewusst geworden sein könnte, dass der Laptop in der Einsatzkiste gewesen sei, und er es gleichwohl unterlassen habe, ihn abzugeben; auch insoweit seien aber Zweifel geblieben.

11Dass dem Soldaten in der Hektik kurz vor dem Abflug bei einem kurzen Öffnen der Einsatzkiste und einem schnellen Hineinpacken des Materials, welches er bis zuletzt getragen habe, die Laptoptasche in der Kiste nicht aufgefallen sei, sei möglich. Er sei in Gedanken auf dem Heimweg zu seiner Familie und im Stress gewesen. Die Zeugen D und E hätten sich nicht sicher festlegen können, dass jüngst gebrauchtes Material unter der Laptoptasche gelegen habe.

12Es sei auch nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass der Soldat arglos geblieben sei, selbst als er vor dem Rückflug auf den fehlenden Laptop angesprochen worden sei. Vielmehr hätte er spätestens dann wissen müssen, dass das Fehlen bemerkt worden sei und kein unbegleitetes Gepäck ohne Durchsuchung das Einsatzland verlassen würde. Ihm hätte klar sein müssen, dass schwerwiegende Konsequenzen für seine Laufbahn drohten, die in keinem Verhältnis zum Nutzen des Laptops gestanden hätten. Privat sei er informationstechnologisch professionell ausgerüstet gewesen. Unabhängig vom Restwert des womöglich im ... zeitweise von den F genutzten Laptops liege eine Zueignungsabsicht fern. Die mangels Buchung des Laptops anfangs günstige Gelegenheit sei ab der Nachfrage durch den Zeugen A zunichte gewesen. Da der Soldat den Auslandsverwendungszuschlag der höchsten Stufe erdient habe, seien keine Zwänge erkennbar, die dieses Risiko gerechtfertigt hätten. Dass er arglos gewesen sei, habe sein von der Zeugin D bestätigtes Angebot gezeigt, in sein Gepäck zu schauen.

13Nach dem nachvollziehbaren anfänglichen Zögern - in den Kisten hätten sich auch persönliche Gegenstände befunden - habe der Soldat schließlich der Durchsuchung seiner Einsatzkiste zugestimmt. Mit zeitlichem Abstand habe er letztlich zutreffend angenommen, dass der Laptop - wenn überhaupt - in der B-Einsatzkiste sei. Diese von ihm telefonisch gegenüber den Zeugen E und D geäußerte Vermutung spreche jedenfalls nicht gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage.

143. Im sachgleichen Strafverfahren wurde gegen ihn mit rechtskräftigem Strafbefehl vom wegen Unterschlagung eine Geldstrafe verhängt.

154. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat gegen das Urteil unbeschränkt Berufung eingelegt. Jedenfalls die Hilfsanschuldigung sei durch die Zeugenaussagen und die bei der Durchsuchung der Einsatzkiste erstellte Inhaltsliste erwiesen. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt teilt diese Auffassung. Er hält ein 42-monatiges Beförderungsverbot, verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge des Soldaten um 1/15 für die Dauer von 36 Monaten für tat- und schuldangemessen.

16Der Soldat ist dem entgegengetreten.

175. Hinsichtlich der Einzelheiten zu seiner Person wird auf das angefochtene Urteil, für die Zeugenaussagen auf die Protokolle der erst- und zweitinstanzlichen Verhandlung und bezüglich der in das Verfahren eingeführten Urkunden und Augenscheinsobjekte auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung verwiesen.

Gründe

18Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Truppendienstgericht hat den Soldaten zu Recht freigesprochen. Da die Berufung in vollem Umfang eingelegt wurde, hatte der Senat im Rahmen der Anschuldigung eigene Tatfeststellungen zu treffen. Danach sind die vorgeworfenen Taten nicht erwiesen.

191. Dies gilt zunächst für die Hauptanschuldigung.

20a) Der Senat war nicht an die ihr entsprechenden tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl vom gebunden. Denn der Strafbefehl ist kein Urteil i. S. d. § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO.

21Zwar können nach § 84 Abs. 2 WDO auch die in einem Strafbefehlsverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden (vgl. 2 WD 22.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 95 Rn. 13 m. w. N.). Die Möglichkeit der Übernahme von Tatsachenfeststellungen in einem Strafbefehl ohne weitere Beweiserhebung endet aber, wenn die Indizwirkung des Strafbefehls entkräftet wird (vgl. 2 WD 26.18 - Buchholz 449 § 23 SG Nr. 3 Rn. 17 m. w. N.). Dafür müssen die Tatsachenfeststellungen substantiiert in Zweifel gezogen werden (vgl. 2 WD 11.18 - BVerwGE 165, 53 Rn. 13 m. w. N.). Die diesbezüglichen Darlegungsanforderungen dürfen nicht überspannt werden. Es genügt, wenn erhebliche Tatsachenfeststellungen mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt werden (vgl. - juris Rn. 23 m. w. N. zum Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung).

22Dies hat der Soldat getan. Er hat sich dahingehend eingelassen, dass er den Laptop vor seiner Verlegung nach B Anfang November 2018 ohne Zueignungsabsicht als "Back-Up" in die Einsatzkiste gepackt habe, die Kiste nach seiner Rückkehr aus B stressbedingt in C abgestellt habe, ohne ihren Inhalt nachzubereiten, und sie unmittelbar vor seinem Rückflug nach Deutschland am nur noch einmal kurz geöffnet habe. Er habe darin noch schnell diejenigen Sachen, die er getragen habe und die nicht mehr in seine beiden anderen Kisten gepasst hätten, verstaut, ohne sich des Laptops bewusst gewesen zu sein. Erst in Deutschland sei er auf telefonischen Vorhalt des Zeugen E, dass der Laptop in C unauffindbar sei, zu dem Schluss gekommen, dass er in der B-Einsatzkiste sein könnte.

23Diese Einlassung ist hinreichend plausibel, um eine erneute Tatsachenprüfung vorzunehmen, obwohl der Soldat gegen den Strafbefehl - nach eigenen Angaben aus prozesstaktischen Gründen - nicht vorgegangen ist. Der Soldat hat an seiner Einlassung im gesamten Disziplinarverfahren konstant und in sich widerspruchsfrei festgehalten und hatte sich so auch schon im Strafverfahren eingelassen. Der Senat hält den vom Soldaten behaupteten Geschehensablauf angesichts der von ihm geschilderten Stressfaktoren in dem Auslandseinsatz für möglich. Dafür sprechen seine allgemeine Überlastung, die fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten in B, der zeitgleiche Ausfall der Antennenanlage in C, um die er sich direkt nach seiner Rückkehr aus B kümmern musste, sowie die Unwägbarkeiten betreffend seinen Nachfolger und die Konzentration der Gedanken auf die bevorstehende Rückkehr zu seiner Ehefrau und den Kindern in Deutschland. Auch angesichts dessen, dass es sich um einen gebrauchten und in C im sogenannten schmutzigen Internet verwendeten Laptop handelte, der Soldat privat bereits über ein baugleiches Gerät verfügte, die Ausfuhr von Laptops im unbegleiteten Gepäck wegen der Akkus untersagt war und der Soldat mit einer Durchleuchtung des Gepäcks rechnen musste, erscheint es nicht abwegig, dass er den Laptop in der Einsatzkiste schlicht vergessen hat.

24b) Nach der erneuten Prüfung steht der Hauptvorwurf nicht zur Überzeugung des Senats fest.

25Gemäß § 123 Satz 3 i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i. V. m. § 261 StPO hat der Senat über das Ergebnis seiner Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Die für die Überführung des Angeschuldigten erforderliche persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen ( 2 WD 16.18 - juris Rn. 14).

26Ein solches Maß an Sicherheit hat der Senat hinsichtlich des Hauptvorwurfs, dass der Soldat den Laptop zwischen dem 21. und - also nach seiner am erfolgten Rückkehr aus B - mit Zueignungsabsicht in der Kiste verstaute, nicht gewinnen können. Denn es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich der Laptop zwischen dem und dem Rückflug des Soldaten nach Deutschland am zu irgendeinem Zeitpunkt außerhalb der Einsatzkiste befand, die der Soldat nach seinen unwiderlegten Angaben mit in B hatte.

27aa) Insbesondere hat die Berufungshauptverhandlung nicht ergeben, dass - wie die Zeugin D vorgerichtlich nach ihrer Prüfung des bei der Durchsuchung der Kiste gefundenen Laptops erklärt hatte - mit dem Laptop am die Software openSUSE heruntergeladen und nach dieser Software zuvor gesucht wurde. Denn die Zeugin D hat daran in der Berufungshauptverhandlung keine Erinnerungen gehabt, auch nicht auf Vorhalt ihrer vorgerichtlichen Aussage. Erstinstanzlich hat weder sie noch der Zeuge A ausschließen können, dass der Laptop in der Einsatzkiste im WLAN der Fernmeldezentrale im Standby-Modus die Software automatisch herunterlud. Soweit die Zeugin D erstinstanzlich ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht hat, weshalb diese dann im Suchverlauf gestanden hätten, hält der Senat dies für nicht ausreichend, um davon auszugehen, dass auf dem Laptop zwischen dem 7. und dem manuelle Sucheingaben erfolgten, weil der Laptop nicht forensisch ausgewertet wurde.

28bb) Ebenso wenig steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Zeuge A - wie von diesem vorgerichtlich bekundet - den Laptop am am Arbeitsplatz des Soldaten in der Fernmeldezentrale sah. Denn der Zeuge A hat erstinstanzlich nicht ausschließen können, dass er den Laptop mit dem ähnlich aussehenden privaten Laptop des Soldaten verwechselt haben könnte, den der Soldat nach seinen unwiderlegten Angaben an seinem Arbeitsplatz stehen hatte.

29cc) Schließlich ist auch nicht erwiesen, dass die damaligen Kameraden G und H den Laptop nach dem B-Aufenthalt des Soldaten in der Fernmeldezentrale sahen. Zwar hatte der Zeuge G vorgerichtlich am erklärt, er habe etwa ein bis zwei Wochen zuvor gemeinsam mit dem Zeugen H einen Film schauen wollen, weshalb sie den Soldaten auf einen Laptop angesprochen hätten, der vom Zeugen A den Laptop geholt und ihnen gegeben habe. Letztlich hätten sie den Laptop am Schreibtisch des User Helpdesk in der Fernmeldezentrale stehen lassen. Etwa ein oder zwei Tage später sei ihm aufgefallen, dass der Laptop nicht mehr dort gewesen sei. Die erstinstanzliche Vernehmung der Zeugen G und H hat diese Angaben aber nicht bestätigt. Vielmehr hat der Zeuge G erklärt, die Filme seien mit dem Laptop bereits im Oktober angeschaut worden. Auf Vorhalt seiner vorgerichtlichen Aussage und Nachfrage, ob er sich sicher sei, dass sie die Filme im Oktober angeschaut hätten, hat er erwidert, dass er keine Ahnung habe, weil dies schon lange her sei. Auf nochmalige Frage, ob sie die Filme im Oktober angesehen hätten, hat er angegeben, dass dies so gewesen sein müsse. Er könne sich auch nicht erinnern, dass er den Laptop noch ein paar Tage am Schreibtisch des User Helpdesk habe stehen sehen. Der Zeuge H hat erstinstanzlich erklärt, er denke, sie hätten das letzte Mal im Oktober etwas mit dem Laptop gemacht. Auf Nachfrage, ob es auch später gewesen sein könne, hat er ausgesagt, dies sei möglich, er könne es aber nicht sagen.

302. Auch die Hilfsanschuldigung ist nicht mit der nötigen Gewissheit erwiesen. Es bestehen vernünftige Zweifel daran, dass der Soldat am Tag seines Rückflugs nach Deutschland oder am Vortag den Laptop in der Einsatzkiste bemerkte und ihn gleichwohl darin beließ, um ihn künftig für eigene Zwecke zu verwenden.

31a) Der Senat hält - wie ausgeführt - die Einlassung des Soldaten, er habe unmittelbar vor seinem Rückflug nach Deutschland noch schnell Sachen, die er getragen habe und die nicht mehr in seine beiden anderen Kisten gepasst hätten, in die Einsatzkiste gepackt, ohne den darin seit seinem B-Aufenthalt befindlichen Laptop wahrzunehmen, für plausibel. Der von den Zeugen D und E in der Berufungshauptverhandlung übereinstimmend bekundete Umstand, dass der Laptop bei der Durchsuchung der Einsatzkiste etwa im oberen Drittel aufgefunden wurde, steht mit dieser Einlassung in Einklang, ebenso die Wahrnehmung der Zeugin D, die Kiste sei "wild gepackt" gewesen.

32b) Die Berufungshauptverhandlung hat nicht ergeben, dass bei der Durchsuchung in der Kiste Gegenstände unter der Laptoptasche vorgefunden wurden, die der Soldat unmittelbar vor seinem Rückflug noch getragen hatte, was ein Bemerken des Laptops beim Hineinpacken der letzten Sachen nahegelegt hätte. Zu den bis kurz vor dem Rückflug vom Soldaten getragenen Sachen gehörten nach dessen Angaben Helm und Weste und nach den erstinstanzlichen Angaben der Zeugin D zudem die Magazine und ein Holster.

33Nach den zweitinstanzlichen Aussagen der bei der Durchsuchung der Kiste anwesenden Zeugen D und E steht nicht fest, dass diese Gegenstände in der Kiste unter dem Laptop lagen. Zu den Magazinen hat die Zeugin D vielmehr erklärt, diese hätten über dem Laptop gelegen. Zum Holster hat sie ausgesagt, dieses habe wie die geschlämmten Magazine "ganz oben oder zumindest weit oben" gelegen. An Helm und Weste konnte sie sich nicht erinnern. Der Zeuge E konnte in der Berufungshauptverhandlung zu Helm, Weste, Magazinen und Holster keine Angaben machen. Erstinstanzlich hat er erklärt, dass bei der Durchsuchung Fotos gemacht worden seien, damit er sich nicht erinnern müsse. Diese Fotos sind ebenfalls unergiebig im Hinblick auf die Frage, ob Helm, Weste, Magazine und Holster unter dem Laptop lagen.

34Auch die bei der Durchsuchung der Kiste gefertigte Inhaltsliste belegt nicht, dass diese Gegenstände unter dem Laptop lagen. Zwar sind auf der Liste an vierter Stelle der Laptop und erst an späterer Stelle die Magazine, der Gefechtshelm, Teile der Schutzweste und ein Plastikholster aufgeführt (wohingegen ein Lederholster über dem Laptop verzeichnet wurde). Jedoch hat der Zeuge E, der nach seinen Angaben die Kiste ausräumte und nach dem Auffinden des Laptops die Feldjäger anwies, die Inhaltsliste zu erstellen, in der Berufungshauptverhandlung erklärt, die Inhaltsliste sei erstellt worden, um den Soldaten zu schützen und ggf. weiteres Material zu dokumentieren, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesucht worden sei. Der Fokus habe nicht auf der Erfassung der Reihenfolge der Gegenstände in der Kiste, sondern auf ihrer vollständigen Erfassung gelegen. Daher sei er sich zwar sicher, dass die Liste den Inhalt der Kiste korrekt wiedergebe; ob sie der Reihenfolge der Gegenstände in der Kiste entspreche, könne er hingegen nicht sicher sagen. Die Zeugin E hat zwar in der Berufungshauptverhandlung erklärt, die Liste sei so, wie die Sachen aus der Kiste genommen wurden, erstellt worden. Dies widerspricht aber ihrer eigenen Aussage, dass sich die Magazine über dem Laptop befanden.

35c) Dass der Soldat vor seinem Rückflug wusste, dass sich der Laptop in der Einsatzkiste befand, ist auch nicht aus seinem nach seiner Rückkehr nach Deutschland geführten Telefonat mit dem Zeugen E zu schließen. Der Zeuge E hat in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt, er habe den Soldaten in dem Telefonat damit konfrontiert, dass er über den Verbleib des Laptops Bescheid wissen müsse und der Verdacht bestehe, dass sich der Laptop in seinem noch in C befindlichen unbegleiteten Gepäck befinde. Der Soldat habe aufgeregt reagiert und die merkwürdige Aussage getroffen, dass er sich zu 60/70 % sicher sei, dass der Laptop nicht in der Kiste sei, wenngleich der Soldat bemüht gewesen sei, zu unterstützen. Der Senat kann indes insoweit nicht ausschließen, dass dem Soldaten tatsächlich erst auf den direkten Vorhalt des Zeugen E der Gedanke kam, der Laptop könnte noch in der verschlossenen Kiste sein, die er mit in B hatte. Die Nervosität des Soldaten in dem Telefonat ist damit erklärbar, dass der Soldat den Vorwurf nunmehr für eventuell berechtigt erachtete und ihm die Möglichkeit des Erwirkens eines Durchsuchungsbeschlusses angedroht wurde.

36d) Auch die weiteren Begleitumstände lassen nicht hinreichend sicher darauf schließen, dass der Soldat sich den Laptop zueignen wollte. Zwar wirkt es auf den ersten Blick verdächtig, dass er sich nach den erstinstanzlichen Angaben des Zeugen A bei diesem nach dem Buchungsstand des Laptops und der Möglichkeit einer deutschen Tastatur für den Laptop erkundigt hatte, der über ein US-amerikanisches Layout mit kleinen arabischen Schriftzeichen auf den Tasten verfügte. Jedoch hat er seine Frage an den Zeugen A, bei welcher Teileinheit der Laptop verbucht sei, in der Berufungshauptverhandlung nachvollziehbar damit begründet, dass er bei Erhalt des Laptops vom Zeugen A nichts habe unterschreiben müssen. Ebenso plausibel hat er erläutert, dass ihm aufgrund seiner Computerfachkenntnisse die Möglichkeit des Austausches von Tastaturen bekannt sei und die Erkundigung beiläufig in einem Gespräch vor seiner Einsatzverwendung in B allein deshalb erfolgt sei, weil sich mit einer deutschen Tastatur Programmierungen leichter erledigen ließen.

373. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 3 Satz 1 WDO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:190123U2WD4.22.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-36753