Angebot von Online-Zweitlotterien durch maltesische Betreiber
Gesetze: § 4 Abs 4 GlüStVtr NW 2012, § 4 Abs 1 S 1 GlüStVtr NW 2021, § 4 Abs 1 S 2 GlüStVtr NW 2021, § 4 Abs 4 S 2 GlüStVtr NW 2021
Instanzenzug: Az: I-20 U 227/20vorgehend Az: 34 O 44/19nachgehend Az: I ZR 79/22 Beschluss
Gründe
1I. Die Klägerin zu 1 ist Organisatorin verschiedener staatlicher Lotterien in H. ; Veranstalter ist das Land H. , der Kläger zu 2, mit dessen Genehmigung die Klägerin zu 1 die Lotterien durchführt und stationär sowie im Internet anbietet. Das Spielangebot umfasst in Kooperation mit den anderen 15 Landeslotteriegesellschaften eine Vielzahl von Lotterien sowie die gemeinsam mit weiteren europäischen Lotteriegesellschaften betriebene Lotterie "Eurojackpot". Daneben ist die Klägerin zu 1 selbst Veranstalterin der Lotterie "GlücksSpirale". Sie ist außerdem gemeinsam mit den 15 anderen Landeslotteriegesellschaften Inhaberin verschiedener Marken.
2Die Beklagte zu 2 ist eine in Malta ansässige Limited und betreibt die deutschsprachige und bundesweit abrufbare Internetseite www. .com, auf der sie unter anderem die Vermittlung von Tipps auf den Ausgang von Ziehungen nationaler und internationaler staatlicher Lotterien (Zweitlotterien) anbietet. Die Beklagte zu 1 ist ebenfalls eine in Malta ansässige Limited. Sie hält nach ihrem Vortrag eine maltesische Lizenz zum Betreiben von Glücksspiel. Die bei der Beklagten zu 2 abgegebenen Tipps werden an die Beklagte zu 1 vermittelt, die als Buchmacherin fungiert. Über eine von deutschen Behörden erteilte Erlaubnis für die Veranstaltung oder Vermittlung von Glücksspielen in Deutschland verfügen die Beklagten nicht.
3Die Kläger meinen, das Online-Glücksspielangebot der Beklagten verstoße gegen den Glücksspielstaatsvertrag und damit gegen eine Marktverhaltensregelung. Sie machen außerdem wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Irreführung, unlauterer Nachahmung und vergleichender Werbung sowie Ansprüche wegen Markenrechtsverletzungen geltend. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.
4Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
5II. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten verstießen mit ihrem Angebot gegen die Marktverhaltensregelungen des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und des § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 (Tenor des Landgerichts zu Ziffer I 1 a). Die in Bezug auf Online-Zweitlotterien als Totalverbot ohne Erlaubnismöglichkeit ausgestalteten Regelungen in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 seien nicht unionsrechtswidrig. Selbst wenn die Neuregelung unionsrechtswidrig sein sollte, wären die Beklagten jedenfalls nicht davon befreit, sich um eine Erlaubnis zu bemühen. Das Werbeverbot (Tenor des Landgerichts zu Ziffer I 1 b aa und I 1 b bb) folge aus den Regelungen in § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 5 Abs. 5 GlüStV 2012 bzw. § 5 Abs. 7 GlüStV 2021, die ebenfalls unionsrechtskonform seien. Soweit die beanstandeten Internetseiten nach ihrem Gesamteindruck geeignet seien, den - unzutreffenden - Eindruck zu vermitteln, die Spielteilnehmer könnten an diversen staatlichen Lotterien teilnehmen, liege eine unlautere Irreführung vor (Tenor des Landgerichts zu Ziffer I 1 b cc und I 1 b dd). Dasselbe gelte für die Werbung mit den Siegeln, die der angesprochene Verkehr dahin verstehe, dass das angebotene Glücksspiel in Deutschland staatlich lizenziert sei; das sei objektiv unrichtig (Tenor des Landgerichts zu Ziffer I 1 c). Der werbliche Vergleich (Tenor des Landgerichts zu Ziffer I 1 d) sei gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 und 3 UWG unlauter. Eine Austauschbarkeit der Dienstleistungen liege nicht vor, weil die Beklagten Wetten auf den Ausgang staatlicher Lotterien anböten und dieses Glücksspielangebot in Deutschland nicht erlaubt und auch nicht erlaubnisfähig sei. Zudem führten die Beklagten die Gefahr einer Verwechslung zwischen ihren Produkten und jenen der Kläger im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG herbei. Das Anbieten von Zweitlotterien durch die Beklagten unter Übernahme der Gewinnzahlen, Gewinnpläne und Gewinnquoten sei als herkunftstäuschende Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG zu bewerten; zugleich sei das Angebot in Deutschland nicht erlaubter und auch nicht erlaubnisfähiger Zweitlotterien geeignet, die Wertschätzung des legalen Glücksspielangebots gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. b UWG zu beeinträchtigen (Tenor des Landgerichts zu Ziffer II 1). Soweit die Beklagten das von der Klägerin zu 1 veranstaltete Lotteriespiel "GlücksSpirale" nachahmten, sei dies in gleicher Weise unlauter (Tenor des Landgerichts zu Ziffer III 1 a). Mit Recht habe das Landgericht auch einen Unterlassungsanspruch der Klägerin zu 1 wegen Verletzung der geltend gemachten deutschen Marken zuerkannt (Tenor des Landgerichts zu Ziffer III 1 b).
6Das Berufungsgericht hat die Revision im Tenor (uneingeschränkt) zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Revision sei mit Blick auf die Frage zuzulassen, ob die gesetzliche Neuregulierung des Glücksspielwesens durch den Glücksspielstaatsvertrag 2021, insbesondere die Beibehaltung des ausnahmslosen Verbots von (Online-)Zweitlotterien bei gleichzeitiger Zulassung von Online-Casinospielen, virtuellen Automatenspielen und Online-Poker, eine Neubewertung der verfassungs- und unionsrechtlichen Kohärenz gebiete. Vor dem Hintergrund der Novellierung des Glücksspielwesens infolge des zum in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrags 2021 seien die Ausführungen zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit von grundsätzlicher Bedeutung.
7III. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision auf die vom Landgericht ausgesprochenen und in der Berufung bestätigten Verbote gemäß den Urteilsaussprüchen zu den Ziffern I 1 a, I 1 b aa, I 1 b bb, I 1 d, II 1, III 1 a nebst den darauf bezogenen Folgeansprüchen beschränkt (dazu III 1). Diese Beschränkung ist wirksam (dazu III 2). Die darüber hinausgehende Revision der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen (§ 552 ZPO). Soweit die Revision vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden ist, war sie auch nicht auf die von den Beklagten hilfsweise eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen (dazu III 3).
81.Die Revision ist vom Berufungsgericht nur eingeschränkt zugelassen worden.
9a) Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält keine Beschränkung der Revisionszulassung. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aber anerkannt, dass sich eine Eingrenzung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (st. Rspr.; vgl. , WM 2013, 468 [juris Rn. 8]; Beschluss vom - I ZR 58/14, NJOZ 2016, 1580 [juris Rn. 2]; Beschluss vom - I ZR 91/18, juris Rn. 3; Beschluss vom - VIII ZR 222/18, NJW 2020, 3258 [juris Rn. 9], jeweils mwN). Der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit, wonach es für die Parteien zweifelsfrei zu erkennen sein muss, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. BVerfGE 108, 341 [juris Rn. 25]), verlangt jedoch, dass eine Eingrenzung der Zulassung der Revision zweifelsfrei geschehen muss. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (vgl. , GRUR 2022, 1427 [juris Rn. 36] = WRP 2022, 1125 - Elektronischer Pressespiegel II, mwN). Eine beschränkte Zulassung der Revision liegt aber vor, wenn die Zulassung wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs erheblich sein kann (vgl. , WM 2011, 2223 [juris Rn. 18]; Urteil vom - II ZR 152/10, juris Rn. 13; Beschluss vom - I ZR 84/20, ZUM-RD 2022, 626 [juris Rn. 18] mwN).
10b) Im Streitfall ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils, dass die Zulassung der Revision nur die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zurückweisung der Berufung der Beklagten in Bezug auf solche Verbotsaussprüche des Landgerichts umfasst, die zumindest auch auf der Annahme beruhen, das Verbot von Zweitlotterien im Internet sei auch mit Blick auf die Neuregelung in § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 verfassungs- und unionsrechtskonform. Das sind die vom Berufungsgericht bestätigten Urteilsaussprüche des Landgerichts zu den Ziffern I 1 a, I 1 b aa, I 1 b bb, I 1 d, II 1, III 1 a nebst den darauf bezogenen Folgeansprüchen. Die Zulassungsentscheidung nimmt inhaltlich Bezug auf die ausführlich vom Berufungsgericht erörterte Frage der Unionsrechtskonformität der Vorschriften unter Berücksichtigung des Kohärenzgebots für den Bereich des Glücksspiels. Nicht umfasst sind danach die Verbotsaussprüche, die ausschließlich auf andere Verbotstatbestände - namentlich unlautere Irreführung und Markenrechtsverletzungen - gestützt sind. Das sind die Urteilsaussprüche des Landgerichts zu den Ziffern I 1 b cc, I 1 b dd, I 1 c und III 1 b sowie die darauf bezogenen Folgeansprüche.
112. Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam.
12a) Die Zulassung der Revision kann zwar nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente beschränkt werden, wohl aber auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst ihre Revision beschränken könnte (, juris Rn. 7 mwN). Dafür reicht es aus, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und kein Widerspruch zwischen dem noch zur Entscheidung stehenden und dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (vgl. , WM 2013, 24 [juris Rn. 9]; Beschluss vom - I ZR 91/18, juris Rn. 7, jeweils mwN). Es muss sich dabei nicht um einen eigenen Streitgegenstand handeln, der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz muss zudem nicht teilurteilsfähig sein; zulässig ist auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs (vgl. , GRUR 2017, 702 [juris Rn. 17] = WRP 2017, 962 - PC mit Festplatte I, mwN; Urteil vom - I ZR 73/17, GRUR 2019, 82 [juris Rn. 14] = WRP 2019, 68 - Jogginghosen; Beschluss vom - I ZR 91/18, juris Rn. 7 mwN). Für die Frage, ob die Beschränkung der Revisionszulassung nach diesen Grundsätzen wirksam ist, kommt es aus Gründen der Rechtsmittelklarheit auf den Zeitpunkt der beschränkten Zulassung der Revision an. Die Frage, ob eine Partei gegen ihre Verurteilung Revision einlegen kann, darf nicht - nachträglich - davon abhängen, ob gegen die Entscheidung von ihr oder einer anderen Partei Revision eingelegt worden ist (, ZUM 2018, 182 [juris Rn. 12]; BGH, GRUR 2019, 82 [juris Rn. 15] - Jogginghosen; , juris Rn. 7).
13b) Diese Voraussetzungen für eine wirksame Beschränkung der Zulassungsentscheidung sind im Streitfall erfüllt. Bei den Verbotsaussprüchen, die zumindest auch auf der Annahme beruhen, das Verbot von Zweitlotterien im Internet nach den Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag 2012 und 2021 sei verfassungs- und unionsrechtskonform, handelt es sich um eigene Streitgegenstände und damit um selbständige Teile des Gesamtstreitstoffs.
143. Soweit die Revision vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden ist, ist sie auch nicht auf die von den Beklagten hilfsweise eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
15IV. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die beschränkt zugelassene Revision der Beklagten gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen (dazu IV 1) und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat (dazu IV 2).
161. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
17a) Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BVerfGK 19, 467 [juris Rn. 24]; , ZUM 2019, 186 [juris Rn. 6] mwN; Beschluss vom - I ZR 186/20, MMR 2022, 773 [juris Rn. 25]).
18b) Die vom Berufungsgericht als Frage von grundsätzlicher Bedeutung angesehene Rechtsfrage, ob die gesetzliche Neuregelung des Glücksspielwesens durch den Glücksspielstaatsvertrag 2021, insbesondere die Beibehaltung des ausnahmslosen Verbots von (Online-)Zweitlotterien bei gleichzeitiger Zulassung von Online-Casinospielen, virtuellen Automatenspielen und Online-Poker, eine Neubewertung der verfassungs- und unionsrechtlichen Kohärenz gebiete, ist nicht entscheidungserheblich. Fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit, kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht (vgl. , BGHZ 153, 254 [juris Rn. 5]; Beschluss vom - VIII ZR 178/12, juris Rn. 4; Beschluss vom - IV ZR 16/17, NJW-RR 2018, 476 [juris Rn. 12]; Beschluss vom - IV ZR 247/18, NJW-RR 2020, 94 [juris Rn. 8]; BGH, MMR 2022, 773 [juris Rn. 26]).
19c) Die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung gemäß den Urteilsaussprüchen des Landgerichts zu den Ziffern I 1 d, II 1, III 1 a nebst den darauf bezogenen Folgeansprüchen hat das Berufungsgericht nicht allein mit der Begründung zurückgewiesen, die Unterlassungsansprüche der Kläger seien begründet, weil neben den Regelungen in § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 5 GlüStV 2012 auch die Neuregelungen in § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 verfassungs- und unionsrechtskonform seien.
20aa) Hinsichtlich des Verbotsausspruchs des Landgerichts zu Ziffer I 1 d betreffend die Verurteilung wegen unlauterer vergleichender Werbung ist die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht nur darauf gestützt, die fehlende Austauschbarkeit im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG folge daraus, dass das Glücksspielangebot der Beklagten wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 nicht erlaubt und auch nicht erlaubnisfähig sei. Darüber hinaus stützt das Berufungsgericht die Verurteilung gemäß Ziffer I 1 d ohne Rechtsfehler auch auf § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG wegen der Gefahr einer Verwechslung zwischen den Produkten der Beklagten und der Kläger; dafür kommt es nicht auf die Frage an, ob die Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag 2021 verfassungs- und unionsrechtskonform sind.
21bb) Die Bestätigung der Verurteilung wegen einer unlauteren Nachahmung gemäß § 4 Nr. 3 UWG (Tenor des Landgerichts zu den Ziffern II 1 und III 1 a) hat das Berufungsgericht einerseits mit einer unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung der Dienstleistungen der Kläger (§ 4 Nr. 3 Buchst. b UWG) begründet, weil das Angebot der Beklagten in Deutschland wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 nicht erlaubt und auch nicht erlaubnisfähig sei. Andererseits stützt es die Verurteilung wegen einer unlauteren Nachahmung ohne Rechtsfehler auch auf eine vermeidbare Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3 Buchst. a UWG); insoweit kommt es auf die Frage, ob die Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag 2021 verfassungs- und unionsrechtskonform sind, nicht an.
22d) Aber auch soweit das Berufungsgericht seine Entscheidung allein auf einen Verstoß gegen die Marktverhaltensregelungen der § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 5 GlüStV 2012 und § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 gestützt hat (Tenor des Landgerichts zu Ziffer I 1 a, I 1 b aa und I 1 b bb), ist die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn die beanstandete Neuregelung im Glücksspielstaatsvertrag zum Verbot von Online-Zweitlotterien unionsrechtswidrig sein sollte, wären die Beklagten nicht davon befreit, sich um eine Erlaubnis für die von ihnen angebotenen Glücksspiele zu bemühen. Das haben sie nicht getan. Das Verhalten der Beklagten ist unter der Geltung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 daher jedenfalls unlauter, weil sie die Online-Zweitlotterien ohne Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 angeboten haben.
23aa) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, auch ein inkohärentes und damit unionsrechtswidriges Verbot von Online-Zweitlotterien führe nicht dazu, dass diese gänzlich ohne Erlaubnis angeboten werden dürften. Der (umfassende) Erlaubnisvorbehalt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 bleibt bei einer (unterstellten) Unionsrechtswidrigkeit des Verbots von Online-Zweitlotterien bestehen (vgl. BVerwG, ZfWG 2015, 227 [juris Rn. 30]; OVG Hamburg, ZfWG 2017, 404 [juris Rn. 43]; OLG Köln, ZfWG 2020, 182 [juris Rn. 87]; BayVGH, ZfWG 2022, 478 [juris Rn. 35 bis 38]; zum Erlaubnisvorbehalt bei der verwaltungsakzessorischen Strafvorschrift des § 284 Abs. 1 StGB vgl. , NJW 2020, 2282 [juris Rn. 15 bis 17]).
24Das Unionsrecht fordert selbst bei (unterstellter) Unionsrechtswidrigkeit des Verbots von Online-Zweitlotterien weder eine Duldung noch eine voraussetzungslose Genehmigung der Veranstaltung und Vermittlung solcher Wetten, sondern lediglich die Prüfung sowie Bescheidung hierauf gerichteter Erlaubnisanträge unter Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und Transparenz anhand objektiver, nichtdiskriminierender und im Voraus bekannter Maßstäbe (vgl. und C-209/11, GRUR 2013, 524 [juris Rn. 46 f.] - Stanleybet International u.a.; Urteil vom - C-336/14, GRUR Int. 2016, 365 [juris Rn. 54 f.] - Ince).
25bb) Die Beklagten waren auch nicht deshalb davon befreit, ein Erlaubnisverfahren anzustrengen, weil das von ihnen angebotene Glücksspiel gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 nicht erlaubnisfähig ist. Die zuständige Behörde wäre im Rahmen eines solchen Erlaubnisverfahrens zur Einhaltung des Unionsrechts verpflichtet, was bei einer unterstellten Unionsrechtswidrigkeit des Online-Zweitlotterie-Verbots bedeutete, dass eine Erlaubnis nicht aus diesem Grund abgelehnt werden dürfte. Gegen eine (unionsrechtswidrige) Versagung der Erlaubnis durch die Behörde stünde den Beklagten der Verwaltungsrechtsweg offen (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG; vgl. BayVGH, ZfWG 2022, 478 [juris Rn. 59 f.]).
26cc) Der Umstand, dass die Beklagte zu 1 nach ihrem Vortrag im Besitz einer maltesischen Glücksspielerlaubnis ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann es angesichts des weiten Wertungsspielraums der Mitgliedstaaten hinsichtlich der von ihnen angestrebten Ziele und des von ihnen gewünschten Verbraucherschutzniveaus sowie in Ermangelung jeglicher Harmonisierung auf dem Gebiet der Glücksspiele beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse geben. Demzufolge bleibt jeder Mitgliedstaat berechtigt, die Möglichkeit, den Verbrauchern in seinem Hoheitsgebiet Glücksspiele anzubieten, für alle daran interessierten Veranstalter vom Besitz einer von seinen zuständigen Behörden erteilten Erlaubnis abhängig zu machen, ohne dass der Umstand, dass ein bestimmter Veranstalter bereits über eine in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Erlaubnis verfügt, dem entgegenstehen kann ( und C-8/12, ZfWG 2013, 391 [juris Rn. 40 f.] - Biasci u.a., mwN). Da eine allgemeine gegenseitige Pflicht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Anerkennung von Erlaubnissen, die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten erteilt wurden, nicht besteht, bleibt den einzelnen Mitgliedstaaten in jedem Fall die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung überlassen (BVerwG, ZfWG 2015, 227 [juris Rn. 26]).
27dd) Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache "Ince" (GRUR Int. 2016, 365) keine abweichende Beurteilung.
28Das Verfahren betraf im Kern die unionsrechtlichen Anforderungen an den Übergang vom staatlichen Sportwettenmonopol zum ordnungsrechtlichen Konzessionsmodell nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2012. Das Urteil behandelt im Wesentlichen die Konsequenzen, die Verwaltung und Justiz eines Mitgliedstaats aus der Feststellung, dass Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts über das Verbot privater Glücksspielangebote mit dem Unionsrecht unvereinbar sind, ziehen müssen, bis ein solcher Verstoß gegen das Unionsrecht durch eine Rechtsreform abgestellt wird (vgl. EuGH, GRUR Int. 2016, 365 [juris Rn. 51] - Ince; vgl. auch Dietlein/Peters, ZfWG 2016, 78). Es ging im dortigen Verfahren mithin von vornherein nicht um eine mit dem Streitfall vergleichbare Konstellation.
29Im Übrigen ergibt sich aus der Entscheidung lediglich, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat. Aus dem Urteil folgt dagegen nicht, dass ein Mitgliedstaat bei einer derartigen Verletzung des Unionsrechts verpflichtet wäre, die fragliche Tätigkeit zu dulden oder zu genehmigen. Er ist lediglich gehalten, über Anträge auf Erlaubnis der fraglichen Tätigkeit auf der Grundlage objektiver und transparenter Kriterien zu entscheiden. Einen bestimmten Inhalt dieser Entscheidungen gibt ihm das Unionsrecht nicht vor (vgl. BVerwG, ZfWG 2019, 36 [juris Rn. 14]).
302. Nach dem Vorstehenden hat die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit Recht zurückgewiesen. Das Verhalten der Beklagten ist jedenfalls unlauter, weil sie die Online-Zweitlotterien ohne Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 angeboten haben.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:260123BIZR79.22.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-36370