Aufhebung der Zusatzweiterbildung "Homöopathie" in Niedersachsen
Gesetze: Art 14 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 34 Abs 2 HeilbKG ND, § 22 ÄWeitBiO ND
Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 8 KN 62/21 Urteil
Gründe
11. Der Antragsteller zu 1. ist als Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde in Osnabrück niedergelassen und seit 1997 zum Führen der Zusatzbezeichnung "Homöopathie" berechtigt. Nach eigenen Angaben ist seine Praxis im Schwerpunkt homöopathisch ausgerichtet. Die Antragstellerin zu 2. ist die Tochter des Antragstellers zu 1.; sie ist approbierte Ärztin, hat die Facharztausbildung aber noch nicht abgeschlossen. Mit der Normenkontrolle wenden sie sich gegen eine Neufassung der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen, mit der die Möglichkeit abgeschafft wurde, die Zusatzbezeichnung "Homöopathie" künftig zu erwerben.
2Die Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen beschloss am und eine Neufassung ihrer Weiterbildungsordnung, die am in Kraft getreten ist. Anders als in der bis dahin geltenden Weiterbildungsordnung und abweichend von den Empfehlungen der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer ist darin die Zusatzweiterbildung "Homöopathie" nicht mehr vorgesehen. Gemäß § 22 der Weiterbildungsordnung dürfen die nach den bisherigen Weiterbildungsordnungen erworbenen Bezeichnungen weiter geführt werden (Absatz 2). Kammermitglieder, die sich bei Inkrafttreten der Änderung in einer Facharztweiterbildung befinden, können diese nach den bisherigen Bestimmungen innerhalb einer Frist von zehn Jahren abschließen (Absatz 3); für den Erwerb anderer Bezeichnungen gilt eine Frist von drei Jahren (Absatz 4).
3Die Antragsteller rügen einen Verstoß gegen § 34 Abs. 2 des Kammergesetzes für die Heilberufe des Landes Niedersachsen. Es gebe keine neuen Erkenntnisse, die die Streichung der Zusatzbezeichnung "Homöopathie" rechtfertigen würden; die Aufhebung könne daher allenfalls dem Schutz der Schulmediziner vor Konkurrenz dienen. Damit habe die Ärztekammer gegen die ihr gesetzlich zugewiesene Aufgabe verstoßen, im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit die gemeinsamen beruflichen Belange der Gesamtheit der Kammermitglieder zu wahren. Darüber hinaus sieht sich der Antragsteller zu 1. durch die Änderung in seinen Grundrechten verletzt. Durch die Streichung der Zusatzbezeichnung "Homöopathie" könne er nicht mehr damit rechnen, künftig die für den Betrieb der Praxis benötigte qualifizierte ärztliche Vertretung zu finden. Entsprechendes gelte für die Möglichkeit, die Praxis für einen angemessenen Preis an einen Nachfolger mit homöopathischem Schwerpunkt zu veräußern. Mit der Streichung der Zusatzbezeichnung "Homöopathie" beseitige die Ärztekammer die Grundlage für die Heranbildung von an der Übernahme der Praxis interessierten und entsprechend ausgewiesenen Fachkollegen. Damit werde der Wert der am Markt etablierten Praxis mit einem homöopathisch ausgerichteten Patientenstamm verringert. Der Erlös aus dem Verkauf ihrer Praxis stelle für Ärzte aber einen wesentlichen Teil der Alterssicherung dar. Zwar müsse sich auch ein niedergelassener Arzt auf eine zulässige Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen einstellen; die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen könne er indes rügen, wenn sich die Folgen der Rechtsänderung auf den Wert seiner Praxis auswirken könnten. Die Antragstellerin zu 2. macht geltend, ihr werde der vom Schutz der Berufsfreiheit umfasste Erwerb einer Zusatzbezeichnung verwehrt.
4Durch Urteil vom hat das Oberverwaltungsgericht die Anträge als unzulässig abgelehnt, weil den Antragstellern die Antragsbefugnis fehle. Weder § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Kammergesetzes für die Heilberufe in der bis zum gültigen Fassung noch § 34 Abs. 2 der unveränderten Fassung des Gesetzes komme Drittschutz zu. Auch hinsichtlich der geltend gemachten Grundrechtspositionen fehle es an der Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten. Die vom Antragsteller zu 1. geltend gemachten wirtschaftlichen Einbußen infolge der Neuregelung seien rein hypothetisch und im Übrigen nur als Reflex einer nicht hierauf ausgerichteten Regelung zu bewerten. Schon aus der Übergangsregelung folge, dass der Antragsgegner nicht eine nachteilige Veränderung des Werts einer Praxis von im Schwerpunkt homöopathisch tätigen Ärzten beabsichtigt habe. Im Übrigen handele es sich bei dem geltend gemachten Praxiswert nicht um eine erworbene Vermögensposition, sondern nur um eine Gewinnerwartung. Die Rechtssphäre der Antragstellerin zu 2. sei schon deshalb nicht betroffen, weil sie auch nach alter Rechtslage noch nicht die Zugangsvoraussetzungen für den Beginn der Weiterbildung "Homöopathie" erworben habe.
52. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie hat die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt.
6a) Die Beschwerde des Antragstellers zu 1. benennt keine grundsätzliche bedeutsame Rechtsfrage (§ 132 Abs. 2 Nr. 1, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Sie kritisiert vielmehr das Urteil des Oberverwaltungsgerichts nach Art einer Berufungsbegründung.
7Die der Sache nach aufgeworfene Frage, ob und inwieweit § 34 Abs. 2 des Kammergesetzes für die Heilberufe Niedersachsen i. d. F. der Bekanntmachung vom (Nds. GVBl. S. 301) auch dem Schutz einzelner Ärzte zu dienen bestimmt ist, betrifft im Schwerpunkt nicht-revisibles Landesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass die landesrechtlichen Regelungen über die ärztliche Weiterbildung im Kammergesetz für die Heilberufe Niedersachsen "kein subjektives Recht des Arztes darauf [begründen], seine Patienten im Vertretungsfall auf einen Kollegen oder eine Kollegin verweisen zu können, der oder die über eine identische Zusatzbezeichnung verfügt. Ebenso wenig sind die Regelungen insofern drittschützend, als das Interesse des Arztes daran, seine Praxis später an einen in einer bestimmten Art und Weise weitergebildeten Nachfolger übergeben zu können, geschützt wäre" (UA S. 8). Hieran ist das Bundesverwaltungsgericht gebunden. Die Anwendung und Auslegung irrevisiblen Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht ist für das Revisionsgericht verbindlich (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob die Anwendung des Landesrechts in der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht revisibles Recht verletzt (vgl. etwa 3 C 20.18 - BVerwGE 169, 142 Rn. 8).
8Soweit die Rüge auf die Grundrechte - und damit revisibles Bundesrecht - Bezug nimmt, hat der Senat mit Beschluss vom - 3 BN 6.21 - (juris) zur entsprechenden Regelung in Bremen die maßgeblichen Fragen bereits beantwortet; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen ( -). Neuen oder zusätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
9Das gilt auch für den Vortrag, mit seiner Auffassung billige das Oberverwaltungsgericht der Ärztekammer praktisch einen rechtsfreien Raum zu. Die in Anspruch genommene Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG setzt eine Rechtsposition voraus ( - BVerfGE 113, 273 <310> m. w. N.). Da die maßgeblichen Vorschriften des Landesrechts nach der bindenden Auslegung des Oberverwaltungsgerichts nicht dem Schutz einzelner Ärzte dienen, vermitteln sie dem Antragsteller auch kein eigenes Recht. Die Frage nach dem Schutzzweck der in Rede stehenden Normen des Landesrechts wird durch die Berufung auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu einer Angelegenheit des revisiblen Bundesrechts. Auch der Umstand, dass es sich beim Verwaltungsprozessrecht um revisibles Bundesrecht handelt, vermittelt dem Antragsteller keinen von der Voraussetzung eines subjektiven Rechts losgelösten Weg, die Ärztekammer "zur Ablegung der Rechenschaft über ihr Vorgehen zu zwingen" (Beschwerdebegründung vom , S. 6).
10Die zu Art. 14 Abs. 1 GG aufgeworfenen Fragen gehen am Regelungsgehalt der angegriffenen Rechtsnormen vorbei. Die neugefasste Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen enthält keine Vorschrift zur Veräußerung einer ärztlichen Praxis. Der vom Antragsteller gerügte Grundrechtseingriff könnte sich daher nur aus mittelbar-faktischen Beeinträchtigungen ergeben. Die Maßstäbe hierfür sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. zuletzt etwa - NVwZ 2021, 1211 Rn. 54 m. w. N.). Grundsätzlichen Klärungsbedarf hierzu zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie hat auch keine Gesichtspunkte vorgetragen, die die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, die Änderung der Weiterbildungsordnung greife weder im Hinblick auf ihre Zielrichtung noch hinsichtlich des Kausalzusammenhangs in die Möglichkeiten einer Praxisveräußerung ein, in Frage stellen würden. Auch nach dem Beschwerdevortrag sind die vom Antragsteller befürchteten Wirkungen vielmehr nur als mittelbare und "reflexartige" Folgen einer nicht auf seine Berufsausübung gerichteten normativen Regelung zu bewerten.
11Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht darauf verwiesen, dass auch die Eigentumsgarantie grundsätzlich nicht gegen Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns und deren Auswirkungen auf die Marktchancen schützt - hier bei einem etwaigen Verkauf der ärztlichen Praxis (vgl. u. a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 372; - BGHZ 132, 181 Rn. 18 m. w. N.). Eine "eingriffsgleiche Wirkung" ( - NVwZ 2008, 1338 Rn. 21) der Abschaffung der Möglichkeit, die Zusatzbezeichnung "Homöopathie" zu erwerben, auf die Rechtsstellung des Antragstellers zu 1 ist im Übrigen schon deshalb nicht dargelegt, weil der Verkaufspreis einer Praxis von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Dass das Entfallen der Möglichkeit für alle der Landesärztekammer Niedersachsen angehörenden Ärztinnen und Ärzte, die Zusatzbezeichnung "Homöopathie" neu zu erwerben, hierfür von ausschlaggebender Bedeutung sein könnte, hat der Antragsteller nicht aufgezeigt.
12b) Die von der Antragstellerin zu 2. benannte Frage, ob der Bewerber an einer beruflichen Weiterbildung in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit betroffen ist, wenn die erstrebte Qualifizierung durch eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen abgeschafft wird, rechtfertigt ebenfalls nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens.
13Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass Berufsregelungen gegen Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. dem Gebot des Vertrauensschutzes verstoßen können, wenn sie keine zureichenden Übergangsregelungen vorsehen (vgl. etwa u. a. - BVerfGE 98, 265 <309 f.> zur Einführung eines Facharztvorbehalts). Eine - wie auch immer geartete - Vertrauensschutzposition kommt der Antragstellerin hier indes nicht zu. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Oberverwaltungsgerichts, die von der Antragstellerin nicht angegriffen worden sind, hatte sie vielmehr auch die nach alter Rechtslage für den Beginn der Weiterbildung "Homöopathie" erforderlichen Zugangsvoraussetzungen nicht erworben. Auf Vertrauensschutz hat sich die Beschwerde folgerichtig auch nicht berufen.
14Woraus sich bei dieser Sachlage indes ein der Neuregelung entgegenstehendes Recht der Antragstellerin ergeben sollte, ist nicht ersichtlich. Die bloße Erwartung, eine nach geltendem Recht bestehende Zusatzweiterbildung auch später absolvieren und ggf. die hierzu gehörige Zusatzbezeichnung führen zu dürfen, reicht zur Begründung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht aus. Die Behandlung von Patienten mit homöopathischen Mitteln und Methoden wird weder eingeschränkt noch verboten. Es ist der Antragstellerin auch unbenommen, sich auf diesem Gebiet beruflich fortzubilden.
15Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
163. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 39 Abs. 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:250522B3BN3.22.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-36197