BGH Beschluss v. - StB 38/22

Strafverfahren: Auslegung einer Eingabe als Rechtsmittel gegen eine Beschlagnahmeanordnung

Gesetze: § 300 StPO

Gründe

11. Der Generalbundesanwalt führte gegen den Angeschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des versuchten Mordes und weiterer Straftaten. Am ordnete der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Beschlagnahme des vom Angeschuldigten mutmaßlich für die Tat verwendeten Kraftfahrzeugs zur Sicherung dessen Einziehung an.

2Mit undatiertem, am beim Bundesgerichtshof eingegangenem Begleitschreiben, das die Überschrift "Jesus Worte Nr. 2" trägt, hat der Angeschuldigte die ihm übermittelte Abschrift des Beschlagnahmebeschlusses zurückgesandt. Mit Zuschrift vom selben Tag hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Brief des Angeschuldigten vorgelegt und erklärt, er helfe der Beschwerde gegen den Beschluss, als die das Schreiben habe ausgelegt werden können, nicht ab.

3Am hat der Generalbundesanwalt Anklage gegen den Angeschuldigten zum Oberlandesgericht Stuttgart erhoben.

42. Die undatierte Eingabe des Angeschuldigten beinhaltet keine Beschwerde gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs über die Beschlagnahme seines Kraftfahrzeugs. Sie ist keiner Auslegung in diesem Sinne zugänglich.

5a) Zwar ist gegen die Anordnung der Beschlagnahme durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft (§ 304 Abs. 5 StPO). Auch ist es nach § 300 StPO unschädlich, wenn der Rechtsmittelführer die Anfechtungserklärung, mit der er gegen einen Beschlagnahmebeschluss vorgeht, nicht als Beschwerde bezeichnet.

6Die Anwendung der Vorschrift des § 300 StPO setzt jedoch voraus, dass tatsächlich die Überprüfung einer bestimmten gerichtlichen Entscheidung mit dem Ziel ihrer Aufhebung oder Änderung begehrt wird und dieser Anfechtungswille aus der abgegebenen Erklärung unmissverständlich hervorgeht. Der Wille des Erklärenden, gegen eine bestimmte Entscheidung ein zulässiges Rechtsmittel einzulegen, muss deutlich zu erkennen sein. Bei bloßen Unmutsäußerungen ist dies nicht der Fall. Ebenso wenig liegt eine Anfechtungserklärung allein in der Mitteilung, mit einer Entscheidung unzufrieden zu sein. Gerade dem Rechtsunkundigen darf ein - gegebenenfalls für ihn kostenpflichtiges (§ 473 Abs. 1 StPO) - Rechtsmittel nicht auf unsicherer Tatsachengrundlage aufgedrängt werden (vgl. zum Ganzen HK-StPO/Rautenberg/Reichenbach, 6. Aufl., § 300 Rn. 2; KK-StPO/Paul, 8. Aufl., § 300 Rn. 2; LR/Jesse, StPO, 26. Aufl., § 300 Rn. 4, jeweils mwN).

7b) Hier kommt in dem Begleitschreiben des Angeschuldigten nicht dessen Anfechtungswille zum Ausdruck. Vielmehr scheint es sich in Zitaten aus einer religiösen Schrift mit allgemein mahnendem Charakter zu erschöpfen. Der Wille des Angeschuldigten, gegen den die Beschlagnahme des Kraftfahrzeugs anordnenden Beschluss ein zulässiges Rechtsmittel einzulegen, geht auch nicht daraus hervor, dass er die ihm übermittelte Abschrift zurückgesandt hat. Dafür, dass er hiermit die Überprüfung der Entscheidung durch den anordnenden Richter und/oder in einer weiteren Instanz begehrt, besteht kein Anhalt. Das gilt umso mehr, als nach dem Ermittlungsergebnis der dringende Verdacht besteht, dass der Angeschuldigte generell die Ausübung hoheitlicher Gewalt durch die Organe der Bundesrepublik sowie deren Länder nicht anerkennt und die Legitimität staatlichen Handelns in Abrede stellt (s. Senatsbeschluss vom - AK 27/22, juris Rn. 7).

8c) Nach alledem kommt es nicht darauf an, wie prozessual zu verfahren wäre, wenn der Angeschuldigte gegen den Beschlagnahmebeschluss eine Beschwerde (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom - StB 196/77 u.a., BGHSt 27, 253; vom - StB 34/20, BGHR StPO § 142 Abs. 3 Zuständigkeit 1 Rn. 4 mwN) oder einen anderen Rechtsbehelf eingelegt hätte.

Berg                    Paul                    Voigt

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ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:200922BSTB38.22.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-36174