Nichtverlängerungsmitteilung - Anhörung des Bühnenmitglieds
Gesetze: § 1 TVG, § 110 Abs 1 Nr 2 ArbGG, § 256 Abs 1 ZPO, § 102 Abs 1 BetrVG
Instanzenzug: Az: 18 Ha 6/20 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 6 Sa 1065/20 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten im Rahmen einer Aufhebungsklage über die Wirksamkeit einer Nichtverlängerungsmitteilung.
2Der Aufhebungsbeklagte (nachfolgend Beklagte) ist seit dem bei der Aufhebungsklägerin (nachfolgend Klägerin) in dem von dieser betriebenen Theater in G als Schauspieler beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag vom lautet auszugsweise:
3Der Normalvertrag Bühne vom in der bis zum geltenden Fassung des 10. Änderungstarifvertrags vom (im Folgenden NV Bühne) lautet auszugsweise:
4Schon im Jahre 2013 erwog der Intendant der Klägerin, das Arbeitsverhältnis des Beklagten nicht zu verlängern, sah dann aber davon ab, eine Nichtverlängerungsmitteilung auszusprechen. Am führte er zwei Gespräche mit dem Beklagten, eines am Morgen und ein weiteres am Abend. Letzteres hatte der Beklagte selbst gesucht, nachdem das erste Gespräch mit einer verbalen Auseinandersetzung geendet hatte. Der genaue Inhalt der Gespräche ist streitig.
5Mit Schreiben vom teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie ziehe in Erwägung, dessen befristeten Arbeitsvertrag über die Spielzeit 2018/2019 hinaus nicht zu verlängern und lud ihn zu einem Anhörungsgespräch am , 14:00 Uhr in das Büro des Intendanten ein. An diesem Gespräch nahmen der Beklagte, der Intendant und die Verwaltungsdirektorin der Klägerin sowie ein Betriebsratsmitglied teil. Die Klägerin informierte den Beklagten im Anhörungsgespräch über den beabsichtigten Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung. Gründe hierfür führte sie nicht näher aus; weitere Einzelheiten des Gesprächsinhalts sind streitig. Mit Schreiben vom teilte die Klägerin dem Beklagten mit, der Arbeitsvertrag werde nicht über das Ende der Spielzeit 2018/2019 verlängert.
6Mit seiner beim Bezirksbühnenschiedsgericht vor dem erhobenen Schiedsklage hat der Beklagte die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Nichtverlängerungsmitteilung geltend gemacht. Das Bezirksbühnenschiedsgericht hat der Schiedsklage, mit der der Beklagte die Feststellung begehrt hatte, dass die ihm gegenüber ausgesprochene Nichtverlängerungsmitteilung unwirksam ist, stattgegeben. Es hat zur Begründung - kurz zusammengefasst - ausgeführt, die Nichtverlängerungsmitteilung sei nach § 61 Abs. 5 Satz 2 iVm. Abs. 4 NV Bühne unwirksam, da der Beklagte vor deren Ausspruch nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Das Bühnenoberschiedsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin mit Schiedsspruch vom zurückgewiesen.
7Gegen den ihr am zugestellten Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts hat die Klägerin mit einem am beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am zugestellten Schriftsatz die vorliegende Aufhebungsklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, der Intendant der Klägerin habe dem Beklagten schon am die Nichtverlängerung des Vertrags zum Ablauf der Spielzeit 2018/2019 angekündigt. Im Gespräch am Abend des seien dem Beklagten in Anwesenheit des Chefdramaturgen in einer differenzierten Stellungnahme die Nichtverlängerungsgründe mitgeteilt worden. Den Anhörungstermin am habe der Intendant dann mit den Worten „Die Sicht des Theaters ist dargestellt“ eingeleitet und dem Beklagten unmittelbar die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Der Beklagte sei nicht überrascht gewesen und habe sofort das Wort ergriffen. Damit sei der Inhalt des am Abend des geführten Gesprächs in zulässiger Weise zum Gegenstand der Anhörung vom gemacht worden und der tarifvertraglichen Pflicht zur Anhörung vor Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung genügt. Diese verlange nicht, bereits zuvor mitgeteilte Gründe im Anhörungstermin zu wiederholen. Ein solches Erfordernis stelle eine unnötige Förmelei dar.
8Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
9Der Beklagte hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - beantragt, die Aufhebungsklage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, § 61 Abs. 4 Satz 1 NV Bühne erfordere die Mitteilung der Gründe für die Nichtverlängerung in dem Anhörungstermin, zu dem das Bühnenmitglied nach § 61 Abs. 4 Satz 2 NV Bühne ordnungsgemäß eingeladen worden sei. Da die Klägerin im Anhörungsgespräch am selbst keine Gründe für die Nichtverlängerung genannt habe, sei die Nichtverlängerungsmitteilung vom unwirksam.
10Das Arbeitsgericht hat die Aufhebungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Aufhebungsantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
11Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das die Aufhebungsklage abweisende arbeitsgerichtliche Urteil zu Recht zurückgewiesen.
12I. Die Aufhebungsklage ist zulässig. Sie ist nach § 110 Abs. 1 ArbGG statthaft (vgl. zu den Voraussetzungen - Rn. 15 mwN). Die Klägerin wendet sich gegen den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts, das ihre Berufung gegen den Schiedsspruch des Bezirksbühnenschiedsgerichts, mit dem auf Antrag des Beklagten die Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung vom festgestellt worden ist, zurückgewiesen hat. Die Klägerin rügt im Rahmen der Aufhebungsklage die Verletzung von Rechtsnormen iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG. Sie greift die Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts mit der Begründung an, dieses habe den Umfang der Anhörungspflicht nach § 61 Abs. 4 und Abs. 5 NV Bühne verkannt. Die zweiwöchige Klagefrist nach § 110 Abs. 3 Satz 1 ArbGG ist gewahrt. Danach ist die Klage binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des Schiedsspruchs zu erheben. Die Klageschrift, mit der die Klägerin die Aufhebung des ihr am zugestellten Schiedsspruchs geltend gemacht hat, ist am beim Arbeitsgericht eingegangen und dem Beklagten „demnächst“ iSv. § 167 ZPO am zugestellt worden.
13II. Die Aufhebungsklage ist unbegründet. Das Bühnenoberschiedsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass das Bezirksbühnenschiedsgericht der innerhalb von vier Monaten nach dem - und damit innerhalb der Ausschlussfrist nach § 61 Abs. 8 iVm. Abs. 2 NV Bühne - erhobenen Schiedsklage des Beklagten zu Recht stattgegeben hat.
141. Der auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung vom gerichtete Sachantrag ist zulässig. Er erfüllt die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Mit der Regelung in § 61 Abs. 8 NV Bühne haben die Tarifvertragsparteien die Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung als ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ausgestaltet (vgl. zu § 96 Abs. 8 NV Bühne - Rn. 15 mwN, BAGE 166, 202). Da sich die Klägerin der Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung berühmt, hat der Beklagte ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.
152. Die streitbefangene Nichtverlängerungsmitteilung ist aufgrund einer unzureichenden Anhörung des Beklagten vor ihrem Ausspruch nach § 61 Abs. 5 Satz 2 iVm. Abs. 4 NV Bühne unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
16a) Nach § 61 Abs. 5 Satz 2 NV Bühne ist eine Nichtverlängerungsmitteilung unwirksam, wenn es der Arbeitgeber unterlässt, das Solomitglied fristgerecht zu hören. Diese Rechtsfolge tritt nicht nur ein, wenn der Arbeitgeber eine Anhörung vollständig unterlässt. Die Nichtverlängerungsmitteilung ist vielmehr auch dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber die tariflich vorgesehene Anhörung nicht ordnungsgemäß durchführt (st. Rspr., vgl. zuletzt zu § 69 Abs. 5 NV Bühne - Rn. 49 mwN, BAGE 161, 179). Ordnungsgemäß ist eine Anhörung des Solomitglieds nur, wenn der Arbeitgeber hierbei den nach dem NV Bühne bestehenden Obliegenheiten nachkommt. Der Arbeitgeber hat daher insbesondere die Regelungen in § 61 Abs. 4 bis 6 NV Bühne zu beachten (vgl. zu § 69 Abs. 4 bis 6 NV Bühne - aaO; - 7 AZR 665/11 - Rn. 42, BAGE 145, 142).
17aa) Nach § 61 Abs. 4 Satz 1 NV Bühne hat der Arbeitgeber das Solomitglied zu hören, bevor er eine Nichtverlängerungsmitteilung ausspricht. Dem Anzuhörenden sind die Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerungsmitteilung zur Kenntnis zu geben, um ihm eine sachliche Stellungnahme hierzu zu ermöglichen. Die Anhörung darf sich nicht auf eine pauschale, schlagwort- oder stichwortartige Bezeichnung der Gründe beschränken. Es bedarf vielmehr einer auf die Person des betroffenen Bühnenmitglieds konkret bezogenen und nachvollziehbaren Begründung für die beabsichtigte Nichtverlängerung, damit der Arbeitnehmer bei der Darlegung seines Standpunkts auf sie eingehen kann (vgl. - Rn. 50, BAGE 161, 179; - 7 AZR 128/14 - Rn. 55, BAGE 157, 44; - 7 AZR 114/85 - zu I 3 b der Gründe, BAGE 51, 375). Ausreichend ist es, dass der Intendant seine subjektive Motivation für die Nichtverlängerung des Vertrags offenlegt. Da ein wirksam befristetes Arbeitsverhältnis allein aufgrund der vereinbarten Befristung endet und die Tarifvertragsparteien auf die Festlegung materieller Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung verzichtet haben, ist die Nichtverlängerungsmitteilung nicht darauf zu überprüfen, ob sie durch das Vorliegen objektiver Gründe gerechtfertigt ist ( - aaO mwN).
18bb) Zu einer ordnungsgemäßen Anhörung gehört, dass diese durch die beim Arbeitgeber entscheidungsbefugte(n) Person(en) oder entsprechend der maßgeblichen Vertretungsregelung erfolgt (vgl. zu den Einzelheiten - Rn. 51 mwN, BAGE 161, 179). Im Übrigen ist das Solomitglied nach § 61 Abs. 4 Satz 2 NV Bühne fünf Tage vor der Anhörung schriftlich hierzu zu laden. Die Ladung muss erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die Anhörung den beabsichtigten Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung betreffen soll. Im Ladungsschreiben müssen die Gründe für die Nichtverlängerung allerdings noch nicht mitgeteilt werden (vgl. zu § 69 Abs. 4 Satz 2 NV Bühne - Rn. 53 mwN, aaO).
19b) Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die Nichtverlängerungsmitteilung vom aufgrund einer unzureichenden Anhörung des Beklagten vor ihrem Ausspruch unwirksam ist.
20aa) Die Anhörung im Anhörungstermin beginnt mit der Mitteilung der Gründe durch den Arbeitgeber (vgl. - Rn. 53, BAGE 161, 179). Das schließt zwar nicht kategorisch aus, dass sich der Arbeitgeber hierbei auf bereits zuvor - etwa mit der Ladung zum Anhörungstermin - mitgeteilte Gründe beziehen kann. Diese Annahme vermag aber als Ausnahme nur zu greifen, wenn die (nochmalige) Angabe von Gründen im Anhörungsgespräch eine bloße Förmelei darstellen würde. Sie verbietet sich von vornherein bei einer Bezugnahme auf Gründe, die Gegenstand von - und sei es zeitnah - vor der förmlichen Einladung zur Anhörung geführten Gesprächen waren. Das geben die Maßgaben des tarifvertraglichen Anhörungserfordernisses als Folge einer an dessen Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Systematik orientierten Auslegung vor (vgl. zu den Grundsätzen der Tarifauslegung die st. Rspr., zB - Rn. 21 mwN).
21(1) Eine entsprechende Konkretisierung der Anhörungspflicht ist dem Wortlaut von § 61 Abs. 4 Satz 1 NV Bühne zwar nicht unmittelbar zu entnehmen. Danach hat der Arbeitgeber das Solomitglied vor dem Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung schlicht „zu hören“. Allerdings spricht bereits der allgemeine und insbesondere der juristische Sprachgebrauch, der unter „zu hören“ nicht lediglich ein stummes, reaktionsloses Abwarten des Anhörenden versteht, eher dafür, dass dem Anzuhörenden zuvor der konkrete Sachverhalt, zu dem er gehört werden soll, bekannt gegeben sein muss. Für das Bühnenmitglied ist daher die Kenntnis der Gründe für die in Aussicht genommene Nichtverlängerungsmitteilung erforderlich, um dazu Stellung nehmen und seine Gegenargumente vorbringen zu können (vgl. zur nahezu wortgleichen Regelung in § 2 Abs. 5 des Tarifvertrags über die Mitteilungspflicht vom - zu III 2 der Gründe, BAGE 39, 1). Dieses Wortlautverständnis erfordert eine Ausgestaltung der Anhörungspflicht des Arbeitgebers, die Unklarheiten auf Seiten des Bühnenmitglieds über den genauen Inhalt der Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerungsmitteilung so weit wie möglich ausschließt.
22(2) Ausgehend hiervon streiten insbesondere Sinn und Zweck von § 61 Abs. 4 NV Bühne gegen die Annahme, der Verpflichtung zur Mitteilung von Gründen für die beabsichtigte Nichtverlängerung des Vertrags sei durch eine Bezugnahme auf Gespräche, die vor der förmlichen Einladung zur Anhörung stattgefunden haben, genügt. Die Anhörung soll dem Bühnenmitglied Gelegenheit geben, zu den mitgeteilten Gründen für die Nichtverlängerung Stellung zu nehmen und die aus seiner Sicht für die Vertragsverlängerung sprechenden Umstände anzugeben, so dass der Arbeitgeber seine Entscheidung zum Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung unter Berücksichtigung der von dem Bühnenmitglied vorgetragenen Gegenargumente überdenken und überprüfen kann (vgl. - Rn. 53, BAGE 161, 179; - 7 AZR 665/11 - Rn. 45, BAGE 145, 142). Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn sichergestellt ist, dass das Bühnenmitglied in der Anhörung hinsichtlich der genauen Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerungsmitteilung keinen Zweifeln unterliegt. Der zweckgebotenen Eindeutigkeit und Unmissverständlichkeit genügt die Darstellung der Gründe durch eine Bezugnahme auf mündliche Gespräche, die vor Beginn des förmlichen Anhörungsverfahrens stattfanden, nicht. Die Einladung des Solomitglieds zur Anhörung, die nach § 61 Abs. 4 Satz 2 NV Bühne schriftlich und fünf Tage vor der Anhörung zu erfolgen hat, markiert den Beginn des Anhörungsverfahrens. Dem Bühnenmitglied ist förmlich und mit einem zeitlichen Mindestabstand zum Anhörungstermin zur Kenntnis zu geben, dass nun der Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung droht. Frühestens mit Zugang der Ladung zur Anhörung ist sichergestellt, dass das Bühnenmitglied etwaigen vom Arbeitgeber benannten Gründen für eine auszusprechende Nichtverlängerungsmitteilung die nötige Ernsthaftigkeit zuerkennt. Mündlichen Ausführungen des Arbeitgebers in Gesprächen vor Beginn des förmlichen Anhörungsverfahrens hingegen muss das Bühnenmitglied noch keine ernsthafte Relevanz für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses beimessen. Vielmehr besteht in dieser Situation bei generalisierender Betrachtung die Gefahr, dass dem Bühnenmitglied Inhalte von Äußerungen des Arbeitgebers bei der späteren Anhörung nicht mehr derart präsent sind, dass es ihm möglich wäre, hierauf einzugehen. Auch wäre das Bühnenmitglied dann darauf angewiesen, gleichsam auf Verdacht Argumente gegen die Nichtverlängerung seines Arbeitsvertrags vorzutragen, die aus Sicht des Arbeitgebers diese ggf. gar nicht - oder nicht ausschlaggebend - tragen sollen.
23(3) Hinzu kommt, dass die Tarifvertragsparteien auf die Festlegung materieller Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung verzichtet haben. Die Nichtverlängerungsmitteilung ist demnach nicht darauf zu überprüfen, ob sie durch das Vorliegen objektiver Gründe gerechtfertigt ist. Der Sicherung des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes dient allein die tarifvertraglich vorgeschriebene Anhörung. Dieser formelle, in der Notwendigkeit eines Gesprächs bestehende Schutz darf nicht dadurch entwertet werden, dass sich der Entscheidungsträger einer direkten inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem betroffenen Arbeitnehmer entzieht. Nur dann, wenn der Arbeitgeber gezwungen wird, im Rahmen der Anhörung die Gründe für seine Entscheidung dem Bühnenmitglied im Einzelnen offenzulegen, wird er wirklich veranlasst sein, seine Entscheidung unter Berücksichtigung der vom Bühnenmitglied vorgetragenen Gegenargumente zu überdenken bzw. zu überprüfen ( - Rn. 45, BAGE 145, 142; - 2 AZR 233/81 - zu III 4 der Gründe, BAGE 39, 1). Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem anzuhörenden Bühnenmitglied durch die entscheidungsbefugte Person des Arbeitgebers ist nur gewährleistet, wenn dessen Darstellung der Gründe in der Anhörung mit der erforderlichen inhaltlichen Klarheit erfolgt.
24(4) Dieses Verständnis der tarifvertraglichen Anhörungsverpflichtung des Arbeitgebers wird durch normsystematische Erwägungen gestützt. Das Bühnenmitglied hat das Recht, zu der Anhörung eine Person seines Vertrauens hinzuzuziehen, soweit durch deren Teilnahme der Zweck des Gesprächs nicht gefährdet wird bzw. berechtigte Interessen des Arbeitgebers nicht entgegenstehen (vgl. - Rn. 46, BAGE 145, 142). Dieser Anspruch bedingt es, dass der Arbeitgeber hinsichtlich der Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung im Anhörungstermin nicht allein auf vorherige, außerhalb des förmlichen Anhörungsverfahrens mit dem Bühnenmitglied geführte Gespräche Bezug nehmen kann. Anderenfalls ergäbe sich für die Vertrauensperson nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit, über welche Nichtverlängerungsgründe überhaupt gesprochen wird, was dem Zweck des Hinzuziehungsanspruchs - dem Ausgleich einer potentiellen Unterlegenheit des Bühnenmitglieds in einer den Bestand seines Arbeitsverhältnisses anbelangenden Gesprächssituation (vgl. - aaO) - nicht gerecht würde. Dieses Defizit ließe sich auch nicht dadurch ausgleichen, dass ggf. das Bühnenmitglied der hinzugezogenen Vertrauensperson (mögliche) Gründe, die der Arbeitgeber in vorangegangenen Gesprächen angeführt hat, schildern kann. Denn das Bühnenmitglied hat vor dem förmlichen Anhörungsverfahren im Allgemeinen keine Veranlassung, Ausführungen des Arbeitgebers als solche zu verstehen, die die Verlängerung des Arbeitsvertrags in Frage stellen. Entsprechend soll nach der tarifvertraglichen Regelvorstellung die Mitteilung der Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung gerade im Anhörungstermin - und damit in Anwesenheit der Vertrauensperson - erfolgen.
25(5) Der von der Revision angeführte Verweis auf die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG vor einer Kündigung verfängt nicht.
26(a) Zwar kann der Arbeitgeber seiner Pflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG - den Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören und ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen - dadurch genügen, dass er auf Kündigungsgründe Bezug nimmt, über die er den Betriebsrat bereits vor Beginn des Anhörungsverfahrens erschöpfend unterrichtet hat (so - zu III 1 der Gründe, BAGE 73, 151). Diese Wertung ist aber nicht auf § 61 Abs. 4 NV Bühne übertragbar. Anders als bei dem formfreien Beteiligungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG, in dem der Betriebsrat als Gremium fristgebunden durch Beschlussfassung über seine Stellungnahme zu einer beabsichtigten Kündigung unter Vorgabe der in § 102 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG geregelten Reaktionsmöglichkeiten entscheidet, erfolgt die Anhörung des Bühnenmitglieds nach § 61 Abs. 4 NV Bühne vor Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung im Rahmen eines persönlichen Gesprächs. Dieses soll dem Bühnenmitglied eine argumentative Auseinandersetzung mit den Beweggründen des Arbeitgebers ermöglichen, um die Nichtverlängerungsmitteilung ggf. abzuwenden. Eine unmittelbare Darstellung der Gründe für die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsvertrags in der Aussprachesituation ist daher prinzipiell unverzichtbar. Sie erschöpfte sich nur dann in einer unnötigen Förmelei, wenn bei generalisierender Betrachtung eine Unsicherheit der Gesprächsteilnehmer über die vom Arbeitgeber angeführten Gründe für den Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung ebenso ausgeschlossen ist wie die Gefahr, dass sich der Arbeitgeber im Anhörungsgespräch einer direkten Aussprache mit dem betroffenen Bühnenmitglied entzieht. Eine solche Konstellation liegt bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber im Anhörungsgespräch lediglich pauschal auf Inhalte von Gesprächen Bezug nimmt, die vor Beginn des förmlichen Anhörungsverfahrens geführt wurden.
27(b) Eine Parallelwertung von § 102 Abs. 1 BetrVG und § 61 Abs. 4 NV Bühne ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb angezeigt, weil der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts bei der Auslegung der Anhörungspflicht der mit § 61 Abs. 4 NV Bühne vergleichbaren Regelung in § 2 Abs. 5 des Tarifvertrags über die Mitteilungspflicht vom neben anderen Gesichtspunkten den „Grundsatz der Systemkonformität“ - im Sinn einer wortgleichen Verwendung des Ausdrucks „zu hören“ sowohl in der Tarifregelung als auch in § 102 Abs. 1 BetrVG (bzw. § 66 Abs. 1 BetrVG 1952) - herangezogen hat (vgl. - zu III 3 der Gründe, BAGE 39, 1; - 2 AZR 111/85 - zu IV 3 der Gründe). Dieser Auslegungsaspekt betraf die Frage, ob im Rahmen der Anhörung des Bühnenmitglieds überhaupt eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung anzugeben. Auch nach dieser Rechtsprechung ist jedoch das Anhörungsrecht des Bühnenmitglieds nach § 61 Abs. 4 NV Bühne und das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht in allen Einzelheiten identisch ausgestaltet.
28bb) Hiernach war die am durchgeführte Anhörung des Beklagten bereits unter Zugrundelegung des Vorbringens der Klägerin nicht ordnungsgemäß. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin dem Beklagten im Anhörungsgespräch die Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerung nicht mitgeteilt. Unterstellte man ihr Vorbringen als zutreffend, der Intendant habe das Anhörungsgespräch am mit den Worten eingeleitet „Die Sicht des Theaters ist dargestellt“ und damit dem Beklagten die Möglichkeit gegeben, zu Gründen Stellung zu nehmen, die diesem insbesondere in den beiden am geführten Gesprächen mitgeteilt worden seien, wäre die Anhörung nicht ordnungsgemäß. Im Zeitpunkt dieser Vorgespräche hatte das förmliche Anhörungsverfahren noch nicht begonnen. Der Beklagte war erst mit Schreiben vom zum Anhörungsgespräch eingeladen worden. Der Streitfall verlangt keine abschließende Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall die Angabe der Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung durch eine Bezugnahme auf vorherige Ausführungen - etwa in der Ladung zur Anhörung - ausreichen kann.
29III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:211222.U.7AZR448.21.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 818 Nr. 14
KAAAJ-36033